Franz Treller
Der König der Miami
Franz Treller

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Der König der Miami

Die Nacht verlief völlig ungestört, aber Washington war sich darüber klar, daß er am Morgen mit überlegener Macht angegriffen werden würde, und traf seine Vorsichtsmaßregeln. Vor den starken Verschanzungen lag völlig freies Schußfeld. Zum Glück hatte man zudem vier Geschütze retten können, die der Kommandeur nun sehr sorgsam aufstellen ließ.

Englische Linientruppen und Kolonialmiliz zählten zusammen mit ihren indianischen Verbündeten nicht ganz dreitausend Mann. Den Gegner mußte man, nachdem auch die zweite vom Norden kommende französische Streitmacht eingetroffen war, zuzüglich der roten Bundesgenossen auf sechs- bis siebentausend Mann schätzen. Die Situation war zweifellos kritisch. Umso mehr erhielt jedermann Gelegenheit, die Ruhe und Entschlossenheit des jungen Virginiers zu bewundern, auf dessen Schultern jetzt die Verantwortung ruhte. Selbst die englischen Linienoffiziere, die im allgemeinen mit hochmütiger Verachtung auf die Milizen herabzusehen pflegten, mußten mehr oder weniger widerwillig anerkennen, daß nur eben diese sonst so geringschätzig betrachteten Männer und ihr Kommandeur sie vor vollständiger Vernichtung bewahrt hatten. So ordneten sie sich schweigend Washingtons Befehlen unter.

Nicht lange nach Sonnenaufgang erhob sich der Kommandeur, der nur wenige Stunden geschlafen hatte, und schritt die Wälle ab, untersuchte alle Verteidigungsanlagen, kontrollierte Waffen und Munition, sprach hier mit einem Offizier, dort mit einem Unterführer, da mit einem der Männer. Er fand wenig zu tadeln, aber er hatte für jeden einen freundlichen Blick und ein gutes Wort.

So kam er auch zu der Stelle, wo Elias Burns sich mit seinen Freunden gelagert hatte. Hier stand hoch aufgerichtet ein junger Indianer, dessen dunkle Augen aufleuchteten, als sie Washington erblickten. Mit federnden Schritten trat er auf den Kommandeur zu, legte die Hand auf das Herz und sagte: »Der Sohn Tana-ca-ris-sons grüßt Feuerauge.«

»Ni-kun-tha!« rief der Milizoberst überrascht, »wo kommst du her? Ich habe vom Schicksal Tana-ca-ris-sons, deines großen Vaters gehört, er hat seine Treue mit dem Tode besiegelt. Sei uns willkommen, wenn du auch nicht an der Spitze deiner Miami kommst.«

»Dort stehen die Krieger der Miamistämme«, sagte Ni-kun-tha, mit der ausgestreckten Hand auf eine sich unweit erhebende Hügelkette weisend. Washington richtete das Glas auf die Bodenerhebung und sah starke Scharen indianischer Krieger dort lagern. Er ließ das Glas sinken; sein Gesicht war sehr ernst geworden. »Auch die Miami also – gegen uns«, sagte er. »Glaubst du, daß sie gegen uns kämpfen werden, wenn der Sohn ihres großen Sagamoren hier bei uns steht?«

»Ni-kun-tha wird hingehen und sie fragen«, antwortete der Häuptling schlicht.

»Das wäre – das Ende«, murmelte Washington. Sein zupackender Blick nahm den jungen Indianer in die Klammer. »Falke«, sagte er, »wenn du zu erreichen vermöchtest, daß sie sich dem Kampf fernhalten, es wäre viel, vielleicht schon alles gewonnen.«

»Der Sohn Tana-ca-ris-sons wird mit ihnen reden«, entgegnete der Häuptling.

Washington reichte ihm die Hand: »Gut. Geh, Falke, sprich mit ihnen. Sicherlich werden sie dich anhören und vielleicht –«; er brach ab und winkte Ni-kun-tha verabschiedend zu. Nachdem er noch ein paar freundliche Worte an Burns, seine Tochter und die anderen gerichtet hatte, ging er weiter, die Verteidigungsanlagen zu untersuchen.

Ni-kun-tha trug das Haar mit einem scharlachroten Band zusammengewunden; eine Adlerfeder ragte aus der Skalplocke auf. Auf seiner Brust glänzte die Medaille König Georgs, sein linkes Handgelenk wurde von einem schweren goldenen Armband geziert. Das Jagdhemd aus weicher, geschmeidiger Rehhaut war mit allerlei bunten Stickereien verziert; der Schaft seiner Streitaxt – ein Geschenk Washingtons – war reich mit Silber beschlagen.

Vom Feind war einstweilen noch nichts zu gewahren; die Ni-kun-tha gehorchenden Miami hatten während der Nacht die äußerste Vorhut gebildet; ihre Späher lagen überall in den Büschen. Bisher war keine Nachricht von ihnen eingetroffen.

Seine Büchse zurücklassend, verließ der junge Miami das Lager und ging auf die Hügelkette zu, auf deren Höhen die während der Nacht eingetroffenen Krieger seines Volkes lagerten. Er ging ganz allein, vom Lager ebenso wie von den Hügeln aus zu sehen, über die baumlose Ebene.

