Ludwig Uhland
Ludwig der Baier
Ludwig Uhland

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Vierter Aufzug.

Erste Scene.

Gehölz.

Herzog Leopold sitzt in tiefsinniger Stellung in einem offenen Zelt, das gegen den Hintergrund unter den Bäumen steht. Zwei Pilgerinnen, die eine verschleiert, treten im Vordergrund auf.

Erste Pilgerin. Wir sind am Ziel, und weil mein helles Auge
Euch statt des eignen, nachtumhüllten, dient,
So wisset: Herzog Leopold ist hier!
In einem Zelte, das, von allen andern
Gesondert, unter dunkeln Bäumen steht,
Sitzt er, gebogen auf sein bloßes Schwert,
Und starrt mit wildem Blick den Boden an.
So, hört' ich sagen, sitz' er manches Mal
Seit jenem Unglückstage, da sein Bruder
Gefangen ward. Dann fahr' er plötzlich auf
Und tobe blutig durch des Gegners Land.
Ich wag' es nicht, dem Schrecklichen zu nahn,
Wollt Ihr ihn wecken?

Zweite Pilgerin.               Herzog Leopold!

Erste. Er hört nicht. Jüngst in Basel sei's geschehn,
Daß man zu seiner Ehre Fackeltanz 90
Anstellte, festlich klang das Saitenspiel,
Die schönsten Frauen zogen ihn zum Reihn,
Doch freudlos, ohne Lächeln, schritt er hin.
Versucht es nochmals! Besser, sollt' ich meinen,
Als jenen Freudenschall, verstehet er
Den Laut des Schmerzes.

Zweite.                                     Herzog Leopold!

Leopold (vortretend).
Wer ruft? wer nannte mich? Ein flehend Weib!
Hinweg! such' nicht Barmherzigkeit bei mir,
Dem unbarmherzig die Gestirne sind!

Zweite Pilgerin (sich entschleiernd).
Kennst du mich?

Leopold.                   Isabella!

Isabella.                                   Ja, ich bin's,
Die Witwe, die elendeste der Frann.

Leopold. Was willst du?

Isabella.                           Meinen Jammer will ich dir
Verkünden, will dir klagen meine Not.
In jener Stunde, da mir Botschaft kam
Von Friedrichs Unsieg und Gefangenschaft,
Da riß ich ab mein fürstliches Gewand,
Und mein Geschmeide trat ich in den Staub.
Im rauhen Pilgermantel zog ich aus,
Und wo ein Gnadenbild den Gläub'gen winkt,
Da wallt' ich hin und seufzt' und betete.
Mit Fasten und Kasteiung quält' ich mich,
Und meiner Thränen heiße Quelle floß
So unversieglich, daß die Augen wund
Mir wurden und der Blick mir dunkelte.
Und als ich heute, nach durchweinter Nacht,
Dies Mädchen fragte: »Tagt's noch immer nicht?«
Da sprach sie: »Strahlt die Sonne denn nicht hell?«
Ich aber sah nicht mehr den goldnen Strahl.
Und ist's ein Wunder, wenn mir alles Licht
Dahingeschwunden mit dem schönen Freunde,
Der meiner Augen Trost und Wonne war?

Leopold. In jener Stunde, da mir Ludwigs Sieg
Berichtet ward, stemmt' ich auf einen Stein
Den Knauf des Schwertes, und mit offner Brust
Wollt' ich hinein mich werfen. Was sie dort
Verhinderten, noch kann es hier geschehn.
Hier klirrt mein Schwert, und siehst du nicht die That, 91
Doch kannst du tauchen in mein heißes Blut
Und kannst befühlen die erstarrte Hand.

Die Begleiterin. Weh uns!

Isabella.                               Halt ein! Den Weibern überlaß
Die Werke der Verzweiflung und des Grams!
Nicht also büßest du das große Leid,
Das du mir angethan. Den Gatten hast
Du mir gerissen in den wilden Kampf,
Du hast ihn mir verloren, als du ihm
Gefehlt am großen Tage der Entscheidung.
Von dir verlang ich ihn; den Gatten gieb
Mir wieder und mit ihm der Augen Licht!

