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Pucki will Geld verdienen

Die Niepelschen Drillinge fanden es gar nicht nett, daß in der Försterei eine Großmutter angekommen war, die mit Pucki Spaziergänge unternahm und die Kleine beschäftigte. Vergeblich versuchte Paul, wenn er mittags aus der Schule kam, das kleine Mädchen zu veranlassen, mit ihm einen Streich zu machen. Er hatte sich allerlei ausgedacht und flüsterte Pucki seine Pläne zu. Dann legte die Kleine das Köpfchen auf die Seite, schaute nachdenklich zu den hohen Tannen empor und sagte:

»Mach's mal allein, ich glaube, das ärgert wieder meine Mutti, und meine Mutti ist noch immer so'n bißchen krank und kann keinen Ärger vertragen.«

»Kommst du nicht endlich mal wieder zu uns, die Lehmgrube ist wieder so schön glitschig.«

Hedi schüttelte heftig das Köpfchen. »In die Lehmgrube gehe ich nicht mehr, Mutti will es nicht, und die Großmutter wird es auch nicht wollen.«

»Bring die Großmutter doch mit. Wir stellen sie oben auf den Berg an der Lehmgrube, lassen sie 'runterrutschen, und dann lachen wir sie aus, wenn sie schmutzig ist.«

»Nein, dann muß man die Großmutter waschen, und die Mutti ist krank geworden, weil sie die Lehmgrube aus meinem Kleide waschen mußte.«

»Quatsch! – Kommst du heute nachmittag? Ich werde dem Vater sagen, daß er den Wagen schickt.«

»Ich werde die Großmutter mitbringen. Sie freut sich, wenn sie eure Schweinchen und eure Kühe sieht.«

»Die Großmutter wollen wir nicht. Deine Großmutter können wir überhaupt nicht leiden.«

»Warum denn nicht?« fragte Pucki erstaunt.

»Ach – die hat 'ne Brille auf der Nase. – Wie heißt sie eigentlich?«

»Na, Großmutter.«

»Ach, Quatsch! – Jede Großmutter hat einen Namen.«

»Ich nenne sie immer nur Großmutter; aber die Großmutter müßt ihr auch liebhaben, sie ist so gut zu mir.«

»Unsere Großmutter heißt Alwine Hasensprung.«

Pucki lachte, daß sie sich schüttelte. »Hasensprung! – Kann sie denn so hopsen wie ein Hase? – Ich habe deine Großmutter noch nicht gesehen! Sag doch deiner Großmutter, daß sie herkommen soll.«

»Sie kommt nicht, sie hat noch andere Kinder, bei denen sie immer ist.«

»Vielleicht kommt sie nicht, weil ihr drei unartige Jungen seid. – Mutti hat gemeint, wenn ich ein unartiger Junge bin, würde mich die Großmutter auch nicht leiden können. Aber ich will mal die Minna fragen wie die Großmutter heißt. Warte mal noch ein bißchen.«

Minna war in der Küche beschäftigt, als Pucki eintrat und nach dem Namen der Großmutter fragte.

»Das ist Frau Blake.«

»Und wie heißt sie noch? Dem Paul seine Großmutter heißt Alwine Hasensprung.«

»Barbara Blake.«

»Barbara Blake – – ist das ein komischer Name!«

Pucki lief zu ihrem Freund zurück. »Meine Großmutter hat auch 'nen komischen Namen, sie heißt – sie heißt – Blake und – und – Barber – Berber – –«

Jetzt lachte Paul. »Sie weiß nicht mal, wie die Großmutter heißt! Nu laß mal deine Großmutter zu uns kommen, die werden wir aber ärgern.«

»Nein, Paul, meine Großmutter wird nicht geärgert. Meine Großmutter ist sehr gut. Wenn du sie ärgern willst, komme ich nicht.«

Als aber auch Walter und Fritz Pucki herzlich baten, sie möchte bald wieder hinaus aufs Gut kommen, meinte die Kleine nachgiebig:

»Na, ich komm' bald, vielleicht schon heute.«

Beim Mittagessen setzte sich Pucki ganz plötzlich auf den Schoß der Großmutter.

»Wie heißt du eigentlich? – Der Paul hat schrecklich gelacht, weil ich es nicht wußte.«

»Pucki, was soll das?« tadelte der Vater. »Man springt nicht vom Tisch auf, sondern bleibt schön auf seinem Platz sitzen, bis man fertig gegessen hat, erst dann fragt man.«

Der schwierige Vorname der Großmutter machte dem Kinde noch lange Sorgen. Gar zu schwer sprach sich dieser komische Name aus.