Die Miamikrieger empfingen ihn schweigend, aller Augen waren auf ihn gerichtet, als er die Lagergassen durchschritt. In der Mitte einer Lichtung unweit der schwach lodernden Ratsfeuer blieb er stehen und sagte, mit herrischer Gebärde die flache Hand ausstreckend, zu einigen herankommenden älteren Kriegern:

»Ni-kun-tha, der Sohn Tana-ca-ris-sons, will zum Rat der Alten seines Volkes sprechen.«

Einer der Krieger antwortete ruhig und unbewegt: »Der Sohn Tana-ca-ris-sons möge warten. – Mitschi-kalwa wird es den Häuptlingen melden.« Er winkte zwei anderen Kriegern und schritt mit ihnen auf das Ratsfeuer zu. Ni-kun-tha kreuzte die Arme über der Brust und blieb hochaufgerichtet stehen; der Blick seiner dunklen Augen ging über die im Schweigen erstarrte Versammlung hinweg wie in eine unendliche Ferne.

Schon nach kurzer Zeit kehrten die drei Krieger zurück und meldeten, die Häuptlinge seien bereit, den Sohn des großen Sagamoren zu hören. Selbstverständlich hatten auch sie den Angekommenen längst bemerkt und sich innerlich vorbereitet.

Ni-kun-tha schritt durch die Lagergassen, an den einzelnen Stammeshaufen vorbei; er kam auch zu den Piankeschaws, dem Stamm, dem seine eigene Sippe angehörte; hunderte unruhig glimmende Augen folgten ihm, als er vorüberging. Er trat auf die Lichtung hinaus und in den vor drei schnell errichteten Tipis gebildeten Halbkreis alter Häuptlinge, die am Ratsfeuer versammelt waren. Schweigend empfingen sie den Sohn ihres großen Häuptlings; hochaufgerichtet stand er vor ihnen, sich mit einer Haltung verneigend, die Anmut und Würde unnachahmlich vereinte. Anmutig folgte er der Aufforderung des Ältesten, niederzusitzen; er nahm das Kalumet entgegen, tat einen Zug und gab es, blaue Rauchringe ausstoßend, weiter.

Nachdem die Pfeife des Friedens die Runde gemacht hatte, sagte der Älteste in das feierliche Schweigen hinein:

»Die Ohren des Miami-Volkes sind weit geöffnet. Der Sohn Tana-ca-ris-sons mag reden.«

Geschmeidig, mit federnden Bewegungen erhob sich der Jüngling; sein flammender Blick glitt über die Versammlung. In endlosen Haufen standen hinter den Häuptlingen die bronzenen Gestalten der Krieger.

Ni-kun-tha sprach mit leiser, jedoch deutlich akzentuierender Stimme; verhaltene Leidenschaft glühte in seinen Worten:

»Sagamoren und Krieger meines Volkes! Zu euch spricht ein Sohn und ein sehr junger Krieger. Durch meinen Mund spricht zu euch Tana-ca-ris-son, der Weise. Hört seine Worte, die aus den ewigen Jagdgründen zu euch dringen. Bei euch ist die Weisheit des Alters und die Erfahrung. Ni-kun-tha ist jung, erst zwanzigmal sah er den Frühling kommen; ein Nichts ist er vor euch, den Weisen seines Volkes. Aber sein Herz schlägt wie das eure, und die Stimme seines großen Vaters dröhnt in seinem Ohr.«

Ein leises Gemurmel ließ sich hören, das gleich wieder erstarb.

Bewegter nun, dunkler und klingender wurde die Stimme des jungen Indianers, beschwörender klangen seine Worte:

»Ein Großer in seinem Volk war Tana-ca-ris-son, der Geist Niwi-ki-nikwas, des Größten aller Miami, war in ihm lebendig. Die Yengeese nannten ihn mit dem Namen ihres Großen Vaters jenseits des Wassers, einen König nannten sie ihn. Ni-kun-tha ist nichts als sein Erbe. Er will seines großen Vaters würdig werden. Tana-ca-ris-son hat mit den englischen Vätern einen Bund geschlossen, er hat sein Totemzeichen unter einen Vertrag gemalt; ein Miami hat nur eine Zunge, nur ein Herz, er kann sterben im Kampf, den Schlachtruf seines Volkes auf den Lippen, aber er kann nicht sein Wort brechen.«

Seine Stimme hob sich, und die ausgestreckte Hand wies mit herrischer Gebärde ins Tal: »Dort unten steht Feuerauge, der weiße Häuptling, die Krieger meines Volkes kennen ihn, und sie wissen auch, daß kein Falsch an ihm ist. Feuerauge sprach zu Tana-ca-ris-son, den er einen König nannte: ›Brüder sind wir, Söhne der Erde, die wir lieben, laßt sie uns gemeinsam verteidigen gegen den Fremden, der von Norden, aus den Kanadas kommt.‹ Und Tana-ca-ris-son reichte ihm die Hand und malte sein Totemzeichen auf ein Stück Hirschhaut. –

Sagamoren und Krieger der Miami, der Wolf ist in die Hürde gefallen, er hat euch mit gleißnerischen Worten getäuscht. Unten steht Feuerauge, der weiße Mann, der sein Wort niemals brach. Er weist auf das Totemzeichen Tana-ca-ris-sons, und er fragt: Wo sind meine Brüder, die Miami? Reden die Miami mit zwei Zungen? Hat das feurige Wasser der weißen Männer aus den Kanadas sie verwirrt?

