Franz Treller
Der König der Miami
Franz Treller

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In der Hand der Huronen

Burns, Richard Waltham und Bob warteten mit dem Mann, der sich Way-te-ta nannte, vor dem Eingang der Höhle auf die Rückkehr der jungen Leute. Die Zeit verstrich, Stunden vergingen, und nichts rührte sich. Der Männer bemächtigte sich allmählich heftige Unruhe, die sich von Stunde zu Stunde steigerte. Vor allem Burns wurde von furchtbarer Sorge gequält. Bob suchte ihn zu trösten. »Der Falke ist ein geriebener Bursche«, sagte er, »und er ist ebenso tapfer wie klug. Sie werden schon wiederkommen. Wahrscheinlich sind sie irgendwo auf Irokesenspuren gestoßen und müssen einen weiten Umweg machen, um zurückzukommen. Ängstigt Euch nicht, sie werden nicht mehr lange auf sich warten lassen.«

Doch die Stunden verrannen, und die Vermißten kamen nicht. Dem alten Burns sträubten sich bei dem Gedanken, John möchte in die Hände der Roten gefallen sein, die Haare auf dem Kopf.

»Möcht Euch gerne helfen, Mr. Burns«, sagte Richard Waltham, »wüßt' ich mich nur besser im Wald zu bewegen.«

»Bleibt um Gotteswillen hier«, sagte der Alte. »Wir wenigstens dürfen uns jetzt nicht mehr trennen.«

Stunden der Unruhe und der Sorge vergingen, auch Bob wurde allgemach mißtrauisch. Der Irre, der während der meisten Zeit geschlafen hatte, erwachte eben und sah sich mit seinen scheuen Blicken um. »Wo Junge Tanne? Wo Cayugahäuptling?« fragte er.

»Wollte, weiß Gott, wir wüßten's«, knurrte Bob, »lange genug sind sie weg.«

Der blonde Fremde mit dem seltsamen Wesen sah den bärenstarken Riesen, der ihm von jeher zu gefallen schien, aufmerksam an. »Warum ist Bob traurig?« fragte er. Er lauschte dem Klang des Namens nach, den er eben ausgesprochen hatte. »Bob?« kicherte er, »Bob?« Er schüttelte den Kopf.

»Grund genug, traurig zu sein«, knurrte der Bootsmann. »Ni-kun-tha und John sind in die Hände der Feinde gefallen.«

Die Augen des Irren verdunkelten sich; ein Schimmer von Vernunft schien darin aufzuglimmen. Er sagte: »Warum gehst du nicht auf ihrer Spur und befreist sie? Oneidakrieger so tun.«

»Spur!« keuchte Bob, »da könnte ich wahrscheinlich lange suchen. Ich bin kein Indianer.«

»Way-te-ta Oneidakrieger!« versetzte der Mann. »Er wird Spur verfolgen und Junge Tanne finden. Nicht traurig sein, Bob.« Wieder war es, als horche er dem Klang des Namens nach, der irgendetwas in ihm zu wecken schien. »Bob?« wiederholte er abermals in fragendem Tonfall, »Bob, Bob?« Er schüttelte den Kopf, erhob sich und griff nach Bogen und Pfeilen, die neben ihm lagen. Danach ging er wiegenden Schrittes in den Wald.

Bob wollte ihn erst zurückholen, und auch die anderen riefen hinter ihm her. Aber der Mann winkte nur mit der Hand und rief über die Schulter zurück: »Way-te-ta gleich wiederkommen.« Mit diesen Worten verschwand er zwischen den Büschen.

Der sonderbare Mann schien in der Tat über die geschärften Sinne einer Rothaut zu verfügen; jedenfalls währte es nicht lange, da hatte er Johns Fußstapfen entdeckt, und zwar an einer Stelle, wo jener in einen kleinen Bach hinabgestiegen war.

Während er sich niederbeugte, um die kaum noch erkennbare Fährte zu untersuchen, die nur dem schärfsten Indianerauge sichtbar war, trat aus den Büschen gegenüber ein Indianer hervor. Der Mann, ein Hurone, hatte Way-te-tas Tun schon seit längerer Zeit beobachtet, er kam jetzt auf ihn zu.

Der vernahm einen leichten Schritt hinter sich und fuhr herum. Der Hurone lächelte, grüßte mit der Hand und fragte in der Sprache seines Volkes: »Was sucht mein Bruder?«

In den Augen des Irren flackerte es. Er fragte unsicher: »Wer bist du?« Die Worte des Indianers hatte er wohl nicht verstanden; er sprach selbst englisch.