»Du brauchst mich gar nicht Großmutter Barbara zu nennen, Hedi«, lachte die Großmama. »Für dich bin ich die Großmutter, das genügt.«

»Großmutter, gibt es auch Engel mit grauen Haaren im Himmel?«

»Nein, die Englein haben alle lange blonde Locken.«

Die Großmutter, die so gern auf Puckis Geplauder einging, wuchs der Kleinen von Tag zu Tag mehr ans Herz. Ihr zeigte das Kind das Grab von Männe, und als die Großmutter dann einige Blümchen im Garten pflückte und auf das Grab legte, wurde sie von der Kleinen stürmisch umhalst.

»Der liebe Gott freut sich schon auf dich, weil du so gut bist! Wenn du in den Himmel kommst, läßt er alle Englein laut singen.«

»Was sollen sie denn singen?«

Pucki überlegte ein Weilchen, dann sprang sie umher, nickte heftig mit dem Kopf und sang:

»Bimmele – bammele – hopsassa, Kasperle ist wieder da! – Guten Tag, Großmutter!«

»Ganz recht, das hat der Kasper gesagt.«

»Großmutter, das war ein unartiger Kasper! Mit der Wurst hat er einen Mann gehauen, weil es eine Schlagwurst war. – Hahaha, Großmutter, hab' ich gelacht! Und dann hat der Kasperle seinen Schuh genommen und mitten durchgerissen. – Sieh mal, Großmutter, so hat er den Schuh angepackt – –«

Pucki zerrte ihren Schuh vom Fuß und riß kräftig an der Schnalle. Es gab einen Ruck, die Spange löste sich ab.

»Ach«, lachte die Kleine, »nu hab' ich's wie der Kasperle gemacht! – Nu is er kaputt!«

»Aber, Hedi! Soeben hast du mir gesagt, Kasperle sei ein unartiger Wicht, und nun machst du es genau so! Nun müssen wir den Schuh zum Schuhmacher bringen, das kostet Geld. Diese Ausgabe wäre nicht nötig gewesen. Dein Vati muß ohnehin jetzt viel bezahlen und hat kaum so viel Geld wie er braucht.«

»Warum muß er denn viel bezahlen?«

»Die Krankheit der Mutti kostet viel, und für dein kleines Schwesterchen hat der Vati auch viel bezahlen müssen.«

»Bück dich mal, Großmutter, ich möchte dir ganz leise was ins Ohr sagen. – So – Ich hätt' für das kleine Schwesterchen kein Geld ausgegeben. Wir brauchen sie nicht.«

»O doch, Pucki, wir brauchen sie.«

»Wozu brauchen wir sie, Großmutter?«

»Deine Eltern freuen sich darüber, und für dich ist es später gut, wenn du ein Schwesterchen hast.«

»Wenn es doch dem Vati so viel Geld kostet.«

»Um so weniger Ausgaben muß du den Eltern machen.«

»Großmutter, ich habe eine Sparbüchse. Soll ich die dem Vati geben?«

»Nein, Hedi, die darfst du behalten, aber nicht mutwillig Sachen entzwei machen. – Sieh mal, du kannst dir die Schuhe nicht bezahlen, du verdienst noch kein Geld, alles muß der Vati hergeben.«

Die Kleine war nachdenklich geworden. Es leuchtete ihr durchaus ein, daß der Vati Geld hergeben mußte. Auch der Groschen, den sie für den Jahrmarkt bekommen hatte, war ihr vom Vater in die Hand gelegt worden. Wenn nun eines Tages der Vater gar kein Geld mehr hatte, was sollte werden?

Am Nachmittag nahm die Großmutter Pucki mit nach Rahnsburg. Sie machte Besorgungen; schließlich suchte sie den Gärtner auf.

»Morgen steht Mutti wieder auf, da wollen wir ihr eine schöne Blume auf den Tisch stellen. Ihr habt zwar Blumen genug im Garten, aber die Mutti freut sich sehr, wenn sie noch einen hübschen Blumentopf bekommt.«

Man wählte eine Hortensie von schöner blauer Farbe.

»Blumen gibt es wohl jetzt in Hülle und Fülle?« fragte Frau Blake die Gärtnersfrau.

