Franz Treller
Der Sohn des Gaucho
Franz Treller

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Wiedersehen

Der Aufstand gegen den Präsidenten Manuel de Rosas hatte einen großen Umfang angenommen. Nicht nur die Provinzia Cordoba, auch die zwischen den großen Strömen gelegenen Provinzen Corrientes und Entre Rios erhoben gegen ihn die Waffen. Die Bürger von Entre Rios hatten den bisherigen Gobernador Oribe abgesetzt und den General José d'Urquiza zum Regenten gewählt, der alsbald Cordoba verlassen und sein Hauptquartier jenseits des Parana aufgeschlagen hatte, von wo aus er die Bewegung gegen Buenos Aires leitete. Der Staat Santa Fé, in dem Rosas außerordentlichen Einfluß besaß, hatte sich der Aufstandsbewegung nicht angeschlossen. Hier hatte der Präsident erhebliche Truppenmassen versammelt.

Die kriegerischen Abiponen, die zu einem Raubzug großen Stils den Saladillo überschritten hatten, waren angesichts der großen Truppenbewegung im Lande schnell wieder zurückgewichen, hatten sich in ihre unzugänglichen Wälder zurückgezogen und verhielten sich ruhig.

Rosas, der den Sturm kommen sah und sehr wohl wußte, daß die Bewegung auf seinen Sturz hinarbeitete, hatte seine ganze Macht zusammengezogen und vor allem auch die Gauchos zum Kampf aufgeboten. Die Wut des Tyrannen tobte sich in zahllosen Mordtaten aus, die von seinen Kreaturen begangen wurden. Insbesondere die Provinzen Buenos Aires und Santa Fé trieften vom Blut sogenannter Unitarier. In der Hauptstadt ließ Rosas an einem Tage mehr als dreihundert Menschen ermorden. Daß der Kampf gegen ihn hart werden würde, wußte jeder der Aufständischen, doch waren alle entschlossen, die letzte Kraft einzusetzen, um das Land von dem Tyrannen zu befreien.

Die zahlreichen Deutschen im Land, in Entre Rios, Corrientes und Cordoba vor allem, großenteils Schleswig-Holsteiner, hatten sich geschlossen auf die Seite d'Urquizas gestellt, und der General wußte, was er an diesen Männern besaß. Sie dienten in seiner Artillerie und stellten zudem seine Elitereiterei. In Entre Rios sammelte der General seine Scharen am Parana, um von hier aus den entscheidenden Vorstoß zu wagen.

Es war ein herrlicher Dezembertag, als vier Reiter, von Norden kommend, am Ufer des gewaltigen Stromes entlangritten, ihren Weg auf Diamante zu nehmend. Es waren Don Juan Perez, der Feuerkopf Sancho Pereira und die beiden Brüder de Salis, der junge Gaucho und der Cura.

Juan, dem die großen Ereignisse, die sich vorbereiteten, den abgelegenen Aufenthalt im Westen unerträglich gemacht hatten und der zudem die Brüder, eingedenk ihrer Zukunft, dem Mittelpunkt der Ereignisse näherbringen wollte, war, Aurelios Drängen nachgebend, mit ihnen auf das andere Ufer des Parana gegangen, um d'Urquiza aufzusuchen.

Sie ritten langsam auf Diamante zu, wo dem Vernehmen nach der General weilen sollte. Überall zeigten sich bereits die Spuren des herrschenden Kriegszustandes. Trupps von Soldaten und bewaffnete Bauern, endlose Züge von Maultieren, mit Nahrungsmitteln und Heeresbedarf beladen, füllten die Straßen, und alles deutete auf eine große Aktion hin; das ganze Land war in Aufregung. Die vier Reiter saßen schweigend in den Sätteln. Über Aurelios frisches Gesicht zog dann und wann ein düsterer Schatten; der Cura schien ruhig, sanft und gleichmütig wie immer.