Leopold. So manches Jahr hab' ich ihm treu gedient,
Manch lange Winternacht, manch schönen Mond
Hab' ich gelegen vor den festen Städten
Und vor den Burgen seiner Feinde.
Doch er, um einen Tag, um wenig Stunden,
Die er auf mich soll warten, wirft er hin
Der jahrelangen Mühe teuren Preis.
Und dennoch ward ich nicht der Arbeit laß,
Und alles setzt' ich dran, ihn zu befrein.
Nach Avignon bin ich gewandert, habe
Den Staub geküsset von des Papstes Sohlen,
Bis er den Bannstrahl warf auf Ludwigs Haupt.
Dem Könige von Frankreich beugt' ich mich
Und bot ihm Deutschlands Kron' und sah ihn drob
In eitler Lust sich spreizen wie ein Pfau.
Nach Prag hin eilt' ich, und dem Luxemburg
Gab ich zerrissen hin den alten Brief,
Der unser Recht auf Böhmens Thron verbürgt.
Und wieder kam ich, überfiel den Baier
Vor Burgau, trieb ihn schmählich in die Flucht,
Verheere sein Gebiet mit Schwert und Brand
Und lass' ihn nimmer sich des Sieges freun.
Doch wenn das alles uns nicht fruchten will,
Wenn keine Macht der Erd' uns Hilfe schafft,
Wenn nicht den Himmel dein Gebet erweicht,
So bleibt nur eines noch, die Hölle nur
Ist übrig, und auch diese reiß' ich auf.

Die Begleiterin. Graunvolle Stunde!

Isabella.                                                 Sprich! was hast du vor?

Die Bühne verdunkelt sich. Unter den Bäumen erscheint Albertus, in den Mantel gehüllt. 92

Leopold. Schon lagern sich die Schatten auf das Land,
Das Nachtgeflügel rauschet in den Zweigen,
Und dort schon harrt der Meister schwarzer Kunst,
Der mir gelobt, den Bruder zu erlösen.
Tritt vor, Albertus! Ja! ich traue dir,
Ich hab's erfahren, mächt'ger sind auf Erden
Des Abgrunds Geister, als die himmlischen.
Bist du bereit, die Wandrung anzutreten?

Albertus. Noch eines fehlt mir.

Leopold.                                     Was?

Albertus.                                               Ein Zeichen, Herr,
Daran er wisse, wer mich abgeschickt;
Kein Ring, kein Kleinod, nichts von Goldeswert,
Ein Wort nur, ein Gedanke, der die Seel'
Ergreift und die Beschwörung wirksam macht.

Leopold. Dir, Isabella, fehlt's am wenigsten
An solcher Losung. Zögre nicht! Du bist
Der Nacht verfallen und des Lichts beraubt.

Isabella. Die Sterne schau' ich nicht, doch weiß ich wohl,
Sie gehn jetzt glänzend auf ob meinem Haupt.
Mein Aug' ist dunkel, doch im Innern leuchten
Die Angedenken sel'ger Liebeszeit.
Bei was ich den Gemahl beschwören will,
Hat mit der Hölle Mächten nichts gemein.
Ja! ich beschwör' ihn bei dem Ahnungstraume,
Der mir ihn wies, bevor ich ihn gekannt;
Bei der Begegnung, als er, hergesprengt
An meinen Wagen, die Umhüllung hob
Und, froh erschreckend, eins das andre sah;
Bei jenen Wonnethränen, die mir quollen,
Als er zuerst an seine Brust mich schloß;
Beim goldnen Liebessterne, der so hell
In unsre Hochzeitkammer funkelte;
Bei jeder Stunde des verschwundnen Glückes,
Und jetzt bei diesen blindgeweinten Augen,
Bei diesen Seufzern, dieser Seelenangst;
Bei all der Sehnsucht, all der Liebe, die
Mein glühend Herz beseligt und verzehrt.

