Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das Abenteuer mit den drei Fischen

Wer kennt nicht die Schicksale Achmet Ben-Alis? Wer hätte nie von ihnen gelesen in der Erzählung der Prinzessin Scheherezade? Aber nicht jedermann weiß, daß er in den letzten Jahren seines Lebens Abenteuer zu bestehen hatte, die noch viel merkwürdiger waren als alles Vorige und die wir hier erzählen wollten.

Als Ben-Ali, wie wir wissen, durch die Freigebigkeit des Derwisch in großen Wohlstand geraten war, tat er, was alle Leute zu tun pflegen, denen plötzlich ein hinreichendes Stück Geld in den Schoß fällt, das heißt, er ließ sich's wohl sein, kaufte ein großes Haus auf einem der schönsten Plätze in Bagdad, hielt offene Tafel und nahm noch dazu drei Tänzerinnen an, die von bewundernswerter Schönheit waren.

Alle diese Dinge lassen sich aber nicht wohl verheimlichen; eine Zeitlang sahen seine Neider, deren sich viele fanden, diese Anstalten ruhig an, in der Hoffnung, daß die Quelle der Üppigkeit bald von selbst versiegen werde. Als sie ihnen aber zu lange fortsprudelte, legten sie Hand ans Werk, und der Himmel weiß, wie es geschah, an einem schönen Morgen gehörte dem ehrlichen Ben-Ali von seinem prächtigen Haus und allem, was darin war, nicht so viel als ein rostiger Nagel Wert hat. Die Tafel verschwand, und was das Übelste war, die drei Tänzerinnen wanderten in den Harem des Kadis, von wo sie nie wieder zurückkehrten.

Man muß sehr viel philosophischen Sinn haben, um dergleichen ruhig zu ertragen. Achmet Ben-Ali war kein junger Bursche mehr, es ward ihm sauer, wieder das zu sein, was er früher war, das heißt ein ehrlicher Fischer, der ein paarmal täglich vergebens seine Netz auswirft und endlich zufrieden sein muß, wenn ein magerer Gewinn ihm sein kümmerliches Leben fristet. Indessen blieb nichts anderes zu tun übrig.

So ging er dann eines Morgens, schwer mit seinem Netze und seinem Kummer beladen, an den Fluß. Seine Gedanken hatten wieder den verwünschten Weg genommen und stellten ihm dar, welch ein vornehmer Mann er noch vor wenigen Monden gewesen und wie er es noch sein könnte, wenn es nicht in der Welt elende Schurken gäbe, die Häuser rauben, und Spitzbuben von Kadis, die an fremden Tänzerinnen Gefallen fänden. In der übelsten Laune warf er die Netze aus. Es währte nicht lange, so zappelte etwas darin, und zwar so ungestüm, daß das Wasser oben sich kräuselte. Der ehrliche Ali ließ seine bösen Grillen fahren und zog mit allen Kräften, denn das Netz war über alles Maß schwer. Im Ziehen gingen ihm in Blitzesgeschwindigkeit alle die tollen Geschichten durch den Kopf, von denen niemand in ganz Bagdad einen solchen Reichtum hatte als Ali. War es vielleicht das Armband der Königin Balkis, das einst böse Geister ihr abzogen und in den Tigris warfen, oder der Schatz der vierzig Wesire oder Aladins Wunderlampe? Oder waren es die verwünschten Pantoffel des Abu-Kasem, die so viel Lärm in der Welt gemacht haben? Was war es, was da zappelte und von dem guten Ali mit so viel Anstrengung aus dem Wasser gezogen wurde? Ach, nichts mehr als drei ganz gewöhnliche Fische! Achmet Ben-Ali sah sie mit verächtlichem Blicke an, als sie vor ihm auf dem Sande lagen, und nicht viel fehlte, so hätte er sie wieder ins Wasser zurückgeschickt. Die Fische rührten sich und machten kleine Sprünge, um sich wieder in den Fluß zurückzuschnellen. Als dieses nicht gelingen wollte, hob plötzlich einer, und zwar der größte, den Kopf in die Höhe und rief: »Guten Morgen, Achmet Ben-Ali, wie geht's?«

»Ich danke Euch, Herr, gut. Ich meine, Ihr befindet Euch ebenfalls wohl?«

»Nicht zum besten, Ali«, rief der Fisch, »ich dächte, du ließest uns wieder ins Wasser.«

»Nein, Herr, daraus wird nichts.«

»Ich dächte doch, Ali«, sagte der Fisch. »Wir sind ehrliche Leute und verlangen nichts umsonst.«

»O du Großmaul!« dachte Ali bei sich, »ein Kerl, der den ganzen Tag nichts als Wasser schluckt, will den vornehmen Herrn spielen? Und wenn ich Euch freilasse«, setzte er hinzu mit ehrerbietigem Tone, und indem er sich gegen den Fisch verneigte, »wieviel Dublonen wollt Ihr mir dafür geben, Herr?«

»Wir tragen keine Dublonen bei uns«, war die Antwort, »aber wir wollen dich reich, glücklich und angesehen machen durch eine magische Gabe, die wir dir verehren.«

»Allah!« schrie Ali, »da könnte ich ja wohl wieder auf den grünen Zweig kommen! Und ich will verdammt sein, wenn ich diesmal mich nicht besser darauf zu erhalten weiß. Sprecht, ihr Schelme, was wollt ihr mir geben, wenn ich euch freilasse?«

Die Fische taten sich zusammen, indem sie ihre Köpfe aneinanderhielten, gleichsam als zischelten sie sich etwas ins Ohr; darauf machte jeder eine Bewegung, als streifte er etwas vom Leibe. Dann sagte der Wortführer: »Hier hast du unser Geschenk!«

»Bei meinem Barte!« rief Ali, »ich sehe nichts.«

»Hier auf dem Sande liegt es!« rief der Fisch mit etwas ungeduldiger Stimme.

»Drei elende Fischschuppen.«

»Sie sind dein, Ali! Bewahre sie wohl. Wenn du in große Gefahr gerätst, so hast du nur nötig, eine Schuppe vor dich hin in die Luft zu blasen, und du wirst gerettet sein.«

»Ihr scherzt wohl, Herr?«

»Tue, wie wir dir sagen, und jetzt laß uns ins Wasser zurück, es ist die höchste Zeit.«

»Noch nicht«, rief Ali, »bevor Ihr mir sagt, wie ich zum Glücke kommen soll. Jene Gaben sind zu weiter nichts nütze, als mich vor Unglück zu wahren.«

»Du bist ein sehr schlechter Philosoph!« sagte der Fisch verdrießlich.

»Herr, werdet nicht böse«, bat Ali.

»Nun, so höre«, rief jener, »jenes dort sind die Gärten des Sultans, die läßt du links liegen und gehst geradezu auf die Moschee los, dort am äußersten Minarett wird dir, wenn der Ausrufer das vierte Taggebet absingt, ein Mann begegnen, der dir einen Vorschlag machen wird, in den du ohne weitere Bedenklichkeiten einwilligen mußt, um dein Glück zu machen. Hast du verstanden?«

»Ja, Herr, aber ...«

»Was aber?« schrie der Fisch, »siehst du Narr denn nicht, daß ich kaum mehr schnaufen kann? Zum Teufel! Mache, daß ich ins Wasser komme, oder mein und dein Glück sind beide auf immer verloren.«

Der erschreckte Ali ließ die drei Fische schleunigst ins Wasser und sah ihnen nach, wie sie anfangs zögernd und dann sehr lustig davonschwammen. Bald waren die Fische fort, und das Netz war leer. Ali nahm kopfschüttelnd die drei Schuppen vom Boden, nestelte ein Ende seines Musselinturbans auf, wickelte sie vorsichtig hinein, nahm seine Netze wieder auf den Rücken und wanderte nach Hause. Im Gehen dachte er ernstlich daran, ob die Fische vielleicht der Prinz Agibab mit seinen beiden Brüdern oder ob es die bezauberten Untertanen des Königs der schwarzen Inseln seien. Er konnte hierüber trotz seines angestrengten Sinnens nicht einig werden.

Als die Stunde zum vierten Gebet nahte, machte er sich auf den Weg zu der großen Moschee. Er hatte sich, weil sein Schicksal hier entschieden werden sollte, so stattlich als es ihm nur möglich war, gekleidet. Eine gelbe Jacke, weite rote Beinkleider, ein Paar gestickte, aber zerrissene Pantoffeln und an der Seite im Gürtel ein altes Gartenmesser, das die Stelle des kostbaren Dolches vertreten mußte. So herausgeputzt, wandelte er auf dem großen Platze vor der Moschee unter den zahllosen Menschen, die teils zum Gebet, teils zu ihren Geschäften sich versammelten, auf und ab. Niemand achtete seiner, und er hatte vollkommen Muße, sich die Vorübergehenden anzusehen, um den herauszufinden, von welchem er sein Glück erwarten sollte. Doch sie gingen ihrer Wege, und als der Ausrufer seine Stimme erhob, um das vierte Tagesgebet herzusagen, war der ganze Platz leer und wie ausgestorben. Es ging schon stark gegen den Abend und Ali fing an, ungeduldig zu werden. Da richtete er seinen Blick auf einen Bettler, der am Boden saß und seine Krücken neben sich liegen hatte. Er schien äußerst schwach und dem Sterben nahe. Kaum hatten jedoch seine dunklen Augen Ali eine Weile betrachtet, als er plötzlich, ohne die Krücken zu brauchen, aufsprang, sich vorsichtig ringsherum sah und dann mit Kraft Alis Arm ergriff und ihn beiseite zog, indem er ihm die heftigen Worte zuflüsterte: »Wer Ihr auch sein mögt, Freund, wollt Ihr fünfzig Zechinen verdienen, die ich für Euch in der Tasche habe?«