»Was ist dir, Aurelio?« fragte der Pater, nachdem er den Bruder längere Zeit nicht ohne Sorge betrachtet hatte. »Woran denkst du?«

»An nichts Gutes«, stieß Aurelio heraus. »Ich möchte endlich den Mann kennen, der meine Mutter erschlug. Ich glaube ihn zu kennen, aber ich möchte es wissen, und ich begreife Don Juan nicht. Warum verbirgt er es vor mir?«

»Er wird es dir sagen, wenn es an der Zeit ist«, versetzte der Cura; »warum bist du so ungeduldig?«

Aurelio streifte ihn mit einem düsteren Blick. »Warum bist du ein Priester geworden?« fragte er. »Du hättest den frommen Padres in Assuncion auf andere Weise deinen Dank bezeigen können.«

»Schilt die guten Padres nicht«, lächelte der andere. »Sie haben keinerlei Zwang auf mich ausgeübt. Mein freier Wille hat mich in meinen Beruf geführt, und seiner Berufung muß man folgen.«

»Ja«, sagte Aurelio, »wenn es so ist – –; ich weiß«, fügte er hinzu, »du bist besser als ich, ich bin verbittert, zornig und rachgierig, mindestens seit ich von dem Schicksal unserer Mutter weiß. Der Grimm verzehrt mich.«

»Und doch hast du Grund zur Dankbarkeit«, versetzte der Cura, »Gott hat dich wunderbar geführt. Er hat dich vor tausend Gefahren bewahrt. Und er hat uns zusammengeführt, zwei Brüder, die nichts voneinander wußten.« Er lächelte leicht. »Ich habe das nicht gleich begriffen«, sagte er, »ich habe es nicht gleich fassen können, ich habe ja nie einen Menschen gehabt, außer den Padres. Trotzdem habe ich gleich gewußt, daß es stimmt, daß du mein Bruder bist; ich habe es gefühlt.«

Aurelio sah mit einem halben Blick zu ihm herüber, und für einen Augenblick stand wieder das alte unbeschwerte Lächeln in seinem jungen Gesicht. »Carlos!« sagte er. »Ich habe einen Bruder, der Carlos heißt und der sich Pater Cölestino nennt. Es ist wunderbar!«

Sie kamen an einem kleinen Haus vorbei, das, von einer Einfriedung umgeben, rechts ihres Weges lag. In einem seitwärts davon gelegenen Agavenfeld war ein alter, weißhaariger Neger beschäftigt. Die Straße war im Augenblick frei von Soldaten und Maultieren.

»Wie wäre es, wenn wir ein wenig Rast machten?« fragte Juan. Die anderen stimmten zu.

»Nun, feuerköpfige Hoheit«, wandte der Gaucho sich an Pati, »frage den schwarzen Hidalgo dort, ob er uns nicht ein bißchen Gastfreundschaft gewähren will.«

Pati rief den Neger an; der kam heran, und der Rotkopf redete mit ihm. Dem Alten schien es eine Ehre, die Caballeros bewirten zu dürfen. Er küßte dem Cura die Hand und machte eine einladende Handbewegung zu den schattenspendenden Algaroben und Erlen hinüber, zu deren Füßen sich einige rohe Sitze befanden. Die Reiter stiegen ab.

»Meine Frau wird euch Tortillas backen, Señores«, sagte der Neger. »Mehr haben wir nicht; die Soldados zehren alles auf.«

»Wir haben selbst Vorräte mit und sind mit allem zufrieden«, sagte Juan. »Tränke die Pferde und wirf ihnen Futter vor!«

Der Neger rief etwas in das Haus hinein und beschäftigte sich dann mit den Tieren, während Pati aus einer Ledertasche Mundvorrat herausholte. Der Alte brachte bald darauf die frischen, duftenden Maiskuchen. Dabei fiel sein Blick auf die Brüder de Salis. Er sah wohl nicht mehr sehr gut; seine Augen verweilten lange auf dem Pater und dem jungen Gaucho, und ein Ausdruck leisen Erstaunens machte sich darin bemerkbar. Es sah aus, als denke er über etwas nach.

»Ist es weit nach Diamante?« fragte Juan.

»Kaum eine Legua, Señor.«

»Sind viele Soldados dort?«

»O ja – viele tausend.«

»Und auch der General?«

»Weiß es nicht genau, Señor. General d'Urquiza ist überall.«

»Stammst du aus Buenos Aires, Alter?« fragte der Feuerkopf.

