Ludwig Tieck
Die Wundersüchtigen
Ludwig Tieck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Gegenwart Sangerheims hatte in allen Gemüthern Empfindungen, Ansichten und Neugier aufgeweckt, alte Erzählungen wieder neu in Umlauf gebracht, die man schon vergessen hatte, und es war kein Haus, in welchem nicht Meinungen behauptet und bestritten wurden. Die Maurer der vorigen Tage waren in das größte Gedränge gekommen und viele, und zum Theil die angesehensten, hatten den Fremden für ihren Meister anerkannt. Als der Gelehrte sah, mit welchem Eifer man für und wider kämpfte, vorzüglich aber als er bemerkte, wie die Familie seines alten Freundes in Verwirrung gerathe, nahm er sich vor, Etwas 209 zu thun, um die vorige Ruhe und Behaglichkeit wieder her zu stellen. Man hatte ihm erzählt, wie sehr der Rath sich an den verdächtigen Fremden schließe, und wie dies nicht allein Frau und Tochter betrübe, sondern ihm vom Minister und dem Fürsten selber nicht gut ausgelegt werde. Ferner sagte eines Tages zu Anton: dieser Trieb in uns, ohne welchen wir kein Interesse an Wissenschaft und Geschichte nehmen könnten, muß sorgsam bewacht und gehütet werden, wenn er den Geist nicht in Gegenden verlocken soll, in denen aller ächte Trieb zum Wissen erlischt. Alle Kräfte in uns sollen im Gleichgewichte stehn und nur dann ist der Mensch gebildet und verständig; darum kann ihn, wie es so oft geschieht, ein überwiegendes Talent unglücklich machen. Die Lust am Geheimniß und Wunder darf auch nur verstärkt werden, wenn Witz und Scharfsinn, Vernunft und Verstand ebenfalls sich beleben. Diese Harmonie des Menschen fällt aber nicht ins Auge, und darum dünkt sie auch oft den Aufgeregten etwas Geringes und selbst Verächtliches.

Anton hatte dem Professor einen Plan mitgetheilt, um Schmaling, der sich am unbedingtesten der Schwärmerei ergab, auf gelinde Weise durch Beschämung wieder zur Vernunft zurück zu führen. Er hatte die Bekanntschaft eines Mannes gemacht, und ihn auch in das Haus seines Freundes, des Professors, geführt, der sich in kurzer Zeit das ganze Vertrauen des Jünglings erworben hatte. Es schien in der That, als wenn dieser Freund, der sich Anderson nannte, Jeden gewinnen müsse, dem er sich nähere; so konnte er durch Scherz und Ernst, Witz und Tiefsinn, Laune und Munterkeit in das Wesen der verschiedensten Charaktere eingehn, indem er bald in jedem Menschen eine Seite auffand, für die er sich interessirte, und so im geistreichen Gespräch den Mitsprechenden klüger und einsichtsvoller machte, als 210 dieser sich sonst erschienen war. Wer dieses Talent besitzt, gewinnt die Menschen am sichersten. In den meisten ist irgend eine Gegend des Geistes fruchtbar, und bringt eigenthümliche Gewächse hervor. Die Natur hatte wohl die Absicht, daß von hieraus die Originalität des Wesens hervorgehn, und das Individuelle desselben sich geistreich ausbilden sollte. Aber unsre Erziehung, einförmige und conventionelle Cultur, Geschäfte und Vielwisserei ersticken bei den Meisten schon früh diesen Keim. Die meisten Gespräche werden nur geführt, damit Jeder sich selbst hört, und den Andern so wenig äußerlich wie innerlich zu Worte kommen läßt. Geräth aber ein Menschenkünstler, ein ächter Virtuos, über diese verwahrlosten Instrumente, so weiß er auch den baufälligsten wundersame Töne zu entlocken.

So war Jedermann in der Gesellschaft dieses Anderson klüger und witziger, als für sich selbst, oder im Umgang mit Andern. Er war daher in allen Gesellschaften gern gesehn, die er auch nicht vermied und allenthalben Unterhaltung fand. Sein Aeußeres war eben nicht sehr empfehlend, er war klein und stark, von breiten Schultern, und sein Kopf stand zwischen diesen etwas eingepreßt auf einem dicken Halse.

