Hermann Ungar
Die Verstümmelten
Hermann Ungar

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13

Es begann einzutreffen, was Franz Polzers Unruhe gefürchtet hatte. Die Tür war geöffnet. Die einmal gestörte Ordnung mußte immer neue Gesetzlosigkeit nach sich ziehen. Die Lücke war da, durch die das Unvorhergesehene einbrach und Furcht verbreitete.

Nun lag der Verstümmelte im Zimmer mit den weißgekleideten Möbeln. Man hörte ihn nachts stöhnen. Seine Wunden schmerzten. Der Eiter fraß tiefer in sein Fleisch, und schwere Träume quälten ihn. Polzer horchte. Der Tod war im Haus und wartete.

Der Pfleger schlich auf Filzschuhen durch die Zimmer. Man hörte seinen Schritt nicht. Man erschrak, wenn er plötzlich im Zimmer hinter einem stand.

Der Pfleger trug eine weiße Jacke und eine weiße Schürze. Die Schürze war unter der Jacke um den Leib gebunden. Sie war nicht neu. Sie hatte vorne einen tellergroßen, rostbraunen Fleck, der Polzers Blick anzog. Polzer wußte, daß dieser Fleck ein Blutfleck sei, den das Alter gebleicht hatte.

Schon nach wenigen Tagen trat eine neue Änderung ein. Franz Polzer setzte ihr keinen Widerstand entgegen, nun da die Ordnung einmal durchbrochen war. Es war keine Hilfe mehr und kein Halten.

Er saß abends bei Karl. Karl war in einen Stuhl gesetzt, wie Kinder ihn haben, die noch nicht gehen können. Dieser Stuhl war für ihn angefertigt worden. Er war vorne durch ein Brett geschlossen, daß Karl das Übergewicht nicht verliere und nicht falle. Zudem war Karls Rumpf mit einem Riemen an die Lehne gefesselt. Der Stumpf der linken Hand war verbunden. Ein starker Geruch strömte aus dem Verband. Der rechte Arm ragte einsam aus dem Rumpf.

Sonntag war fortgeschickt worden. Polzer war allein mit Karl. Karl horchte ins Nebenzimmer. Man hörte kein Geräusch. Frau Porges saß in der Küche.

»Polzer,« sagte Karl. Er sprach hastig und leise. »Er muß aus diesem Zimmer hinaus. Tu, was du willst, aber er muß in deinem Zimmer schlafen. Hier darf er nicht mehr schlafen, Polzer. Er soll mit dir schlafen, oder geh du zu Frau Porges, aber hier darf er nicht bleiben, Polzer, ich habe Angst vor ihm!«

Polzer war überrascht. Karl schien doch Sonntag ins Herz geschlossen zu haben.

»Du warst doch so zufrieden mit Sonntag, Karl, was ist denn geschehen?«

Karl war erregt. »Er ist mit Dora im Bunde. Hast du es nicht gesehen? Ach, wenn du doch Augen hättest, Polzer! Nein, nun hat sie das zarte Schamgefühl überwunden, die Keusche, nun fürchtet sie seinen Blick nicht mehr. Ich sehe es schon seit einigen Tagen, Polzer, sie blicken einander an, ich träume nicht. Ich bin wehrlos, aber ich sehe den leisesten Blick. Ich darf kein Auge schließen, Polzer. Er ist der Mann dazu! Wer wird sich wundern, wenn ich morgen tot bin? Du vielleicht, du edle Einfalt du? Ein Handtuch über den Kopf, ich kann nicht einmal schreien, und es ist um mich geschehen!«

»Du tust ihr Unrecht, Karl.«

»Ich muß vorsichtig sein, Polzer, ich muß auf der Hut sein. Ich bin wehrlos. Vielleicht, wenn ich einschlafe ... Sie stecken unter einer Decke, Dora mit ihm, Polzer, er ist Metzger, er ist der Mann dazu. Allein wagt sie es nicht, nein, nein. Sie fürchtet sich davor. Ich würde schreien, sie würde die Kraft nicht haben, die Muskeln würden versagen. Aber er tut's, Polzer. Das viele Geld wird sie haben, und er wird einen Haufen bekommen. Sie teilen es schon im Bett. Hast du den roten Fleck auf der Schürze gesehen? Weißt du, was es ist, Polzer ?« Polzer schwieg.

