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Wo stehst du hinter ihnen allen,
Geliebter, und birgst dich im Schatten? Sie
stoßen dich, gehn vorüber auf staubigem
Wege, als wärest du nichts. Ich warte
hier müde Stunden und breite die Gaben
für dich, die Vorübergehenden nehmen
die Blumen, eine um die andere – mein
Korb ist fast leer.

Vorbei ist der Morgen, vorbei der Mittag.
Im Schatten des Abends werden die
Augen mir schwer von Schlummer. Die
Menschen gehn heim und schauen auf
mich und lächeln und füllen mit Scham
mich. Ich sitze wie ein Bettlermädchen
und zieh meinen Rock mir übers Gesicht,
und wenn sie mich fragen, was mir fehlt,
senk ich die Augen und antworte nicht.

O, wie könnte ich ihnen wohl sagen,
daß auf dich ich warte, daß du mir versprachest
zu kommen. Wie könnt ich
vor Scham erklären, daß ich als Hochzeitsgut
diese Armut trage. Ich pfleg diesen
Stolz im Geheimsten des Herzens.

Ich sitze im Gras und träum in den
Himmel von dem plötzlichen Glanz deines
Kommens – alle Lichter entflammen,
goldene Fittiche fliegen um deinen Wagen
und die am Wege stehn gaffend,
wenn sie dich niedersteigen sehn von
deinem Sitz, mich vom Staube zu heben,
und dir zur Seite zu setzen, das lumpige
Bettlermädchen, erzitternd in Scham und
Stolz wie eine Ranke im Sommerwind.

Doch die Zeit gleitet hin und noch kein
Laut von den Rädern des Wagens. Manch
eine Schar zieht vorüber mit Lärm und
Glanz und Geschrei. Bist du es nur, der
im Schatten steht schweigend hinter
ihnen allen? Und ich nur, der wartet und
weint und sein Herz abzehrt in eitlem
Sehnen?

 


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