Durch Sangerheim waren alle früheren Nachrichten von dem großen Wunderthäter, dem Grafen Feliciano, neu belebt worden. Briefe bestätigten von Neuem seine unbegreiflichen und schnellen Heilungen der schwierigsten und tödtlichsten Krankheiten, die die größten Aerzte schon verzweifelnd aufgegeben hatten. Man erzählte sich, wie er in einer großen Stadt des Auslandes in einem Palaste ganz wie ein Fürst lebe, von glänzender Dienerschaft umringt. Kein Armer verlasse seine Schwelle, der nicht reichlich beschenkt würde. Geld achte er wie Spreu, er bedürfe der Gnade keines Königs, denn er habe jüngst einem Staate eine ungeheure 211 Summe geschenkt, um den Fürsten aus einer Verlegenheit zu ziehn. Daß das Auflegen seiner Hand tödtliche Wunden schließe und die hartnäckigsten Krämpfe löse, war nur etwas Unbedeutendes: denn Todte sollte er schon geweckt haben, Abwesende aus fernen Ländern zitiren können, so daß sie den Freunden oder der Familie in sichtbarer Bildung erschienen, so wie er seinem eignen Geiste zuweilen gestatte, aus dem Körper zu wandern, um plötzlich in Asien oder Amerika einem Freunde, der ihn magisch gerufen habe, beizustehn. Daß alle Geister ihm zu Gebote ständen, die guten wie die bösen, bezweifelte Keiner, der mit Vertrauen und Glauben von ihm sprach. – Schmaling, der wenig in Gesellschaft kam, sondern ganz seinen sonderbaren Studien und seinem Meister lebte, war dem merkwürdigen Anderson niemals begegnet, und darum hatte diesem heitern und gefälligen Manne der übermüthige Anton den sonderbaren Vorschlag gemacht, daß er die Rolle des berühmten Feliciano spielen solle, um so Schmaling zu täuschen, und ihn so, indem er einsähe, wie leicht er hintergangen werden könne, in seiner Verehrung Sangerheims irre zu machen. Der muntre Anderson war auf diesen Plan eingegangen, und um so lieber, weil er oft tadelnd von diesem Sangerheim und dessen Arbeiten sprach. Im Hause des Professor Ferner wollte man eine geheimnißvolle Zusammenkunft veranstalten, von der aber der Magus Sangerheim nichts erfahren dürfe.

Ferner war lange diesem Projekt entgegen gewesen. Er sagte auch jetzt: ich bin kein Freund von dergleichen Mystificationen. Sie sind nach meinem Gefühl ganz und gar dem Wesen und dem Anstand einer gebildeten Gesellschaft entgegen. Der Hintergangene hat Ursach, es nachzutragen, und es ist ihm nicht zu verargen, wenn er niemals wieder 212 Vertrauen faßt. Indessen mag eine gute Absicht diesmal die Sache entschuldigen; nur fürchte ich, daß Sie sich mit unserm Schmaling völlig verrechnet haben.

Der Versuch wird immer das Uebel nicht ärger machen, antwortete Anton: auch ist es gerade in der Hinsicht ein glücklicher Zeitpunkt, weil die Freunde Feliciano's melden, er habe jene Stadt wieder verlassen, um von Neuem eine Reise nach Aegypten zu machen, und aus den Pyramiden viele Mysterien hervor zu suchen.

Man traf noch eine nähere Abrede, und Anton ging, um jenen Anderson, zu welchem er eine große Zärtlichkeit gefaßt hatte, wieder aufzusuchen.

Der Rath Seebach stand oft in seinem Zimmer, vor seinen Papieren, die vor ihm ausgebreitet lagen, und dachte seinem Leben und den wechselnden Empfindungen nach, die ihn in den verschiedenen Perioden seiner Bildung bestürmt hatten. Wohin geht dieser Lauf? sagte er eines Morgens zu sich selbst; dasjenige, was ich als einen festen Besitz errungen zu haben glaubte, droht mir wieder wie Wasser zwischen den Fingern zu entrinnen. Bleibt es doch wahr, daß in jener Nüchternheit, die ich vormals rühmte, die sichre Grundlage des Lebens ruht. Meine Jugend, und alle jene wilden, ungezügelten Bestrebungen überströmen wieder alle Dämme und Ufer, schon beginnt mir der Anblick dessen, was ich so lange als das Schöne und Edle erkannte, Langeweile, Widerwillen und Ekel zu erregen, denn zu unbedeutend, unbestimmt und mittelmäßig dehnt es sich vor mir aus. Hingehalten durch Hoffnungen, eingewiegt mit Versprechungen, aufgeregt durch Winke, und betäubt durch Erscheinungen, die ich sehe, aber nicht begreife, die mich erschrecken, und an die ich doch nicht glauben kann, wird mein Dasein zum Traum. Welch sonderbares Band zieht mich zu diesem fremden 213 Mann, und verknüpft mich ihm: ihm, dem ich mein ganzes Vertrauen schenken möchte, und der in diesen Momenten der Hingebung mich am meisten zurück stößt? Ich sehe, daß er geheime Kenntnisse besitzt, die er mir mitzutheilen verspricht, und mir dennoch vorenthält. Heut ist er ganz Offenheit, morgen lauter zurück haltende Förmlichkeit. In seiner Gegenwart fühle ich das Gelüste, gerade das zu glauben, was meinem Verstande am widersinnigsten erscheint, und wieder überschleicht mich eine Empfindung, daß ich im selben Augenblick ihn und mich verlachen möchte.