Ali prüfte mit einem staunenden Blick den Bettler, der eben aus seinen Lumpen einen vollen Beutel mit Goldstücken emporzog. Er konnte noch nicht Zeit finden, ihm zu antworten, als er den Beutel schon in seinen Händen und sich zugleich vom kräftigen Manne in den Schatten einiger Mandel- und Olivenbäume gezogen fühlte, die den Seiteneingang zur Moschee bildeten. In demselben Augenblick erschien eine Frauensänfte, von einigen schwarzen Bewaffneten begleitet. Der Bettler packte wieder den Arm seines Begleiters, indem er ihm zurief: »Jetzt gilt's! Seht Ihr da die Sänfte? In ihr sitzt eine schöne Frau, wir müssen sie rauben und ohne großen Lärm die schwarze Wache niederstechen. Kommt, betragt Euch klug und mutig.«

Dem armen Ali ward übel zumute. Er vergaß, was ihm die verzauberten Fische geraten hatten, und indem er sich mühte, von der Faust des Bettlers sich loszuwinden, rief er einmal übers andere: »Ich kenne Euch nicht – macht Eure Sache selbst aus! – Die Favorite des Pascha – Allah soll mich bewahren!«

»Hund, der du bist!« schrie der andere, »du tust, was ich dir gebiete, oder mein Messer sitzt in deiner Kehle.« Er zog hier einen von Diamanten blitzenden Dolch aus seinen Lumpen hervor und brachte diese kostbare Waffe an den Hals des armen Achmet, der plötzlich jetzt Mut genug empfand, es mit dem Teufel selbst aufzunehmen. Beide stürzten sich jetzt aus ihrem Hinterhalt auf die Sänfte, ein Teil der Schwarzen fiel von den wütenden Stößen des Bettlers, ein anderer ergriff feige die Flucht und verbarg sich in der Moschee. Hinter den zerrissenen seidenen Vorhängen der Sänfte ward ein junges Weib von besonderer Schönheit sichtbar, die mit einem Ausdruck des Entzückens dem Bettler in die Arme sank, sich von ihm in ein nahes Gehölz tragen ließ und dort ein für sie bereitstehendes Pferd bestieg. Auf zweien andern nahmen Achmet und der Bettler Platz, und pfeilschnell sprengte der kleine Zug durch einen Teil des Abends und der Nacht, bis man die Meeresküste erreichte, wo eine Barke in einer Bucht vor Anker lag, in die man sich einschiffte. Dieses alles war so schnell gegangen, daß der gute Achmet zu träumen glaubte.

Auf dem Schiffe selbst fand sich schon mehr Zeit zu überlegen. Der verkleidete Bettler mochte sich jetzt so ziemlich für gesichert halten. Er streifte alsbald seine Lumpen vom Leibe und erschien in einer prächtigen, kostbaren Tracht, indem er den zahllosen Sklaven auf dem Schiffe seine Befehle erteilte und Achmet zu seinen schon erhaltenen Zechinen noch fünfzig zuzahlen ließ. Dieser war ganz glücklich. Er überzählte ruhig sein Geld und kümmerte sich wenig darüber, daß ihm einer der Schiffsleute zuflüsterte, der Herr des Schiffes sei ein kecker Pirat, der dem Sultan seine einzige Tochter geraubt habe und auf dessen Kopf ein hoher Preis stehe. Die Barke segelte mit gutem Winde so geschwind, daß an kein Nachsetzen zu denken war. Nach einigen Tagen jedoch setzte der Wind um und verwandelte sich alsbald in den fürchterlichsten Orkan, den man je erlebt hatte. Die ganze Mannschaft, obgleich sie aus kecken, geübten Burschen bestand, gab die Hoffnung auf und erklärte den Schiffbruch für unvermeidlich. Achmet war der erste, der den Kopf gänzlich verlor und nicht wußte, was nun zu machen sei. Er dachte hin und her, welche Fee oder welcher Zauberer dieses Unwetter könne angestiftet haben, und bei diesen scharfsinnigen Untersuchungen ging das Schiff unter. Ein fürchterliches Krachen entstand, als die Bretter und Balken voneinanderwichen, um dem Wasser Platz zu machen, dazu das Geheul der Mannschaft, das Zerreißen der Segel und das Gebrause der Wellen, die sich so heißhungrig über ihre Beute stürzten, als hätten sie monatelang gefastet.

In diesem Mißgeschick suchten die Beherztesten und Frechsten, indem sie ihre Kameraden fortdrängten und ins Wasser stießen, das Boot zu erreichen, aber ihrer waren dennoch so viele, daß das kleine Fahrzeug überladen wurde und untersank. Achmet erhielt sich mühsam auf einem Brette. Seine Kleider waren durchnäßt, und der Turban hing ihm halb aufgelöst um den Kopf. Der Zufall wollte, daß jener Zipfel, in dem die magischen Fischschuppen eingehüllt waren, ihm gerade auf die Nase fiel und ihn dadurch zum vollen Bewußtsein seiner Lage brachte. Mit Hast griff er nach dem Knoten, löste ihn, nahm eine der Schuppen hervor und blies sie in die Luft, gerade in dem Moment, als das morsche Brett unter ihm zusammenbrach und er in die empörten Wellen hinabglitt. Welch ein Wunder zeigte sich da. Die niedlichste Gondel von der Welt, mit Segel und seidnen Gehängen so schön aufgeputzt, als hätte der Sultan darin Platz nehmen sollen, befand sich im Nu unter den zitternden Gebeinen des armen Ali. Er sah sich, er wußte nicht wie, ausgestreckt auf seidenen Polstern, neben sich eine Pfeife mit dem allerfeinsten goldgelben Tabak, noch rauchend, als hätte sie eben der frühere Besitzer aus dem Mund getan. Vor ihm auf einem festen Marmortischchen schwankte leise in einer milchweißen Bechertasse das dunkelgoldbraune Naß des duftendsten Mokka-Kaffees. Gewiß eine angenehme Überraschung für einen armen Schelm, der sich eben gefaßt gemacht hatte, an einem Schluck faulichten Seewassers zu ersticken. Ali ließ sich nicht bitten, so naß wie er war, tat einige derbe Züge aus der Tasse und nahm dann das köstliche Rohr zwischen die Lippen, indem er wollüstig den heißen Dampf heraussog und ihn in prächtigen Nebelringen an die seidene Decke des Baldachins emporblies. Auf diese Weise beschäftigt, kümmerte er sich um den ganzen Schiffbruch weiter nicht.

Wenn die Geister sich einmal damit abgeben, Schiffe auszustatten und Zimmer geschmackvoll einzurichten, so muß man ihnen den Ruhm lassen, daß sie es weit besser verstehen als wir. Leider geben sie sich nur viel zu selten damit ab. Alis Gondel war ein Beweis, was sie in diesem Fache zu leisten imstande waren. Obgleich sie in unglaublich kurzer Zeit entstanden war, so fehlte ihr doch nichts, was man nur irgend in dem Prunkzimmer eines orientalischen Großen erwarten kann; und alles dieses in einen kleinen Raum gedrängt und auf die bewegliche glatte Welle des Ozeans gesetzt, der es, ganz verändert von seinem vorigen Ungestüm, in eine kaum bemerkliche sanfte Bewegung setzte, gleich geeignet, ein poetisches Nachdenken wie einen süßen Schlummer hervorzurufen.

Als Ali seine Kleider gewechselt und einen prächtigen goldgestickten Kaftan angezogen hatte, warf er sich von neuem auf die Polster, schlug die seidenen Vorhänge zurück und schaute auf die Stelle, wo seine Kameraden untergingen, von denen noch einige aus den Wellen auftauchten und vergeblich sich zu erhalten strebten. Bald war das Meer völlig ruhig, und so weit er auch ausschaute, sah er nichts als den unendlichen glatten Spiegel, dem der wolkenlose Himmel eine klare blaue Farbe mitteilte. Näher an seiner Gondel ergötzte er sich an dem Widerschein der bunten Farben, die die Teppiche, die goldenen Gefäße im Zelte sowie die prächtigen Stoffe des Baldachins bildeten. – So schwamm er in der Einsamkeit dahin, ohne daß ein Laut in seiner Nähe rege wurde. Eine Stunde nach der andern verging, die Sonne, die anfangs gerade über dem Baldachin gestanden, sah jetzt seitwärts in hellen Streiflichtern durch die Vorhänge. Bald schwamm sie wie eine zitternde brennend rote Flüssigkeit über dem jetzt milchweißen Wasser, und endlich sog sie ein duftiger Nebel ein, der über die unabsehbare Wasserwelt aufstieg und die Nähe der Nacht verkündete.

War es früher schon stille, so wurde es jetzt noch einsamer. Die Gondel behielt ihren geheimnisvollen leisen Gang. Sie glitt durch die Massen von Nebel hindurch, die sich oft in seltsamen Gestalten zusammenstellten, oft Häuser und lange Straßen bildeten, oft riesenhohe Gruppen von Figuren, die miteinander zu wandeln und zu sprechen schienen. Das Meer erschien wie ein belebter ungeheurer Saal, dessen Kuppel der Himmel mit seinen zahllosen Sternen bildete. Den guten Ali packte ein Schauer, er zog die Vorhänge seiner Gondel eng zusammen, hüllte sich in seinen Kaftan, und indem er sich zugleich tief in die Polster seines Sitzes eingrub, verfiel er bald in einen sanften Schlaf.

Am Morgen weckte ihn das leise Plätschern der Wellen an die Wände der Gondel. Wieder stand vor ihm die schwankende Tasse Kaffee und die lange Pfeife. Er öffnete schnell die Vorhänge und wieder war nichts zu sehen als das weite unbegrenzte Meer. So gingen fünf Monde dahin, ohne daß sich nur das mindeste in der Umgebung geändert hätte. Jetzt fing Achmet ernstlicher an, seine Lage zu überdenken. Die Speisekammer der Geister schien unerschöpflich, Hunger und Durst brauchte er also nicht zu fürchten, ebensowenig, daß die Stürme seiner Gondel etwas anhaben könnten, aber sollte er ewig in der Einsamkeit so umherschwimmen? Seine Jahre beschließen in diesem prächtigen schwimmenden Käfig? In dieser peinigenden Vorstellung fiel ihm ein, von den noch zwei übrigen Schuppen Gebrauch zu machen, allein, wie er eben daran war, den Knoten zu lösen, besann er sich, daß ihn die Zaubergabe nur in Gefahr schützen könnte und daß er sich ja in großem Glücke und Überflusse befände. Der Spott, der in dieser Überzeugung zu liegen schien, brachte ihn dergestalt in Zorn, daß er in die heftigsten Verwünschungen gegen die drei Fische ausbrach.