Der Indianer mochte sich die sonderbare Gestalt des blonden Mannes nicht recht zu deuten wissen; er antwortete jetzt in gebrochenem Englisch: »Mein Freund ist ein Yengeese?«

»Way-te-ta ist kein verdammter Yengeese, Way-te-ta ist ein Oneidakrieger«, versetzte der Irre.

»Oh, Way-te-ta – Oneidakrieger! Gut! Mein Bruder ist auf der Spur eines Feindes?«

»Auf der Spur von Freunden«, versetzte der andere. »Hast du sie nicht gesehen: Ni-kun-tha, den Cayagu und die Junge Tanne? Sie gingen heut morgen fort und kamen nicht zurück.«

Der Indianer horchte auf. Und das nicht ohne Grund. Gehörte er doch zu jener Huronenschar, zu welcher Edmund Hotham zunächst gegangen war. Von den Huronen waren die befreundeten Seneca benachrichtigt worden, und da der Marschweg der Seneca das Gebiet früher berührte, das die Flüchtlinge von der Sloop notwendig passieren mußten, war Hotham an den Senecahäuptling O-kon-tha verwiesen worden. Der Hurone, dessen Trupp inzwischen Tuchfühlung mit den Seneca hatte, wußte, daß diese am Morgen dieses Tages den Miamihäuptling und einen jungen Weißen gefangen hatten. Nur diese beiden konnten das sonderbare Blaßgesicht, das sich für einen Oneidakrieger ausgab, meinen.

Der Irre, in dem unklare Vorstellungen mit realen Eindrücken der jüngsten Vergangenheit durcheinanderliefen, sagte: »Starker Bob jetzt sehr traurig.« Sein Gesicht wurde wieder leer. »Bob?« sagte er, »Bob?« Ein unheimliches Lächeln verzerrte sein Gesicht; plötzlich begann er zu kichern, und er krähte: »Way-te-ta weiß jetzt, oh, Way-te-ta weiß: Ned! Bob! Ned! Bob und Ned!« Er fuchtelte mit den Armen; seine Augen glänzten wie im Fieber.

Der aufmerksam lauschende und ihn unausgesetzt beobachtende Hurone begriff, daß mit dem Blaßgesicht nicht alles in Ordnung, daß sein Verstand verwirrt war. Er sagte in achtungsvollem Ton, einen Schritt zurücktretend: »Ich habe die Junge Tanne gesehen. Auch den roten Häuptling.«

»He?« grinste Way-te-ta, »gesehen? Wo sind sie?«

»Sie haben mich ausgesandt, ihren Freunden zu sagen, daß sie erst am Abend zurückkehren.«

»Gut! Gut!« Der Irre begann kichernd herumzuhüpfen. »Wird den starken Bob freuen. Bob? Bob?« Er starrte den Indianer an. »Bob und Ned«, murmelte er, »Bob und Ned.«

»Will mich mein Bruder zum Lager seiner Freunde geleiten, daß ich die Nachricht ausrichten kann?« sagte der Indianer.

»Komm! Sehr gut! Komm!« antwortete Way-te-ta, »werden sich sehr freuen allesamt: Goldhaar, Bob und der alte Mann!«

»So gehe mein Bruder voran!«

Way-te-ta schlug den Weg zum Lager ein; der Hurone blieb ihm dicht an der Seite. Er hatte vorher ein Zeichen mit der Hand nach den Büschen im Hintergrund gegeben und wußte, daß seine Krieger ihm unhörbar folgten.

Als sie auf etwa zweihundert Schritt dem Lager nahegekommen waren, wurden die Felsen erkennbar, in deren Schutz die Gefährten verweilten.

»Dort am Quell, vor der Höhle!« Way-te-ta wies mit der Hand, und der Hurone nickte. Ein leiser Ruf brachte zwanzig bis an die Zähne bewaffnete Krieger an seine Seite. Er wußte, daß er dem Rest der kleinen Gesellschaft auf der Spur war, an deren Vernichtung dem jungen freigebigen Yengeese soviel gelegen war.

Way-te-ta schien verblüfft und beunruhigt, als er die vielen Indianer so unvermutet neben sich auftauchen sah.

»Alles Freunde!« beruhigte ihn sein Begleiter. Er gab einige halblaute Befehle, worauf die Krieger sich nach allen Seiten verstreuten, den Lagerplatz vor der Höhle in einem Halbkreis umstellend. An ein Entrinnen der auf solche Weise Eingeschlossenen war nicht mehr zu denken.

