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6. Kapitel.
Blaublümelein

Die Weihnachtsferien waren vorüber, Goldköpfchen war wieder nach Dresden zurückgekehrt. Beim Abschied hatten die Eltern ihr Töchterlein ermahnt, im letzten Vierteljahr recht fleißig zu sein, damit Bärbel nicht etwa in der Obertertia sitzenbleibe.

»Ich hoffe ja nicht, Vati, aber mit des Schicksals Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten.«

»Das werden Sie sich selbst nicht antun, Bärbel,« sagte Harald Wendelin, »es ist doch recht peinlich, wenn die Mitschülerinnen weiter kommen und man selbst mit jüngeren wieder von vorn anfangen muß.«

»Gestehen Sie es mir ehrlich, Herr Wendelin, sind Sie niemals sitzengeblieben?«

»Nein, Bärbel, das gab es für mich nicht. Ich wußte, daß meine Mutter ums tägliche Brot stark zu kämpfen hatte, ich habe frühzeitig den Ernst des Lebens kennengelernt, ich konnte die schmale Tasche meiner Mutter nicht mehr belasten. Sie starb mir viel zu früh, ich kam zu Verwandten, und die sahen streng darauf, daß ich die Klassenziele erreichte.«

»Dann haben Sie eigentlich keine sonnige Kindheit gehabt.«

»So glücklich wie Sie, liebes Bärbel, war ich in meiner Jugend freilich nicht, denn mir fehlte das Elternhaus.«

»Nun, ich bin ja jetzt auch im Großelternhaus, aber auch da ist es hübsch, daß man mich zu Ostern in die Untersekunda schiebt.«

Bärbel war mit der besten Absicht nach Dresden zurückgekehrt und stürzte sich auch in den ersten Tagen voller Eifer auf die Arbeit.

Aber der Winter war diesmal so besonders schön und lang. Die Eisbahn lockte, und mancher Seufzer kam über die Lippen Goldköpfchens, wenn es vom Fenster aus die Glücklichen sah, die gleich nach Tisch mit den blitzenden Schlittschuhen zur Eisbahn eilen konnten.

Frau Lindberg sorgte selbst dafür, daß Bärbel in diesem sportlichen Vergnügen nicht beeinträchtigt wurde. So verging kaum ein Tag, an dem sie sich nicht mit ihren Mitschülerinnen auf dem Eise tummelte und sich eifrig bemühte, kunstvolle Bogen zu ziehen.

Es blieb natürlich nicht aus, daß sich auf dem Eise die Gymnasiasten des Kant-Gymnasiums mit den Schülerinnen der Obertertia oft trafen. Da aber Bärbel in ihrer offenen Art daheim allen diesen Flirt skrupellos erzählte, lächelte Frau Lindberg nachsichtig dazu und wußte in geschickter Weise bis in die Tiefen dieses Mädchenherzens zu dringen, ohne daß es Bärbel zum Bewußtsein kam, daß sie ein klein wenig ausgehorcht wurde.

Erst ihre um zwei Jahre ältere Schulgenossin, Hella Brodowin, machte Goldköpfchen darauf aufmerksam, daß Schweigen in vielen Fällen besser sei als Reden. Weder Bärbel noch Edith hatten Sympathien für die siebzehnjährige Mitschülerin, von der man allerlei munkelte. Aber man hatte auch wieder Respekt vor der Welterfahrenen und lauschte gern ihren interessanten Erzählungen.

»Jugend und Alter passen nicht zusammen,« meinte Hella, »man versteht uns heute nicht mehr. Wir sind nicht so altmodisch, wie unsere Mütter es waren. Wir haben das Recht auf unsere Jugend, wir müssen kämpfen um unsere Freiheit, und ich schlage vor, einen Klub zu gründen, in dem wir uns Treue und Verschwiegenheit bis in den Tod geloben.«

Der Plan Hellas fand begeisterte Aufnahme. Auch Bärbel hatte so viel von Jungmädchenklubs gehört, daß sie sich freute, Mitglied einer solchen Vereinigung zu werden.

Der plötzlich gefaßte Plan wurde mehr und mehr besprochen, und schließlich stimmte die ganze Obertertia einstimmig zu, es müsse solch ein Klub gegründet werden.

Hella Brodowin riß die Führung an sich.

»Wir suchen uns ein Lokal oder ein Zimmer, kommen dort alle acht Tage zusammen, besprechen das Notwendige, haben unsere Statuten. Auf diese Weise können wir etwas erreichen.«

»Einen Namen muß dieser Klub aber haben.«

»Freilich,« meinte Hella, »ich schlage vor, Klub Tollkirsche.«

»Pfui,« meinte Bärbel, »die Tollkirsche ist giftig. Das ist etwas für alte Jungfern, aber nicht für junge Mädchen.«

Die verschiedensten Namen schwirrten durcheinander. Hella war gekränkt, daß man ihr widersprach.