»Ihr elenden Großsprecher!« rief er, »ist das das Glück, das ihr mir zugesichert habt? Oh, ihr nichtswürdigen Schelme, hätte ich euch doch nicht vertraut! Seht doch, darf ein liederlicher Fisch so mit einem ehrlichen Manne umspringen? Was nutzt mir hier euer elendes Gold und Silber? Da, nehmt es und bewahrt es in eurer Teufelsküche, wo ihr es hergenommen habt!«

Mit diesen Worten warf er heftig alle goldenen und silbernen Geschirre über Bord und sah mit einem boshaften Lächeln sie in den Abgrund des Meeres versinken. Als dieses geschehen war, warf er sich erschöpft nieder und seufzte: »Ach, wenn ich doch jetzt eine meiner Tänzerinnen hier hätte, doch, was sag ich, der niedrigste Sklave wäre mir willkommen, ja, ich könnte glückselig sein, wenn ich auch nur in die Gesellschaft elender Affen käme!«

Kaum hatte er diesen Seufzer ausgesprochen, als sein Auge, das immerdar begierig umherspähte, ein Schiff entdeckte, welches in nicht geringer Entfernung mit gespannten Segeln gerade auf seine Gondel zusteuerte.

Wer war froher als Achmet, er zupfte sogleich seinen Kaftan zurecht, schob seinen Turban gerade und machte sich bereit, nach so langer Einsamkeit wieder in menschlicher Gesellschaft zu erscheinen. Allein, welch eine seltsame Gesellschaft mochte die sein, welche sich auf dem Verdeck des Schiffes herumtrieb? Wahrlich, wenn das Auge nicht trügt, so tragen die Leute dort oben Pelze, die ihnen auf den Leib gewachsen sind, dazu haben sie lange haarige Schweife, mit denen sie sich an die Taue und Masten anhängen und in der Luft schaukelnd erhalten können, und Gesichter, die – nein, es ist kein Zweifel, es ist ein Schiff, gänzlich über und über mit Affen bemannt. Hat man je dergleichen gesehen? – Affen, nichts als Affen! Die boshaften Geister hatten in der Tat den armen Achmet am Wort genommen. Wie liefen die Gesellen zusammen auf dem Verdeck, wie fochten die haarigen Arme in der Luft, wie boshaft blitzten die kleinen Augen und wie fürchterlich verzogen sich die Mäuler, um ein Geschrei auszustoßen, wovon das Schiff erbebte. Da hockten sie alle in langer Reihe, und jeder zog an dem Seil, mit dem sie die Gondel geentert hatten. Ali stieg fluchend die Treppe hinauf.

Oben angelangt, brachten ihn die Bestien vor einen großen gelbbraunen brasilianischen Affen, mit einem ellenlangen Backenbarte geziert, der sich Kapitän des Schiffes nennen ließ und dem Ankömmling ein boshaftes Gesicht zuschnitt.

»Guten Morgen, Ali!« rief er, »wie geht's dir?«

»Ich danke Eurer Herrlichkeit«, entgegnete Achmet, »ganz wohl. Ich will hoffen, daß Ihr Euch ebenfalls wohl befindet.«

»Ich muß dir ankündigen, Ali«, sagte der Affe, »daß du täglich zwanzig Stockprügel bekommen wirst. Das wird fürs erste genug sein. Dann mußt du zweimal am Tage den ganzen Schiffraum von oben bis unten scheuern. Und das alles nicht mehr wie billig. Warum unterstehst du dich, auf dem Meere herumzufahren, und noch dazu in einer so prachtvollen Gondel.«

»Aber Herr –«

»Gut, Ali!« rief der Affe, indem er dreimal in die Hände klatschte, »ich sehe, du willst von den zwanzig Stockprügeln gleich einige auf Abschlag nehmen. Du sollst sie haben.«

Bei diesen Worten erschienen vier handfeste Affen von einer abscheulichen Größe, zogen Achmet den Kaftan aus, banden ihn an den Mast und schlugen tüchtig auf ihn los. Die übrigen stampften mit Händen und Füßen, indem sie wie toll vor Freude schienen. Als Alis Rücken von den Schlägen ziemlich wund war, kamen ein paar andere, rieben ihn mit Sand und Meerwasser ein und spritzten ihm eben solches in die Augen. Nachdem dies geschehen war, sagte der Kapitän:

»Jetzt, Ali, zweifle ich nicht, daß du dich sehr wohl befindest. Es wird nun Zeit sein, daß du an die Arbeit gehst.«

Der arme Bursche, der mit zerfetztem Rücken und halbblind weder gehen noch stehen konnte, wurde in den untersten Schiffsraum geworfen. Hier gab man ihm einen Schiffsbesen in die Hand, und er mußte wohl oder übel scheuern. Von Zeit zu Zeit kam eine kleine graue Meerkatze, und indem sie ihm ein Stück schimmeligen Zwiebacks und eine Schale fauligen Wassers hinsetzte, sah sie nach, daß es mit der Arbeit vorwärtsging. Sie machte ihm sogar Komplimente über sein Äußeres, indem sie hinzusetzte: »Seid versichert, sowie es mit Euren Wunden besser geht, wird man gleich Euch die versprochenen Stockprügel, die noch rückständig, auszahlen.«

Und so geschah es auch. Die Affen führten ein ganz verwünscht strenges Regiment auf dem Schiffe. Acht Tage hindurch mußte Ali das Schiff scheuern und Stockprügel ertragen. Dazu erlaubten sich die Affen jeden nur erdenklichen Schimpf gegen ihn, wenig fehlte, so hätten sie ihn zu Tode geplagt. Am neunten Tage machte er eine seltsame Entdeckung. Als bei einer völligen Windstille die ganze Mannschaft schlief, gelangte er zufällig an einen wohlverwahrten Raum im Innern, aus dem, kaum hörbar, Stimmen von Gesang hervortönten. Er legte sein Ohr an die Bretterwand, er suchte eine Öffnung fürs Auge, beides lange vergeblich. Endlich fiel auf einen Druck seines Fußes ein kleines Gitterfenster nieder, und schnell fuhr Alis Kopf hindurch. Allah! Was sah er da? – Der ganze Raum steckte voll der allerhübschesten Mädchen, die man sich denken kann, Kopf an Kopf eng zusammengedrängt. Einige lagen auf den Polstern, die rund an den Wänden sich hinzogen, andere standen mit wehmütiger Miene da, wieder andere sangen und spielten. Es war ein Anblick, um einem ehrlichen Mann den Kopf zu verwirren, so viele schöne Augen, schlanke Leiber, reizende Gesichter auf einmal zu sehen, und das tief unten im Schiffsraum.

Kaum hatten die Mädchen Alis Kopf gesehen, als sie alle durcheinander einen hellen Schrei taten. »Ach!« riefen sie, »da kommt der Affen-Kapitän, um uns allen den Hals umzudrehen!« – Mit diesen Worten flüchtete der ganze Haufe eng in einen Winkel zusammen und barg die Köpfe eine hinter der andern, indem sie dazu fortfuhren, einen abscheulichen Lärm zu machen. »Bei Gott«, rief Ali vor sich hin, indem er den Kopf hin- und herwandte und sich bestrebte, soviel als möglich von den Reizen der erschreckten Mädchen zu erspähen, »diese Affen sind gar nicht so einfältig, wie sie aussehen, sie haben sich hier ein ganz allerliebstes Serail angelegt.« Er tat hierauf sein möglichstes, die Mädchen zu besänftigen, die da drohten, ihm die Augen auszukratzen, wenn er nur einen Schritt in ihren Käfig täte. Endlich nach vielen Bemühungen gelang es ihm, sie davon zu überzeugen, daß er ein Mensch wie sie sei.

Die Mutigsten wagten sich jetzt ans Gitter heran, und indem sie die andern nachzogen, fand sich's alsbald, daß der ganze Haufe vor dem Fenster versammelt stand.

»Bei Gott«, rief Ali, »es war nicht fein von euch, mich für einen Affen zu halten.«

»Wenn du wirklich keiner bist«, riefen die Mädchen, »so solltest du uns aus dieser widerwärtigen Gefangenschaft befreien.«

»Ja«, setzte eine andere hinzu, die die schönsten mutwilligsten Augen hatte, »wenn du dich bemühen und ein paar Stufen niedriger steigen wolltest, so fändest du dort den alten Mustapha, der dir alles sagen kann, was zu unserer Rettung nötig ist.«

»Ach!« rief Ali, »was geht mich euer alter Mustapha an? Glaubt ihr, daß ich mit den zwanzig Stockprügeln täglich nicht zufrieden bin und daß mir nach mehr gelüstet? Ich rühre keine Hand in dieser Sache!«

»Du wirst doch wohl, Ali«, rief das Schwarzauge, indem sie eine sanfte weiße Hand zwischen das Gitter durchstreckte und damit schmeichelnd an den Wangen und dem Bart des guten Knaben niederfuhr. »Nicht wahr, du wirst doch wohl?«

»Allah strafe mich, da ich werde«, brummte Ali. »Es ist kein Auskommen mit Mädchen und Affen, außer daß man ihnen den Willen tut.«

Er ließ sich hierauf umständlich beschreiben, wie er den gefangenen Alten finden könne. Die Unterhaltung am Gitter dauerte so lange, bis man die Schläfer oben erwachen und auf dem Schiffe herumpoltern hörte. Es war daher keine Zeit zu verlieren, Ali schloß das Fenster wieder und begab sich an seine Arbeit, indem er darüber nachdachte, was für seltsame Dinge in der Welt vorgehen.