Der Sohn Tana-ca-ris-sons fragt nicht, und er fordert nicht. Wie ein kleines Kind ist er vor den weisen Männern seines Volkes. Aber er ist ein Miami, und er ist der Sohn seines Vaters. Er steht zu dem feierlich beschworenen Bündnis in der Stunde der Gefahr. Wenn der Kampf anhebt, wird er an der Spitze seiner wenigen Krieger auf Seiten der Yengeese kämpfen und, wenn es sein muß, sterben. Wird Tana-ca-ris-son, der Große, in den ewigen Jagdgründen sehen müssen, wie die Krieger seines Volkes gegen den Sohn kämpfen, der sein Erbe trägt? Manitu wird sein Haupt verhüllen, wenn es geschieht.« –

Höher reckte sich der Jüngling, wilder flammte sein Auge. »Ni-kun-tha muß nicht nur seinem Vater folgen, er muß auch seinen Tod an seinen Mördern rächen. Ist einer unter den Kriegern der Miami, der den Tod seines Vaters nicht rächen würde? Hugh! Ni-kun-tha hat mit der Rache begonnen. Sein Tomahawk raucht noch vom Blut der Irokesen. Mona-ka-wache, der Seneca, starb unter seiner Kugel. Im Angesicht von zweihundert seiner Krieger nahm Ni-kun-tha ihm das Leben; siebzehnmal hörten die Wälder den Todesschrei eines Irokesen; ihre Skalpe zieren meinen Gürtel!«

Starke Bewegung erhob sich ringsum, hier und da wurden aus den Reihen der dichter drängenden Krieger begeisterte Rufe laut; unbewegt mit maskenhaft verschlossenen Gesichtern saßen die Alten.

»Ni-kun-tha war in eine Falle gegangen«, fuhr der Häuptling fort, »sechs auserlesene Krieger sollten ihn gebunden zu den Dörfern der Seneca bringen, in Seneca-Stadt sollte er angesichts heulender Coyoten am Marterpfahl sterben. Wer aber kann einen Miami halten, wenn er frei sein will? Ni-kun-tha sprengte seine Bande; die Gebeine seiner Wächter bleichen in den Wäldern; ihr Fleisch fraßen die Wölfe.«

Einer brausenden Woge gleich erhob sich der Jubel; auf den schweigenden Wink eines Alten flaute die Welle wieder ab. Ni-kun-tha fühlte tausende brennender Augen auf sich gerichtet. Er rief:

»Ni-kun-tha eilte dem Hirsch gleich durch die Wälder zu den Shawano, bei denen er seine wenigen Krieger zurückgelassen hatte. Er ließ die Krieger aus den Kanadas und ihre erdgeborenen Verbündeten, Irokesen, Huronen, Ottawa und Pottawatomi, hinter sich zurück; denn er wußte, es galt jetzt, zu dem Bündnis zu stehen, das Tana-ca-ris-son, sein Vater, geschlossen. Als sich die Sonne heute in der Frühe erhob, sah er die Kinder seines Volkes hier auf diesem Hügel lagern. Er kam zu ihnen, Trauer im Herzen, sie auf einem Weg zu sehen, auf dem er nicht folgen kann. Er kam, den Weisen seines Volkes zu sagen: Ni-kun-tha, der Falke, wird heute mit seinen Getreuen an der Seite Feuerauges kämpfen und sterben. Er wird zu seinem Vater in die ewigen Jagdgründe eingehen. Sein Herz wird bluten, wenn er sehen wird, daß die Krieger seines Volkes heruntereilen, um an der Seite der Kanadas gegen seine Freunde zu kämpfen. Er selbst wird den Arm nicht gegen die Miami heben!«

Noch höher hob sich die Stimme, Zorn und Trauer mischten sich zu einer Anklage gegen das Schicksal: »Wehrlos wird Ni-kun-tha, Tana-ca-ris-sons Sohn, sterben, wenn die Krieger des eigenen Volkes ihm entgegentreten, gegen die er die Hand nicht erheben kann. Dies sollten die weisen Männer meines Volkes wissen. Es ihnen zu sagen, kam Ni-kun-tha hierher. Nun möge Nana-bosch, der Große und Ewige, sie erleuchten. Hugh! Ich habe gesprochen!«

Lautlose Stille lag über der Höhe, als der Jüngling sich niedersetzte, den brennenden Blick der dunklen Augen starr in die Flammen des Ratsfeuers senkend. Erst nach geraumer Zeit erhob sich der Älteste des Rates, ein sehr alter Mann, dem das von einem blauen Band gehaltene schlohweiße Haar in den Nacken fiel. Sein Blick glitt über den kauernden Jüngling hinweg, ein schmales Lächeln spielte um seine welken Lippen. Und abermals lag feierliches Schweigen über der Versammlung, als der Alte sprach:

»Ni-kun-tha, der Sohn Tana-ca-ris-sons, hat gesprochen wie ein Miami; seine Worte sind nicht nur in unsere Ohren, sondern auch in unsere Herzen gedrungen. Nicht von Tana-ca-ris-son haben die Miami sich abgewendet, sondern von den Inglis, von denen nichts Gutes zu uns kam, auch keine Hilfe, als wir in Not waren. Von den Inglis, die tatenlos zusahen, wie die Männer aus den Kanadas feste Häuser an unseren Flüssen errichteten. Da fragten die Miami: Wo sind unsere Freunde, die Inglis, mit denen Tana-ca-ris-son einen Bund schloß? Sie waren nicht da, wir sahen und hörten sie nicht. Die Männer aus den Kanadas kamen und brachten uns Waffen und Pulver und Decken, kupferne Kessel und Ketten und Ringe für die Weiber. Hier stehen zweitausend Krieger aller Miami-Stämme, gerufen von den kanadischen Vätern. Wir wußten nicht, daß Ni-kun-tha, der Sohn Tana-ca-ris-sons, bei den Inglis steht. Die Alten des Volkes werden das große Ratsfeuer entzünden und werden den Rat Nana-boschs, des Ewigen, herabflehen, sie zu erleuchten. Eines aber ist gewiß: Ni-kun-tha, der junge Häuptling vom Stamm der Piankeschaws, Tana-ca-ris-sons Sohn, wird nicht unter den Büchsen und Tomahawks der Miami sterben; kein Miami wird die Hand gegen ihn erheben. Er steht im Schutz seiner Sippe und seines Volkes.«

Brausende Rufe der Zustimmung erschallten ringsum. Der Alte fuhr fort: »Der Rat der Alten wird bedenken, was der junge Häuptling den Kriegern seines Volkes sagte, der bei so großer Jugend schon so große Taten vollbrachte. Die Miami sind stolz, ihn einen der Ihren zu nennen. Ni-kun-tha mag sein Herz in Geduld fassen. Er wird erfahren, was der Rat beschloß.«

Wieder kreiste das Kalumet, dann erhob sich der Jüngling. Mit der Hand auf dem Herzen grüßte er Sagamoren und Krieger. »Das Herz Ni-kun-thas ist bei seinem Volk!« rief er mit weithin schallender Stimme. »Manitu erleuchte die weisen Männer der Miami! Er schenke Sieg den Waffen ihrer Krieger!« Abermals verneigte er sich mit würdevoller Anmut und trat aus dem Halbkreis heraus. Als er die Lagergasse durchschritt, sah er sich von Kriegern seiner Sippe umringt: »Wir folgen dir, Ni-kun-tha!« scholl es ihm entgegen. »Führe uns, Sohn Tana-ca-ris-sons!«

Ein stolzes Lächeln umflog die dunklen Züge des jungen Häuptlings. »Die Miami sind ein Volk«, rief er den Kriegern zu, »sie werden tun, was der Rat der weisen Männer beschließt. Wenn Manitu will, werden wir heute noch Seite an Seite kämpfen!«

Schweigend öffnete sich eine Gasse, aufrecht und federnden Schrittes verließ der junge Häuptling das Lager auf den Hügeln und eilte hinunter ins Tal.

Auf seine Bitte wurde er sofort von Oberst Washington empfangen, der ihm ruhig entgegensah. »Was bringt der Häuptling?« fragte er kurz.

»Ni-kun-tha hat zu den Herzen seines Volkes gesprochen«, entgegnete der Jüngling. »Die Miami werden nicht gegen uns kämpfen. Alles weitere wird der Rat der Sagamoren beschließen.«

»Damit ist schon viel gewonnen«, versetzte Washington, »ich danke dir, Häuptling.«

Das befestigte Lager war bereit, den Gegner zu empfangen, von dem aber einstweilen noch nichts zu sehen war. Die Sonne sandte bereits ihre hellen Strahlen über die Ebene, über die schnell aufgeworfenen und mit Verhauen gesicherten Wälle, über die Hügel, auf denen die Miami lagerten und über die rundum schweigenden Wälder.

Daß General Dieskau mit der gesamten in seiner Hand vereinigten Macht angreifen würde, war nicht zu bezweifeln; klar war aber auch, daß er in diesem von Washington Necessity benannten Behelfsfort auf zum letzten entschlossene Gegner treffen würde. Bestand der Hauptteil der englischen Streitmacht doch nun aus Miliztruppen, aus Männern also, die im wilden Kampf der Grenze groß geworden waren. Und auch die Führung lag jetzt in anderen Händen als vorher. Oberst Washington war ein Mann, der Entschlußkraft und Kaltblütigkeit mit der harten Erfahrung verband, die er der Grenze und ihren ständigen Gefahren verdankte. Die Indianer: Shawano und Ni-kun-thas wenige Miami-Krieger lagen außerhalb der Umwallung in gedeckten Stellungen. Lord Richard, dem man aus der erstarrten Hand eines Milizoffiziers einen Säbel gegeben hatte, befand sich unter den Adjutanten des Kommandeurs, Bob und John in den Reihen der Virginier. Elias Burns weilte mit seiner Tochter und dem armen Ned inmitten der Befestigung.

Mary Burns hatte sich, Grenzertochter, die sie war, von den jüngst überstandenen Schrecken einigermaßen erholt; nur die wilden indianischen Laute, die dann und wann in den Wäldern hörbar wurden, ließen sie noch leicht zusammenzucken.