»Wenn ihr alles besser wißt, so sucht euch auch den Namen allein.«

»Der Name muß auf alle passen,« meinte Bärbel.

»Ich hab's,« rief Edith, »wir sind sechzehn, und elf von uns haben heute blaue Kleider an. Wir nennen uns Veilchen.«

»Nein, – Blauforelle!«

»Warum denn nicht gleich Blaublümelein,« höhnte Hella, »nach Heinrich Heine? – Ein Jüngling hatte ein Mädchen lieb, – – sie sind verdorben, gestorben.«

»Blaublümelein ist sehr hübsch,« sagte Bärbel, »ich bin dafür.«

Hella ließ zwar abfällige Worte fallen, aber die Mehrheit entschied sich für Bärbels Vorschlag. So entstand an diesem Tage der Klub »Blaublümelein«.

Die Ämter waren schnell verteilt. Bärbel wurde Schriftführerin. Sie sollte die Statuten abschreiben, sie sollte die gesamte Korrespondenz führen. Man verabredete zur Gründung den morgigen Nachmittag und wählte dazu eine kleine Konditorei; dort sollte alles genau besprochen werden.

Am Abend machte Bärbel der Großmutter gegenüber geheimnisvolle Andeutungen.

»Großchen, nun ist es aus mit der Offenheit, du mußt dich damit abfinden. Jugend und Alter ist eben etwas zu Verschiedenes. Die Jugend muß kämpfen, um etwas zu erreichen. Ich werde in Zukunft vor dir meine Lippen verschließen, – ich muß es tun, man wird von mir den Eid fordern.«

Frau Lindberg horchte hoch auf. Das waren ganz neue Worte, die sie heute von ihrer Enkelin hörte.

»Was willst du mir in Zukunft verschweigen, Bärbel?«

»Heute darf ich noch reden, Großchen, aber morgen wird der Klub gegründet. Es wird wohl so eine Art Feme sein. Wir müssen schweigen bis an den Grabesrand.«

»Und was bezweckt dieser Klub?«

»Kämpfen.«

»Um was denn?«

»Um die Rechte der Jugend.«

»Wer gründet diesen Klub?«

»Hella Brodowin hat gesagt, daß es endlich an der Zeit ist, uns zu rüsten, denn die Jugend hat heute das Vorrecht.«

Ein leichter Schatten legte sich über das Antlitz der alten Dame. Sie kannte Hella Brodowin nicht persönlich, hatte aber von Bärbel schon mancherlei gehört, was ihr nicht gefiel. Wenn es Hella gelang, Bärbel schlecht zu beeinflussen, bestand die große Gefahr, daß der noch so harmlose Backfisch von den angekränkelten Ideen jenes Mädchens erfaßt wurde und daß Bärbel vielleicht doch die Offenheit einstellte.

Es gab hier nur ein Mittel, um vorzubeugen. So erzählte Frau Lindberg lachend von dem eigenen Klub, den man gegründet habe, damals, als man sich auch in der Zeit der Sturm- und Drangperiode befand.

»Es ist immer dasselbe, Bärbel. Die Jugend glaubt sich stets unterdrückt und benachteiligt. Mag sie kämpfen, aber vergeßt dabei niemals die Ehrfurcht vor dem Alter, die Pflichten gegen die Nächsten, denkt stets daran, was ihr dem Elternhause schuldig seid. Ich sehe es nicht gern, mein liebes Bärbel, daß du dich an Hella anschließt, aber ich will dich nicht von diesem Klub zurückhalten, trotzdem habe ich das feste Vertrauen, daß du etwas Schlechtes weder tun noch billigen wirst. Und zum Eidschwören seid ihr alle viel zu jung, das laßt schön bleiben.«

»Wir stellen uns ganz gewiß die edelsten Aufgaben, Großchen, vielleicht sind wir sogar einmal zum Schutze des bedrängten Alters da. Ich werde Schriftführerin und werde wachen.«

In der kleinen Konditorei wurde der Klub »Blaublümelein« gegründet. Es war nicht so einfach. Die meisten der jungen Mädchen dachten nicht daran, sich skrupellos Hella Brodowin unterzuordnen. Es kam zu stürmischen Auseinandersetzungen, denn bald wollte diese, bald jene nicht mitmachen, und in der Hauptsache war es Bärbel zu danken, daß man überhaupt endlich zu einem Ziele kam.

Der geheimnisvolle Anstrich, den dieser Klub bekam, reizte sie. Es sollte stets hinter verschlossenen Türen getagt werden, nur im Flüstertone durfte gesprochen werden. Stets mußte man für die Klubkameraden einstehen, sie, wenn eine in Not war, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln heraushauen; man wollte ganz heimlich Abzeichen tragen, die aber erst beschafft werden mußten: ein paar gekreuzte Knochen.