»Blut, Polzer, altes Blut! Ich habe ihn gefragt. »Es ist eine alte Schürze,« sagte er, ›das ist noch Kälberblut.‹«

Polzer wich zurück.

»Kälberblut?« sagte er. Er hatte nicht gedacht, daß es Kälberblut sein könne.

»Ich will kein Kalb sein, Polzer!« Karl lachte schreiend und wankte auf seinem Sitz. »Tu, was du willst! Du kannst mit ihm schlafen. Dir wird er nichts tun. Was hat er an dir? Nimm dir ein Messer ins Bett! Wenn er kommt, such zu!«

»Nein, nein!« rief Polzer flehend.

»Du fürchtest dich? Dann geh zu Frau Porges. Schlaf mit ihr! Noch heute muß er hinaus. Das Zimmer muß versperrt werden. Wenn er den Schlüssel umdreht, erwache ich und kann schreien. Sie soll nicht zu früh frohlocken! Ich bin klüger als sie. Sag es Frau Porges, daß du dein Bett in ihr Zimmer bringst.«

Franz Polzer nickte. Er begriff, daß nun alles unaufhaltsam im Gleiten sei. Nun mußte er mit der Witwe in einem Zimmer wohnen, immer ihren Geruch riechen, immer ihr fettes Fleisch sehen, abends, wenn sie sich auszog, das Mieder ablegte und das Hemd an ihrem Leib herabfiel.

Als der Pfleger kam, sagte Karl:

»Herr Sonntag, ich finde, daß Sie ein eigenes Zimmer haben müssen, ein Zimmer, in dem Sie zu Hause sind.« Er lächelte. »Ich will, daß Sie sich wohlfühlen. Herr Polzer wird nun sein Zimmer an Sie abtreten. Sie können noch heute übersiedeln.«

»Ich danke Ihnen für Ihre Güte, Herr Fanta,« sagte Sonntag und verneigte sich, »und auch Ihnen, Herr Polzer, daß Sie sich meinetwegen so einzuschränken bereit sind. Aber ich bin nicht zu meiner Bequemlichkeit hier. Ich bleibe gern in diesem Zimmer.«

»Das glaube ich,« sagte Karl. »Ihre Bescheidenheit ehrt Sie, mein lieber Herr Sonntag. Aber es ist mein Wunsch, daß Sie alles haben, was ich Ihnen bieten kann.«

Der Pfleger verneigte sich schweigend.

Als Polzer das Heiligenbild an der Wand über seinem Bett in Frau Porges' Zimmer anbrachte, sagte Frau Porges:

»Was soll das Bild hier?«

Polzer sah sie erstaunt an.

»Ich will das Bild nicht in meinem Zimmer!«

»Dieses Bild?« fragte Polzer bestürzt. »Was haben Sie gegen das Bild?«

»Es ist ein häßliches Bild. Ich will keine Bilder von Heiligen da. Nein, ich fürchte mich davor.«

»Fürchten? Vor diesem Bild? Es ist ein einfaches altes Bild, Frau Porges!«

»Häng es ab, Polzer!« sagte sie. »Ich will das Bild nicht. Es ist so häßlich, das Bild. Ich bekomme Angst, wenn ich es sehe. Ich weiß nicht, was Ihr mit diesen Bildern habt.«

Polzer schüttelte verwundert den Kopf. Was hatten sie alle gegen sein Bild? Warum fürchteten die Juden sich davor? Warum haßten sie es? Hatte das Bild ihnen etwas getan? Oh, es war vielleicht nicht gut, unter Menschen zu sein, die die Bilder der Heiligen haßten und fürchteten. Auch Karl haßte sie. Ihm mußte er alles verzeihen. Er hatte Wohltaten von ihm und seinem Vater empfangen.