Der Hurone ging mit dem blondhaarigen Blaßgesicht auf den Höhleneingang zu. Etwa hundert Schritte davor blieb er stehen und trat hinter einen Baum. »Mein Bruder gehe jetzt zu seinen Freunden und sage ihnen, An-da-wa, der Hurone, stehe mit zwanzig Kriegern hier. Er komme als Freund und wolle die weißen Männer zur Jungen Tanne führen. Hat mein Bruder verstanden?«

»Way-te-ta hat verstanden«, sagte der Irre und schritt auf den Höhleneingang zu, vor dem Burns unruhig auf und ab ging, während die beiden anderen hinter ihm an der Erde hockten. Der alte Farmer sah kaum auf, als er den Kranken erblickte, indessen trat der dicht vor ihn hin und sagte: »Ein Hurone mit zwanzig Kriegern ist da. Er bringt Nachricht von der Jungen Tanne.«

Bob und Richard Waltham sprangen bei diesen Worten auf, und Burns stieß unwillkürlich einen Schrei aus. Alle drei starrten den Wahnsinnigen an.

»Was sagst du da?« keuchte Burns.

»Hurone steht dort hinter dem Baum«; Way-te-ta wies mit der Hand hinter sich. »Die anderen sind da überall.« Er beschrieb einen Halbkreis. »Way-te-ta traf sie im Walde und brachte sie hierher. Sie wollen Euch zu Ni-kun-tha und der Jungen Tanne führen.«

Alle drei atmeten schwer und starrten verständnislos auf den vor ihnen stehenden Mann. Sprach er die Wahrheit oder redete er irre?

»Großer Gott, was ist das? Was sagst du da?« flüsterte Burns, dessen Gesicht fahl geworden war.

»Geh nur hin«, versetzte der Irre, »der Hurone will dich sprechen.«

Während sie, von der Nachricht überwältigt, nicht wußten, was sie tun sollten, ertönte vom Baum her die Stimme des Huronen:

»Will einer der weißen Männer mit mir reden? Es ist nutzlos, zu kämpfen.«

Der alte Farmer stieß einen keuchenden Laut aus und griff unwillkürlich nach der hinter ihm an der Felswand lehnenden Büchse. Richard Waltham war, hinter einen der Bäume an der Quelle tretend, schon dabei, sein Gewehr zu spannen. Bob, urplötzlich zur Erkenntnis der Lage gekommen, stieß einen grimmigen Fluch aus.

Aber Burns hatte sich nun gefaßt. Er gebot den anderen, sich ruhig zu verhalten, und sagte mit leiser Stimme: »Ich will mit ihm reden. Ich fürchte, John befindet sich in der Hand der Wilden.« Er ließ die Büchse stehen und trat waffenlos ein paar Schritte vor. »Hier stehe ich, Hurone«, sagte er. »Komm hervor und sage, was du zu sagen hast.«

Der Indianer trat augenblicklich hinter dem Baum hervor, lehnte die Büchse gegen den Stamm und kam waffenlos näher.

»Was willst du, Indianer?« fragte Elias Burns.

»Die Häuptlinge wollen die weißen Männer an ihrem Lagerfeuer sehen«, entgegnete der Hurone. »Ich bin ausgesandt, sie zu holen.«

»Sage mir zuvor eines, Indianer«, stieß der Farmer heraus, »aber bei dem großen Geist, an den du glaubst, sprich die Wahrheit: Wo ist mein Sohn, der junge Weiße, den der Unglückliche da Junge Tanne nannte?«

»Die Junge Tanne und der Miamihäuptling befinden sich im Lager der Seneca«, antwortete der Indianer ruhig, »die Seneca sind den Huronen befreundet und mit ihnen auf dem Kriegspfad.«

»Oh, mein Gott!« stöhnte Burns leise; er zitterte unwillkürlich.

»An-da-wa folgte ihren Spuren vom Irokesenlager rückwärts bis hierher«, fuhr der Hurone fort. »Wenn die weißen Männer mit uns gehen, werden sie ihre Freunde sehen. Huronen und Irokesen lagern nicht weit auseinander.«

»Was geschieht, wenn wir freiwillig folgen?« fragte Burns, der allmählich mit wachsender Kaltblütigkeit auch seine Haltung zurückgewann.