»Elend und unglücklich soll derjenige bis an sein Lebensende sein, der eines der Mitglieder in der Not verrät.«

Eine nach der anderen mußte diesen Satz feierlich sprechen.

»Von einer Blutsbruderschaft wollen wir absehen,« sagte Hella, »aber mit einer Feder wollen wir alle unsere Namen unter die Statuten setzen und dabei den Schwur murmeln.«

Bärbel fand das alles fabelhaft feierlich. Wenn Hella aufstand, mit den Augen rollte und dann den Schwur mit düsterer Stimme sprach, lief es Goldköpfchen eiskalt am Rücken herab. Zu schade, daß sie nichts davon dem Großchen erzählen durfte.

»Wollen wir nun auch Herren aufnehmen?« fragte Hella ganz unvermittelt.

Man protestierte. Die Blaublümelein wollten unter sich sein.

»Denkt doch nur, wie schlecht es uns ginge,« sagte Bärbel eindringlich, »wenn wir für alle die Streiche, die die großen Jungens machen, einstehen müßten. Nein, da mache ich nicht mit!«

Sie bekam recht, die männlichen Elemente wurden ausgeschaltet. Bärbel erhielt den Auftrag, die Statuten, die 22 Paragraphen umfaßten, bis zum nächsten Freitag sechzehnmal abzuschreiben. Sie erhob zwar Einspruch, aber Hella erinnerte sie an das gegebene Versprechen: eine für alle.

Mit einem Seufzer dachte das junge Mädchen an die dadurch verlorene Zeit auf der Eisbahn. Sie würde emsig schreiben müssen, während sich andere auf dem Eise tummelten. Aber sie war nun einmal Mitglied des Klubs »Blaublümelein« und hatte Treue bis an den Rand des Grabes gelobt.

Am Abend forschte Frau Lindberg vorsichtig nach dem neu gegründeten Klub; aber energisch schüttelte Bärbel den Kopf.

»Großchen, ich bitte dich, bringe mich nicht in seelische Konflikte, ich muß schweigen, sonst – –. Nun, das kann ich dir nicht sagen.«

Schon zwei Tage später zeigten sich die schlimmen Folgen dieser Vereinsgründung. Bärbel besaß ein außerordentliches Talent im Zeichnen. Nur zu oft riß sie ein Blatt aus ihrem Hefte heraus, um darauf ein Bild zu skizzieren, das stets gut getroffen war. Ihr Übermut wagte sich sogar an die Lehrer. Sie lauschte geschickt eine komische Stellung ab, um dann den Betreffenden aufs Papier zu bringen.

So war auch heute der Ordinarius, Doktor Gerlach, ihrem Bleistift zum Opfer gefallen, als er für ein paar Sekunden den Finger nachdenklich an die Nase legte. Unter den Tischen reichte man sich das wohlgelungene Bild herum, und Hella Brodowin kritzelte rasch darunter: wenn ihn doch erst der Teufel an seiner langen Nase fortholte!

Beim Weitergeben in die nächste Bank flatterte das Blatt zu Boden; Doktor Gerlach sah es und verlangte die Herausgabe. Erst weigerte man sich, aber es kam schließlich in seine Hände.

Das Bild kränkte ihn nicht, das war viel zu gut getroffen und viel zu fröhlich gehalten, um ihn zu erbittern. Aber die ungezogenen Worte, die darunter standen, ärgerten ihn stark.

»Wer hat das gemacht?«

Sekundenlanges Schweigen.

»Ich wünsche sogleich eine Antwort.«

Bärbel erhob sich. »Ich habe das Bild gezeichnet.«

»Du?« Hinter den Brillengläsern funkelten die Augen des Ordinarius das junge Mädchen an.

»Schämst du dich nicht, eine solche Bemerkung darunterzuschreiben?«

Bärbel horchte auf. Von einer Unterschrift wußte sie nichts. Sie blickte sich daher fragend in der Klasse um und schaute in Hellas Augen. Im gleichen Augenblick wußte sie, daß jene irgend etwas daruntergeschrieben haben mußte, denn Hella war für derartige Flegeleien bekannt. Da sie stets in solchen Fällen sich der Druckschrift bediente, war es nur selten gelungen, sie als Missetäterin zu erwischen.

»Die Unterschrift – –« stammelte Bärbel.

Hella neigte sich über die Bank, eine Stimme zischte an ihrem Ohr: »Elend und unglücklich soll derjenige bis an sein Lebensende sein, der eines der Mitglieder in der Not verrät.«

Bärbel wollte aufbrausen. Das ging zu weit! Sie verpetzte zwar niemals ihre Mitschülerinnen, aber es kränkte sie, daß man ihr derartige Ungezogenheiten zutraute. Soweit durfte der Eid nicht gehen, daß man sich hinter ihm verbarg, wenn man irgendwelche Frechheiten plante.

