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Dritter Aufzug

Dieselbe Dekoration wie vorher.

Die Hängelampe ist angezündet. Mondschein außen vor dem Atelierfenster. Im Kamin ist Feuer.

Erster Auftritt.

Berta. Das Mädchen.

Berta (hat ein Morgenkleid aus Spitzen an; sie näht an dem spanischen Frauenkostüm).

Das Mädchen (faltet eine Halskrause).

Berta. Es ist nicht gerade unterhaltend, aufzusitzen und seinen Mann zu erwarten.

Das Mädchen. Glauben Madame, daß es für den Herrn unterhaltender ist aufzusitzen und auf Madame zu warten? Das ist heute das erstemal, daß er allein aus ist –

Berta. Na, was macht er denn, wenn er allein zu Hause ist?

Das Mädchen. Er sitzt und bepinselt Holzklötze.

Berta. Holzklötze!

Das Mädchen. Ja, er hat ganz große Haufen Holz, die er bemalt.

Berta. Hm! Sage mir eins, Ida! Ist der Herr niemals zudringlich gegen dich gewesen?

Das Mädchen. Niemals! Nein, es ist ein ordentlicher Herr!

Berta. Ist das auch sicher?

Das Mädchen (sehr bestimmt). Glauben Madame, ich bin eine solche –

Berta. Was ist jetzt die Uhr?

Das Mädchen. Es ist wohl gegen halb zwölf.

Berta. So! Dann kannst du zu Bett gehen.

Das Mädchen. Fürchten sich Madame nicht unter all diesem Gerümpel?

Berta. Ich mich fürchten! – Still, die Haustüre ging! So! Gute Nacht!

Das Mädchen. Gute Nacht, Madame! Schlafen Sie wohl! (Sie geht ab.)

Zweiter Auftritt.

Berta. Dann Axel.

Berta (legt ihre Arbeit fort, wirft sich auf das Kanapee, ordnet die Spitzen des Morgenkleides. Dann springt sie auf, schraubt die Lampe halb herab, nimmt wieder die Stellung auf dem Sofa ein und stellt sich schlafend).

(Eine Pause.)

Axel (kommt herein). Ist jemand hier? – Berta, bist du hier?

Berta (schweigt).

Axel (geht zu ihr hin). Schläfst du?

Berta (weich). Ach! Bist du es, mein Freund! Guten Abend! Ich lag und schlummerte, und ich träumte so schlecht –

Axel. Das lügst du, denn ich sah durch das Hoffenster, wie du diese Stellung auf dem Sofa einnahmst.

Berta (fährt auf).

Axel (ruhig). Keine Verführungsszenen im Nachtgewande! Keine Melodramen! Sei vernünftig und höre zu, was ich dir zu sagen habe! (Er setzt sich auf einen Stuhl mitten im Zimmer.)

Berta. Was hast du mir denn zu sagen?

Axel. Eine ganze Menge; aber ich werde mit dem Schlusse anfangen: wir müssen dies Konkubinat auflösen.

Berta. Was? (Sie wirft sich rücklings auf das Sofa.) O mein Gott, was muß ich nicht erleben!

Axel. Bitte keine Hysterie, sonst gieße ich die Wasserkaraffe über deine Spitzen aus.

Berta. Das die Rache dafür, daß ich dich in freiem Wettkampf besiegte.

Axel. Das steht hiermit in gar keinem Zusammenhang.

Berta. Du hast mich niemals geliebt!

Axel. Ja, ich habe dich geliebt, das war für mich das einzige Motiv zu meiner Verheiratung mit dir; aber warum hast du dich mit mir verheiratet? Weil du dich in schlechten Verhältnissen befandest und die Bleichsucht hattest!

Berta. Es ist ein Glück, daß uns niemand hört!

Axel. Es wäre kein Unglück, wenn uns jemand hörte. Ich habe dich wie einen Kameraden behandelt, mit unbegrenztem Vertrauen, und ich habe manches kleine Opfer gebracht, wie du weißt. – Ist der Schlosser hier gewesen?

Berta. Nein, er kam nicht!

Axel. Ist auch nicht mehr nötig. Ich habe deine Rechnungen gesehen.

