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IV

Na, so weit wären wir nun. – Als ich nach Hause fuhr, wiederholte ich mir alle Augenblicke: »Hanckel, was bist du für ein Glückspilz. Ein solches Kleinod in deinem Alter... Nu tanze, nu schreie, nu benimm dich wie ein Verrückter. Das Erlebnis des heutigen Tages verlangt es von dir.«

Aber, meine Herren, ich tanzte nicht, ich schrie nicht, ich revidierte die eingelaufenen Belege und ließ mir ein Glas Grog, machen. Das war der ganze Jubel.

Am nächsten Tage kam Lothar Pütz im hellblauen Interimsrock bei mir vorgefahren.

»Noch immer in Kommiß, mein Sohn?« frag' ich.

»Der Abschied ist noch nicht eingetroffen«, sagt er und sieht mich grimmig von unten an, als ob ich an dem ganzen Unglück schuld wäre. »Übrigens, mein Urlaub geht zu Ende. Ich muß nach Berlin.«

Ich frag' ihn, ob er nicht Nachurlaub fordern könne, aber ich merke, er will nicht. – Hat Kasinoweh. – Wir kennen das. – Auch muß er seine Möbel verkaufen, erklärt er, und die Angelegenheit bei den Gurglern in Ordnung bringen.

»Na, denn zieh mit Gott, mein Sohn«, sag' ich und schwanke einen Augenblick, ob ich ihm mein junges Glück anvertrauen soll. Aber ich fürchte das dumme Gesicht, das ich bei diesem Geständnis machen werde, und darum unterlass' ich's. – Zudem rechnete ich immer noch mit einer demnächst eintreffenden Absage, ja, wenn ich bis auf den Grund meines Herzens bohren soll, – wie ich mich davor fürchtete, so hoffte ich auch darauf. –

Es war ein Gefühl – wie – aber wozu in Gefühlen 'rumklauben – die Tatsachen werden ja sprechen.

Am Morgen des achten Tages brachte der Postbote ein goldgerändertes Kuvert, das ihre Handschrift trug.

Zuerst empfand ich einen heftigen Schreck, mir traten die Tränen in die Augen, und ich sagte zu mir: »So, mein Sohn, jetzt bist du endgültig zum alten Eisen geworfen.«

Zu gleicher Zeit aber kam eine friedliche Entsagung über mich, und während ich den Goldrand mit der Schere abschnitt, wünschte ich beinahe, es möchte ein unverblümter Korb sein und weiter nichts. Aber ich las:

»Mein Freund!

Mein Entschluß hat sich abgeklärt und gefestigt, wie Sie es verlangten. Ich erwarte Sie heute bei meinem Vater.

Jolanthe.«

Na ja, die Freude! Die Freude in so 'nem Augenblicke versteht sich wohl von selbst.

Aber dann die Scham! die Scham! Ja, meine Herren, ich schämte mich ... schämte mich vor aller Welt, und wenn ich an alle die zweifelnden und hämischen Blicke dachte, denen ich binnen kurzem ausgesetzt sein sollte, so hätte ich am liebsten noch einmal zurückgezoppt. –

Aber die Stunde war da! Auf, nach Valencia! Auf, nach Valencia –Aus Pius Alexander Wolffs Singspiel Preciosa, vertont von K. M. v. Weber.

Zuerst machte ich mich schön. Beim Rasieren schnitt ich nur zweimal ins Kinn. Ein Reitknecht mußte zwei Meilen weit zur Apotheke sprengen, um fleischfarbenes Heftpflaster zu holen, weil nur schwarzes im Hause war. ... Die Weste wurde so enge geschnallt, daß der Magendruck mir den Atem benahm, und meine alte Schwester geriet in helle Verzweiflung, weil das Halstuch immer noch genialer sein sollte. –

Und bei dem allen verließ mich für keinen Augenblick der entsetzliche Gedanke: »Hanckel, Hanckel, du machst dich lächerlich.«

Meine Auffahrt auf Krakow hingegen war pompös. – Zwei Apfelschimmel eigener Zucht – das silberne Kummetgeschirre – der neue, mit Bordeauxatlas ausgeschlagene Landauer. Kein Fürst auf der Erde kann stolzer freien kommen.

Aber mir bubberte das Herz in gottsjämmerlicher Feigheit. Der Alte empfängt mich an der Tür. ... Tut, als ahnt er nicht das mindeste.

Wie ich ihn um eine Unterredung bitte, stutzt er und macht ein Gesicht wie einer, der eine unverhoffte Anpumpung wittert.

»Na, du wirst ja bald Flagge hissen«, denk' ich, denn ich erwarte natürlich auf das Stichwort hin ein gutgespieltes Rührstück mit Umarmungen, Freudentränen und dem ganzen übrigen Apparate.

So eitel wird man, meine Herren, wenn man das große Portemonnaie hat.

Aber der alte Fuchs verstand sich auf den Handel und wußte, daß man den Käufer madig machen muß, will man die Ware in die Höhe treiben.

Als ich meine Werbung angebracht hatte, sagte er, ganz geschwollen von plötzlicher Würde: »Verzeihung, Herr Baron wer bürgt mir dafür, daß diese Ehe, die – drehen wir die Sache, wie Sie wollen – immer etwas Unnatürliches an sich haben würde – auch zu einem glücklichen Ziele führt? – Wer bürgt mir dafür, daß meine Tochter mir nicht in zwei Jahren eines Abends barhaupt und im Nachtgewande ins Haus gelaufen kommt und mir erklärt: Vater, ich kann mit dem alten Manne nicht leben. Behalte mich bei dir.«

Ach, meine Herren, das war hart!

»Und in Anbetracht aller dieser Umstände«, fährt er fort, »bin ich als ehrlicher Mann und Hausvater nicht imstande, Ihnen meine Tochter anzuvertrauen –«

Also abgewiesen, zum Narren gehalten. Ich stehe auf, denn die Affäre scheint beendet, aber er drückt mich eiligst in den Stuhl zurück.

»– oder wenigstens mit Beobachtung derjenigen Formen anzuvertrauen, die ein Mann wie ich einem Manne wie Ihnen schuldig zu sein glaubt – oder – um mich deutlicher auszudrücken – durch die ein Vater die Zukunft seiner Tochter sichern hilft – oder – um mich noch deutlicher auszudrücken – diejenige Brautgabe –«

Da platz' ich aber los und lache, was ich kann. –

Der Filou! der Filou! Um die Mitgift hat er sich 'rumdrücken wollen! Dazu die ganze Komödie!

Wie er mich lachen sieht, schickt er Würde und Pathos und Schamgefühl zum Teufel und lacht aus vollem Halse mit ... und dann sagt er: »Ja, wenn Sie so sind, Alterchen«, sagt er, »hätt' ich das man gleich gewußt ... Ja, Gott, sehen Sie, ich hab's ja dazu ... aber man will doch probieren! Vielleicht geht's – vielleicht geht's nicht ...«

Und somit waren wir handelseinig.

Dann wurde die Baronin hereingerufen, und zu ihrer Ehre sei's gesagt, sie vergaß die ihr zugeteilte Rolle und fiel mir um den Hals, noch ehe der Alte ihr schandenhalber die Situation erklärt hatte.

Aber Jolanthe!

Blaß wie der Tod – die Lippen aufeinandergebissen, die Augen halb zu – erschien sie auf der Schwelle, reichte mir stumm beide Hände und ließ sich regungslos wie ein Stein von den Eltern küssen.

Sehen Sie, das gab mir doch wieder zu denken.


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