Er grübelte nach, ohne ein Ende zu finden, als die Meerkatze erschien, um ihm sein kärgliches Mahl zu bringen. Sie hielt sich diesmal länger auf wie gewöhnlich, und endlich sagte sie: »Nicht wahr, Ali, du findest, daß ich von Gesicht und Gestalt nicht so übel bin?«

Ali, dem nie ein häßlicheres Geschöpf vorgekommen war, erwiderte mit einer artigen Miene: »Ich finde, Dame, daß Ihr von einer unvergleichlichen Schönheit seid.«

»Ach!« rief die Meerkatze, »so könntest du dich wohl entschließen, mich zu heiraten?«

Ali war so erstaunt über diesen Antrag, daß er nicht gleich wußte, was er antworten sollte. Er scheuerte darum weiter fort und ließ die Meerkatze beiseite stehen. Diese, die sich vorgenommen hatte, die Sache zu Ende zu bringen, fuhr fort mit etwas leiserer Stimme: »Wenn ich mein jungfräuliches Zartgefühl hintansetze und über diese Dinge mit dir spreche, so geschieht es, um dir einen Dienst zu tun. Wir könnten dann das Schiff für uns gewinnen und die verwünschten Affen beiseite schaffen. Denke über diesen Vorschlag nach.«

Nach diesen Worten entfernte sie sich wieder. Das Tagewerk auf dem Schiffe ging seinen Gang fort, und die Affen übten von Stunde zu Stunde eine unleidlichere Tyrannei aus. An einem Abend, als sich alle in starken Getränken etwas zugute getan hatten und daher wieder in tiefem Schlafe lagen, fand Ali Mittel, den alten Mustapha in seinem Gefängnisse aufzusuchen. Er fand einen Greis in elendem Zustande, mit zerzaustem Bart und Fetzen von Kleidern in einem Behälter sitzen, der nicht viel größer war als ein gewöhnlicher Papageienkäfig. Nachdem er ihm den Gruß der gefangenen Mädchen ausgerichtet hatte, fragte der Alte: »Mein Sohn, wie kommst du auf dieses Schiff, das ohne Zweifel der heilige Prophet in seinem Zorn verwünscht hat?«

»Guter Vater«, entgegnete Ali, »meine Geschichte läßt sich in wenig Worte fassen. Wie du deinen Bart verloren, so hat man mich um ein hübsches Haus und um drei niedliche Tänzerinnen gebracht. Darauf hat ein Schurke von Fisch mir alles mögliche Glück versprochen. Ich traute ihm, half, dem Großsultan seine einzige Tochter entfuhren, litt auf einem nichtswürdigen Piratenschiff Schiffbruch, schwamm darauf in einer verzauberten Gondel mehrere Monde herum und ward dann von den Affen hier gefangen, die mir täglich zwanzig Stockprügel geben. Außerdem hat sich noch eine Meerkatze in mich verliebt, die mich zu ehelichen denkt. Da habt Ihr alles.«

»Allah beschütze mich!« rief der Alte, indem er den Kopf schüttelte und die wenigen Barthaare, die ihm noch übriggeblieben, mit den dürren Fingern strich. »Aber auf welche Weise hast du dich aus dem Schiffbruch in die Gondel gerettet?«

»Ihr meint wohl, daß ich zaubern kann?« fragte Ali.

»Es kommt fast darauf heraus«, sagte der Alte. »Wenn das so ist, teilte mir die geheimnisvollen Kräfte mit, es könnte sein, daß wir uns mit ihrer Hilfe alle retten könnten.«

»Wen nennt Ihr alle?«

»Nun, ich, du und die zwanzig Mädchen«, entgegnete Mustapha verdrießlich. »Oder willst du dein Leben lang hier auf dem Schiffe bleiben?«

Ali zeigte jetzt die zwei ihm noch übriggebliebenen Schuppen vor, indem er ihren Gebrauch erklärte. »Aber«, setzte er hinzu, »sie können uns nur retten, wenn wir in einem unzweifelhaften und wirklichen Unglück stecken.«

»Zum Teufel«, schrie der Alte, »nennst du das kein Unglück, wenn einem der Bart ausgerauft wird, man Prügel bekommt und eine Meerkatze sich in einen verliebt? Ich, meines Teils, Ali, weiß nicht, welches von diesen dreien das größte Unglück ist, die Fische werden uns auslachen, wenn wir noch auf größeres warten. Gib her, und laß mich machen.«

Er war hiermit willens, sich der zwei Fischschuppen zu bemächtigen, die Ali jedoch nicht aus der Hand gab. Er behauptete, man müsse sie noch durchaus auf ein entschiedeneres Unglück aufsparen. Der Alte lachte ihn aus. Ali bat ihn, seine Geschichte zu erzählen, doch er erwiderte: »Hierzu, mein Sohn, wird sich immer noch Zeit finden, laß uns jetzt daran denken, wie ich mein Schiff, meine Schätze und mein ganzes Serail aus den Händen der abscheulichen Affen wiederbekomme, denn alle diese Dinge, mußt du wissen, gehören mir als ihrem rechtmäßigen Besitzer. Wenn du drei Tänzerinnen verloren hast, so habe ich deren mehr als zweihundert eingebüßt, die alle ganz vortrefflich tanzten und die jetzt auf dem Boden des Meeres liegen. Die Affen fanden sie nicht schön genug. Diese nichtswürdigen Geschöpfe sind so große Schönheitskenner, daß ihnen kaum der auserlesenste Teil meines Harems, der hier gefangen sitzt, gut genug schien, um erhalten zu werden.«

»Ach!« seufzte Ali, »zweihundert Tänzerinnen! Und alle ins Meer geworfen! Hat man je eine teuflischere Bosheit gesehen? Schon dieses Grundes wegen müssen wir notwendig die Affen vertilgen.«

»Das wollen wir auch«, erwiderte der Alte, »nur müssen wir einen gewissen Angriffsplan machen, sonst scheitert unsere Unternehmung, noch ehe sie recht begonnen wurde.«

»Zum Beispiel, wir drehen allen Affen die Köpfe um«, schrie Ali.

»Ach, das geht nicht«, rief der Alte. »Sie sind tausendmal stärker als wir und könnten uns übles Spiel machen, wenn wir sie mit offener Gewalt angriffen.«

»Also müßten wir zur List unsere Zuflucht nehmen?«

»Das ist auch meine Meinung, Ali. Aber einen listigen Angriffsplan zu machen ist nicht jedermanns Sache, ich wette zum Beispiel, daß sie nicht die deinige ist. Deshalb verlasse dich auf meine Klugheit und Erfahrung und melde fürs erste den Mädchen diesen Auftrag. Ich weiß aus sicherer Quelle, daß die Affen morgen ein großes Fest begehen werden, bei welcher Gelegenheit sie mich und dich ins Meer werfen wollen. Das ist nichts Neues, wir sind ihnen schon lange zur Last, und keiner von denen, die unglücklicherweise auf dieses Schiff geraten sind, hat ein anderes Schicksal gehabt.«

»Mächtiger Prophet!« schrie Ali außer sich. »Aber da sollen mir die Fischschuppen ihre Dienste leisten; denn wer wagt es zu leugnen, daß ersäuft zu werden zu den wirklichen wahrhaftigen Unglücksfällen gehört?«

»Gewiß niemand«, entgegnete der Alte, »aber höre nur aufmerksam meinen Rat an. Ohne Zweifel werden die Affen die Mädchen zu diesem Fest einladen. Sage ihnen, daß sie sich nicht weigern mögen zu erscheinen, und zwar mit den freundlichsten und zärtlichsten Mienen von der Welt. Nebenbei müssen sie jedoch von diesem Fläschchen, das ich dir hier gebe, einige Tropfen jedem Affen in seinen Becher schütten. Der Genuß dieses Mittelchens wird die Unholde alsbald ihrer Besinnung berauben, und dann wird es Zeit sein, daß wir uns zu Herren des Schiffes machen.«

»Wenn wir nicht dann schon im Grunde des Meeres liegen!« rief Ali.

»Freilich wohl, wenn wir dort noch nicht liegen!« entgegnete der Alte mit höhnischer Miene. »Dieser Einwurf zeugt von vieler Klugheit. Nun geh, mein Sohn, und laß mich allein, denn nächst dem Umgang mit Affen scheint mir der deinige am stärksten auf die Geduld zu fallen.«

Als Ali den Alten verlassen hatte, konnte er vor Bekümmernis, Schrecken und Angst keinen Augenblick ruhen. Das Schiff kam ihm wie der gefräßige Rachen eines Ungeheuers vor und er wie zwischen den Zähnen liegend, um zermalmt zu werden. Er drehte das Fläschchen, das er eben erhalten hatte, zwischen den Fingern, und immer wieder fielen ihm die Worte des Alten ins Gedächtnis: »Morgen wird man dich und mich ins Meer werfen.«

Gleichwohl war keine Zeit zu verlieren. Die Mädchen mußten notwendig von der nahen Gefahr für den Alten gewußt haben, sonst hätten sie sich nicht so besorgt um ihn gezeigt. Ali hatte also kaum sein tägliches Geschäft beendet, als er an die bewußte geheime Tür eilte und seinen Auftrag ausrichtete. Sie versprachen zu tun, was man von ihnen verlangte.

Er schwitzte Todesangst, als er es am andern Morgen ärger als gewöhnlich oben poltern hörte. Man hatte ihm seine gewohnten Prügel nicht gegeben, auch war die Meerkatze nicht erschienen, das waren sichere Zeichen, daß es mit ihm zur Neige gehen sollte. Als gegen Abend der Lärm am ärgsten wurde, nahm er seine Fischschuppen in die Hand und stieg leise und unbemerkt aufs Verdeck hinauf.