Berta. So, du schnüffelst also in meinen Büchern herum.

Axel. Das Wirtschaftsbuch ist gemeinsam! Du hast falsche Ausgabeposten aufgeführt und Einnahmen nicht aufgeschrieben.

Berta. Mag sein, aber wir lernen in den Schulen nicht Buchführung!

Axel. Wir auch nicht! Und was die Erziehung anbetrifft, hast du eine viel bessere erhalten als ich: du bist ins Seminar gegangen, aber ich habe nur eine Volksschule besucht.

Berta. Nicht die Bücher erziehen –

Axel. Nein, sondern die Mütter! Aber das ist eigen, daß sie die Töchter nicht lehren können, ehrlich zu werden.

Berta. Ehrlich! Ich meine, die meisten Verbrecher trifft man doch unter den Männern an?

Axel. Die meisten bestraften, willst du sagen, aber bei neunundneunzig Prozent männlicher Verbrecher kann man mit dem Richter fragen: où est la femme? – Aber – um auf dich zurückzukommen. – Du hast mich die ganze Zeit hindurch belogen und zuletzt betrogen. Da stehen zum Beispiel zwanzig Frank Farbe, statt zwanzig Frank Frühstück bei Marguery.

Berta. Das ist nicht wahr; es kostet nur zwölf Frank.

Axel. Also acht in die Tasche gesteckt! – Dann hast du dreihundert Frank für dein verkauftes Bild nicht eingeschrieben.

Berta. »Was die Frau durch eigne Arbeit erwirbt, darüber hat sie allein zu verfügen,« steht in unserm Gesetz.

Axel. Das war also kein Paradoxon? Keine Monomanie!

Berta. Nein, das war es nicht!

Axel. Nun, wir wollen nicht kleinlich sein, du verfügst über das Deinige und hast außerdem über das Meinige in unverantwortlicher Weise verfügt. Meinst du nicht, daß du – unter Kameraden – mir hättest erzählen müssen, daß du das Bild verkauft hast?

Berta. Das ging dich nichts an.

Axel. Das ging mich nichts an! Na, dann bleibt nur übrig, daß ich um unsre Scheidung nachsuche.

Berta. Scheidung! Glaubst du, ich gedenke mit der Schande einer geschiedenen Frau umherzugehen! Glaubst du, ich lasse mich aus meinem Heim jagen, wie ein Dienstmädchen, das man mit seinem Koffer fortschickt!

Axel. Ich könnte dich auf die Straße werfen, wenn ich wollte, aber ich will human zu Werke gehen und eine Scheidung auf Grund von Uneinigkeit nachzusuchen!

Berta. Wenn du so sprichst, hast du mich niemals geliebt!

Axel. Antworte mir: warum glaubst du denn, daß ich um deine Hand warb?

Berta. Weil du wolltest, ich sollte dich lieben.

Axel. O heilige, unverletzte, erhabene Albernheit. – Ich könnte dich wegen Urkundenfälschung anklagen, denn du hast bei Willmer Schulden gemacht und mein Konto mit dem Betrage belastet.

Berta. Ah, das Tierchen ist also dagewesen!

Axel. Ich trennte mich soeben von ihm, nachdem ich ihm dreihundertfünfzig Frank bezahlt hatte, die du ihm schuldig warst. Aber wir wollen in Geldangelegenheiten nicht kleinlich sein. Wir haben noch schlimmere Dinge zu erledigen. Du hast diesen Schuft teilweise meinen Haushalt bezahlen lassen und dadurch mein Ansehn total ruiniert. Was hast du mit dem Gelde gemacht?

Berta. Alles, was du sagst, ist gelogen!

Axel. Du hast es zum Fenster hinausgeworfen?

Berta. Nein, ich habe es gespart, und das kannst du nicht, du Verschwender!

Axel. Ach, du sparsame Seele! Dein Morgenkleid da kostet zweihundert Frank und mein Schlafrock fünfundzwanzig.

Berta. Hast du noch mehr zu sagen?

Axel. Nichts weiter, als daß du in Zukunft daran denken mußt, dich selbst zu versorgen. Ich will nicht länger auf Holzstöcke zeichnen und dich den Verdienst zusammen sparen lassen.