Der Alte schüttelte den Kopf. »Nein, Señor«, sagte er, »meine Frau und ich sind am Parana grau und alt geworden, auf der großen Estancia Bellavista, wenn Ihr die kennt.«

Juan und Pati sahen auf. »Auf Bellavista?« fragte der Gaucho.

»Bis meine alte Inez und ich fortgejagt wurden, Señor«, antwortete der Neger. »Dann hat uns Señor d'Urquiza, der Freund unseres alten Herrn, das Häuschen hier und etwas Feld gegeben, um uns vor dem Hungertod zu bewahren.« Er schwieg einen Augenblick, dann suchten seine alten Augen wieder mit einem sonderbaren Ausdruck die beiden Brüder. »Aber wir kehren noch einmal zurück, nach Bellavista«, sagte er leise.

Er ging in das Haus zurück; Juan und Pati wechselten einen langen Blick. Weißt du noch? sagte dieser Blick. Gleich darauf erschien eine alte Negerin; sie kam heran, küßte dem Cura die Hand, wünschte eine gesegnete Mahlzeit und ging wieder in das Haus. Und auch sie streifte die beiden jungen Männer mit einem seltsamen, beinahe scheuen Blick.

Schwerer Hufschlag erdröhnte; eine starke Reiterschar näherte sich. Die Männer sahen auf. Die Reiter kamen von Norden; es handelte sich um eine geschlossene Kavallerieformation, deren erste uniformiert und nach Art der Lanceros bewaffnet war. Vier Trompeter eröffneten den Zug; ihnen folgte, den Abteilungen voranreitend, ein hochgewachsener Offizier auf einem starken Rappen.

Staunend sah der Gaucho die ihm gänzlich ungewohnte, straff gegliederte Ordnung der Reiterschar, da schrie Aurelio neben ihm auf. »Don Enrique!« rief er, sprang auf und lief auf die Straße, dem Zuge entgegen.

Der Offizier verhielt sein Pferd und gab schnell das Zeichen zum Halten. »Ja, Aurelio! Junge!« rief er strahlend, »ist es denn möglich?« Er sprang vom Pferde und schüttelte dem Jungen mit allen Zeichen der Freude in seinem offenen, gebräunten Gesicht, die Hände. Juan und Pati kamen heran, und der Aleman begrüßte auch sie. Hinter den beiden Männern stand Pater Cölestino.

Erich Stormar, seit einiger Zeit Oberst und Chef eines von ihm zusammengestellten und ausschließlich aus Deutschen gebildeten Regiments schwerer Lanzenreiter, schien ein völlig verwandelter Mann. Kraft, Sicherheit und Lebenszuversicht sprachen aus seinen Zügen.

Jetzt fielen seine Blicke auf den Priester. Verblüffung malte sich auf seinem Gesicht. Die außerordentliche Ähnlichkeit mit Aurelio sprang sofort in die Augen.

»Mein Bruder Carlos«, sagte Aurelio vorstellend. »Ein Bruder, von dessen Existenz ich nichts wußte und den ein glückliches Geschick mir in den Weg führte. Er nennt sich freilich Pater Cölestino. Und dies, lieber Carlos, ist Don Enrique, der Aleman, mein Lehrmeister im Schießen, von dem ich dir schon erzählte.«

Stormar begrüßte den Cura, sah ihn lange nachdenklich an und wandte den Blick dann auf Juan Perez. »Ja«, sagte der, »es ist so, wie Aurelio sagt, und ich möchte das keinen Zufall mehr nennen. Bald«, setzte er hinzu, »werden die Brüder auch wissen, welchen Stammes sie sind.«

Stormar rief dem am Flügel haltenden Stabstrompeter ein paar Worte in deutscher Sprache zu; der blies ein Signal, gleich darauf saßen die Reiter ab und schickten sich zum Lagern an.

»Eine stattliche Reiterschar«, sagte der Gaucho.