Sangerheim traf und störte ihn in diesen Betrachtungen. Sie übersehn, Theurer, sagte er beim Eintreten, indem er die Thür verschloß, wieder Ihre Studien und Erfahrungen. Es ist sonderbar, wie wir Menschen schon so oft in der Jugend das höhere Wort vernehmen, den Ton desselben fassen, und uns späterhin Aussprache und Bedeutung wieder entfliehen können. Doch kehren wir in reifen Jahren mit tieferem Sinn, mit stärkerer Innigkeit zu denselben Wahrheiten zurück, wie es Ihnen geschieht; unbewußt hat die Seele die Geheimnisse ausgearbeitet, und die Glaubensfähigkeit steht gewappnet an derselben Stelle, wo noch gestern Zweifel und Unglaube nackt und wehrlos zitterten.

Gestern, sagte der Rath, haben wir gerechnet und Figuren gezeichnet, die sonderbare Erscheinung, die Sie mir vorführten, überraschte mich; nachdem vernahm ich, indem Sie neben mir saßen, jene Stimme aus dem Zimmer dort, die mir die geheimnißvollen Worte zurief – Alles dieses, Lieber, sehe und erlebe ich; aber ich kann es mir nicht aneignen, es hat keine Bedeutung für mich, es fährt Alles wie leere Phantome, nur erschreckend, mir vorüber. Ich habe genug erfahren, um irre zu werden, aber dieses Räthsel meines Innern, welches sich immer mehr verschlingt, ringt 214 mit allen Kräften meines Herzens zur Lösung hin. Weder in diesen wechselnden Schauern von Licht und Schatten, noch in stiller Resignation kann ich meine Befriedigung finden, und ich fange an, meine Zweifel wieder als die bessere Weisheit aufzusuchen.

Und doch waren wir übereingekommen, sagte Sangerheim mit feierlichem Ton, Sie hatten mit mir die Nothwendigkeit eingesehn, daß es Prüfungen, Grade geben müsse, daß die Geduld die unerläßlichste Tugend sei, um dem Geheimniß näher zu kommen.

Nur eine einzige Frage, und die beantworten Sie mir auf Ihr Gewissen, sagte der geheime Rath eben so feierlich: Können Sie mir bei Gott und allem Heiligen, das Sie glauben, schwören, daß Sie mir irgend einmal, wenn auch später, die Lösung mittheilen wollen, und daß Sie selbst von Ihrem Beruf überzeugt sind?

Ja! rief der Fremde, und erhob die Hand. – Gut denn, sagte der Rath, empfangen Sie dann diese Brieftasche, und in ihr, was Sie wünschten, ich will, ich muß Ihnen vertrauen.

Auch ich, sagte Sangerheim, will mich Ihnen verpfänden, mit dem Theuersten, was ich besitze, mit Allem, was ich Ihnen nur geben kann. Er zog ein Paket hervor, mit seltsamen Zeichen versiegelt und fest in einander geschnürt. Legen Sie, sagte er, hier auch Ihr Siegel an. In diesem kleinen Raum ist Alles, was ich weiß, enthalten; mein ganzes Dasein, Alles, was Sie erfahren wollen, umschließt diese Sammlung. Löse ich sie zu der festgesetzten Zeit nicht aus, sterbe ich vor diesem Zeitpunkt, so fällt Ihnen diese Erbschaft zu und Sie mögen damit schalten nach Ihrer Willkühr.

Der Rath nahm das Paket in die Hand, schlug es ein, 215 überschrieb es mit einer Nachricht, daß dies das Eigenthum Sangerheims sei, versiegelte es und legte es in seinen Schrank. Sich besinnend nahm er es wieder und sagte: doch kommen meine Kinder zuweilen hieher, in jenem Pult ist eine geheime Schieblade. Er trug es hin und indem er es einzwängte, geschah ein Knall, und die Masse selbst erzitterte. Sehn Sie, sagte Sangerheim, Sie sind ohne Noth besorgt, es bewacht sich selbst.