Während Oberst Washington in Begleitung einiger Milizoffiziere, unter denen sich auch der junge Lord befand, die Geschütze besichtigte, äußerte er mit Bedauern, daß es leider an erfahrenen Kanonieren fehle; die meisten Männer, die mit dem Geschütz umzugehen verstanden, seien in den voraufgegangenen Kämpfen gefallen oder schwer verwundet worden. Richard Waltham bemerkte darauf, mit einem Kanonier könne er aushelfen; sein Gefährte Bob Green, einer seiner Retter aus der Piratengefangenschaft, habe praktische Erfahrung im Umgang mit Geschützen. Der Kommandeur ließ den Bootsmann holen, hörte sich lächelnd eine etwas holprige Rede mit an und führte den Riesen persönlich an eines der wichtigsten Geschütze.

»Also, Bob Green«, sagte er, »versuch' mit dem Ding fertig zu werden. Wenn du kannst, schieß mir die französischen Kanonen damit zusammen.«

»Wollen sehen, was sich tun läßt, Colonel«, entgegnete Bob grinsend, »glaube schon, daß ich mich darauf verstehe. Hab's erst unlängst erproben müssen, als ein paar Brigantinen absolut über den See wollten. Hab's ihnen versalzen.«

Bob stand noch nicht lange hinter seiner Kanone, die er sorgfältig untersucht und dann schußfertig gemacht hatte, als aus der Ferne Gewehrfeuer hörbar wurde. Gleich darauf zeigten sich am Waldrand nach Osten zu kleine Rauchwölkchen, die nach und nach zunahmen und sich verdichteten.

Jetzt begannen auch die im Freien liegenden Shawano und Miami zu feuern. Dem Befehl gehorchend kamen sie bald darauf, in geduckten Sprüngen zurückgehend, auf die Befestigung zu. Und nun zeigten sich am Waldrand auch schon rechts und links die französischen Bataillone; dahinter sah man, daß die Geschütze in Stellung gebracht wurden.

Wie aus dem Boden gewachsen erhoben sich plötzlich aus dem hohen Gras lange Reihen wüst bemalter Indianer; schaurig gellte das langgezogene »Who-whoop!« durch die Ebene. Die Shawano und Miami, die unmittelbar vor den Schanzen im Grase lagen, feuerten eine gut gezielte Salve ab; als der Donner verhallt war und der Pulverdampf sich verzogen hatte, war keiner der feindlichen Indianer mehr zu sehen.

Auf einem Wagen stehend, beobachtete Oberst Washington mit dem Glas vor den Augen den Gang des Gefechtes. Dann und wann flog sein Blick zu den Hügeln hinüber, wo einer düsteren Wolke gleich die Scharen der Miami standen. Jetzt sah er, daß zwei französische Offiziere zu den Hügeln hinaufstiegen und zwischen den Indianern verschwanden.

Die Milizen hatten die Wälle besetzt, während die zwei schottischen Grenadierbataillone, die den wesentlichen Rest der regulären Armee bildeten, Gewehr bei Fuß inmitten der Umwallung standen, ihres Einsatzbefehls harrend.

Den Irokesen und Huronen hatten sich mittlerweile auseinandergezogene Schwärme französischer Flankeurs zugesellt. Vor und zurück wogten die Wellen; die Shawano und Miami hielten sich gut und verteidigten hartnäckig jeden Fußbreit Boden.

Jetzt vermochte man auf einem etwas abseits gelegenen Hügel auch den feindlichen General mit seinem Stab zu erblicken; gleichzeitig sah man, wie sich in der Frontlinie und an beiden Flanken starke französische Sturmkolonnen formierten. In den Verteidigungswerken herrschte Totenstille.

Neben Bob, der, seinen Zeitpunkt erwartend, hinter seinem Geschütz stand, die Lunte griffbereit, trat jetzt der schwachsinnige Ned.

»Scher dich fort!« knurrte der Bootsmann. »Werden hier gleich alle Hände voll zu tun kriegen.«

»Ned bei Bob«, versetzte der Irre. »Ned Bob helfen.«

»Hock dich meinetwegen hin und halt dich ruhig«, brummte Bob.

Ned setzte sich schweigend.

Die französische Artillerie war inzwischen weiter nach vorn gebracht worden; man konnte sehen, daß die Kanoniere dabei waren, die Geschütze schußfertig zu machen.

Washington, dessen Befehlswagen in der Nähe stand, rief herüber: »Was hast du geladen, Bob Green?«

»Vollkugel, Colonel.«

»Gut. Glaubst du, eines der feindlichen Geschütze erreichen zu können?«

»Denke, es müßte gerade gehen«, versetzte Bob.

»Also versuch's!«

Mit großer Sorgfalt richtete der Bootsmann das Rohr, hielt dann die Lunte an das Zündloch und trat einen Schritt zurück. Donnernd löste sich der Schuß, eine starke Rauchwolke entwickelnd.