Leopold. Und ich beschwör' ihn bei den Todeswunden
Des Vaters, bei den eignen Wunden, die
Zu Nacht mich schmerzen, daß ich ächzen muß;
Bei der gebrochnen Lanzenspitze, die 93
Mir in der Seite steckt, bei diesem Schwerte,
Das ich am bösen Tag auf mich gezückt;
Bei den Gespenstern der Erschlagenen,
Die mich verfolgen; bei den Feuerbränden,
Die ich in Städt' und Dörfer schleuderte;
Bei allem, was mir auf der Seele brennt;
Bei allem, was an meinem Leben frißt,
Bei Rache, Zorn, Verzweiflung, Raserei.

Leopold geht in das Zelt zurück, die Frauen und Albertus nach verschiedenen Seiten ab.)

 


 

Zweite Scene.

München. Saal im Schlosse.

Ludwig und der Burggraf treten im Gespräche auf.

Ludwig. Und welchen Eindruck macht der Kirchenfluch,
Den unter schnödem Vorwand Papst Johann
Auf mich gelegt?

Burggraf.                   Die Schwachen sind geschreckt.
Doch eine Wache mächt'ger Geister steht
An Eurer Seite. Was Johann von Gent,
Was Wilhelm Occam, was Marsilius schreibt,
Es greift um sich, das freie Wort, und weit
Wird es noch wirken in der Zeiten Lauf.
Mit Recht hat Occam einst zu Euch gesagt:
»Schützt mich dein Schwert, so schützet dich mein Wort!«
Die kräftige Berufung auch, die Ihr,
Erlauchter Herr, ins Reich ergehen ließet,
Hat manchen Zweifel siegreich weggeräumt.
Zumal die Städte sind im Eifer stark.
Zu Regensburg, zu Landshut, wie Ihr wißt,
Versagte man den widerspenst'gen Brüdern
Das Opfer, bis der Hunger sie bewog,
Das heil'ge Amt zu halten nach Gebühr.
Zu Straßburg griff das Volk den Pred'germönch,
Der an die Kirchenthür den Bannbrief schlug,
Und stieß ihn nieder in des Rheines Tiefen.

Ludwig. Den Eifer lob' ich, aber nicht die That;
Doch gleicher Sinn belebt die Fürsten nicht,
Sie wanken. Was zu Rense jüngst geschah,
Wißt Ihr Bescheid darüber? 94

Burggraf.                                     Leopold,
Die Vorhand nützend, die ihm der Entsatz
Von Burgau gab, berief sogleich nach Rense
Die Unzufriednen. Frankreichs und des Papsts
Gesandte, stets zu unserm Unheil wach,
Erschienen und gehandelt ward, daß Karl
Von Frankreich sollte Deutschlands König sein.
Da trat ein Mann hervor, Berthold von Bucheck,
Vom deutschen Haus zu Koblenz Kommentur,
Und edeln Zornes sprach er: »Wollt ihr den
Zum König, der nicht unsre Sprache spricht,
Noch die Gewohnheit unsres Lebens teilt?
Wenn Ludwig weichen soll, ist Deutschland jetzt
So arm an Männern, daß ihr auswärts blickt?«
Sie schwiegen, die Versammlung war gelöst.

Ludwig. Der hat gesprochen, wie ein Deutscher soll,
Ich muß ihn rühmen, wie es auch mich kränket,
Daß solche Männer meine Gegner sind.

Burggraf. Die für Euch stehen, sind sie schlechter Art?