Der Rath hatte sich entfärbt. Sangerheim sah ihn fest an und schien sich an der Verlegenheit des alten Mannes zu weiden, die dieser nicht verbergen konnte, so sehr er sich auch bemühte. Er sammelte seine zerstreuten Skripturen wieder, warf sie in den Schrank und sagte dann: also, Geduld, und bis dahin habe ich mich Ihnen unbedingt ergeben. Es ist wunderbar genug, wir entziehn uns gewissermaßen der Kirche und der Religion des Staates, wir nennen es unsre Weisheit, anders und weniger zu glauben, als der gemeine Mann, – und geben uns im Entfernen vom Hergebrachten und Autorisirten andern viel unglaublichern Dingen hin, und sind zufrieden, nur zu sehn und zu ahnden, ohne daß uns die Lösung gegeben wird, die wir doch in der Religion suchten und forderten.

Richtig bemerkt, erwiederte Sangerheim; ist denn aber dieser Widerspruch nicht vielleicht eine Vorbereitung zu einer ächtern Religiosität, zu einem wahren Glauben? Immerdar, wenn wir uns widersprechen, ist es nur Schein, wir suchen die Bindung, den unsichtbaren Mittelpunkt, der den Widerstreit aufhebt.

Das ist aber gegen die Abrede, erwiederte der Rath, daß ich wieder durch Gedanken und ihren wechselnden Kampf das Richtige und Wahre finden sollte, ich sollte es ja 216 unmittelbar schauen, und es als einen wahren Besitz von dannen tragen.

Wenn Sie denn, fing Sangerheim zögernd an, sich nicht fügen können und wollen, so gäbe es in Ihrem frommen und erweckten Sinn allerdings ein Mittel, das rasch die Hemmung wegnehmen, und Sie ohne Umwege zum Ziele führen könnte.

Und dieses Mittel? fragte der Rath eifrig.

Auch ohne dieses können Sie zu einem glänzenden Ziele gelangen, antwortete Jener, aber langsamer, und niemals erreichten Sie die Würde, so viel Sie auch schauen werden, eines höchsten Obern.

Und dieses Mittel, fragte der Rath wieder, könnte mir diese Würde und die schnellere Einsicht in alle Geheimnisse verschaffen?

Ohne Zweifel. – Sehnen Sie sich heftig?

Unbeschreiblich! fing der Rath wieder an, und, da Sie so weit gegangen sind, so nennen Sie es auch, sonst sind Sie nicht mein Freund.

Was Sie immerdar hemmen wird, antwortete Sangerheim mit einer Thräne im Auge, ist, daß Sie nicht ein Mitglied meiner Kirche sind. –

Der Rath trat einen Schritt zurück und suchte noch mehr wie vorher die Bewegung seines Innern zu verbergen. Sangerheim sah ihn mit einem festen prüfenden Blicke an, als wenn er seine Augen durchbohren wollte, aber der Rath erwiederte diesen festen Blick, und nach einigen Augenblicken entfernte sich der Fremde.

Tief erschüttert ging der Alte im Saale auf und ab. – Das ist es also? sagte er endlich zu sich selber; also dorthin liegt das eigentliche und wahre Geheimniß? – Habe ich doch den Einreden so mancher vernünftigen und 217 kaltblütigen Freunde nicht glauben wollen. Ich hielt es nur für Fabel, weil es einem Mährchen so ähnlich sieht; und ist also nun doch Wahrheit. – Sie bemächtigen sich einer Einrichtung, die im Beginn gut und edel war, die sich dann selbst vergaß, und in deren unbedeutenden Nüchternheit nun leicht die Sehnsucht zu Wundern und Seltsamkeiten Raum finden kann. – Wie verbreitet die Logen sind, so mögen sich diese, oder ähnliche Schwindler leicht jetzt oder in Zukunft der Menge bemeistern, um ihre Pläne, die sich noch nicht an das Licht wagen, durchzusetzen. – Diese Emissäre gehören also einer Propaganda an, und es läßt sich nun wohl begreifen, wer und was diese geheimen Obern sind, – Alles, was man von diesem Nachbarstaate erzählt, wo man auf verschiedene Art den Erbprinzen bearbeitet, hier und anderswo die Störung der Logen, das Eindringen und Vorschieben alter Meinungen. – Die Herren haben also doch ihre Herrschsucht und die alten Plane noch nicht aufgegeben! – Ja, ich bin durch dieses einzige Wort zum Licht hindurch gedrungen, aber sehr gegen deinen Willen, mein guter Magus. – Seine Kunststücke begreife ich freilich nicht; aber was gehen sie mich denn eigentlich an? Vor meinem guten verständigen Sohne muß ich mich jetzt schämen, der doch in seiner Art, wie er jenes Wunder betrachtete, sehr Recht hatte. – Zu schnell, zu plötzlich mag ich aber freilich auch nicht zurücktreten; ich will ihn noch beobachten: ich kann es jetzt wie ein Spiel treiben und genießen. –