Die Affen saßen hier an langen Tischen und berauschten sich an herrlichem Wein, und mitten unter ihnen in bunter Reihe die Mädchen. Es war toll genug anzusehen, zwischen den braunen, faltigen, behaarten, großmäuligen, ganz abscheulichen Fratzen die feinsten lächelnden Mädchengesichter, wie unter einem Haufen erdiger Wurzeln ein Dutzend frische Rosenknospen. Und wie sie nickten und wie sie grinsten und wie sie die haarigen Arme um die schönsten Nacken schlugen. Oh, es konnte einem ehrlichen Manne übel werden, so viel ungereimtes Zeug mitanzusehen. Der Mond stand gerade hoch über dem Schiffe, rund umher stille Nacht, weites dunkles Meer und nur die tolle Gesellschaft der berauschten Affen und Mädchen. Da klang es und zischte es und klatschte und wieherte durcheinander. Die vollen Humpen wurden umgeworfen, der rote Wein floß in Strömen herab, die Mädchen schrien, und die Affen schlugen Purzelbäume. Zwei der geschicktesten Kletterer rollten sich mit ihren Schweifen oben an den Seilen fest und schwangen sich mit lodernden Fackeln in den Fäusten in der Luft auf und ab, die andern ergriffen die Mädchen und rasten im wildesten Tanze mit ihnen um den Mastbaum herum, dazu kreischte die lahme Geige Jockos, des Unterbootsmanns, eines alten geschickten Affen, der sich auf die Musik gelegt hatte. Überall Zeter und Gelächter. Nun trat Kristaldo hervor, der Ballettänzer, ein schlanker dünnleibiger Pavian. Alle machten ihm Platz, und er ergriff die braunäugige, weißarmige Fatime. Der Tanz begann. Jocko stimmte seine Geige zu den sanftesten Tönen, daß Fatimes zarte Füßchen ihn accompagnieren konnten. Kaum aber fiel Kristaldo mit seinen Purzelbäumen, mit seinen Luftspringen und Tollheiten ein, so tobte Jockos Geige und quiekte und schnarrte, um das Ohr zu zerreißen. Dann flog Fatimens Schleier, und Kristaldos Schweif rollte sich in Lust, und immer toller stampften und hüpften die Füße durcheinander, bis endlich nach dem tobendsten Kampfe Fatime hoch auf Kristaldos Schultern hockte und er mit ihr davonrannte. Gleich darauf trat die Meerkatze auf. Sie hatte zuviel getrunken und taumelte etwas, dennoch sang sie in den höchsten Tönen eine kleine verliebte Arie, über die das ganze Schiff in ein tolles Gelächter ausbrach. Sie wurde fortgedrängt und eine kleine Truppe Komödianten erschien, ein paar Alte, die sich um ein hübsches Mündel stritten, die sie beide heiraten wollten. Jeder hatte einen vollen schönen Arm des Mädchens, jeder flüsterte ihr Schmeicheleien in das ihm zugekehrte Ohr und so, daß das lächelnde rote frische Gesichtchen zwischen den nußbraunen faltigen Fratzen mitten inne. Ihre dunklen Augen leuchteten im Fackelscheine und flogen bald in den einen, bald in den andern Winkel, indes der laut lachende Mund die schönsten Zähne zeigte.

So trieben es die Affen. Da rief der Kapitän, der oben an der Tafel saß und die hübscheste Tänzerin auf seinen Knien schaukelte: »Nun, ihr Burschen, der Hauptspaß!« – Alis Herz schlug hörbar, als diese Worte erschollen, denn ganz ohne Zweifel waren sie auf ihn gemünzt. Ein paar Spürhunde fanden ihn auf und brachten ihn und den alten Machmut vor den lärmenden Kreis. Hier wurden sie beide zusammen in einen Sack gesteckt, den man mit Steinen beschwert hatte.

»Allah schütze uns!« schrie Ali.

»Sei nur ruhig, du Narr!« rief der Alte, »und gib acht, was kommen wird.«

Unterdes warfen sich die Mädchen über die betrunkenen Affen her, deren keiner mehr seine Besinnung hatte, und stießen ihnen ihre Messer in die Brust. Es gab ein abscheuliches Blutbad. Ein wahrer Knäuel packte sich zusammen, die umgestürzte Tafel, die toten Affen, die silbernen Geschirre und die abgeworfenen Turbane und Schleier der Mädchen durcheinander, ein tolles Schlachtfeld, das der Mond beschien und das das Schiff ganz ruhig durch die Nacht fortführte, als wären es Ballen Baumwolle und Kisten voller Zucker. Man muß gestehen, daß dieses ein höchst auffallendes Abenteuer war. Die beiden Freunde drehten sich in ihrem Sacke um und erwarteten, daß die Mädchen nun zu ihrer Befreiung herbeieilen würden, aber diese nichtswürdige Schar hatte ganz andere Absichten.

Sie rannten auf den Sack zu, schnürten ihn noch fester zusammen und stürzten ihn in das Meer. Das geschah mit einer solchen Geschwindigkeit, daß weder Ali noch der Alte Betrachtungen darüber anstellen konnten. Der erstere war selbst nicht imstande, an seine Zaubergaben zu denken, und beide wären untergegangen, wenn nicht durch den Druck der Hand, in der sie gepreßt waren, die magischen Schuppen von selbst ihre Schuldigkeit getan hätten. Kaum berührte also der Sack die Oberfläche des Meeres, als er auseinanderriß und seinen Inhalt behutsam auf eine einsame Küste niedergleiten ließ, von der früher nichts zu sehen gewesen war.

Ali und der Alte erwachten, als die Sonne ihnen ins Gesicht schien. Sie blickten sich um, und von den Affen, den Mädchen, selbst von dem Schiffe und dem ganzen Spuk der Nacht war durchaus nichts mehr zu sehen, statt dessen erblickte ihr erstauntes Auge eine Ebene vor sich, die mit Bäumen bedeckt war, an denen große weiße Früchte hingen, so groß wie Mühlsteine und so weiß wie frisch gefallener Schnee.

Ali sah sich dieses Wunder an, dann schlug er die Hände zusammen und schrie: »Ach, wir sind gestorben, und büßen nun für unsere Sünden in der Hölle!«

»Schweig, du Narr!« rief der Alte. »Das ist nicht die Hölle, sondern der Himmel, und jenes da sind die goldenen Früchte in silbernen Schalen, von denen jeder Gläubige ein ganzes Dutzend zum Imbiß bekommt.«

»So wünsche ich Euch guten Appetit«, sagte Ali, »ich für mein Teil möchte lieber die Leber meiner drei nichtswürdigen Fische hier haben, um sie zu zerreißen.«

Der Alte zuckte die Achseln und lachte.

Ali raufte sich den Bart und zerrte an seinem Kaftan. »Wo sind nun die Schätze, die sie mir versprochen haben?« schrie er. »Bis jetzt habe ich noch nichts bekommen als Prügel, ich habe noch nichts erlebt als Schiffbruch, man hat mir noch keine andere Freundlichkeit erwiesen, als mich in einen Sack zu stecken und ins Meer zu werfen.«

»Vielleicht«, bemerkte der Alte, »haben die Fische die Absicht, Euch Klugheit und Verstand beizubringen, damit Ihr dereinst Eure Schätze, wenn Ihr welche erhaltet, desto besser anzuwenden und zu bewahren wißt.«

»Ihr seid ein lästiger Schwätzer«, rief Ali wütend, »und wenn Ihr noch einen Bart hättet, so würde ich Euch den ausraufen. Es geschieht Euch recht, daß die Mädchen Euch betrogen haben und mit dem Schiff durchgegangen sind.«

»Alles das wäre nicht geschehen«, sagte der Alte ruhig, »wenn du mir die Fischschuppen gegeben hättest, als ich sie verlangte.«

Die Erwähnung der Fischschuppen brachte Ali darauf, nachzusehen, ob er sie beide noch beisammen habe. Als eine fehlte, sprang er auf und schrie laut: »Hört, Alter! Wir sind weder im Himmel noch in der Hölle, sondern noch auf der Erde, und das Glück kann mich noch zum reichsten Manne machen. Seht, die Fische haben uns, ohne daß wir beide etwas dazu getan haben, gerettet. Ich habe nur noch eine Schuppe übrig.«

»Bewahre sie mit Klugheit«, rief Machmut, »und nun laß uns gehen, um uns das Land näher zu betrachten, vielleicht finden wir ein Mittel, wie wir unsere verlorenen Schätze wiedererlangen können.«

Sie gingen jetzt landeinwärts und kamen an den Bäumen vorbei, an denen die ungeheuren weißen Früchte hingen. Aber wie erstaunten sie, als sie die Früchte sich bewegen und eine nach der andern vom Baum herabsteigen sahen. Nach einer kleinen Weile war von ihnen die ganze Wiese voll, und sie umringten die Ankömmlinge. Jetzt bemerkte man, daß es Zwerge waren, die sich so mißgestaltet zeigten, daß sie fast aus nichts als aus großen Gesichtern bestanden, denen ein paar kleine Arme und Beine angeheftet waren. Auf dem Kopfe trugen alle jene ungeheuren weißen Turbane, die auf dem Baum, in der Sonne glänzend, wie Riesenfrüchte ausgesehen hatten.

Sie begrüßten die Fremden mit einem stolzen höhnischen Wesen und traten dann zusammen, um miteinander Rat zu pflegen. Ali sah ihnen starr nach und konnte sich nicht genug verwundern über die wandelnden kleinen Eisberge, wie sie auf der grünen Wiese sich bald so, bald anders zusammenstellten und dadurch die sonderbarsten Figuren bildeten. Oft schmolzen sie in einen Ungeheuern weißen Klumpen zusammen, dann fuhren sie wieder auseinander, gleich einer großen silbernen Sternblume, dann bildeten sie einen Kreis und dann wieder eine lange Linie, endlich, nachdem genug beratschlagt worden war, kam die ganze Schar auf unsere Reisenden zu, schloß sie in ihre Mitte und führte sie zu dem Palast des Königs, indem sie zugleich ihnen andeuteten, daß es auf dieser Insel Sitte sei, die Ankömmlinge lebendig zu braten und dann öffentlich zu verspeisen.