Polzer antwortete Frau Porges nicht. Vielleicht würde sie sich daran gewöhnen und morgen das Bild nicht mehr sehen.

Tags darauf, als Polzer abends aus der Bank kam, sah er, daß das Bild fort war.

»Wo ist das Bild, Frau Porges ?« fragte er.

»Fort,« sagte sie.

»Das Bild? Nein, nein, Frau Porges.«

»Fort. Ich habe es verbrannt. Ich wollte es nicht mehr sehen.«

»Mein Bild? Ich habe es immer gehabt, Frau Porges.«

Seine Stimme zitterte. Er konnte es nicht glauben, daß er das Bild nun nicht mehr haben würde.

»Nun hast du es nicht mehr,« sagte sie. »Weine doch darum! Wenn du mich lieb hättest, hättest du es selbst getan.«

Franz Polzer sagte nichts mehr. In der Nacht würde das Heiligenbild nicht mehr über seinem Bett sein. Alles mußte zusammenstürzen.

Er trat bei Karl ein. Er blieb mitten im Zimmer stehen. Er sah nicht, daß der Pfleger im Zimmer war. Er sah bloß Karls Hornbrille, in deren Gläsern sich das Licht brach. Ihm war, als müsse er fallen.

»Sie hat mein Bild verbrannt,« sagte er.

»Dein Bild? Das Heiligenbild?« Karl lachte. »Das ist wahrhaftig unvorsichtig von ihr! Nun wird er böse sein, der heilige Franz!«

»Ich habe es immer gehabt. Auf der Schule habe ich es gehabt.«

»Ich weiß, ich weiß. Ich sehe ihn noch vor mir. Er spiegelte alle Farben. Rot, grün, blau, gold. Er war angestrichen, daß es nicht besser ging. Nun? Du bist wohl fassungslos? Du glaubst wohl, daß er sich rächen wird? Nun, sag es doch, daß du es glaubst! Ich werde nicht erstaunt sein darüber, glaube mir! Ich bin darauf gefaßt, Polzer, daß du dir morgen um einen Gulden einen neuen Heiligen kaufst, der dich weiter beschützen soll.«

Polzer schüttelte den Kopf. Karl sah ihn herausfordernd an.

»Narr, unverbesserlicher Narr! Geh, geh, hörst du, geh dir einen Stellvertreter kaufen! Einen Franz den Zweiten. Vielleicht kannst du einen finden, Polzer, der noch schöner lackiert ist. Dann kann dir nichts mehr geschehen!«

Polzer wunderte sich, daß Karl in Zorn geriet. Er wollte sagen, daß es das nicht sei und dadurch das Mißverständnis aufklären. Aber nun schien ihm alles fern und schon nebensächlich. Er sah, wo der Heilige im Zimmer der Mutter gehangen hatte. Über dem Bett an einer Wand, von der sich in Blättern die Tünche löste. In den Rahmen war eine Rose gesteckt. Polzer wunderte sich sehr. Er hörte Karl sprechen und fühlte, daß der Pfleger mit dem roten Fleck auf der Schürze sich langsam nähere. Von der Rose und der Wand mit dem sich lösenden Kalk hatte er nichts mehr gewußt. Er schüttelte verwundert den Kopf. Denn die Rose und die Wand waren aus seinem Gedächtnis verschwunden gewesen.

Karl sagte:

»Wenn es Gottesfurcht wäre, nun, ich könnte es begreifen, wenn auch es nicht mein Fall ist. Aber nein: es ist Aberglaube, es ist nicht anders als mit dem Federstiel. Haha, Franz, erinnerst du dich noch des Federstiels ?«

Er lachte laut und sah Polzer ins Gesicht.

»Das ist es nicht,« sagte Polzer leise. »Bloß, weil ich den Heiligen immer gehabt habe.«

Er fürchtete sich vor Karls Lachen und blickte zu Boden. Aber der Pfleger war vorgetreten und stand neben Karls Stuhl.

»Ein gottesfürchtiger Mensch...« sagte der Pfleger. Seine Stimme klang tief und eintönig.