Ned sprang auf, lief umher, als hätte er den Veitstanz und brüllte: »Hurra! Hurra für Bob! Bob schafft's!«

»Ist mein Bruder, Sir, ein bißchen schwach im Kopf«, rief Bob Green zu dem Befehlswagen hinauf, als er Washingtons erstaunten Blick bemerkte, »war von den Irokesen verschleppt.«

Aber Washington hatte sich schon wieder abgewandt. Der Dampf verzog sich, und es zeigte sich, daß eines der französischen Geschütze getroffen und außer Gefecht gesetzt worden war.

»Gut gemacht, Bob Green«, rief Washington, »mach weiter so. Die Kolonien werden's dir danken.«

»Werd' mein Bestes tun, Colonel.«

»Hast du Granaten?«

»Jawohl, Colonel.«

»Gebrauche sie, wenn es an der Zeit ist.«

»Befehl, Colonel.«

Bob mühte sich mit Hilfe zweier ihm zugeteilter Leute, das Geschütz wieder in Stellung zu bringen. Ned sprang herbei und griff mit in die Speichen, und es zeigte sich, daß der Irre über erstaunliche Kräfte verfügte. »Na, ist ja ganz schön, dann bleib man hier und fass ein bißchen mit an«, brummte Bob.

Das weit aufgelöste Gefecht kam immer näher; die Feinde verstärkten fortgesetzt ihre Reihen, und es war abzusehen, daß die Shawano mit der kleinen Miamischar sich nicht mehr lange würden halten können. Jetzt ließen sich auch die französischen Geschütze vernehmen, aber sie schienen nicht sonderlich gut gerichtet, denn ihre Kugeln richteten keinerlei Unheil an. Die englischen Kanonen antworteten, erzielten aber auch keine sichtbaren Erfolge.

Bob war eben im Begriff, eine Vollkugel einzuschieben, als er zur Linken eine starke Indianerschar aus dem Wald hervorbrechen sah, die dem im freien Feld kämpfenden Ni-kun-tha in die Flanke zu fallen drohte. Eilig vertauschte Bob die Kugel mit einer Granate, änderte mit Neds Hilfe die Richtung des Geschützes und löste den Schuß.

Er war ebenso gut gezielt wie der erste; als der Pulverdampf sich verzogen hatte, sah man die Rothäute in überstürzter Hast fliehen; an Eisengrüße dieser Art mochten sie nicht gewöhnt sein.

»Viechskerle!« knurrte Bob zufrieden, »laßt mir ja den Falken in Ruhe, den einzigen Burschen eurer Farbe, der keine Mordbestie ist!«

Aber nun kamen Shawano und Miami zurückgewogt; der Druck des anrückenden Feindes war zu stark; die französischen Sturmkolonnen näherten sich beängstigend, allen voran die Sappeurs, auf beiden Seiten von Indianern gedeckt; am Waldrand formierten sich bereits neue Bataillone.

Ni-kun-tha, der nach der Verwundung der führenden Shawano-Häuptlinge draußen allein befehligte, verstand es, seine Schützenlinie immer von neuem zu formieren; Salve um Salve schlug den Angreifern entgegen. Das scharlachrote Band in seinem Haar leuchtete weithin, und immer wieder flog sein Blick wie in stummer Frage zu den Hügeln hinauf, wo die Seinen nach wie vor abwartend verharrten.

Dumpfer Trommelschlag begleitete den Marschtritt der anrückenden Bataillone. Die Grenadiere standen, zu Verteidigung und Ausfall bereit, auf den Wällen. Die englischen Granaten rissen große Lücken in die Reihen der Anstürmenden, aber immer wieder schlossen sich die Reihen. Und noch immer hatten die Milizen auf den Wällen keinen Feuerbefehl. Und nun war es soweit: der indianische Widerstand vor den Wällen brach endgültig zusammen, Ni-kun-tha hatte nur noch die Wahl, seine Krieger niederwalzen zu lassen oder sich hinter die Verhaue zurückzuziehen. Er tat das letztere. Katzengleich kletterten die Shawano und Miami über die Barrikaden, im Inneren des Forts ihre Büchsen wieder ladend. Und die Sturmwelle brandete heran.

Washington, auf seinem Wagen ungedeckt stehend, hob die Hand mit dem blitzenden Degen. Donnernd entluden sich die Büchsen der Grenzer auf den Wällen, riesige Dampfwolken erzeugend. Die Wolken verzogen sich, und ein furchtbarer Anblick bot sich den Verteidigern: Zu Hunderten wälzten die Angreifer sich in ihrem Blut; jeder einzelne Schuß dieser Salve hatte sein Opfer gefunden. Während die Schützen ihre Büchsen neu luden, traten andere an ihre Stelle.

Der Kommandeur der Schotten, ein Major, näherte sich Washington: »Lassen Sie mich raus, Colonel, ich will einen Bajonettausfall machen.«

»Gut, Major! Raus mit Ihren Schotten! Der Augenblick ist günstig«, entgegnete der Oberst. Und Ni-kun-tha zuwinkend:

»Deck ihnen die Flanke, Häuptling!« Ni-kun-tha rief seinen Kriegern zu, die sich schnell formierten. Von den geschlossenen Formationen der Schotten gefolgt, brach er mit ihnen durch das Tor, das sich hinter ihnen sofort wieder schloß.