Mit Beschämung dachte er nun der Summen, die er dem Magier ausgeliefert, noch der letzten großen, die er ihm heut gegeben hatte. Sangerheim hatte zwar Anfangs jeden Dank und Lohn ausgeschlagen, aber bald hatte er bei dem großmüthigen Freunde Hülfe gesucht, der nun um so lieber und reichlicher mittheilte, da der Wunderthäter sich erst 218 uneigennützig gezeigt hatte. Zu den Beschwörungen und zum Geister-Apparat, so wie zu Einrichtung der Oefen und Herbeischaffung alles Geräthes, um den Stein der Weisen hervorzubringen, war wieder ein Kapital nöthig gewesen. Nachher zu geheimen Plänen, die Sangerheim noch nicht nennen durfte, auf Geheiß jener unbekannten Obern, war wieder eine bedeutende Summe in Anspruch genommen worden. Für die letzteren großen Auslagen hatte der Magier seinem gläubigen Schüler eben jene versiegelten und zauberhaft verschlossenen Schriften verpfändet, die er bald wieder, durch Erstattung jener Summe, auszulösen versprach.

Sangerheim machte einen großen Aufwand und lebte in der Stadt ganz als ein vornehmer Mann. Der feinen und neugierigen Welt war es ein Geheimniß, das sie nicht ergründen konnte, wovon er seine Ausgaben bestritt. Der geheime Rath Seebach hätte darüber Bescheid ertheilen können, denn beschämt gestand er es sich nicht gern, daß ein großer Theil jener so wunderbar geretteten Summe schon wieder geschwunden sei, wenn der Zauberer nicht seine Schuld bezahle, woran der Gläubiger zu zweifeln anfing. – Mit Schmerz dachte er an den jungen Schmaling, seinen künftigen Schwiegersohn, so wie an seinen Hausfreund, den Arzt, denn er wußte, daß Beide eifrig mit Sangerheim laborirten.

Die Familie war erfreut, als der Vater nach langer Zeit wieder bei Tische heiter war. Clara besonders wollte daraus für ihr Schicksal etwas Glückliches lesen. Als sie mit dem Bruder über die Veränderung des Vaters sprach, sagte Anton: Dergleichen Verblendung, liebes Kind, kann niemals lange dauern. Hätte ich nicht andre Sorgen, so wollte ich mich anheischig machen, diesen Kummer mit etwas Geduld zu überwinden, oder mit Verstand und Zeit die Getäuschten zu heilen. Heut Abend wird nun unser 219 Schmaling gründlich in die Lehre genommen werden, und ich möchte Vieles verwetten, daß ich ihn Dir schon morgen als einen andern Menschen vorführen kann. –

Sangerheim war, jenes Wortes wegen, das er hatte fallen lassen, mit sich selber sehr unzufrieden. Er hatte bemerkt, wie der Rath dadurch war überrascht worden. – Mag seyn, sprach er zu sich, daß es unbesonnen und zu früh ausgesprochen wurde, ich kann mit mir und dem Erfolg zufrieden seyn. Sie müssen meine Bemühungen erkennen, jene großen, jene mächtigen Männer. Und welches Glück, ihnen beigezählt zu werden! Welche Aussicht, daß Natur, Geisterreich und Welt mir dient, daß vor mir jedes Geheimniß die entstellende Hülle abwirft. – Und bin ich denn noch so weit von diesem glänzenden Ziele entfernt? Habe ich denn nicht die Zusage der Edelsten, daß mir bald, in weniger Frist Alles soll gewährt seyn? Wie sie mich durch Wissen, Kunst und Gold unterstützen, so werden sie mir auch die herrlichsten Güter nicht lange mehr verweigern.

So träumte Sangerheim, und verlor sich in sonderbare und weitaussehende Plane.



 << zurück weiter >>