Berta. So, du glaubst so leicht die Verpflichtungen abschütteln zu können, die du übernahmst, als du mich verlocktest, deine Frau zu werden. Du wirst schon sehen!

Axel. Nun, da mir die Augen geöffnet sind, nehmen die verflossenen Ereignisse eine andre Farbe an. Es kommt mir beinahe vor, als wenn du die Werbung hervorgelockt hättest; als sei ich hie und da dem ausgesetzt gewesen, was man Verführung nennt; es scheint mir jetzt, als hätte ich einer Abenteurerin die Hand gereicht, die mir in einem Hotel garni Geld ablocken wollte; es dünkt mich fast, als hätte ich im Laster gelebt, seit ich mich mit dir verband! (Er steht auf.) Jetzt, wenn du so dastehst mit dem Rücken nach mir, und ich deinen Nacken mit dem kurzen Haar sehe, ist es – ja, es ist gerade, als – huh! als wärest du Judith und schenktest mir deinen Körper, um mir den Kopf abzuschlagen. Sieh, da liegt das Kostüm, das ich tragen sollte, mit dem du mich erniedrigen wolltest! Ja, denn du fühltest, daß es eine Erniedrigung war, daß ich diese weiten Falten tragen sollte, die verbergen sollen, um zu reizen, diese ausgeschnittene Taille, die auf den Tellern des Korsetts die Ware feilbieten soll. Nein! Da hast du deinen Liebeslohn wieder, ich werfe meine Fessel ab! (Er wirft den Trauring fort.)

Berta (sieht ihn verwundert an).

Axel. (streicht sein Haar empor). Du wagtest nicht zu sehen, daß ich eine höhere Stirn hatte als du, darum mußte das Haar sie verbergen, um dich nicht zu demütigen. Aber da du nicht damit zufrieden warst, meinesgleichen zu sein, wenn ich mich herabließ, so sollst du unter mir sein, wie du es bist!

Berta. Und all dieses, diese edle Rache, weil du mir unterlegen warst!

Axel. Ich war dir überlegen, auch als ich dein Bild malte!

Berta. Hast du mein Bild gemalt? Sage das noch einmal, und ich schlage dich.

Axel. Du, die die rohe Kraft verachtet, bist immer die erste, zu ihr deine Zuflucht zu nehmen! Schlage nur!

Berta. Glaubst du, ich vermag es nicht! (Sie geht auf ihn zu.)

Axel (erfaßt ihre beiden Handgelenke mit einer Hand und hält sie fest). Nein, das glaube ich nicht. Bist du nun überzeugt, daß ich auch der physisch Überlegene bin? Beuge dich oder ich breche dich!

Berta. Wagst du mich zu schlagen?

Axel. Warum nicht? Ich weiß nur einen Grund, warum ich dich nicht schlagen sollte.

Berta. Und der wäre?

Axel. Daß du unzurechnungsfähig bist.

Berta (sucht sich loszumachen). Ach, laß mich!

Axel. Wenn du um Verzeihung bittest! So, aus die Knie mit dir! (Er zwingt sie mit einer Hand nieder.) Sieh nun zu mir auf, von unten! Dort ist dein Platz, den du selbst gewählt hast!

Berta (ergibt sich). Axel, Axel! Ich kenne dich nicht mehr wieder! Bist du derselbe, der schwur, mich zu lieben, derselbe, der bat, mich tragen, mich emporheben zu dürfen.

Axel. Der bin ich! Ich war damals stark und glaubte die Kraft zu besitzen, aber du schnittest das Haar meiner Stärke ab, während mein müdes Haupt in deinem Schoße lag, du saugtest mein bestes Blut während des Schlafes aus, und doch reicht es noch hin, um dich niederzuzwingen. Steh auf und laß uns mit dem Deklamieren aufhören. Wir haben von Geschäften zu reden!

Berta (steht auf, setzt sich auf das Sofa und weint).

Axel. Warum weinst du?

Berta. Ich weiß nicht! Vielleicht weil ich schwach bin! (Stummes Spiel die ganze Zeit, den Übergang markierend.)