»Es sind die Lanceros von Cordoba«, versetzte Stormar, »ich kommandiere sie, wir sind auf dem Wege, zur Armee der Verbündeten zu stoßen.« Er sprach ein paar Worte mit einem herangekommenen Offizier, der ging zurück, und gleich darauf kam ein Lancero heran, den Schimmel Cid am Zügel führend. »Ich habe ihn dir bewahrt, Aurelio«, lächelte Stormar. Der vollführte vor Glück und Freude einen Luftsprung, schüttelte dem Deutschen die Hand, ergriff seinen Cid am Zügel und konnte sich lange Zeit nicht von ihm trennen.

Sie saßen dann plaudernd beisammen und, wahrhaftig, es gab allerlei Neuigkeiten auszutauschen. Eine knappe Viertelstunde etwa mochte vergangen sein, da näherte sich aus südlicher Richtung ein einzelner Reiter, ein jüngerer Offizier, wie man gleich darauf sah. Er rief eine Gruppe lagernder Soldaten an: »Wo ist Oberst Stormar?« Die Soldaten wiesen auf die Baumgruppe, unter der die Freunde saßen. Der Reiter kam heran.

Stormar war schon bei dem Klang der Stimme, die seinen Namen rief, zusammengefahren. Er stand auf, sein Gesicht wechselte die Farbe, wurde aschfahl. Juan und die anderen sahen es mit Verblüffung.

Der Offizier hielt vor ihnen, sprang vom Pferd. »Erich«, rief er, auf Stormar zueilend, »Gott segne die Stunde. Erst heute erfuhr ich, daß du lebst, daß du da bist, daß du – –«; er schwieg, er starrte in ein versteinertes Gesicht.

»Was denn?« stammelte er, »was ist denn? Was hast du denn?«

»Du wagst es, mir unter die Augen zu kommen?« sagte Stormar leise; er schien sich nur mit Mühe zu beherrschen.

»Aber Erich – –«, setzte der andere an, offensichtlich nicht begreifend.

»Gehen Sie schnell weg, Leutnant Thormäl«, sagte Stormar; er zischte die Worte zwischen den zusammengepreßten Lippen heraus.

»Nun, das verstehe der Teufel!« sagte der Leutnant. »Willst du mir nicht wenigstens erklären – –«

»Was, was soll ich dir erklären?« schrie der Oberst und trat einen Schritt vor auf den anderen zu. »Hast du, der Mensch, dem ich am meisten von allen Menschen vertraute, hast du mich nicht wie einen Hund davongejagt, mich in Elend, Verzweiflung und beinahe in den Wahnsinn getrieben? Wie gedeiht deine Estancia, Arno Thormäl?«

»Meine – meine Estancia?« stammelte, offenbar aus allen Wolken gerissen, der Leutnant. »Meine Estancia, sagst du? Was heißt das denn? Was willst du denn damit sagen? Du willst doch nicht etwa – –?« Plötzlich überzog sich das eben noch blutrot flammende Gesicht des Offiziers mit leichenhafter Blässe. »Erich?« stammelte er.

»Man sollte es nicht glauben«, knirschte Stormar.

Im Gesicht des anderen flackerte es. Er sprach leise, abgehackt. »Ich verstehe noch nicht ganz«, sagte er. »Nein, ich verstehe noch nicht ganz. Ich weiß nicht, was du willst. Ich habe deine Estancia – von ihr scheinst du ja zu sprechen – ich habe sie dir damals vor dem Zugriff gerettet. Der Konfiskationsbefehl lag ja schon vor. Ich glaubte, das ganz geschickt gemacht zu haben. Du kamst mit den Regierungsbeamten, die mir Tage vorher den Befehl gezeigt hatten. Ich habe dich verleugnet. Es war, Teufel nochmal, nicht ganz einfach, aber ich glaube, meine Rolle ganz gut gespielt zu haben.«

»Was denn? Was denn?« stammelte Stormar.