Ludwig. Die Guten kenn' ich, und vor allen du,
Mein treuer Zollern, führst mit vollem Recht
Die Säul' im Wappen, denn du bist bewährt
Als eine feste Säule meines Throns.
Auf deine Schulter lehn' ich mich auch jetzt,
Und dir, dem Freunde, will ich anvertraun,
Was ich vor andern tief verschweigen muß.
Ja, wiss' es! seit der unglücksel'gen Stunde,
Da du in meine Halle tratst und mich
Zum Thron beriefest, ist kein froher Tag
Mir noch geworden und des Sieges selbst,
Des heißerkämpften, hatt' ich nicht Gewinn.
Der Feinde hab' ich mehr noch, als zuvor;
Die Kampfgenossen reißen gierig mir
Am Siegeskranz, und jeder will sein Teil;
Wer nicht bei mir den eignen Zweck erreicht,
Der kehrt sich ab und sucht ihn anderwärts.
Und der Gefangene, was hilft er mir?
Er ist mir, was dem Geizigen sein Schatz,
Ein freudenlos gefährlicher Besitz,
Des Tages Sorge und die Qual der Nacht.
O Zollern, Gutes kam mir stets von dir,
Nur damals nicht, als du die Königskrone 95
Mir aufludst. O, wie oft schon sann ich nach,
Mich zu entlasten des unsel'gen Schmucks!
Ausbieten möcht' ich sie der Welt und rufen:
»Will einer friedlos sein, der nehme hin!«
Ich weiß, was du mir sagen willst, ich weiß,
Jetzt eben in den Tagen der Gefahr
Und der Bedrängnis, die mich neu umgiebt,
Die ich in deiner Tröstung selbst erkannt,
Darf ich nicht weichen und nicht lässig sein.
Auch reift in mir seit kurzem ein Gedanke,
Davon du hören solltest, säh' ich nicht
Die Ritter dort sich meiner Schwelle nahn.
    Albrecht von Rindsmaul mit einigen Rittern wird in der Galerie gesehen.
Herein, ihr Herrn!   (Sie treten ein.)   Ihr seid ein seltner Gast,
Herr Albrecht! Seid von Herzen mir willkomm!

Albrecht. Erlauchter Herr, ein böser Handel ist's,
Was diesmal mich nach München führt. Man will
Mir an die Ehre tasten.

Ludwig.                                 Wer will das?

Albrecht. Entrüstet Euch darüber nicht! Ich hoff',
Es wird sich geben, wenn Ihr mich gehört.

Ludwig. Ich höre.

Albrecht.               Als wir in der Winterzeit
Vor Burgau lagen und mit wenigem
Erfolg das Sturmzeug um die Mauern stellten,
Da fror es manchen Ritter in die Zehe,
Und, mißgemut darüber, drohten sie,
Wenn in drei Tagen nicht das Thor sich öffne,
So gelt' es des gefangnen Friedrichs Haupt.
Drei Tage schwanden und noch drei dazu;
Wir lägen, glaub' ich, noch vor Burgaus Feste,
Hätt' uns nicht Leopold den Weg gezeigt.
Nun biß es unsern Rittern weidlich aus,
Daß sie umsonst gedroht, und Leopold,
Der böse Spötter, sprach: »Es hat nicht Not,
Der König Ludwig kann das Blut nicht sehn.«
Die Ritter murrten: »Kann er doch das Blut
Der Baiern sehn, das täglich für ihn fließt,
Warum nicht Friedrichs? Sollt' ihm's wirklich so
Am Lösegeld gelegen sein, daß er
Um dessenthalb des Feindes Leben fristet
Und unsres opfert? Ward denn Friedrich nicht 96
Auf offner That ergriffen als ein Feind
Des rechten Königs und des Reichs? Warum
Soll er nicht bluten und durch seinen Tod
Uns Frieden schaffen?« Also murmeln sie.
Und weil auch mir, dem Friedrich sich ergab,
Ein Teil des Lösegelds gebühren würde,
So werfen sie mir vor, ich sei von denen,
Die Euch das raten, daß man säuberlich
Den Herzog auf der Trausnitz heg' und pflege.
Darum hab' ich hieher mich aufgemacht
Und trete jetzt vor Euch mit diesen Rittern,
Die ich zu Zeugen mir erbeten habe.
Auf meinen Anteil an dem Lösegeld
Verzicht' ich feierlichst. Gott sei's gedankt!
Ich habe noch zu leben ohne das.
Dies Schwert, das des gefangnen Friedrichs war,
Leg' ich in Eure Hand. Mir ziemet nicht
Das Urteil, was hier besser sei zu thun;
Nach Eurer Weisheit mögt Ihr das ermessen.
Drum nehmt dies Schwert! Ob Ihr damit den Herzog
Enthaupten laßt, ob nicht, mir gilt es gleich.
    (Er legt das Schwert von sich.)