Karl sah den Pfleger scharf an. Der Pfleger unterbrach seine Rede.

Karl lächelte ihm zu:

»Nun, sprechen Sie, Herr Sonntag! Ich freue mich, wenn Sie sich an unseren Gesprächen beteiligen.«

»Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Fanta, möchte ich hier nur ein Kleines sagen. Ich bitte um Vergebung, wenn ich mich nicht so auszudrücken vermag wie gebildete Menschen. Ich habe wenig gelernt.«

Polzer sah gerade vor sich den Fleck auf der Schürze. Es war das Kälberblut. Polzer setzte sich und schloß die Augen. Die Stimme des Pflegers klang einschläfernd in seinen Ohren.

»Ein gottesfürchtiger Mensch, wollte ich sagen,« fuhr der Pfleger fort, »achtet die göttliche Ordnung. Wie denn, wenn Gott ist, sollte seine Ordnung nicht auch im Kleinsten sein, und sollen wir nicht trauern, wenn Mutwille diese Ordnung zerstört? Und was das Heiligenbild betrifft, die Zeugen, die um Christus gerungen und gelitten haben, sollen wir sie nicht verehren, wo uns die Bilder verstorbener Eltern heilig sind? Alles steht auf dem Vorigen, wenn Sie mich recht verstehen, und so kommt es über uns her, und niemand kann davon weg, was ihm gesetzt ist.«

»Ja,« sagte Polzer.

»Alles ist unerklärlich und dunkel, denkt man. Aber mit einemmal erwacht die Helligkeit und man sieht, alles geschieht, wie es da ist. Es gibt keine ändern Wege als zu Christus. Alle gehen diese Wege, aber nur wenige wissen sie. Der Heilige auf dem Bild hat Zeugnis von diesen Wegen abgelegt. Wenn wir uns dazu bekennen, zeugen wir für Christus.«

»Nun, lieber Herr Sonntag, ich habe für derartige Gedankengänge kein Verständnis. Ich bin kein gottesfürchtiger Mensch. Nein, nein, das fehlte mir gerade noch, daß ich glauben sollte, Gott habe mich gestraft mit Eiter und Gestank, und mir an die Brust schlagen und aufs Jenseits hoffen. Das kann doch Ihr lieber Gott nicht verlangen, Herr Sonntag, das doch nicht!«

»Auch Sie werden einmal wissen, daß Sie auf einem dieser Wege gehen. Auch ich habe es nicht immer gewußt und auch Sie nicht, Herr Polzer!«

Polzer öffnete die Augen.

»Es ist nur, weil es immer über dem Bett hing,« sagte er.

»Sehen Sie,« rief Karl lachend.

»Eines Tages werden wir alle es sehen. Gebe Gott, daß Sie noch Zeugnis davon ablegen können und daß es nicht in Ihrer letzten Stunde sei, Herr Fanta! Denn das ist wohl schwer zu tragen.«

»Da muß ich mich wohl sehr beeilen, lieber Sonntag. Denn lange wird es doch nicht mehr dauern. Allerdings, durch liebenswürdige Mittel lockt er mich nicht, das werden Sie zugeben, Herr Sonntag.«

»Das Leiden ist keine Strafe, Herr Fanta. Es gibt keine Strafe, bloß dem Gottlosen will es so scheinen. Es gibt keinen ändern Trost, als daß man das Gute wie das Böse tun und ertragen muß. Der Gottesfürchtige läßt es willig und freudig geschehen, der Gottlose mit Murren. Einmal werden wir alle es verstehen. Nichts ist, was nicht um Christus geschähe.«

»Nein, nein, Herr Sonntag, ich danke schon jetzt. Daß man sich freuen soll, das ist denn doch zuviel verlangt, glaube ich. Aber es gefällt mir, daß Sie selbst so überzeugt und zufrieden sind.«