Aber Bärbel war sich nicht ganz sicher. Sie hatte nun einmal geschworen und mußte still sein. Gesenkten Hauptes ließ sie die entrüsteten Worte des Ordinarius über sich ergehen, der ihr sagte, daß er Bärbel beim Direktor melden werde.

Die Tränen stiegen dem jungen Mädchen in die Augen. Bärbel hatte sich fest vorgenommen, gerade im letzten Vierteljahr keinen Anlaß zu einer schlechten Note zu geben. Nun würde sicherlich solch ein Vermerk ihr Zeugnis zieren.

Niedergeschlagen setzte sie sich wieder hin; aber die Abneigung, die sie schon lange gegen Hella Brodowin im Herzen trug, wurde in dieser Stunde noch größer.

Nach Schluß des Unterrichtes stürzte sie sich auf die Mitschülerin.

»Du bist ein Feigling, Hella – soll ich für dich büßen?«

»Du schwurst den Eid.«

»Damit du Frechheiten begehen kannst?«

Hella zuckte die Schultern. »Du hast geschworen, das genügt.«

»Du hast auch geschworen,« entgegnete Bärbel erbittert, »einer für alle. Unser Klub hat es sich zur Aufgabe gemacht, ehrlich und anständig zu sein. Das steht in Paragraph 7.«

»Ist in diesem Falle nicht anwendbar. Ich war in Not, du mußtest mich heraushauen.«

So schwieg Bärbel denn auch, als sie vor dem strengen Direktor stand. Seine ernsten, aber immerhin noch gütigen Worte taten ihr sehr weh. Sie war zwar mehrmals in Versuchung, alles zu sagen, aber dieser schreckliche Eid durfte nicht gebrochen werden.

Als man sie entließ, trat Edith an sie heran.

»Tröste dich mit unserem Freund Heinrich Heine,« sagte sie, »er sagt so wundervoll: es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht, er fiel auf die zarten Blaublümelein.«

Bärbel wischte sich die Tränen aus den Augen.

»Ja, Edith, und den Vers werde ich über alle Statuten in die linke Ecke schreiben. Ich muß mich eben abfinden, ich habe ja geschworen.«

An diesem Tage kam Bärbel sehr niedergeschlagen heim. Frau Lindberg merkte sogleich, daß hier etwas nicht ganz in Ordnung war.

»Frage nicht, liebes Großchen, ich habe heute eine schlechte Note im Betragen erhalten. Ich habe unseren Ordinarius gezeichnet und – ach, ich muß ja schweigen. – Großchen, ein Eid ist etwas Furchtbares.«

Es war Frau Lindberg trotz größter Mühe ganz unmöglich, hier klar zu sehen. Sorgenvoll legte sich die alte Dame an diesem Abend zu Bett.

Um so glücklicher war sie, als tags darauf Bärbel mit hochroten Wangen heimkam und schon im Flur jubelnd nach Großchen rief.

»Wie süß, himmlisch, – Großchen, hast du nicht ein altes Bett?«

»Was ist denn los?«

Unter dem Mantel holte Bärbel eine Katze hervor.

»Ich habe sie gefunden, sie hat kein Elternhaus, sie war so furchtbar verhungert, da habe ich sie mitgenommen. – Höre doch, Großchen, wie sie weint. Wir werden sie aufnehmen, – ach, ich bin ja so glücklich, ein liebes Kätzchen zu haben!«

Nur widerstrebend fügte sich Frau Lindberg darein, die Katze in der Wohnung zu behalten, sie sah sofort, daß sich das Tier in wenigen Tagen vermehren würde. Sie beschloß, sogleich ein Inserat aufzugeben; als aber Bärbel erzählte, daß es die Katze ganz verhungert gefunden habe, wurde es Frau Lindberg klar, daß man sich des alten Tieres entledigen wollte.

»Wir können doch unmöglich mehrere Katzen in der Wohnung haben, Bärbel.«

»Es wäre einfach himmlisch, ich hätte doch dann einen Lebenszweck, Großchen, ich will für die Tierchen schon sorgen.«

Bärbel bereitete der Katze ein prächtiges Lager; Frau Lindberg mußte bremsen, damit das junge Mädchen nicht wertvolle Decken und Kissen zusammentrug.

Drei Tage später jubelte Bärbel über sechs kleine graue Kätzchen, die neben der Mutter in dem Körbchen lagen. Sie duldete es nicht, daß nur ein einziges der jungen Tierchen getötet wurde. Sie flehte die Großmutter an, und Frau Lindberg gab schließlich widerstrebend nach.

»Bedenke doch, Großchen, wie sich das lohnt. Wir können die kleinen Kätzchen später als Geschenke weitergeben. Das niedlichste nehme ich nach Hause mit. Oh, wie werden sich Kuno und Martin darüber freuen.«

So blieben die sieben Katzen im Hause der unglücklichen Großmutter. Bärbel sorgte geradezu rührend für die Tiere. Sie verzichtete sogar am Sonntag auf die Schlagsahne, legte das Geld in Milch an, die die alte Katze über die gewohnte Portion hinaus bekam.