Ali brach bei dieser Neuigkeit in ein lautes Geschrei aus, und der Alte hatte viel zu tun, ihn zu beschwichtigen, indem er ihm vorstellte, daß man fürs erste sich der Gewalt ruhig fügen müsse.

Der Zug langte vor dem Palast des Königs an. Aus dem Fenster schaute gerade die Prinzessin, seine Tochter, ihr Blick fiel auf die Fremdlinge, sie winkte sie heran, und während das Gefolge in ehrfurchtsvoller Entfernung auf den Knien liegend zurückblieb, hatte Ali die besondere Auszeichnung, mit der vornehmen Dame einige Worte zu wechseln. Sie galt für eine große Schönheit auf der Insel. Ihr Gesicht war noch größer als bei den übrigen, dennoch wurde es von dem ungeheuren weißen Turban so in Schatten gestellt, daß man wenig mehr sah als ein Gemenge von vielen braunen Fältchen durcheinander, aus denen eine lange spitzige rote Nase hervorschoß. Die Augen saßen wie die schwarzen glänzenden Kerne der Wassermelone in den Falten fest und blitzten dicht unter der weißen Musselinwolke des Turbans hervor. Der kleine Körper war nicht imstande, die Last des Kopfes samt dessen Schmuckes zu tragen, deshalb stand die Prinzessin zwischen zwei Hofdamen, die das beschwerliche Geschäft hatten, sie aufrecht zu erhalten.

Als die Unterredung beendet war, führte man die Fremdlinge in einen Kerker, wo sie sorgfältig eingeschlossen und bewacht wurden. Man ließ ihnen hier einige Zeit, über ihre Lage zur Besinnung zu kommen. Sie erfuhren, daß die ganze Insel unter der Herrschaft des Zwergkönigs stehe und von dem Zwergvolke bewohnt werde, das großes Ansehen und viele Schätze und das noch dazu die Eitelkeit besaß, sich für die schönste Menschenrasse der Erde zu halten. Bevor man die Gefangenen vor den König führte, ließ man sie ein Bad nehmen und zugleich kostbare Kleider anlegen.

Bei dem König war der Turban von einer solchen Größe, daß, wie unter einem Baldachin, ein Teil seines Hofstaats unter demselben Platz hatte. Er war dadurch zu einer ewigen Gefangenschaft verdammt, da er sich nicht von der Stelle rühren konnte, ohne an den Ecken des Saales anzustoßen. Dieser Umstand machte die hohe Würde, die er bekleidete, ziemlich lästig, dennoch hätte er lieber auf der Stelle den Thron aufgegeben als das Recht, einen Turban zu tragen, der der größte auf der ganzen Insel war.

Er nahm den untertänigen Gruß der Gefangenen mit so viel Gnade und Huld auf, daß der ganze Hof darüber in Erstaunen geriet. Nach den üblichen Zeremonien redete er sie auf folgende Weise an: »Fremdlinge, obgleich das Gesetz dieses Landes euch den Tod zuspricht und schon meine Untertanen von euch ein schmackhaftes Mahl sich versprechen, so habt ihr dennoch dem Himmel eure Rettung zu danken, der das Herz der erhabensten Person auf dieser Insel euch zugewendet hat. Meine Tochter, die Prinzessin, ist entschlossen, Euch, Achmet-Ali, mit ihrer Hand zu beglücken.«

»Gehorsamer Diener!« rief Ali und kratzte sich hinters Ohr.

»Du wirst doch nicht – Einfaltspinsel!« drohte der Alte leise und stieß ihn in die Seite.

»Ich werde wohl«, entgegnete Ali mit wilder Miene, »die Ehre von mir ablehnen. Zum Teufel, war es nicht genug, mir eine Meerkatze auf den Leib zu hetzen, soll ich es nun noch mit einer Zwergprinzessin aufnehmen?«

Der ganze Hof war über diese freche Rede entsetzt, und der König rief zornig: »Nun gut, so bleibt es beim Braten und Aufspeisen.«

Die Gefangenen wurden wieder abgeführt, und Machmut konnte sich nicht zufriedengeben über Alis Widersetzlichkeit.

»So heiratet sie doch selbst«, rief dieser. »Ihr habt gut schwatzen, mit aller Eurer Klugheit habt Ihr uns noch aus keiner bösen Grube herausgeholfen.«

»Aber bedenke doch«, sagte der Alte, »du bist der erste nicht, der eine häßliche Frau heiratet und mit ihr Schätze und Ansehen gewinnt. Als Gemahl der Prinzessin wirst du über die ganze Insel herrschen, und der König wird uns ein Schiff ausrüsten, mit dem ich meinen entflohenen Mädchen nachsetzen kann.«

Die Worte »der Herr der ganzen Insel werden und Schätze gewinnen« hatten für Alis Ohr einen so guten Klang, daß sie unmöglich ganz ohne Wirkung abgleiten konnten. Er dachte die ganze Zeit darüber nach, daß er im Gefängnis saß, und je länger er dachte, desto weniger häßlich erschien ihm die Prinzessin. Indessen wurden alle Anstalten zur Hinrichtung getroffen, die Bratspieße zurechtgelegt und die Scheiterhaufen angeordnet. Das Geräusch davon drang auch in den Kerker zu den Gefangenen. Man hörte das Volk sich versammeln und in ein Freudengeschrei ausbrechen.

»Was soll ich tun?« rief Ali bei sich und die Angsttropfen standen ihm auf der Stirne, »verbrauche ich auch die einzige Schuppe, die mir noch übriggeblieben, um mich aus der Feuergefahr zu retten, so bin ich so weit, wie ich war, und ganz ohne Aussicht, etwas zu gewinnen; lieber heirate ich die Prinzessin und mache mich zum Herrn der Insel so gut es gehen will. Wahrhaftig, das wird das Vernünftigste sein. Der Alte hat recht.«

Als der König von diesem Entschluß hörte, ließ er ihn vor sich kommen und redete ihn an: »Wie geht's, Achmed-Ali, willst du meine Tochter nehmen?«

»Ja, Herr, ich nehme Eure Tochter, aber Ihr müßt mir ein gutes Stück Geld dazugeben.«

»Daran soll es nicht fehlen«, entgegnete der König, »mache dich nur fertig, alsobald Hochzeit zu halten, denn meine Tochter liebt das lange Warten durchaus nicht.«

»Noch eins«, rief Ali, »wenn die Hochzeit vorüber ist, so müßt Ihr uns ein gutes Schiff ausrüsten, daß ich mit meiner jungen Frau eine Reise machen kann und die Welt besehen kann. Zudem müssen wir auch einem Räuber, der uns unser Schiff gestohlen hat, als wir auf diese Insel kamen, nachsetzen.« Der König versprach auch dieses.

Jetzt schob man eiligst die Scheiterhaufen beiseite und machte Anstalten zur Vermählung. Das Fest wurde mit einer grenzenlosen Pracht begangen, aber je näher es dem Ende desselben ging, desto mehr sank Alis Mut, und als man endlich nach den langweiligsten und ermüdendsten Zeremonien die beiden Verlobten allein ließ, stieg seine Angst auf den höchsten Gipfel. Die Häßlichkeit der Prinzessin war von der Art, daß durchaus nicht damit zu spaßen war. Sie sah im Hochzeitsputze noch tausendmal abscheulicher aus als in ihrem gewöhnlichen Kleide, und die reizende Miene einer Braut war bei ihr nur eine Verzerrung mehr.

Ali nahm zu seinem gewohnten Erleichterungsmittel seine Zuflucht, über die Fische zu schimpfen. »Betrüger«, schrie er, »konntet ihr, wenn ihr mir wohlwolltet, nicht geradezu reines Glück geben, muß noch so viel Beiwerk von dem nichtswürdigsten Unglück daranhängen? Aber, ihr Lumpe, hilft es wohl, wenn ich mich über euch beklage, muß ich nicht jetzt durch, ich mag mich nun stellen, wie ich will?« Die Kammerfrau kam, um ihm zu melden, daß die Prinzessin schon zu Bette sei. Ali fing an allen Gliedern zu zittern an. Er lief im Zimmer auf und ab, und endlich kam ihm ein Gedanke, den er mit Freuden festhielt.

»Wie«, rief er, »gibt es wohl ein größeres Unglück, als mit einem Gespenste zu Bette gehen? Was ist die Gefahr, ersäuft und verbrannt zu werden dagegen? Geschwind, die Fischschuppe her! Hat mich jemals ein wirkliches und wahrhaftiges Unglück betroffen, so ist es jetzt.«

Durch diesen Entschluß kam ihm sein Mut wieder. Er löste die Fischschuppe, die er immer bei sich trug, aus dem Zipfel des Turbans und begab sich dann zur Prinzessin, die ihm mit einem zärtlichen Lächeln aus dem Bette entgegensah. Ihr Mund spaltete sich bei diesem Lächeln und zeigte eine Reihe ungeheurer Zähne, die einer Fischotter Ehre gemacht hätten. Die feuerrote Nase zitterte mit der Spitze, und die kleinen schwarzen Augen im Riesenkopfe verschwanden im Meer von Runzeln. Als sie ihm einen ihrer kleinen dünnen Arme entgegenstreckte, warf sich Ali auf das Polster und zerrieb in dem Augenblicke die magische Schuppe.

Die Prinzessin stieß einen Schrei aus, das Zimmer verfinsterte sich, eine kleine Pause entstand, während Ali nicht wußte, was um ihn geschah. Als er wieder aufblickte, sah er neben sich in Schlummer gewiegt die größte Schönheit der Welt. An das dunkelrote Polster geschmiegt, blühten in weicher Rundung die süßesten Blumenwangen, beschattet von langen schwarzen Wimpern, die zum Kusse reizten. Am Halse und an der runden nackten Schulter hatte sich das schwarze glänzende Haar in großen Locken gesammelt, den weißen Busen hob der leiseste Atemzug.