»Ich war es nicht immer, Herr Fanta. Als ich Metzger war und täglich die Tiere schlachtete, war ich es noch nicht. Ich tat meine Arbeit, aber in mir lag es, wenn ich so sagen darf, gleich einem dunklen schweren Berg. Ich ging nicht mit den Kameraden. Ich ging einsam. Ich war gewalttätig, und man fürchtete mich. Damals versuchte ich es mit dem Trunk. Da wurde ich bei einem Raufhandel verwundet, und ich lag lange im Krankenhaus in einer mährischen Stadt. Im Zimmer hing ein Christusbild. Mit mir lagen Kranke, und sie jammerten. Ich hatte die Lippen aufeinandergebissen, die Wunde brannte, und ich jammerte nicht. Ich fluchte der Schwester, einer frommen jungen Nonne, die mir die Wunde wusch und verband. Ich sagte in ihrer Gegenwart unflätige Worte. Allein sie kam geduldig immer wieder mit einem Lächeln um den Mund. Ihre Ergebenheit brachte mich auf. Ich wollte sie zornig sehen, und ich erdachte mir einen Plan, sie auf das tiefste zu verletzen. Ich wollte am nächsten Morgen, wenn sie kam, die Decke fortstoßen, ihr meine Wollust zeigen und sie höhnisch um Hilfe bitten. Allein es geschah etwas Schreckliches. Sie kam am Morgen nicht. Sie war in der Nacht auf eine grauenhafte Weise ermordet worden. Man hat den Täter nie entdeckt. Aus der Abteilung der Sträflinge des Krankenhauses war in dieser selbigen Nacht ein Häftling entflohen. Man zweifelte nicht, daß dieser die Tat vollbracht habe. Dieses Ereignis erweckte mich. Ich hatte sie gequält und hatte noch am Morgen, als sie schon ermordet war, an ihre Qual gedacht. Ich suchte nach einem Trost. Sie hatte mir Bücher mit den Erzählungen vom Leben und Leiden der Märtyrer gegeben. Ich las sie nun, und ich erkannte, daß es keinen Trost gebe als die Sühne und daß die Sühne nicht einmal ist, sondern ewig, und daß das der Trost ist, daß man immer von neuem sühnt. Ich hatte Christus gefunden.«

Klara Porges war eingetreten. Sie trug eine Schüssel mit Karl Fantas Abendbrot. Der Pfleger nahm ihr die Schüssel aus der Hand.

»Als ich zurückkam, sah ich, daß ich nicht mehr Metzger sein könne. Ich versuchte es an einem Kalb, aber als sein Blut mir warm auf die Hände sprang und sein unwissendes, schon gebrochenes Auge mich ansah, stand ich auf und entlief. Ich zweifelte nicht, daß ich nun mich Kranken widmen müsse, das Werk der getöteten Prostnitzer Nonne fortzusetzen. Mein Schlächtermesser legte ich zuoberst in meinen Koffer. Jeden Abend nehme ich es um, und ich weiß, daß ich Metzger war und daß die Sühne nie zu Ende sein wird. Ich sehe es an und befühle seine Schärfe. Und ich freue mich, daß diese Schärfe ungenützt liegt.«

Er hatte den Deckel eines schwarzen Koffers geöffnet, der in der Ecke stand. Er hob ein langes Messer und wog es in der Hand.

»Sehen Sie es an,« sagte er.

»Geben Sie es fort,« sagte Frau Porges.

»Fürchten Sie sich nicht, Frau Porges! Glauben Sie an Christus und fürchten Sie keine Waffen! Fürchten Sie nicht den Tod! Über dem Antlitz der Sterbenden ist die Versöhnung. In meinen Armen sind viele gestorben.«

Er hatte sich zu Karl Fanta gebeugt und hielt den Löffel mit Suppe an Karls Mund.

Karl hatte sich aufgerichtet.

»Und nun?« fragte Karl Fanta unruhig. »Und nun? Ich bin der nächste, Herr Sonntag. Was wollen Sie?«

»Sprecht nicht von solchen Dingen,« sagte Klara Porges. »Ich kann von solchen Dingen nicht sprechen hören, und geben Sie das Messer vom Tisch, Herr Sonntag!«


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