Trotz dieser Freude, die Bärbel an ihren sieben Katzen hatte, lag doch seit kurzem ein leichter Schleier über den blauen Augen. Irgend etwas stimmte nicht, aber Frau Lindberg konnte das Rätsel nicht lösen.

Bärbel litt schwer an den Statuten des neuen Klubs. Jetzt erst zeigte sich der schlechte Charakter Hellas. Sie nutzte die Schweigepflicht der Mitschülerinnen auf das gröblichste aus. Sie hatte sogar Freude daran, ihre Mitschülerinnen nach jeder Richtung hin zu belasten, sie wusch sich stets rein, während die anderen für ihre Bosheiten gestraft wurden.

Bei den Zusammenkünften in der Konditorei kam es zu stürmischen Szenen. Und als nun Hella sogar erklärte, daß es Pflicht sei, sich gegen die Autorität der Eltern zu wehren, daß man sich heute jeglichen Zwang von dieser Seite her verbieten müsse, brauste Bärbel auf.

»Seid doch froh, daß jemand da ist, der euch sagen kann, was gut und schlecht ist. Ich wollte, ich hätte nie geschworen.«

»Häng' du nur weiter an der Schürze deiner alten Großmutter,« höhnte Hella, »hast du denn Freiheiten? Kannst du dir dein Leben einrichten, wie du willst? Dein Vater ist ein vermögender Mann, was gibt er dir an Taschengeld? Wir müssen mehr Geld in die Finger bekommen, – wir müssen fordern, daß wir die Mittel haben, unsere eigenen Wege zu gehen.«

In diesem hetzerischen Tone ging es weiter. Hella wurde zwar häufig stürmisch unterbrochen, aber sie wußte immer wieder die Oberhand zu gewinnen.

In Bärbel stürmte es. Nur ganz selten fiel eines dieser Worte in ihr Herz. Das meiste, was Hella sagte, war abscheulich. Wie schade, daß man nach dieser Richtung hin nicht irgend jemand befragen konnte. Aber sie mußte ja schweigen, der gegebene Eid band die Lippen.

Den meisten Widerspruch fand Hella in einer neuen Anordnung. Die Mitglieder des Klubs sollten dadurch gezwungen werden, an jedem Monatsersten zwei Mark Beitrag zu zahlen. Hella wollte diesen Betrag für wichtige Neuanschaffungen verwalten und ausgeben.

»Das ist viel zu viel Geld,« erklärte Bärbel, »wo soll ich denn zwei Mark hernehmen? Außerdem brauchen wir kein Geld. Es kostet genug, wenn wir hier in jeder Woche Kaffee trinken und Kuchen essen.«

»Es muß aber sein,« erklärte Hella, »ihr müßt eben Opfer für den Klub bringen, ihr müßt euch in Selbstlosigkeit üben.«

Sie sprach so überzeugend, daß schließlich eine nach der anderen beipflichtete. Erneut wurde beschlossen, daß jedes Mitglied am nächsten Freitag zwei Mark mitzubringen habe, widrigenfalls es mit Schimpf und Schande aus dem Klub ausgestoßen würde.

»Hütet euch,« rief Hella, »unserer Sache untreu zu werden, ihr würdet kein Glück mehr im Leben haben, das Unheil heftet sich an eure Fersen. – Also, vergeßt die zwei Mark nicht!«

Auf dem Heimwege besprachen die einzelnen jungen Mädchen gruppenweise Hellas neue Forderungen.

»Ich glaube, sie will das Geld für sich haben,« meinte Edith. »Hast du den Mut, auszutreten, Bärbel?«

»Nein,« entgegnete das Backfischchen kleinlaut.

»Ich ja auch nicht, – aber wir haben durch sie nur Schimpf und Schande.«

»Ich habe ihr gestern mein Mathematikheft borgen müssen, alles hat sie abgeschrieben,« sagte Bärbel.

»Eigentlich geht das zu weit.«

»Sei nur still, Edith, der Reif ist eben auf uns Blaublümelein gefallen. Wir waren dumm, sie zu unserer Vorsitzenden zu machen.«

Am übernächsten Tage trat ein Ereignis in Bärbels Leben, das dem Backfisch für lange Zeit das fröhliche Lachen nahm.

Im Hinterhause des Nebengebäudes hatte sich eine Mutter mit drei kleinen Kindern den Tod gegeben. Sie hatte die Gashähne aufgedreht, man hatte erst am frühen Morgen die Frau gefunden, und alle Wiederbelebungsversuche waren umsonst gewesen. Bärbel war ahnungslos gerade dazu gekommen, als man auf einer Bahre die Toten in den Sanitätswagen lud.