Bob, schwarz vom Pulverdampf, arbeitete wie ein Urweltriese an seiner Kanone. Sein Bruder, der schnell begriffen hatte, was von ihm verlangt wurde, half ihm getreulich. Immer noch sprang er nach jedem Schuß in die Luft, sein gellendes »Hurra! Hurra, Bob!« herausbrüllend.

Schon stöhnten Verwundete hinter den Wällen, auch Tote gab es bereits, aber wo einem Manne der Mut sank, genügte ein Blick auf den unbeweglich auf dem Wagen Stehenden und die Operationen leitenden Milizoberst, um ihn wieder anzufeuern.

Zwei der französischen Sturmkolonnen waren in ein Feuergefecht mit den Verteidigern auf den Wällen verwickelt; sie kämpften hinhaltend, die hinter ihnen heranrückende Verstärkung abwartend, um den Sturm von neuem zu beginnen. Die Schotten gingen draußen mit dem Bajonett vor; zu ihrer Rechten jagte Ni-kun-tha mit seinen Kriegern die feindlichen Indianer. Die Schotten waren eben in ein erbittertes Handgemenge mit französischen Linientruppen verwickelt, als wie aus der Erde gewachsen eine starke Schar Seneca vor Ni-kun-tha auftauchte, von zwei französischen Bataillonen gefolgt. Diese so unvermutet eingreifenden Feinde waren im Schutz des Pulverdampfes durch eine Talsenke unbemerkt herangekommen. Mit wildem »Who-whoop!« drangen die Seneca auf die Shawano ein, allen voran ein riesenhafter Häuptling. Gellend ließ Ni-kun-tha den Schlachtruf der Miami erschallen; das rote Band leuchtete in seinem schwarzen Haar; dem Panther gleich sprang er den riesigen Seneca mit geschwungenem Tomahawk an. Bevor jener die Streitaxt noch zu erheben vermochte, begrub sich Ni-kun-thas blitzende Waffe tief in seiner Brust; er brach wie ein Klotz zusammen.

Ein furchtbares Getümmel folgte. Die Roten kämpften gegeneinander mit Messer und Beil. Die tapferen Schotten standen wie in den Boden gerammt und gebrauchten die langen Bajonette mit tödlicher Sicherheit, aber es war abzusehen, wie lange sie noch so zu halten vermochten. Sie standen einer fünf- bis sechsfachen Übermacht gegenüber. Von den Wällen donnerten die Kanonen, krachten immer wieder die rollenden Büchsensalven, denn, die wie auf einer Insel kämpfenden Schotten umgehend, drangen die französischen Sturmkolonnen wieder von beiden Seiten gegen die Verschanzungen vor. Schon erstiegen einzelne Franzosen an der Seite, wo Bobs Geschütz stand, den Wall.

Der Riese ergriff einen schweren Ladestock und schwang ihn, als sei er eine Weidengerte. An seiner Seite wirbelte Ned, gellende Schreie ausstoßend, die dem Schlachtruf der Oneida gleichen mochten, den Büchsenkolben um den Kopf; es gelang keinem Franzosen, den Wall zu ersteigen.

Ni-kun-tha verrichtete Wunder an Tapferkeit. Er war zweimal verwundet worden, er schien es nicht einmal zu bemerken, und auch seine Shawano und Miami hielten sich eisern. Immer noch standen die Schotten wie ein Fels in der Brandung. Auf dem Wall stand jetzt Washington, unbeirrt und kaltblütig die Schützen ermahnend, ruhig zu laden und zu schießen.

Plötzlich aber brach der erbitterte Widerstand zusammen; unter der furchtbaren Wucht der immer von neuem vorgetragenen französischen Angriffe begannen sie zu weichen, und auch Ni-kun-thas Indianer wandten sich jetzt zur Flucht. Da immer neue französische Bataillone am Waldrand auftauchten, war es klar, daß sich auch die Verteidiger hinter den Wällen nicht mehr würden halten können; die Schlacht schien verloren.

Da, jäh und unvermittelt, wurde von den Hügeln her tausendfältiges Kampfgeschrei vernehmbar. Donnernd schallte der wilde Schlachtruf der Miami über das Feld. Gleich einem unaufhaltsamen Bergstrom ergossen sich zweitausend büchsenbewaffnete Krieger in das Tal, den Franzosen in die Flanke fallend. Salve um Salve, mit unheimlicher Sicherheit abgefeuert, fällt; zu Hunderten stürzen die Angreifer zusammen; Verwirrung kommt in ihre Reihen. Im Augenblick fassen die Schotten neuen Mut, wenden und rücken abermals mit gefälltem Bajonett vor. In der Rücken der Huronen und Irokesen fällt Ni-kun-tha mit den Kriegern der Piankeschaws; unaufhaltsam ist der Sturm, heulend wenden die bisherigen Angreifer sich zur Flucht.

»Langsam laden, ruhig schießen!« ruft Oberst Washington, hochaufgerichtet auf dem Wall stehend, »an die Geschütze, Kanoniere! Granaten ins Rohr!«

Die Geschütze entluden sich, und die Granaten schleuderten Tod und Verderben in die Reihen der Franzosen, die sich immer noch verzweifelt mühten, wenigstens die Position auf dem Felde zu halten.