»Die Häuptlinge werden es sagen.«

»Und wenn wir uns weigern?«

»An-da-wa verfügt über zwanzig Krieger. Ihre Büchsen sind geladen. An-da-wa wird die Skalpe der Blaßgesichter ins Lager bringen; sein Auftrag wird auch so erfüllt sein.«

»Hölle und Teufel!« knurrte der hinter Burns stehende Bootsmann. »Das ist offenbar eine verfluchte Geschichte. Hört zu, Master«, raunte er dann, »bin trotzdem fürs Kämpfen. Liefern wir uns den Bluthunden aus, werden sie uns ohnehin abschlachten. Man hat Beispiele. Möchte meine Haut nicht leichtfertig zu Markt tragen und schlimmstenfalls noch ein paar rote Halunken mit ins Jenseits nehmen.«

Der Irre, der in offenbarer Ratlosigkeit bisher schweigend zugehört hatte, sagte jetzt, zu Burns gewandt: »Warum wollen die weißen Männer nicht mit den Huronen zur Jungen Tanne gehen? Die Huronen sind Freunde der Oneida.«

»Treffliche Freunde, weiß Gott, die du uns da auf den Hals gehetzt hast!« keuchte Bob.

Burns wandte sich um. In seinem kalkweißen Greisengesicht flammten die Augen dunkel. »Gibt der Mann uns die Versicherung, uns als Gefangene in sein Lager zu führen, so werde ich mitgehen«, sagte er. »Ich will meinen Jungen nicht im Stich lassen und schlimmstenfalls sein Schicksal teilen.«

»Hol's der Teufel!« schimpfte Bob. »Aber wenn Ihr geht, geh ich natürlich auch. Oder hattet Ihr Euch eingebildet, ich ließe Euch allein? Wäre mir aber verdammt lieber, mit der Büchse in der Hand zu fallen, muß ich Euch sagen.«

Der junge Waltham schaltete sich ein. »Was immer wir tun, wir müssen gemeinsam handeln und zusammenbleiben«, sagte er mit heiserer Stimme. »Ist Mr. Burns entschlossen, sich gefangen zu geben, teile auch ich sein Los.«

Der Farmer rief zu dem Huronen hinüber: »Gibt der rote Mann sein Wort, uns unbehelligt zum Lager seiner Krieger zu geleiten, wenn wir waffenlos kommen?«

»An-da-wa gibt sein Wort und schwört es bei Manitu«, sagte der Indianer, die Hand aufs Herz legend. »Er hat Auftrag, die Blaßgesichter nur zu bekämpfen, wenn sie Widerstand leisten.«

»Laß mich erst mal deine zwanzig Krieger sehen, mein Junge«, schrie Bob, »damit ich mich ohne Schande ergeben kann.« Und leise zu den Gefährten gewandt: »Am Ende hat er nur ein halbes Dutzend Strolche bei sich. Das wär' dann eine andere Sache. Mit denen wollten wir schon fertig werden.«

Der Hurone stieß einen scharfen Pfiff aus und bewegte die rechte Hand kreisend über dem Kopf. Seine sämtlichen Begleiter traten links und rechts aus den Büschen heraus. Als Bob die Zahl der grell bemalten Kerle überblickt hatte, schrie er: »Hol euch alle der Satan, rothäutige Schufte! – Nichts zu machen, Master. Sie hungern uns aus, wenn sie uns nicht vorher die Kehle abschneiden.« Und er warf seine Büchse weg, ihr einen greulichen Fluch nachsendend.

»Gebt ihm Bescheid, Mr. Burns«, sagte Waltham, »Widerstand ist offensichtlich sinnlos.« Auch er legte die Büchse nieder und folgte mit Bob Green dem stumm voranschreitenden Farmer.

Die Huronen schlossen, von allen Seiten herankommend, einen Kreis um die Gefangenen, einige von ihnen sammelten die herumliegenden Büchsen, Kugelbeutel und Pulverhörner auf. Andere zogen den Wehrlosen die Messer aus den Gürteln.

»Es ist gut«, erklärte der Häuptling, »die Blaßgesichter werden sicher zu den Ratsfeuern der Huronen geleitet werden; An-da-wa bürgt, daß ihnen auf dem Weg kein Leid geschieht.« Er starrte den riesenhaften Bootsmann an, und seine Augen vergrößerten sich.