Ein wildes Entsetzen erfüllte das junge Mädchen. Noch niemals war Bärbel Zeuge einer solchen Tragödie geworden. Wohl wußte sie, daß es arme Menschen in Hülle und Fülle gab, wohl hatte sie Bittende an vielen Straßenecken stehen sehen, aber meistens war das junge Mädchen achtlos an diesen vorübergeschritten, kein Gedanke war zu jenen Unglücklichen hingeflogen, die verzweifelt eine milde Gabe erflehten, um den bitteren Hunger zu stillen.

So stand denn Bärbel Wagner noch immer in dem Menschenhaufen und hörte von allen Seiten die Mutmaßungen, die Behauptungen.

»Sie ist richtiggehend verhungert,« sagte eine Frau, »niemand hat sich um sie gekümmert. Die Kinder sollen schon lange nach Brot geschrien haben. – Die arme Frau muß ja schließlich zur Verzweiflung getrieben worden sein.«

»Sie hat einen Zettel hinterlassen. Seit acht Tagen hat sie nichts mehr im Hause gehabt. Zuletzt hat sie für die Kinder einige Semmeln gestohlen, dabei hat man sie erwischt.«

Nachtdunkle Schatten legten sich über Bärbels Blauaugen. Was sie hier hörte, war so grauenvoll, daß sie keinen anderen Gedanken mehr hatte als bitterste Selbstvorwürfe. Vor etwa vierzehn Tagen war ihr das goldlockige Mädchen begegnet. Oh, sie kannte das Kind genau. Noch sah sie die dunklen, fragenden Augen, und Bärbel hatte gerade damals an einem Stück Schokolade geknabbert und war an der Kleinen vorübergegangen.

Ach, wie leid ihr das jetzt tat!

Es würgte ihr im Halse. Sie hätte am liebsten laut aufgeschrien, um sich ein wenig Luft zu machen. Aber mit verhaltenem Atem lauschte sie auf die Worte, die um sie herumschwirrten.

»Die alte Kahler wird es wohl bald nachmachen, die hungert auch und hat einstmals so gute Tage gesehen.«

Nein, nein, sie konnte nichts weiter hören, es ging über ihre Kraft. Mit brennenden Augen starrte sie dem davonfahrenden Wagen nach.

Eine Mutter und drei Kinder, und sie saß alltäglich am vollbesetzten Tische und hatte erst gestern geäußert: »Ach, Großchen, immer Rindfleisch, ich kann es schon gar nicht mehr sehen.«

Wenn die unglückliche Frau mit ihren drei Kindern gestern das verschmähte Rindfleisch gehabt hätte, die Gashähne wären gewiß nicht geöffnet worden.

Bis ins Innerste aufgewühlt schlich sich Goldköpfchen davon. Sie mußte ja zur Schule gehen. Der Unterricht hatte wohl längst begonnen. Unwillkürlich preßte Bärbel die schwarze Büchermappe fester unter den Arm. Da drinnen lagen drei mit Wurst belegte Brötchen. Schon der Gedanke daran ließ Bärbel zusammenschauern. Drei Brötchen, für jedes der toten Kinder eins. Wie oft brachte sie eines oder gar zwei davon wieder heim, weil ihr die darauf liegende Wurst nicht mundete.

Die Augen standen ihr voller Tränen, als sie sich dem Schulhause näherte. Ihr entgegen humpelte ein alter Mann. Aufgewühlt, wie Bärbel war, griff sie in die Büchertasche und hielt dem Alten mit überquellenden Augen die drei Brötchen hin.

»Nehmen Sie das. Sie haben sicherlich Hunger.«

Der Alte lachte das junge Mädchen an. »Hunger – nee, Fräulein.«

»Nehmen Sie, nehmen Sie nur,« sagte Bärbel mit erstickter Stimme und stürmte an dem Verdutzten vorüber, hinein in den Schulhof.

Der alte Mann sah ihr nach, wickelte kopfschüttelnd die Brötchen aus und murmelte: »Nun, dann nehme ich sie eben mit heim. – Es gibt doch merkwürdige Menschen.«

Die Geschichtsstunde hatte bereits begonnen, als Bärbel hastig das Klassenzimmer betrat. Sie sah gänzlich verstört aus, in ihren Augen standen noch immer die Tränen.

»Bitte um Entschuldigung, Herr Doktor, ich – ich habe mich verspätet.«

Doktor Hering nickte nur dazu. Er hatte einen schnellen Blick auf das junge Mädchen geworfen und sofort gesehen, daß ihm etwas Unangenehmes zugestoßen sein mußte, denn die stets so übermütig blitzenden Augen waren heute feucht und verschleiert.

Bärbel ließ sich auf ihren Platz nieder und versank wieder in Brüten. Das schreckliche Bild wollte nicht von ihrer Seele weichen. Sie mußte heute mit Großchen reden, denn nicht wieder durfte so etwas Entsetzliches geschehen. Sie würde nicht zum zweiten Male über Rindfleisch klagen; dankbar wollte sie alles entgegennehmen, was man ihr bot.