»Gewiß, aber gerade in diesen Tagen habe ich fast alles abschneiden müssen. Wir hatten eine Doppelhochzeit und zwei Todesfälle. Blumen sind mitunter auch bei mir knapp.«

»Wir haben viele Blumen im Garten«, sagte Hedi.

»Das glaube ich dir gern, ich habe auch eine Menge, doch mitunter reichen sie nicht aus, und ich muß welche dazukaufen.«

»Das macht Ihnen hier gewiß keine Schwierigkeiten«, sagte die Großmutter.

»Mitunter doch. – Ich bekomme wohl von den Gütern allerlei, auch bringt mir der Niepelsche Wagen fast täglich Blumen mit. Doch mitunter langt es noch nicht.«

Aufmerksam lauschte Pucki auf das Gespräch. Einmal sagte die Mutti, daß man aus dem Garten Blumen nehmen dürfe, das war damals gewesen, als Frau Niepel Geburtstag gehabt hatte. Die Gärtnersfrau sprach heute davon, daß sie die Blumen mitunter teuer bezahlen müsse. Der arme Vati hatte kein Geld, und die Schuhe mußten zum Schuster.

»Ich weiß was«, jauchzte Pucki plötzlich.

»Was weißt du denn?«

»Sehr was Schönes, Großmutter! Das wird dem Vati Freude machen. – Ach, wie der springen wird!«

»Was ist denn los, Hedi?«

»Ich sag's nicht – ich sag's nicht – ich sag's nicht!« Hedi sprang von einem Füßchen aufs andere und klatschte in die Hände. Für das Kind stand der Plan fest, daß es der Gärtnersfrau die Blumen aus dem Garten bringen wollte. Das Geld bekam der Vati, weil er für die kranke Mutti und das Schwesterchen viele Ausgaben hatte und ganz arm war.

»Der wird sich freuen – na, der wird sich freuen!« wiederholte die Kleine mehrmals auf dem Heimweg.

Frau Blake lachte über das Kind, das wahrscheinlich einen kindlichen Plan erdacht hatte.

Am nächsten Morgen wartete die Kleine auf den Wagen, der die Niepelschen Kinder zur Schule brachte. Es entstand ein geheimnisvolles Flüstern. Aus drei Knabenkehlen ertönten begeisterte Zustimmungen.

»Das machen wir«, sagte Paul, »und wenn uns was übrigbleibt, wollen wir mal nachsehen, ob die Würfelbude noch dasteht. Dann holen wir uns einen großen Pfefferkuchen.«

Hedi lehnte ab. »Mein Geld bekommt der Vati, er ist ganz arm geworden, weil wir noch ein Kindchen haben.«

»Wir sind heute um drei Uhr mit dem Wagen wieder da. – Paß auf, wir fahren allein.«

»Wenn ich doch nicht mit darf?«

»Du brauchst ja nichts zu sagen!«

»Doch, ich muß immer sagen, wenn ich fortgehe.«

»Das mußt du gar nicht«, sagte Fritz fast zärtlich. »Sonst muß man es immer, aber zu Weihnachten braucht man es auch nicht zu sagen. Wir wollen doch deinem Vati Geld bringen. – Na, der wird sich aber freuen!«

Hedi überlegte ein Weilchen. Was der Fritz sagte, stimmte schon. Sie erinnerte sich an die Weihnachtsvorbereitungen. Immer wieder sagte der Vati, man müsse alles vor der Mutti geheimhalten, denn es gälte, ihr eine Freude zu machen. Wie oft hatte sie ihre kleine Flechtarbeit versteckt, wenn die Mutti das Zimmer betrat; sie war sogar heimlich mit dem Vati nach Rahnsburg gegangen.

»Nun ja«, entschied sie sich endlich, »ich komme ganz leise mit. Ich laufe bis zu der dicken Buche, und dort steige ich ganz schnell mit in den Wagen. Dann fahren wir zum Gärtner nach Rahnsburg.«

»Die Blumen mußt du aber mitbringen.«

»Hundert!«

»Das ist gut. – Wir bringen auch welche mit, dann haben wir viel Geld.«

Aber der Plan ging nicht so glatt. Als die drei Knaben das weiße Pferdchen aus dem Stall holen wollten, um es vor den Wagen zu spannen, kam der Knecht und fragte, was das zu bedeuten hätte.

»Wir fahren gleich los«, sagte Walter.