Ludwig. Was meiner Ehre, was der Euren ziemt,
Es wird geschehn. Gefaßt ist mein Entschluß.
Herr Burggraf, macht Euch fertig und auch Ihr,
Herr Albrecht, einen Ritt mit mir zu thun!

(Er geht durch die Seitenthür ab, die andern durch die Galerie.)

Dritte Scene.

Burg Trausnitz.

Nacht. Der gefangene Friedrich liegt schlafend in einer Nische. Der Burgvogt und drei Wächter mit einer Leuchte treten auf und sehen sich im Gemach um.

Burgvogt. Ist alles richtig?

Erster Wächter.                 Ja, er schläft, Herr Burgvogt!

Burgvogt. Die Lamp' ist ausgegangen, frischt sie auf,
Damit er Licht hat, wenn der Sturm ihn weckt!
Ist wildes Wetter.

Zweiter Wächter (nachdem er angezündet).   So! die Lampe brennt.

Burgvogt. Jetzt macht die Runde weiter! Nein doch, halt!
Laßt uns den Herzog nochmal recht beschaun, 97
Ob er's auch ist! Der Teufel hat sein Spiel.
Kommt, leuchtet her! Ja, seht nur selbst! er ist's.

Erster Wächter. Man kennt ihn an der bleichen Farbe.

Burgvogt.                                                                             Still!
Er regt sich.

Dritter Wächter.   Ruhig schläft der Herzog nie.

Burgvogt. Ja! Vorsicht ist uns not, ein sorglich Ding
Ist solche Wache, wo der Kopf drauf steht.

(Sie gehen ab.)

Man hört in der Entfernung Donner, der sich bald verstärkt und bis gegen das Ende der Scene von Zeit zu Zeit wiederholt. Friedrich erhebt sich vom Lager.

Friedrich. Hat's nicht gedonnert? Ja! es hallen noch
Die Berge dumpf. Man sagt wohl, Märzendonner
Bedeut' ein fruchtbar Jahr. Was soll er mir
Für Früchte künden? Nein, ich kann es nicht
Ertragen, dieses Wetter. Als der Schnee
Noch friedlich über Höhn und Thälern lag
Und als das Eis des Stromes Wellen band,
Daß sie nicht flossen und nicht rauschten, da
Konnt' ich mich schicken in mein Kerkerleben.
Am Morgen und am Abend ging ich still
In die Kapell' hinüber zum Gebet;
Den Tag entlang ließ man zum Zeitvertreib
Mich Pfeile schnitzen, Pfeile sonder Ziel.
Doch diese Frühlingsstürme, Märzendonner,
Sie rühren mir das Blut auf, mächtig regt
Die Jugend sich, die Thatenlust erwacht.
    Donnerschlag. Im Fenster erscheint Albertus.
Ha, welch ein Schlag! Die Fenster klirren auf.
Was seh' ich? Ist's ein Mensch, ist's ein Gespenst?
Sag' an, wer bist du?

Albertus.                         Frag' nicht, wer ich sei.
Willst du befreit sein, thu, was ich dich heiße!
Umfasse mich behend! Den Mantel schlag' ich
Dir um, der Sturmwind führt uns durch die Luft.

Friedrich. Du bist mir fremd.

Albertus.                                 Du hast mich einst gesehn.
Komm, Friedrich, komm! Das Nachtgewitter braust,
Der Regen rauscht, und morgen steht die Welt
Im vollen Frühling, wie ein Mädchen, dem
Die erste Liebe plötzlich überkam.
Jetzt, Friedrich, ist es Zeit zum Kampf und Strauß,
Jetzt reiten alle Ritter. Friedrich, komm! 98

Friedrich. Ich will nicht.