»Nun, Bärbel?«

Die Angeredete fuhr erschreckt auf. Man fragte sie, aber sie hatte keine Ahnung, was Doktor Rollmops von ihr wollte.

Rollmops! – Wie glücklich wären die drei Kinder gewesen, wenn sie einen Rollmops gehabt hätten. – Nun lagen sie bleich und kalt auf der Bahre.

»Willst du mir nicht antworten, Bärbel?«

»Entschuldigen Sie, Herr Doktor, ich habe die Frage nicht gehört.«

»Du bist heute sehr zerstreut,« tönte es streng und grollend vom Katheder herunter, »ich wiederhole: die Not der eingeschlossenen Römer war aufs äußerste gestiegen, die Lebensmittel wurden immer knapper – – fahre fort, Bärbel.«

Die Lippen des jungen Mädchens begannen zu zittern. Der einzige Satz aus dem grauen Altertum genügte, um Bärbels Fassung erneut zusammenbrechen zu lassen. Not, überall Not, wohin man hörte.

Statt einer Antwort warf Bärbel die Arme auf die Tischplatte und begann so jammervoll zu weinen, daß Doktor Hering erschreckt aufsprang und sich hastig dem jungen Mädchen näherte.

»Bärbel, – warum weinst du?«

»Über die Not, die furchtbare Not!«

Doktor Hering war einen Augenblick starr. Er, der den jungen Mädchen gegenüber so unsicher war, wußte in diesem Augenblick nicht, was er mit diesem Ausruf anfangen sollte. Es war doch undenkbar, daß eine Fünfzehnjährige über die Not, die vor mehr als einem Jahrtausend in Rom geherrscht hatte, so bitterlich weinte. War das eine gutgespielte Komödie?

Nein. – Er sah den zuckenden und bebenden Körper, hörte das leidenschaftliche Weinen, wurde aber nicht klug daraus.

Einige Mitschülerinnen begannen leise zu lachen, dann sprang ganz plötzlich ein lautes Gelächter auf, das schnitt Bärbel noch tiefer ins Herz. Man lachte, während eine unglückliche Frau mit ihren drei Kindern tot davongefahren wurde.

Sie hielt sich beide Ohren zu, sie konnte nicht sprechen, sie hätte nur immer schreien mögen vor innerer Qual. Wenn sie die Augen schloß, sah sie immer wieder das grauenvolle Bild.

Doktor Hering war ratlos. – Er strich zaghaft Bärbel mehrfach über das goldblonde Haar und sagte unsicher: »Beruhige dich – –«

Aber die anderen lachten und lachten. Da sprang Bärbel plötzlich auf, lief zur Tür hinaus und verbarg sich hinter einem der dicken Pfeiler. Sie legte den heißen Kopf an die kalten Steine, und erst nach Minuten wurde sie ganz allmählich ein wenig ruhiger.

In der Pause wurde Bärbel abermals zum Direktor gerufen.

»Ich weiß nicht, Bärbel, was es in letzter Zeit mit dir für eine Bewandtnis hat. Herr Doktor Hering meldet mir heute dein eigenartiges Verhalten. Ich sehe dich verweint, schütte mir dein Herz aus, mein Kind.«

Da endlich vermochte das junge Mädchen das beschwerte Herz zu erleichtern. Aufs neue strömten ihm die Tränen aus den Augen, und gerührt faßte der Direktor nach ihren beiden Händen.

»Du wirst im Leben noch manches Traurige erfahren, Bärbel. Ich kann es wohl verstehen, daß dich die heutige Katastrophe aus den Fugen riß. Du kennst die Not und den Jammer der Großstadt noch nicht, mein liebes Kind, behalte dir dein warmes Herz; und wenn du später Gelegenheit hast, Not zu lindern, so denke an diese Stunde zurück.«

Nach diesen freundlichen Worten wurde Goldköpfchen etwas ruhiger. Sie vermochte es sogar, einige der Mitschülerinnen von dem Erlebten zu unterrichten. Da verstummte allgemein der Übermut, denn das traurige Vorkommnis senkte sich wie ein Schatten auf die Mädchenklasse.

Nur Hella Brodowin deklamierte mit Pathos: »Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht, er fiel auf die zarten Blaublümelein.« –

Auch Großmama Lindberg hatte den Eindruck, daß ein Reif auf ihr Goldköpfchen gefallen sei. Bärbel konnte sich gar nicht damit abfinden, daß ein Unglück in nächster Nähe geschehen war, und daß man nicht geholfen hatte. Bei jeder Mahlzeit hatte sie das Gefühl, als dürfte sie die Speisen nicht essen; und ganz schüchtern bat sie Großchen, doch in Zukunft ganz einfach zu kochen, es könnte dann vielleicht noch jemand mitessen, der hungernd durch die Straßen wandere.