Axel. Siehst du, ich war deine Stärke! Als ich das Meinige zurücknahm, blieb dir nichts übrig. Du warst wie ein Gummiball, den ich aufblies; als ich dich losließ, fielst du zusammen.

Berta (ohne aufzusehen). Ich weiß nicht, ob es ist, wie du sagst, aber seit wir uneins wurden, hat mich meine Kraft verlassen! Axel, willst du mir glauben, ich habe noch niemals empfunden, was ich jetzt fühle!

Axel. So, was fühlst du denn jetzt?

Berta. Das kann ich nicht sagen! Ich weiß nicht, ob das die – Liebe ist.

Axel. Was verstehst du unter Liebe! Ist es nicht wie eine stille Sehnsucht, mich noch einmal lebend auffressen zu können? Du fängst an mich zu lieben! Warum nicht früher, als ich gut gegen dich war? Güte ist Dummheit, darum laß uns schlecht sein! Nicht wahr?

Berta. Ja, sei lieber ein wenig schlecht, aber nicht schwach. (Sie steht auf.) Axel, vergib mir, aber verlaß mich nicht. Liebe mich! O liebe mich!

Axel. Es ist zu spät! Gestern, noch heute morgen wäre ich vor dir niedergefallen, so wie du jetzt vor mir stehst, aber nun ist es zu spät!

Berta. Warum ist es nun zu spät?

Axel. Weil ich heute abend alle Fesseln, bis auf die letzte, zerrissen habe!

Berta (erfaßt seine Hände). Was meinst du damit?

Axel. Ich bin dir untreu gewesen!

Berta (fährt zusammen). Ah!

Axel. Nur in der Absicht, mich von dir freizumachen!

Berta (gefaßt). Wer war sie?

Axel. Ein Weib – –

(Pause.)

Berta. Wie sah sie aus?

Axel. Wie ein Weib! Mit langem Haar, hoher Brust und so weiter! Du wolltest dich schonen!

Berta. Glaubst du, ich bin eifersüchtig auf – eine solche –

Axel. Eine solche, zwei solche, viele solche!

Berta (holt Atem). Und zu morgen sind unsre Freunde eingeladen. Willst du einen Skandal veranlassen und die Einladung widerrufen?

Axel. Nein, ich will in meiner Rache nicht niedrig sein! Morgen haben wir Gesellschaft und übermorgen scheiden sich unsre Wege!

Berta. Ja, nun müssen unsre Wege sich scheiden! Gute Nacht! (Sie geht zur rechten Tür.)

Axel. Gute Nacht! (Er geht zur linken Tür.)

Berta (bleibt stehen). Axel!

Axel. Nun?

Berta. Nichts! – Ja, warte! (Sie geht mit gefalteten Händen ihm entgegen.) Liebe mich, Axel! Liebe mich!

Axel. Willst du mit einer andern teilen?

(Pause.)

Berta. Ja, nur liebe mich!

Axel. Nein, das kann ich nicht! Du ziehst mich nicht mehr zu dir hin wie früher.

Berta. Liebe mich, aus Gnade! Ich bin jetzt aufrichtig, glaube ich, denn sonst würde ich mich niemals vor einem Mann so demütigen, wie ich es tue.

Axel. Wenn ich auch Mitleid mit dir hätte, kann ich doch keine Liebe herauskommandieren. Sie ist tot!

Berta. Ich bettele um eines Mannes Liebe, ich, ein Weib, und er stößt mich von sich!

Axel. Warum nicht! Wir können auch einmal das Recht bekommen, nein zu sagen, obgleich wir nicht so wählerisch find.

Berta. Ein Weib, das sich einem Mann anbietet und zurückgewiesen wird!

Axel. Empfinde, was viele Millionen empfunden haben, wenn sie auf den Knien um die Gnade betteln, geben zu dürfen, was der andre annimmt! Empfinde es für dein ganzes Geschlecht und sage dann, wie es ist!

Berta (erhebt sich). Gute Nacht! Also auf übermorgen!

Axel. Und du willst morgen noch immer das Fest haben?

Berta. Ja, ich will morgen das Fest haben.

Axel. Gut! Also – übermorgen!

Beide (gehen ab, jeder nach seiner Seite wie vorher).


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