»Ja, glotze nur!« knurrte Bob Green. »Legt nur eure Waffen ab, dann wollen wir mal sehen, was passiert. Ich will mein Leben lang Ontariowasser saufen, wenn ich nicht mit dem ganzen Gezücht fertig werde!«

Der Häuptling rief zweien seiner Krieger eine kurze Bemerkung zu. Die Angerufenen kamen heran und schickten sich an, dem Bootsmann die Hände auf dem Rücken zusammenzubinden. Bob, wütend wie ein gereizter Stier, stieß sie mit einer einzigen Bewegung seiner Schultern beiseite, daß sie torkelten und stürzten. Im Augenblick wurden Büchsen gehoben und Messer gezückt, und hätte ein gellender Ruf des Häuptlings nicht Ruhe geboten, wäre es um Bobs Leben vermutlich geschehen gewesen.

Auf einen zweiten Wink An-da-was stürzten sich sechs bis acht rote Krieger auf den ergrimmten Schiffer, und es begann ein gewaltiges Ringen. Die Indianer hatten offensichtlich Befehl, keine Waffen zu gebrauchen, sondern nur ihre Muskelkraft einzusetzen. Bob wehrte sich wie ein grollender Bär, den die Meute anfällt, aber obgleich er mehrmals die Angreifer abschüttelte und zu Boden warf, mußte er der Übermacht schließlich erliegen. Unter einem Dutzend Huronen brach er zusammen und mußte knirschend dulden, daß ihm die Hände auf dem Rücken gefesselt wurden. Obgleich er übel genug mit ihnen umgesprungen war, warfen die Roten bewundernde Blicke auf den Riesen; seine gewaltige Körperkraft hatte ihnen augenscheinlich Eindruck gemacht.

Der Häuptling lächelte. »Mein weißer Bruder ist sehr stark«, sagte er. »Es war geboten, ihn zu binden.«

»Geh zum Henker, du Strolch!« tobte Bob Green, der noch immer schwer atmend am Boden lag. »Das ist gegen alles Völkerrecht. Nun, ich werd's euch schon noch eintränken, verlaßt euch darauf!«

Zum großen Erstaunen der Indianer trat jetzt Way-te-ta mit wild flackernden Augen auf An-da-wa zu und schrie mit schriller Stimme: »Warum bindet ihr Bob? Bist du ein schleichender Shawano, daß du dich an einem Freunde vergreifst? Sofort binde ihn los, oder ich sage es Schu-wa-na, dem Häuptling, der dich strafen wird.«

Höflich, unbewegten Gesichts entgegnete der Hurone: »Mein Bruder möge seinen Zorn begraben. Der Bär der Wälder ist sehr stark; seine Pranke könnte leicht meine jungen Leute verletzen, wenn er gereizt ist. Sie würden dann vielleicht zum Messer greifen, und das will ich nicht.«

»Du hast gesagt, du seiest unser Freund, darum hat Way-te-ta dich hierhergeführt«, fuhr der Irre hartnäckig fort, »Way-te-ta sieht nun, daß du ein Feind bist.«

»Way-te-ta wird bald erkennen, daß An-da-wa sein und aller Oneida Freund ist«, versetzte der Indianer unentwegt höflich; »er ist auch der Freund des starken Mannes, dem nichts geschehen wird.« Er wandte sich ab, gewillt, dem Gespräch ein Ende zu machen.

Die Huronen hatten sich sämtliche Waffen der Weißen angeeignet, indessen war es dem Irren gelungen, heimlich ein Messer unter dem Hemd zu verbergen. Der Häuptling befahl den Aufbruch, und die Kolonne setzte sich in Bewegung. Burns und Richard Waltham waren, ebenso wie der Irre, nicht gebunden worden, doch hatte der Häuptling keinen Zweifel daran gelassen, daß jeder Fluchtversuch mit einer Kugel beantwortet würde. Sie marschierten zunächst zu dem Irokesenlager, in dem John und Ni-kun-tha geweilt hatten. Das Lager war mittlerweile geräumt, nur einige schwach glimmende Feuer zeigten an, daß unlängst erst rote Krieger hier verweilt hatten.

Der Häuptling ordnete an, daß die Nacht in dem Lager verbracht werden sollte. Bob wurden für die Nachtruhe die Bande zwar gelockert, doch wurde er dafür mit einem langen Seil an einen Baum gebunden, was seinen Grimm nicht eben verminderte. Da das Seil lang genug war, streckte er sich gleichwohl zum Schlafen aus, und Way-te-ta legte sich neben ihn.

Sir Richard und Burns, der wiederholt nach John gefragt und zur Antwort erhalten hatte, dieser befinde sich bei den Irokesen, die inzwischen weitergezogen seien, saßen noch lange wach neben einem der wieder entfachten Feuer und hielten leise Zwiesprache miteinander, bis auch ihnen schließlich vor Erschöpfung und Müdigkeit die Augen zufielen.


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