Der andere sah ihn nur an, mit einem langen, rätselhaften Blick. Und plötzlich begriff Erich Stormar. Die letzte Spur Farbe wich aus seinem Gesicht. »Arno! Mein Gott! War ich denn, war ich denn wahnsinnig?«

Leutnant Thormäl trat einen Schritt zurück, er hob leicht die Hand. »Man sollte es nicht glauben«, sagte er, »aber du scheinst mich – du scheinst mich für einen Dieb, für einen Räuber, für – pfui Teufel!« schrie er plötzlich, »ich weiß nicht, wofür du mich gehalten hast!«

»Arno!« Der Oberst ging auf den Leutnant zu, streckte die Arme aus. »Arno«, sagte er, »es ist kein Zweifel: ich war wahnsinnig. Ich war – verzeih, Arno, verzeih!«

Der Leutnant stand unbewegt. »Nein, Erich Stormar«, sagte er, »das verzeihe ich nicht. Hättest du mir im Jähzorn eine Kugel in die Brust gejagt, ich hätt' es dir sterbend verziehen. Daß du mich für einen Dieb halten konntest, auch nur einen Augenblick lang –«; er hob die Hand, trat zurück, nahm sporenklirrend die Hacken zusammen. »Ihre Estancia, Herr Oberst, harrt ihres Besitzers«, sagte er, wandte sich, sprang auf sein Pferd und jagte mit verhängten Zügeln davon. Erich Stormar schlug die Hände vor das Gesicht.

Die anderen hatten der Szene, staunend, aufs höchste beunruhigt, zugehört. Verstanden hatten sie nichts, da die Unterhaltung in deutscher Sprache geführt worden war. Nun trat Aurelio an Stormar heran. »Don Enrique«, sagte er, ihm die Hand auf den Arm legend, »was war das, Don Enrique?«

Der Deutsche sah ihn an, als müsse er sich erst besinnen, wer da vor ihm stand. »Laß, Aurelio«, sagte er dann, und seine Stimme klang müde und eigentümlich heiser, »laß. Es ist furchtbar, was zwischen Menschen geschehen kann. Verzeiht, Freunde«, sagte er, »ein andermal. Entschuldigt mich heute.« Er verabschiedete sich kurz, gab dem Trompeter ein Zeichen; das Signal ertönte, die Reiter saßen auf. Minuten später ritten die Schwadronen davon. Erich Stormar sah nicht mehr zurück.

Die vier anderen saßen nicht mehr lange; auch zwischen ihnen wollte kein rechtes Gespräch mehr aufkommen. »Laßt uns reiten«, sagte Juan. Sie stiegen schweigend in die Sättel.

Als sie davonritten, traten der alte Neger und seine Frau aus dem Hause heraus und sahen ihnen nach.

»Sie waren es«, flüsterte die Greisin, »oh, Antonio, es waren Don Fernandos Kinder. Gott ist gut! Wir werden wieder heimkommen.«

Der Neger nickte. »Ja«, sagte er, »wir werden wieder heimkommen.«

Diamante war mit starken Truppenmassen belegt. An die fünfundzwanzigtausend Mann hatte General d'Urquiza hier um sich versammelt, darunter dreitausend Deutsche.

Im Vorzimmer des Hauptquartiers wartete Juan Perez mit Aurelio und Carlos. Als dem General der Name des Gaucho gemeldet wurde, ließ er ihn alsbald eintreten und kam ihm in herzlicher Aufgeschlossenheit entgegen. »Mein Lebensretter«, sagte er und streckte dem Gaucho beide Hände hin. »Was ich habe, ist dein, Juan Perez. Bringst du dem Vaterland deinen Arm?«

Der Gaucho schüttelte den Kopf. »Nein, General«, sagte er. »Ich kann wohl gegen Francisco de Salis, nicht aber gegen Gauchos kämpfen. Aber ich bringe Euch mehr als meinen Arm.«

»Ja?«

»Ich bringe Euch die Söhne Eures verstorbenen Freundes Fernando de Salis.«

»Was sagst du da?«

Juan berichtete in knappen Worten die Zusammenhänge. »Die Herkunft Aurelios ist unzweifelhaft beweisbar«, sagte er. »Der Schmuck, den wir der Mutter abnahmen, ist vorhanden. Bei Carlos liegen die Dinge schwieriger. Vielleicht können hier die Padres der Mission in Assuncion nützen. Denn die Ähnlichkeit allein wird ja wohl kein Gerichtshof gelten lassen.«