Albertus .                         Deine Schönheit ist gewelkt;
Der Frühling blüht, auch sie wird neu erblühn.

Friedrich. Du lockst vergeblich.

Albertus.                                       Frühling ist es, komm!
Vor Sehnsucht stirbt dein Weib, sie hat sich blind
Geweint, ja! blind, und weint noch immerfort
Und girrt im Dunkeln wie die Nachtigall
Und träumt von Königen.

Friedrich.                                 Weißt du von dem?

Albertus. Ja! Frühling ist es. Deinem Bruder brennen
Die Wunden, und die Lanzenspitze sticht.
Komm! Dieser Mantel trägt dich sicher hin.

(Geräusch vor der Thür.)

Friedrich. Gott sei gedankt! die Runde kommt. Entfleuch!
Du bist verloren.

Albertus.                     Wähnest du wohl gar,
Daß ich sie fürchte?
    Der Burgvogt und die Wächter treten ein.
                                  Fort, ihr Elenden!
    (Donnerschlag)
Mit diesem Donner werf' ich euch zu Boden.

Die Wächter. Hilf, heilig Kreuz!

Burgvogt.                                     Flieht! zur Kapelle! flieht!

(Burgvogt und Wächter ab.)

Albertus. Hast du's gesehn? Da sind sie hin. Doch jetzt
Ist's höchste Zeit. Komm, Friedrich! Deine Feinde
Sind nah, die Brücke fällt, das Burgthor knarrt,
Die Hufe klirren. Friedrich, rette dich!
Man will dich töten.

Friedrich.                       Ob durch Zauber du,
Ob durch Verwegenheit die Zinn' erstiegst,
Fahr hin, Versucher! Mich verlockst du nicht.
In rechtem Kampf hat Ludwig mich gefangen,
Und nicht will ich entweichen wie ein Dieb.
Die Wächter!

Der Burgvogt und die Wächter treten auf, mit Kreuzfahne, Weihkessel und Rauchfaß bewaffnet.

Die Wächter.     Alle gute Geister loben
Den Herrn.

Burgvogt.         Das Kreuz voran! nur keck voran!
Spritzt, spritzt den Unhold! blast den Rauch auf ihn! 99

Albertus. Ich muß von hinnen.

(Er verschwindet.)

Burgvogt.                                   Hu! der ist hinab,
Die Höll' hat ihn verschlungen. Wie das kracht
Und brauset! Jetzt wird's ruhig, jetzt wird's hell.

(Klopfen an der Thür.)

Friedrich. Man klopft. Wer draußen?

Die Wächter.                                       Alle gute Geister!

Albrecht von Rindsmaul tritt ein.

Albrecht. Was giebt's hier?

Burgvogt.                             Scheucht ihn! spritzt ihn! räuchert! spritzt!

Albrecht. Seid ihr von Sinnen? Was soll dieser Spuk?

Ein Wächter. Der Pfleger ist's.

Friedrich.                                   Herr Ritter, es ist gut,
Daß uns ein Mann von kühlem Blute kommt.
Das Grauen dieser Nacht hat wundersam
Die Geister aufgestört. Was führt Euch her?

Albrecht. Der König ist im Schloß.

Friedrich.                                         So ist's doch wahr!

Albrecht. Er möcht' Euch sprechen.

Friedrich.                                             Wißt Ihr, was er will?

Albrecht. Ich weiß es nicht. Ein tief Geheimnis ist's,
Darum ist er die Nacht geritten.

Friedrich.                                           Ha,
Was soll das?

Albrecht.             Drüben auf dem Saal erwartet
Der König Euch. Wollt Ihr mir folgen, Herr?
Nehmt Euch zusammen, daß Ihr nicht erschreckt,
Wenn Ihr Unliebes zu vernehmen habt!

Friedrich. Ich weiß es schon, beschlossen ist mein Tod.

(Er geht mit Albrecht ab.)

Ein Wächter. Herr Burgvogt, so nachdenklich?