Als wieder der Freitag kam und Bärbel sich rüstete, um in der Konditorei die erneute Zusammenkunft des Klubs »Blaublümelein« zu besuchen, war ihr Herz schwer. Sechzehn junge Mädchen aßen Kuchen und tranken Kaffee. – War das nötig? Und nun wollte Hella sogar noch zwei Mark haben, damit sie von dem Gelde Vereinsbriefbogen drucken lassen konnte. – Wozu das alles? Wenn die tote Frau diese zweiunddreißig Mark gehabt hätte, der verzweifelte Schritt wäre nicht geschehen.

Bärbel besaß gerade noch zwei Mark Taschengeld. Es wurmte sie ein wenig, daß sie diese Summe an Hella geben sollte. Aber sie war ja dazu verpflichtet.

An dem Platze, den sie überschreiten mußte, stand ein altes Weiblein. Der Rücken war gebeugt, das gelbe Gesicht, das wie Pergamentpapier ausschaute, mit Runzeln überzogen. Bisher hatte sich Bärbel alte Leute niemals genauer angesehen. Aber jetzt verlangsamte sie ihren Schritt, um das hagere Mütterchen zu betrachten. Wie mager ihre Hände waren! Ob die Frau wohl heute schon ein warmes Essen gehabt hatte?

Die Alte hob die Augen, traurige, hoffnungslose Augen, in denen es wohl nicht mehr froh aufleuchten konnte.

Und Bärbel sah in Gedanken wieder die Bahre und hörte die Worte der Umstehenden an der Unglücksstätte.

Sie griff in ihr Täschchen, nahm die zwei Mark, die für Hella bestimmt waren, und drückte sie in die Hand der frierenden Alten.

»Mit Schimpf und Schande schmeißen sie mich jetzt raus aus dem Klub, – kein Glück werde ich mehr im Leben haben. – Aber ich konnte nicht anders.«

Nochmals wandte sie sich um. Da stand das Mütterchen, hielt die geöffnete Hand noch immer vor sich hin, starrte auf das Geldstück; und schließlich brach doch aus den müden Augen ein Schimmer des Glücks.

»Ich brauche den Klub nicht,« sagte Bärbel zitternd vor Freude, »ich schaffe mir mein Glück allein, – ich gehe nicht mehr hin, ich trete aus!«

Einer Siegerin gleich betrat sie die Konditorei, in der schon alle jungen Mädchen versammelt waren.

Hella Brodowin eröffnete die Sitzung und forderte die Zahlung der zwei Mark.

Hastig erhob sich Bärbel.

»Ich zahle nicht,« sagte sie energisch, »das ist ja alles Dummheit, der ganze Klub ist Quatsch! Da haben wir so alberne Heimlichkeiten, müssen die Gemeinheiten unserer Vorsitzenden ausfressen, vertrödeln das gute Geld und könnten damit andere glücklich machen.«

»Du bist wohl übergeschnappt, Bärbel, – ich entziehe dir das Wort!«

»Du hast mir nichts mehr zu sagen, Hella, ich trete aus, ich habe meine zwei Mark einer alten, hungernden Frau gegeben, Kinder, wie war sie froh! – Wozu brauchst du das Geld, Hella? Ich trete aus; beschimpft mich, soviel ihr wollt, ich mache den Unsinn nicht mehr mit.«

Beifälliges Gemurmel entstand; Edith war die erste, die Bärbel beipflichtete.

»Ich finde es schrecklich, immerzu Geheimnisse zu haben.«

»Und ich will nicht noch einen zweiten Tadel deinetwegen bekommen,« rief Gabriele.

Es dauerte nur zehn Minuten, da sah sich die Vorsitzende des Klubs »Blaublümelein« verlassen. Sämtliche Mitglieder erklärten, daß sie kein Interesse mehr an dem Klub hätten, und daß er mit dem heutigen Tage statutenmäßig aufgelöst sei.

»Ich geb' dir meine zwei Mark,« sagte Edith leise zu Bärbel, »dann kannst du wieder eine alte Frau glücklich machen.«

»Tue es doch selbst,« flüsterte Bärbel verklärt, »dann erst fühlt man, wie glücklich man ist, wenn man helfen kann.«

Viel früher als sonst ging man heute auseinander. Frau Lindberg war sehr erstaunt, Bärbel so zeitig wieder heimkommen zu sehen.

»Großchen,« sagte Goldköpfchen, indem es beide Arme fest um die alte Dame schlang, »nun ist der Wall niedergerissen, nun schenken wir uns auch wieder volles Vertrauen. Das Siegel meiner Lippen habe ich zerstört. Ich bin kein ›Blaublümelein‹ mehr. Ach, Großchen, es ist so traurig und doch so schön auf der Welt.«


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