»Aurelio hat mich schon beim ersten Sehen an seinen Vater erinnert«, sagte der General. »Das Ganze ist wunderbar. Hol sie herein.«

Juan ließ die Jünglinge eintreten. D'Urquiza sah lange in ihre schönen, sich so ähnlichen Gesichter. »Ihr seid es«, sagte er bewegt, »es ist kein Zweifel: ihr seid es. Euer Vater sieht mich aus euren Augen an. Seid mir willkommen.«

Aurelio stand vor ihm mit blitzenden, fordernden Augen; der Cura sah mit leisem Erstaunen auf den General. Der umarmte sie beide, und herzliche Freude malte sich in seinem Gesicht.

»Kennen sie ihren Namen, ihre Abkunft, Don Juan?« fragte er.

»Nein, General, ich hielt es bisher noch nicht an der Zeit, sie aufzuklären.«

»Die Zeit ist gekommen«, sagte d'Urquiza. »Stehst du mit deinem Herzen auf meiner Seite, Aurelio?«

»Ja, General, bedingungslos«, sagte der Jüngling.

»So höre«, sagte d'Urquiza. »Du wirst die Männer von Santa Fé zu den Fahnen rufen, und dein Name wird Wunder wirken. Er wird das Gedächtnis eines Mannes wachrufen, der dort in jedem Herzen seine Stätte hat, und dieser Mann ist dein Vater!«

Aurelio zitterte.

»Aurelio de Salis, Sohn Don Fernandos, ich verpflichte dich auf die Fahne des Vaterlandes!« sagte der General. Ein Aufschrei antwortete ihm. »Ich ahnte es«, stammelte Aurelio, »ich habe es lange geahnt.«

»Und du, Carlos de Salis?« Der General wandte sich an den Priester. Der lächelte still. »Ich bin und bleibe Pater Cölestino«, sagte er. »Was sollte ein Name daran ändern?«

Ein leichter Schatten flog über das Gesicht d'Urquizas. »Gut«, sagte er dann, »das wird sich alles ordnen.«

»General?« Aurelio stand vor ihm; seine Augen flammten. »Sagen Sie mir eines, General: Francisco de Salis ist der Mörder meiner Mutter?«

D'Urquiza nickte nur.

»Auch das ahnte ich«, sagte Aurelio. »Wahrhaftig, ich ahnte es.« Seine Gestalt straffte sich. »Senden Sie mich nach Santa Fé, General«, sagte er, »ich will Ihnen eine Provinz gewinnen.«

D'Urquiza umarmte ihn; gleich darauf wurde er ernst. »Hört zu«, sagte er, »was du da versprichst, ist für den Ausgang unserer Sache von entscheidender Bedeutung. Um mit der Armee hier den Übergang über den Parana zu wagen und auf Buenos Aires zu marschieren, muß ich ganz Santa Fé auf meiner Seite haben. Ich darf keinen Feind in meinem Rücken lassen. Ich plane eine Demonstration nördlich der Stadt Santa Fé, um den Feind nach Norden zu locken. Leider habe ich im Augenblick noch niemand, der den Parana und das jenseitige Ufer kennt, um die Landung dort zu leiten. Francisco de Salis weiß selbstverständlich, worum es geht; er ist zweifellos auf der Hut, und es ist nicht sehr schwer für ihn, schon den Landungsversuch zu vereiteln und meine Leute blutig abzuweisen.«

»Den Mann haben wir«, sagte der Gaucho. »Niemand kennt den Parana besser als mein Freund Don Sancho Pereira. Er ist auf dem Fluß aufgewachsen und dort zu Hause. Vertraut ihm die Leitung an, und er führt Eure Truppen ungefährdet hinüber; ich verbürge mich dafür.«

»Das wäre ausgezeichnet«, sagte d'Urquiza. »Schick mir den Mann, ich will mit ihm reden. Ihr bleibt einstweilen bei mir und seid meine Gäste. Der Tag, Aurelio de Salis, ist nicht mehr fern, da ich euch in eure Rechte einsetze.«

»Der Tag, da Gerechtigkeit geübt werden wird«, sagte Aurelio finster.


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