Ali wollte die Besinnung verlieren über dieses Wunder. Er setzte sich in den Polstern auf, nahm die Lampe herab und schaute unverwandt in die himmlischen Züge. Er schaute noch immer, und Tränen rannen in seinen Bart und tröpfelten auf seine Brust herab. Er trocknete sie eiligst ab, aus Furcht, sie möchten die Geliebte erwecken, und doch brannte er vor Begierde, sie aus ihrem Schlummer zu stören. Oft war er mit seinen Lippen schon ganz nahe ihren geschlossenen Augen, immer wieder wich er zurück mit dem Gedanken, der reizende Traum könne entschwinden. Er hob einen Zipfel der purpurnen Decke auf und hielt ihn vor die helle Flamme, um das schöne Bild in Schatten zu hüllen. Dann zog er zögernd die Decke wieder fort und ergötzte sich, wie das gelbliche Licht langsam erst die Stirn, die Wangen und dann den Busen küßte. So spielte er wohl eine Stunde, bis er sich überzeugte, daß alles, was er sah, Wirklichkeit war, und die Fische diesmal ein allerliebstes Stückchen ihrer Zauberkunst hatten ausgehen lassen.

Ali hatte jetzt die schönste Prinzessin zur Frau, und was noch mehr des Wunders war, mit der Königstochter hatte sich auch das ganze Zwergenvolk in wohlgestaltete Menschen verwandelt, der König und sein Hofstaat mit eingeschlossen. Dieses Ereignis verbreitete aber lange nicht die Freude, die man hätte erwarten können. Die Zwerge waren so eingenommen von ihren dicken großen Köpfen und ungestalteten Turbanen gewesen, daß sie ihre neue Gestalt anfangs nur mit Verwünschungen betrachteten.

Der Alte, der indessen immer seine entlaufenen Mädchen im Kopfe hatte, mahnte an das Versprechen des Königs. Sogleich wurde ein Schiff ausgerüstet, und Ali, die Prinzessin und Machmut mit einer Menge bewaffneten Gefolges nahmen darin Platz. Da man nicht wußte, wohin die Flüchtlinge sich gewendet hatten, so bekam der Steuermann Befehl, bald rechts, bald links im Meere herumzukreuzen, bis man auf eine leitende Spur träfe.

Da es das schönste Wetter der Welt war und Ali und die Prinzessin bei all ihrem Glücke und ihrer Zärtlichkeit doch manchmal Langeweile empfanden, so saß man öfters bis tief in die Nacht auf dem Verdecke zusammen und erzählte sich Geschichten. Bei dieser Gelegenheit erinnerte Ali den Alten an sein Versprechen, die Abenteuer seiner Gefangenschaft unter den Affen mitzuteilen, und jener hub an.

»Ich bin ein Handelsmann aus Balsora. Meine Geschäfte, deren ich anfangs nur geringe betrieb, mehrten sich in den ersten Jahren meiner Reisen bald so sehr, daß sie mir einen ansehnlichen Erwerb abwarfen. Ich besaß den echt kaufmännischen Sinn, mit dem, was ich erworben, nie zufrieden zu sein und immer auf größere Gewinne auszugehen. Das Glück begünstigte meine Verwegenheit und reizte immer mehr meine Habgier, so daß zuletzt mein Charakter und meine moralischen Eigenschaften dabei heftig litten. Im Bewußtsein meiner Schätze achtete ich die Not und das Elend meiner Mitbrüder geringe und verletzte dadurch eines der heiligsten und wichtigsten Gebote unseres göttlichen Propheten, der da gebietet, unser letztes Stück mit dem Elenden zu teilen. Ich war von einem so nichtswürdigen Stolz erfüllt, daß ich in Balsora als der reichste Mann glänzen wollte und zu dem Ende kostbare Paläste und Gärten baute, in denen ich einen fast königlichen Aufwand trieb. Zu gleicher Zeit verschmähte ich es aber auch nicht, auf den Gewinn auszugehen und eine Gelegenheit, wo sich solche fand, mit Begier zu ergreifen.

So nahm ich denn auch den Auftrag an, aus entfernten Küsten Gegenstände des Luxus und Putzes herüberzuschaffen. Ich kam nach Indien gerade zur Zeit, als eine große Anzahl seltener Affen feilgeboten wurden. Dieser Kauf reizte meine Gewinnbegier, ich glaubte mit diesen halbwilden, halbpossierlichen Geschöpfen einen guten Handel zu machen.

An der Küste, wo mein Schiff hielt, war schon einige Monde früher ein heftiger Aufstand ausgebrochen; die siegende Partei wütete mit Feuer und Schwert auf das fürchterlichste gegen die Armen, die schon alles verloren hatten und nur noch für das nackte Leben kämpften. Diese Bilder des tiefen Elends hatten mich gerührt, aber doch nicht tief genug, um dadurch meiner nichtswürdigen Habsucht Zügel anzulegen. Ich kaufte die Affen und ließ sie zu Schiffe treiben. In dem Augenblicke als dieses geschah, wälzte sich ein Strom jener Unglücklichen auf mich zu. Ich sah Weiber von Blut triefend, ihre sterbenden Säuglinge im Arm und noch dazu die verwundeten Männer auf dem Rücken mit sich schleppend, sie flehten mich an, sie auf das Schiff zu nehmen, sie beschworen die ewige Gnade des Propheten, um mein Herz zu rühren, aber vergebens, ich ließ sie von meinen Knechten forttreiben, um den Affen Platz machen zu lassen. Da stieß ein elendes halbtotes Weib, das am nächsten am Schiffe stand, einen Fluch über mich aus. Monde lang, rief sie, sollte ich auf dem Meere herumirren, mein Hab und Gut verlieren, und da ich die Affen aufnähme und die Menschen verstieße, so sollte ich unter die Herrschaft dieser Bestien kommen und lange Zeit vergeblich nach einem Menschenantlitz seufzen.

Ich spottete dieser Worte und lichtete guten Mutes die Anker. Die Affen, deren ich wenigstens fünfzig von den seltensten Sorten und Rassen an Bord führte, waren in den inneren Raum gepackt. Außerdem hatte ich noch einen ganzen Harem von den schönsten Sklavinnen gekauft, weil ich sie gerade billig bekommen konnte. Mit diesen Schätzen trat ich nun den Rückweg an. Mir ahnete nicht in meinem verstockten Gemüte, daß des Propheten stets wachsames Ohr jenen Fluch des Weibes vernommen hatte und seine strafende Hand schon über mir schwebte.

Wir waren nicht lange gefahren, als die wütendsten Stürme uns verfolgten und das Schiff aus seiner Bahn brachten. Ich mußte an einer Küste unterwegs landen, und hier hörte ich von einem befreundeten Kaufmann, daß daheim durch die niederträchtige Treulosigkeit meiner Beamten meine Paläste geplündert und meine Gärten verwüstet worden waren. Im Schrecken über diese Nachricht wollte ich nun meine Reise beschleunigen, allein, der Himmel baute mir noch mehr und noch größere Hindernisse in den Weg.

Was ich als leere Drohung verspottet hatte, traf wirklich ein. Meine sämtlichen Affen empörten sich, zerrissen ihre Bande und metzelten in einer Nacht die ganze männliche Schiffsmannschaft nieder, nur mich und meinen Harem ließen sie leben. Dieser Schlag traf mich doppelt hart, da ich nun bald in meiner Vaterstadt anzukommen hoffte. Die Affen waren nicht dieser Meinung, nachdem sie sich zu Herren des Schiffs und meiner Mädchen gemacht und mich gefangengesetzt hatten, steuerten sie auf gut Glück ihre eigene Straße. Ich erfuhr während mehrerer Monde nicht, was auf dem Schiffe vorging, die beschwänzten Gesellen hatten uns Menschen so gut das Regieren abgesehen, daß sie ganz in der Ordnung unter sich die verschiedenen Ämter verteilten, und wie es mir unten vorkam, ging das Schiff ziemlich regelmäßig seine Straße. Oh, ich Unglücklicher! Da saß ich nun, und der Fluch war an mir in Erfüllung gegangen, mein Hab und Gut hatte ich verloren und schmachtete nun unter dem Joche der unwürdigsten Sklaverei, die sich denken läßt.

Während dieser Leidensepoche ging ich in mich und tat dem Propheten ein Gelübde, daß, wenn er mich wieder befreien und zu Ehren kommen lassen würde, ich nicht allein drei Wallfahrten nach der heiligen Stadt unternehmen, sondern auch mein ganzes Leben von Grund auf bessern wollte.

Allah sei Dank, meine Freunde, der Prophet hat das Seinige getan, es liegt mir ob, auch das Meinige zu tun, und daran soll es nicht fehlen. Das Abenteuer unserer Befreiung ist euch bekannt, Prinzessin, ebenso, welche Strafe die aufrührerischen Affen erreicht hat. Gelingt es nun, meine Mädchen wieder einzufangen, so will ich mich mit dem Teile meiner geretteten Habe begnügen und der Habgier vergönnen, meinem Seelenheil ferner Fallstricke zu legen. Der Prophet lenke übrigens alles zum Besten!«

Mit dieser frommen Betrachtung schloß der Kaufmann von Balsora seine Geschichte. Ali fand sie sehr merkwürdig, und die Prinzessin vergoß bei dem rührenden Teile derselben viele Tränen. Man fügte noch einige moralische Betrachtungen über die Habsucht und die Wohltätigkeit hinzu, und dann dachten alle an andere Gegenstände. Nach einer Weile erschien der Steuermann und meldete, daß man schon seit langem etwas Auffallendes im Wasser schwimmen sähe, einige aus der Schiffsmannschaft hielten es für eine besondere Art Seetiere, andere für etwas anderes. Ali, der Kaufmann und die Prinzessin liefen sogleich hinzu, und der erstere gab Befehl, daß man von diesen Merkwürdigkeiten eine an Bord bringen solle. Als dieses geschehen, erkannten alle mit Verwunderung das feine Gespinst eines Schleiers, wie sie in dem Harem getragen werden. Der Alte schrie laut auf, indem er behauptete, der Schleier gehöre seinen Mädchen, und diese könnten nicht mehr ferne sein. Wirklich schwamm das ganze Meer von abgeworfenen Schleiern, Turbanen, Halstüchern und Gürteln. Es schien, daß die Schönen jetzt, da keine Männer mehr bei ihnen waren, es sich möglichst bequem gemacht hatten. Der Steuermann erhielt Befehl, den abgeworfenen Halstüchern nachzusteuern.