Burgvogt.                                                               Ja! ich hab's.
Der Geist hat meinem Neffen gleich gesehn,
Dem ungeratnen, der bei Nacht und Nebel
Von hier entwich. Schon neulich deucht' es mich,
Als säh' ich drunten ihn im Zwinger schleichen.
So muß ich noch die Schmach an ihm erleben,
Daß, wenn der Teufel auf der Erde spukt,
Er sich die Larve nimmt in unserm Stamm!

(Ab mit den Wächtern.) 100

 


 

Vierte Scene.

Saal.

Ludwig und der Burgvogt treten von der Seite auf.

Burggraf. Wollt Ihr Euch keine Ruhe gönnen, Herr,
Nach dieser stürm'schen Reise? Heftig war
Das Nachtgewitter, das uns überfiel.

Ludwig. Die Seele, die auf Großes ist gespannt,
Erwehrt sich leicht des Anspruchs der Natur
Und achtet wenig auf den äußern Sturm.
Der Herzog kommt. Bereitet Ihr indes,
Was ich Euch anbefahl!

(Der Burggraf ab.)

Friedrich und Albrecht treten von der andern Seite ein.

Ludwig (zu Albrecht).             Laßt uns allein!
    (Albrecht ab.)
Mein Vetter, wie erging es Euch? Ich hoffe,
Daß meine Diener keinen Anlaß Euch
Zur Klage gaben. Meine Weisung war,
Euch jegliche Bequemlichkeit zu schaffen,
Die mit der Sicherheit verträglich sei.
Ihr schweigt?

Friedrich.           Ha, sprich nur, sprich es aus!
Verbirg nicht länger unter glatten Mienen
Das Todeswort, das du im Sinne trägst!
Ich weiß, du lechzest längst nach meinem Blut,
Warum noch erst des Lebens mich versichern
Und hier mich hegen, als ein Opfertier?
Hab' ich gezaudert, als ich in der Schlacht
Dich zu erreichen hoffte? War ich träg',
Das Schwert zu bohren in des Gegners Brust?
Wenn du noch atmest, ist es meine Schuld?
Drum säum' auch du nicht, rufe deine Henker!
Hier ist mein Haupt, sieglos, doch ungebeugt.

Ludwig. Man riet mir, Euch zu töten! Es ist wahr!
Und wahr ist's, dieser endlos blut'ge Streit
Verhärtet auch des mildern Mannes Sinn;
Doch so ist noch der meine nicht verwildert,
Daß dieses schöne Haupt mir dürfte fallen,
Dies edle Haupt, der höchsten Krone wert.

Friedrich. Was ist es andres, daß Euch hergeführt? 101

Ludwig. Weil es dahin gekommen zwischen uns,
Daß Liebe nichts mehr gilt, daß Freundesrede
Für Trug und Heuchelei geachtet wird,
So laßt mich das nur Euch vors Auge stellen,
Was Euer Vorteil und auch meiner heischt!
Es sei Euch unverhalten, schwer bedrängt
Bin ich von Feinden; mich gefährdet sehr
Des Papstes Fluch, die Rache Leopolds.
In solcher Not kann ich an niemand besser
Mich wenden, als an Euch.

Friedrich.                                   Ihr spottet mein.

Ludwig. Denn seht! je später sich mein Thron befestigt,
Je länger dauert Eure Kerkerhaft;
Je wilder mich der Gegner Wut bestürmt,
Je fester muß ich Eure Bande schmieden,
Und so verzehren wir uns beiderseits:
Ich, der ich Frieden will, in stetem Kampf,
Ihr, der nach Thaten glüht, in ödem Gram.
Drum, wenn uns beiden Hilfe werden soll,
So muß der eine zu dem andern stehn,
Und deshalb komm' ich her und ruf' Euch auf:
Verbürget mir den Thron und werdet frei!

Friedrich. Was nennt Ihr Euch den Thron verbürgen?