»Mit wem?«

»Allein!«

»Dann gebt mir das Pferd wieder her, euch drei kann man nicht allein fahren lassen. – Ihr wollt wohl verunglücken?«

»Wir verunglücken nicht«, sagte Walter.

Der Knecht wollte das Pferd zurück in den Stall führen, doch da begannen die Knaben laut zu schelten. Es gab einen solchen Tumult, daß Frau Niepel aufmerksam wurde und herbeikam. Auch sie untersagte energisch die Fahrt.

»Wir haben es Pucki versprochen. – Pucki wartet auf uns!«

»In einer halben Stunde fährt der Gemüsewagen zur Stadt; da könnt ihr mit.«

Die drei schmollten ein Weilchen, mußten sich jedoch fügen.

Dann jagten die Knaben in den Garten und rissen wahllos Blumen ab, stopften sie in einen Sack, um sie auf den Wagen zu legen.

»Daß es nur der Gottlieb nicht sieht.«

Doch der Kutscher fragte sofort, was in dem Sack wäre, den die Knaben auf den Wagen zu werfen suchten. Er tastete an dem Sack herum, doch Paul stieß ihn unsanft fort.

»Mir soll es recht sein«, sagte der Alte, »was Vernünftiges wird es ganz gewiß nicht sein.« –

Währenddessen stand Pucki im Garten und wählte sorgsam die schönsten Blumen aus, die erblüht waren. Behutsam pflückten die kleinen Hände die Blümchen ab und legten sie in das Körbchen, das ihr am Arm hing.

»Ihr kommt nu zum Gärtner und dann zur Hochzeit«, sagte das Kind, »da ist es sehr schön für euch.«

Der Gedanke, daß es durch den Verkauf der Blumen dem Vater Freude und Erleichterung schaffen könne, beglückte das kleine Mädchen derart, daß es am liebsten hell aufgejubelt hätte. Großmutter schlief am Nachmittag, sonst hätte ihr Pucki die große Überraschung doch erzählt. Mehrmals lief die Kleine zu Minna in die Küche und fragte, ob es bald drei Uhr sei. Und als es endlich so weit war, huschte Pucki, das Körbchen mit den Blumen vorsichtig tragend, hinaus zur Gartenpforte und stand wenige Augenblicke später wartend an der dicken Buche.

Es dauerte geraume Zeit, ehe der Niepelsche Gemüsewagen kam.

»Du hast ja so wenig«, tadelte Paul, »da wirst du nicht viel verdienen.«

»Ich verkaufe sie sehr teuer. Die Gärtnersfrau hat gesagt, sie muß die Blumen teuer kaufen.«

In Rahnsburg hatte der Kutscher mancherlei zu erledigen. Pucki führte die Knaben nach der Gärtnerei. Paul und Walter trugen den Sack mit den gequetschten Blumen. Sie gingen nicht gerade sanft damit um, so daß Hedi unmutig sagte:

»Ihr werdet die Blümchen zerbrechen. Blümchen wollen nicht in den finsteren Sack.«

In Rahnsburg war die Kleine nicht unbekannt. Ein Ehepaar, das des Weges kam, sprach Hedi an.

»Was machst du denn hier, Hedi? Wie geht es der Mutti? – Was hast du da für schöne Blümchen?«

»Die verkaufe ich.«

»So? – An wen denn?«

»An Sie«, rief Paul. »Wollen Sie welche haben!«

»Du verkaufst die Blumen?«

»Ja«, sagte Pucki ernsthaft, »der Vati hat doch kein Geld mehr, und meine Schuhe, die kaputt sind, müssen heilgemacht werden. Da will ich dafür Geld bekommen.«

Die beiden lachten belustigt. »Was willst du denn für die Vergißmeinnicht haben?«

Hedi zuckte die Schultern. »Ich muß soviel Geld haben, daß der Vati das kleine Schwesterchen bezahlen kann und daß er meine Schuhe machen läßt.«

Lachend nahm die Spaziergängerin zwei Zehnpfennigstücke aus der Börse und reichte sie dem Kinde.

»Du wirst dir sicherlich Bonbons dafür kaufen?«

Hedi strahlte. »Nein, das Geld bekommt der Vati, weil er doch keins hat.«

Inzwischen hatte Paul den Sack auf die Straße gelegt, griff mit beiden Händen hinein und hielt dem Ehepaar mehrere Blumen hin.