Diese Spur lenkte so sicher, daß kein halber Tag verging, und man hatte schon das Schiff der Mädchen vor Augen. Ali ließ jetzt, was nur an Segeln da war, aufspannen, es ging pfeilgeschwind, und der Alte, der oben im Mastkorbe Platz genommen hatte, erhob einmal übers andere ein lautes Freudengeschrei. In einiger Entfernung legte man bei, und es wurden Boote ausgesetzt. Die Mädchen, die sich keines Überfalls versahen, badeten gerade im spiegelhellen Meere und wurden nun zu Dutzenden gefangen und aufs Schiff gebracht. Es war lustig zu sehen, wie die Matrosen sich mit den nackenden Mädchen herumschlugen. Kampf und Sieg folgten schnell aufeinander, und die Sache war in wenigen Stunden vollkommen abgetan. So schnell hat noch kein Admiral seine Schlacht gewonnen. Der Alte konnte jetzt als Sieger in sein Eigentum einziehen. Anfangs wollte er allen Mädchen die Köpfe abhauen, aber Alis und der Prinzessin Fürbitte machten, daß er seinen Racheplan aufgab. Er bot dem ersteren einige der schönsten Tänzerinnen zum großmütigen Geschenk an, doch dieser, trotz seiner Liebhaberei für dergleichen Gaben, schlug sie ebenso großmütig aus, sei es nun, weil die Schönheit der Prinzessin alle anderen Frauen in ihrer Nähe verdunkelte oder weil er ihre Eifersucht fürchtete und lieber ein solches Geschenk hinter ihrem Rücken im geheimen empfing.

Beide Schiffe kehrten jetzt auf die Zwergeninsel zurück. Hier entschied sich bald Alis Glück vollständig. Der König trat ihm die Regierung ab; er hatte alle Lust an seinem Throne verloren, weil ihm nicht mehr gestattet war, den haushohen Turban zu tragen. Eine Eitelkeit der Art ist vielen höheren Herren eigen. Ali erbte Schätze und Ansehen in Fülle, er gab einiges von seinem Reichtum dem heruntergekommenen Kaufmann, der lange Zeit mit seinem Gewissen zu Rate ging, ob er sie annehmen dürfte, und endlich das Doppelte davon annahm.

In seinem Glücke vergaß Ali der großmütigen Fische nicht, die er so oft und so unverdient gescholten. Die Weisheit, mit der er jetzt sein Land beherrschte, seine Untertanen glücklich machte und seine Reichtümer zusammenhielt, war ein Beweis, daß jene Unglücksfälle nicht ohne Nutzen ihn betroffen hatten. Er wachte jetzt auf das sorgsamste über das Benehmen seiner Unterbeamten, denn er wußte aus Erfahrung, daß es Kadis gibt, die Tänzerinnen stehlen, Vögte, die unrechtes Gut an sich raffen, Piraten, die Sultanstöchter entführten, und Kaufleute, die auf eine hartherzige und unbillige Weise sich bereichern. Das sind Kenntnisse, die einem König von großem Nutzen sind.

Im hohen Alter und am Ende seiner weisen Regierung machte es Ali möglich, seine Vaterstadt wieder aufzusuchen. Sein erster Gang war an den Fluß, wo er einst sein Glück gefischt hatte. Hier setzte er sich nieder und legte das Kostbarste seines Schatzes, drei herrliche Edelsteine, in den Sand am Ufer und bat die Fische zu erscheinen, um seine Gabe in Empfang zu nehmen. Es währte nicht lange, so kamen auch die drei Wohltäter aus den Fluten hervor, aber sie nahmen sich wohl in acht, wie damals auf den trocknen Sand sich zu begeben, ihr Körper blieb in der Flut, und nur ihre Köpfe guckten zu Ali empor. Dieser erkannte sie und warf sich mit über die Brust gekreuzten Armen ehrfurchtsvoll vor ihnen nieder. Der mittelste der drei erhub seine Stimme und rief:

»Ei, schön' guten Morgen, Achmet-Ali! Wie geht's?«

»Gut, Herr, und ich hoffe, Euch ebenfalls.«

»So, so«, entgegnete der Fisch, »etwas kühl, man wird nachgerade alt, und das Blut war nie sehr warm. Auch die Augen werden etwas trübe.«

»Ach«, rief Ali, »so seht Ihr wohl nicht, lieber Herr, daß ein kostbarer Diamant, fast so groß wie Euer Kopf, vor Euch im Sande liegt, den ich Euch zum Geschenke gebe aus dankbarem Herzen, weil Ihr mich glücklich, reich und weise gemacht habt.

»Das letzte ist wohl das Beste«, sagte der Fisch. »Was deinen Diamanten anbetrifft, so nimm ihn nur wieder mit, wir Fische lieben dergleichen nicht, hättest du eine dickleibige Spinne oder einen Wurm zum Frühstück gebracht, so wäre uns das willkommen gewesen. Übrigens sind wir dir ebenfalls Dank schuldig, denn wir haben deine Abenteuer so gelenkt, daß du uns an dreien unserer ärgsten Feinde gerächt hast.«

»Wunder über Wunder!« schrie Ali, »und wie ging denn das zu?«

»Ich will es dir erzählen«, nahm der Sprecher das Wort. »Du wirst wohl schon längst dahintergekommen sein, daß wir nicht gewöhnliche Fische sind, sondern in einer Verzauberung stecken. Das ist nichts Besonderes, nachdem, was du erlebt hast, muß dich dergleichen nicht in Verwunderung setzen. Heutzutage geht es einmal ohne Verzauberungen nicht ab, und man mag noch so sehr streben, seinen Lebenslauf ruhig und natürlich zu führen, ehe man sich's versieht, steckt man dennoch bis an den Hals im Unnatürlichen drin.«

»Oh, ihr Schelme!« sagte Ali leise bei sich, »nun denkt ihr euch wohl wie die unschuldigen Kindlein zu gebärden, die nie noch ein Wasser getrübt haben, und doch steckt euch unter jeder Schuppe ein Teufelskunststück.«

»Wie du uns hier vor dir siehst«, fuhr der Fisch fort, »sind wir alle drei mächtige Sultane. Wir begingen die Unvorsichtigkeit, es mit einem bösen Zauberer zu verderben, und dieser, nicht zufrieden, uns selbst in die elende Lage zu versetzen, brachte auch Unglück über unsere Freunde und Genossen. Mein Nachbar zur Linken, der Sultan von Indien (Ali machte eine tiefe Verbeugung), hatte eine schöne Tochter, jener Zauberer reizte einen ehrsüchtigen tückischen Sultan, sie ihm zu entführen. Diese Nichtswürdigkeit ist nun bestraft, denn den Elenden hat gleiches Schicksal getroffen, seine Tochter war es, die der Pirat entführte und mit ihr in den Wellen unterging.«

»Allah ist gerecht!« rief Ali.

»Mein Nachbar zur Rechten war der Sultan von Persien (wiederum Verbeugungen). Durch Künste des Zauberers hat er sein Reich verloren, dafür ist aber auch die einzige Tochter des Magiers auf eine elende Weise umgekommen. Sie war die Meerkatze, die sich in dich verliebte und später von den Mädchen erwürgt wurde.«

»Allah ist weise!« rief Ali.

»Was endlich mein Schicksal betrifft«, begann der Fisch mit einem wehmütigen Tone, »so war ich berufen, einen der größten Throne einzunehmen, ich war Sultan von Babylon. (Ali bückte sich dreimal und bis zur Erde.) Ich hatte alle Schätze, die man sich nur wünschen konnte, mein höchster Schatz war jedoch eine reizende Prinzessin, ein Wunder der Schönheit, das ich bis zur Abgötterei liebte. Ach, wenn ich an jene Zeit der Jugend und Schwärmerei denke, so fühle ich mich seltsam bewegt und Tränen kommen mir ins Auge. Ich will mich kurz fassen. Der neidische Zauberer raubte mir meinen Schatz, und wie ich erst später erfuhr, brachte er die holde Prinzessin, zur häßlichen Zwergin verwandelt, auf eine Insel, wo er sie mit einem ebenso widrig gestalteten Zwergenprinzen verheiratete. Oh, mein Unglück war grenzenlos. Es gelang mir, Nachricht von meiner Verlorenen einzuziehen, sie war bald nach ihrer Verheiratung gestorben und hatte eine Tochter hinterlassen, die womöglich noch ungestalteter als die Mutter auf die Welt kam. Diese Tochter meiner Geliebten aus ihrem Elend zu befreien, dahin ging mein Sinnen und Trachten. Ich faßte Hoffnung zu dir, und der Erfolg hat gelehrt, daß ich mich nicht getäuscht habe.«

»Allah ist mächtig!« rief Ali.

»Das ist er, mein Sohn«, schloß der Fisch seine Worte. »Das lange Sprechen hat mir die Kehle trocken gemacht. Lebe jetzt wohl, kehre in dein Land zurück, und wenn du und die Deinigen Langeweile haben, so erzähle Ihnen ›das Abenteuer mit den drei Fischen‹.«

Dieses sagend verschwanden die drei Sultane wieder unters Wasser.


 << zurück weiter >>