Die Lage überblickend, ließ Washington zwei Bataillone Miliz zum Angriff rüsten. Sein Pferd besteigend, führte er sie selbst hinaus in das Feuer. »Die Chance nützen, Männer!« rief er, »vernichten wir sie jetzt nicht, müssen wir abermals kämpfen!«

Aber es erwies sich bald, daß der Feind, der so plötzlich vom Angriff in die Verteidigung gedrängt worden war, nur noch an einigen Stellen schwachen Widerstand leistete; seine roten Verbündeten hatten das Feld bereits fluchtartig geräumt.

Jetzt fiel, von einer gut gezielten Kugel getroffen, auch der tapfere General Dieskau, und das entschied und beendete die Schlacht; es war nun kein Halten mehr. In wilder Flucht stob alles in die Wälder, um hier den mit Messer und Tomahawk kämpfenden Miami in die Hände zu fallen.

In einem Gehölz am Rande des Waldes erblickte Sir Richard, der an der Seite von John Burns mit den Milizen vorrückte, ein Häuflein Franzosen, das sich in geschlossener Ordnung vor den angreifenden Miami zurückzog. Er erkannte den Leutnant de Brissac unter ihnen. »John«, rief er, »wir müssen den Leutnant retten. Er hat Euren Vater und mich vor einem grausamen Schicksal bewahrt.«

John, sich wie hilfesuchend umblickend, sah Ni-kun-tha an der Spitze einer kleinen Kriegerschar und rief ihn an: »Die Franzosen dort, Falke – wir müssen sie retten, halt' deine Leute zurück. Sie haben meinen Vater vor den Huronen geschützt.«

Während der Häuptling seine Krieger in eine andere Richtung dirigierte, drang Richard Waltham bis zu der Gruppe Franzosen vor. »Leutnant de Brissac«, rief er, mit dem Degen winkend, »ergeben Sie sich. Weiterer Widerstand ist sinnlos.«

Einen Augenblick stutzte der Leutnant, dessen pulvergeschwärztes Gesicht kaum zu erkennen war, dann mochte er die Stimme erkennen; mit einer kraftlosen Bewegung ließ er den Degen sinken und forderte seine Männer auf, die Waffen niederzulegen. Richard Waltham schloß den Erschütterten in die Arme. »Jetzt sind Sie mein Gefangener, Marquis«, sagte er, »nun will ich Ihnen vergelten, was Sie mir taten.« Mit einem bitteren Lächeln bot Brissac ihm seinen Degen, aber der Lord nahm ihn nicht. »Kommen Sie«, sagte er, »ich werde Sie dem Kommandeur vorstellen.«

Eine Stunde später war alles vorbei. Oberst Washington ließ die Bataillone der Regulären und seine Milizen vor der Befestigung antreten und dann Ni-kun-tha mit seinen Kriegern herbeirufen. Dem gelang es, an die fünfhundert der Seinen zu sammeln; die anderen streiften noch in den Wäldern. Vor den angetretenen Offizieren und Männern ging der Oberst auf den jungen Häuptling zu, reichte ihm die Hand und sagte mit weithin vernehmbarer Stimme:

»König der Miami! Laß dich so anreden, denn du hast dich heut als ein König erwiesen. Du und dein Volk, ihr habt heute die Kolonien vor dem Verderben gerettet. Ich danke dir und danke allen deinen Kriegern. Die Kolonien und der Große Vater jenseits des Wassers werden euch diesen Tag nie vergessen.«

Mit einem stolzen Lächeln entgegnete der Jüngling: »Vielleicht kommt der Tag, Feuerauge, wo das Volk der Miami dich an dieses Wort erinnern wird. Ni-kun-tha hat das getan, was sein Vater ihn lehrte. Es wird seine Aufgabe sein, den Bund der Miamistämme neu zu einen und zu befestigen. Der Miami ist treu. Er erwartet Treue um Treue!«

Der brausende Schlachtruf der Indianer mischte sich mit dem schallenden »Hurra!« der Soldaten und Milizen. An Washingtons Seite betrat Ni-kun-tha das Fort.

Als die Freunde später drinnen zusammen saßen, der alte Farmer zwischen seinen Kindern, der starke Bob und sein Bruder Ned, John Burns, der junge englische Pair und der junge Kriegshäuptling der Miami, sagte Richard Waltham: »Die Macht der Franzosen dürfte mit diesem Tage für immer gebrochen sein. Wie Oberst Washington mir sagte, sind fünfzehntausend Reguläre und Milizen nach dem Ontario unterwegs; also wird auch dort bald die Entscheidung fallen, und der Friede wird wieder einkehren.«

»Du hast mit deinem Volk heut die Schlacht entschieden«, sagte John Burns zu Ni-kun-tha gewandt; »das werden dir die Kolonien nie vergessen.«

»So hoffen«, entgegnete trocken der Häuptling. »Feuerauge sagen: Ni-kun-tha König der Miami! Gut! Ni-kun-tha wird sein Volk einigen, er wird es stark machen. Und er wird zu seinem Wort stehen.«

Der Abend brach herein, und Ni-kun-tha ging zu seinen Kriegern hinaus, die vor den Wällen lagerten. Die Feuer durchflammten die Nacht; sie wetteiferten mit den Sternen.


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