»Mir können Sie auch welche abkaufen.«

»Wie sehen denn die Blumen aus, mein Junge. – Sieh mal, diese hier haben ja kaum noch Blätter. Solche Blumen kaufe ich nicht.«

Grimmig warf Paul die Blumen zurück in den Sack und hob ihn auf die Schulter. »Na, dann nicht!«

Diese kleine Szene war von der Bäckersfrau beobachtet worden, deren Laden sich gerade an der Straßenecke befand.

»Kleine Hedi, willst du mir auch Blümchen verkaufen? Ich schenke dir ein Stück Kuchen.«

Sofort lief Pucki in den Laden und stellte das Körbchen auf den Tisch.

»Such dir welche aus!«

Die Bäckersfrau nahm Stiefmütterchen heraus und reichte der Kleinen ein Stück Kuchen.

Das Kind wartete ein Weilchen, dann sagte es mit leiser Bitte in der Stimme: »Du mußt mir aber noch ein bißchen Geld für den Vati geben.«

Zu den zwanzig Pfennigen, die Pucki bereits hatte, wurde ein drittes Zehnpfennigstück gelegt. – Strahlend eilte das Kind zurück zu den Freunden und zeigte ihnen den verdienten Betrag.

»Wird sich der Vati aber freuen – nu haben wir viel Geld!«

Schließlich ging es zur Gärtnerei. Paul errechnete für seine Blumen eine stattliche Summe, er wollte mindestens sieben Mark einnehmen, denn sieben Mark kostete die Eisenbahn, die beim Kaufmann Römer im Fenster stand.

»Und ich kaufe mir einen Roller«, sagte Walter.

»Und ich das Ding vom Fleischer, das sich immerzu dreht und soviel Wind macht.«

Die Kinder kamen in die Gärtnerei. Pucki stellte artig das Körbchen mit den restlichen Blumen vor die Gärtnersfrau.

»Jetzt bringen wir dir viele Blumen, weil du doch für die Hochzeit welche brauchst. Die mußt du uns abkaufen und uns viel Geld dafür geben, denn mein Vati hat kein Geld.«

»Hier hast du einen ganzen Sack voll Blumen – ich will sieben Mark haben!«

Mit diesen Worten schüttete Paul den Inhalt des Sackes vor die Gärtnersfrau hin. Wie sahen die armen Blümchen aus! Die meisten waren von den Stengeln abgebrochen, die anderen welk und zerzaust. Pucki blickte erschrocken darauf nieder.

»Oh, ihr armen, lieben Blümchen!«

»Was fällt euch denn ein, so mit den lieben Blumen umzugehen«, sagte die Gärtnersfrau erregt. »Wißt ihr nicht, daß alle Blumen der himmlische Vater zur Freude der Menschen wachsen läßt, daß man sie gut behandeln muß? Dieses zerdrückte Zeug kann ich nicht brauchen. – Haben eure Eltern gesehen, daß ihr die Blumen in den Sack stecktet?«

Paul schob die Unterlippe vor, während Walter und Fritz beschämt daneben standen. Sie hatten nicht geahnt, daß die Blumen durch eine derartige Behandlung verdorben würden.

»Da lobe ich mir dein Körbchen, Kleine. Deine Blumen will ich schon nehmen, obgleich ich sie auch nicht recht brauchen kann. Vergißmeinnicht und Stiefmütterchen habe ich selbst ausreichend.«

»Du hast doch gesagt, daß du Blumen brauchst?«

»Das verstehst du noch nicht, Pucki, dazu bist du noch viel zu klein, um zu wissen, welche Blumen ich brauchen kann und welche nicht. – Haben dir die Eltern gesagt, daß du mir die Blumen bringen sollst?«

»Nein, ich wollte dem Vati Geld besorgen, weil er keins hat.«

»Das ist sehr schön von dir, Pucki, doch in Zukunft wird es besser sein, wenn du daheim erst fragst. Nun hast du im Garten all die Vergißmeinnicht abgepflückt, die die gute Mutti so lieb hat. Es wird ihr gewiß nicht recht sein, daß du sie mir bringst.«

»Aber der Großmutti wird es recht sein und dem Vati.«

»Komm, Pucki, wir wollen fort!« rief Paul. Er stopfte die Blumen zurück in den Sack, zum größten Leidwesen Hedis, die noch manches Blümchen hervorzog und in ihr Körbchen legte.

»Wenn wir sie in Wasser stellen, werden ihre Augen wieder ganz hell«, meinte sie.