Ludwig.                                                                             Dies
Sind die Bedingungen: entsagen müßt Ihr
Dem Königsnamen, müßt die Krone mir
Ausfolgen, die man für die rechte hält,
Müßt Eure Brüder zum Gehorsam bringen,
Die Feinde mir bekämpfen und auch den,
Der Papst sich nennt; was Ihr dem Reich entrissen,
Müßt Ihr zurück ihm stellen –

Friedrich.                                       Meine Burgen
Zum Pfand Euch übergeben, meinen Schatz
Als Lösegeld –

Ludwig.                   Verkennt mich nicht! Das Eure
Soll Euch verbleiben, und was Ihr verlort,
Wird Euch zurückgegeben, Euer Lehn
Bestätigt, Lösegeld bezahlt Ihr nicht,
Und alle, die mit Euch gefangen wurden,
Sind mit Euch freigelassen. Unterpfand
Begehr' ich keines, Eure Treue bürgt.
Nur Euer Wort verlang' ich, daß, wenn Ihr 102
Nicht die Bedingungen erfüllen könnt,
Ihr Euch bis auf die nächste Sonnenwende
Unfehlbar in die Fängnis wieder stellt.
Auf die Entscheidung durch das Schwert habt Ihr
Das Recht zur Krone selbst uns ausgesetzt;
Mir fiel der Sieg, mein Recht nur sprech' ich an.

Friedrich. Ob Eurer Gründe siegendes Gewicht,
Ob der geheime Zauber dieser Nacht
Mein widerstrebendes Gemüt bezwang,
Ich muß mich unterwerfen. Nehmt mein Wort!
Was Ihr bedingt, erfüll' ich, wenn ich kann;
Kann ich es nicht, so kehr' ich auf die Zeit.

(Handschlag.)

Ludwig. Wohlan denn!
    (Gegen den Hintergrund rufend.)
                                  Herzog Friedrich wandelt frei!

(Hinter der Scene wird eine Orgel angespielt.)

Friedrich. Was soll das Orgelspiel?

Ludwig.                                               Der fromme Prior
Von Maurbach, Euer Freund und Beichtiger,
Der Lehrer unsrer Jugend –

Friedrich.                                     Ist er hier?

Ludwig. Er ist's. Ja, dieser echte Gottesknecht,
Ein Gegenbild von dem zu Avignon,
Ein Friedensbote, der im Heile nur
Und nicht im Fluch die Macht der Kirche zeigt;
Er ging von Euch zu mir, von mir zu Euch,
Zu trösten sucht' er, zu besänftigen,
Neu anzuknüpfen das zerriss'ne Band.
Auch diese Sühne, die wir jetzt vollbracht,
Wünscht er zu heil'gen; sein Begehren ist,
Daß wir auf unsern Bund die Hostie nehmen.
    (Gegen den Hintergrund.)
Man öffne!

Die Flügelthür in der Mitte geht auf, und man sieht in die erleuchtete Schloßkapelle. Am Altar steht der Prior von Maurbach, an den Stufen des Altars Dietrich von Plichendorf, der Burggraf und Albrecht von Rindsmaul. Orgelspiel, das bis zum Ende des Aufzugs fortdauert.

                    Seht Ihr dort den edeln Greis?
Schon harret er auf uns am Hochaltar,
Und dort auch stehet Euer Plichendorf,
Mit Euch befreit, soll er uns Zeuge sein.
O möchte dieses heil'ge Mahl in uns 103
Die Funken alter Liebe neu erwecken!
Folgt mir! Die Orgel hallt, der Priester winkt.

Friedrich. Fürwahr! ein mächt'ger Wohlklang muß es sein,
Der meiner Seele tiefen Mißton lösen,
Ein kräft'ger Himmelsfriede, der die Brust,
Die stürmisch wallende, mir stillen soll.
Herabzusteigen von der Wünsche Gipfel,
Des Lebens höchstem Ziele zu entsagen
Und wie ein Aar, gebrochnen Fittiches,
Zum Himmel aufzublicken, o! es ist
Ein großer Schmerz, und nicht entehret hier
Den Mann die Thräne. Kommt! ich bin bereit.

(Sie gehen nach der Kapelle. Die Orgel verhallt.)

 


 


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