»Was soll ich dir nun für die Blumen geben, Pucki?«

»Ganz toll viel Geld!«

»Willst du es vernaschen?«

»Nein, dem Vati bringen.«

Die Gärtnersfrau gab Hedi fünf Fünfpfennigstücke, die das Kind sorgsam in die Schürzentasche steckte. Es glaubte sich nun sehr reich und konnte kaum die Freude des Vaters erwarten, die er haben würde, wenn sie ihm das viele Geld brachte.

Vor der Gärtnerei stellte Paul den Sack mit den Blumen in die Ecke, um ihn dort stehen zu lassen. Er hatte gar keine Lust, die Last zurück zum Wagen zu tragen und daheim noch Schelte zu bekommen, weil er so viele Blumen nutzlos abgerissen hatte.

Schließlich ging es heim. Die drei Buben waren sehr mißmutig, weil sie von dem Verkauf gar nichts ernteten. Paul jammerte um seine Eisenbahn und wollte von Hedi einen Teil ihres Geldes haben. Doch die Kleine hielt ihre Geldstücke fest.

»Das ist doch für den Vati. Wenn er mal wieder viel Geld hat, sage ich ihm, daß er dir die Eisenbahn kaufen soll.«

Inzwischen hatte man im Forsthause das Verschwinden des Kindes bemerkt. Allzu unruhig war man darüber nicht, da die Sonne noch hoch am Himmel stand.

»Vielleicht ist sie im Wald beim Vater«, sagte die Mutter. »Hedi war in der letzten Zeit sehr brav, sie weiß, daß sie nicht fortlaufen darf.«

Eine halbe Stunde später kam das Kind. Die Augen strahlten, die Bäckchen glühten vor Freude.

»Wo warst du denn?«

»Ach, Mutti – wenn der Vati doch erst wieder hier wäre! Ich habe ihm so 'ne Freude gemacht wie noch nie. – Mutti, bist du traurig, daß ich die Vergißmeinnicht aus dem Garten verkauft habe?«

»Was hast du gemacht?«

»Lieber Gott, der Vati ist so ein armer Mann, weil ich meine Schuhe kaputt gemacht habe, und nun habe ich Geld verdient. – Großmutter, du hast doch gesagt, der Vati hat kein Geld. – Sieh mal her!«

Voller Stolz legte die Kleine die acht Geldstücke auf den Tisch. Ihr Stimmchen schnappte vor Jubel fast über, als sie rief:

»Das habe ich dem Vati eingesammelt – wie wird er sich freuen!«

Anfangs wollte die Mutter tadelnde Worte sagen, sie sah jedoch, wie glücklich ihr Kind in dem Gedanken war, dem Vater helfen zu können.

»Nicht wahr, Mutti, nu hat er wieder viel Geld, nu braucht er nicht traurig zu sein. Alle Leute haben mir Geld für die Blümchen gegeben. Weißt du, wenn der Vati wieder mal für ein Kindchen was bezahlen muß, gehe ich wieder nach Rahnsburg – dann gehe ich in jedes Haus und bringe Blumen.«

Frau Sandler nahm die Kleine und drückte sie zärtlich an sich. Was Hedi heute getan hatte, war aus gutem Herzen gekommen, und dafür durfte sie das Kind nicht schelten. Später mußte sie Hedi freilich sagen, daß sie auf diese Weise kein Geld verdienen durfte.

Abends kam der Vater heim. Ehe er die Seinen begrüßen konnte, hing Pucki an seinem Halse.

»Vati, ich bin kein Pucki mehr, es geht auch nicht schlimm aus! Ich habe dir Geld gebracht, viel Geld. – Vati, jetzt bist du nicht mehr arm.«

Auch der Förster brachte es nicht fertig, seiner Tochter einen Vorwurf zu machen. Nur tadelte er, daß Hedi vorher nichts davon gesagt hatte.

»Du sollst nicht nach der Stadt gehen, ohne daß wir es wissen. Doch dieses Mal will ich nicht schelten, da ich weiß, daß du mir eine Freude bereiten wolltest.«

»Von jetzt an mache ich dir jeden Tag 'ne Freude, Vati.«

Während Hedi sehr glücklich war in dem Gedanken, dem Vater geholfen zu haben, gab es bei Niepels wieder einmal strenge Strafe. Mit Tränen in den Augen sahen die drei Knaben, wie die schöne Johannisbeerspeise von anderen gegessen wurde. Ihre Teller blieben leer.


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