Adalbert Stifter
Feldblumen
Adalbert Stifter

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Das Erste sollen Deine wunderschönen Skizzen sein, wofür ich Dir tausend Dank sage; sie freuten mich unendlich. Wir haben bereits zwei große Tafeln mit dem zartesten grauen Grunde bereiten lassen, worauf wir sie ausführen werden; Lothar den Mont perdu und ich den schwarzen See, dessen Namen ich in Deinem Schreiben nicht lesen kann, und den Du besser geschrieben wiederholen magst. Es soll das erste und schönste Fest werden, sobald wir von unserer Reise zurück sind. Lothar geht nämlich mit, und nach der Zurückkunft werden wir zusammen wohnen und in einer Stube arbeiten, was köstliche Stunden geben soll; denn ich fange an, diesen Menschen ungemein zu lieben, und wenn erst auch Du zurück sein wirst, dann soll das wahre, schöne Künstlerleben angehen und nichts gethan werden, als nur lauter Schönes – und sonst lauter Spaß. Wir müssen unweigerlich alle Drei unter einem Dache wohnen, unter einem Dache arbeiten, mit Glück und Lust nach dem Höchsten streben, jede Schmach von uns stoßen, jeden Fund schnell einander mittheilen, ein Liebchen selig im Herzen tragen und drei Hände zu schöner, fester, urewiger Männerfreundschaft zusammenfügen. Wärest Du nur erst da, daß Du den sanften Lothar sähest und seine schönen Bilder: Du würdest ihn bald mehr lieben als mich selber.

Ich bin heute fast so lustig, als wären mir meine Farben ganz neu geschenkt worden, wie damals, da mir mein Vater in unser abgelegenes Waldhaus das erste Farbkästchen brachte und mir zeigte, wie man mit den prächtigen Täfelchen Reiter und Hirsche und Soldaten anfärbe – besonders für die Hirsche hatte ich eine Vorliebe, und wenn Du einmal meine alte Mutter besuchst, so kannst Du auf dem Scheunenthore noch viele gelungene Beispiele sehen, schön ziegelroth und von hochgrünen Hunden heftig verfolgt. Ich bin wieder zum heitern Kinde geworden, und möchte mit Lust heute noch Reiter und Hirsche färben – und ich thu's auch, weil ich sie dem kleinen Sandi (dem Söhnchen der Leute, wo ich zur Miethe bin) geben kann, den sie auf drei Tage glücklich machen.

Der russischen Fürstin habe ich vor dem goldnen Lamme vorgewartet; ich sah sie auch ausfahren – wahrhaftig, als ob Angela, wie sie leibt und lebt, in dem Wagen säße. – Jetzt ist die Fürstin längst fort, aber Angela noch da. Das kleine Bildchen sah ich seit der Zeit, als ich mir eine schnelle Copie davon machte, weder bei Aston, noch bei ihr.

Sonnenschein ist draußen, als wäre er eigens recht feierlich bestellt, und eine tiefdunkle Bläue ist am Himmel, festlich wehend, wie Fronleichnamsfahnen, und Frühsommer auf allen Hügeln prangend, leuchtend, funkelnd, daß ich noch heute die halbe Stadt umkreisen muß. Ich will meinen Stift und schönes Papier nehmen und nach Dornbach, Weidling und weiß Gott wo noch hin wandern.

Der lange Engländer, mein ewiger Jude, begegnet mir zu meiner Freude auch schon seit Wochen nicht mehr. Wasserfarben nehme ich in die Tasche, und in Weidling am Bache will ich zu Mittag essen und dort im Kastanienschatten, male ich für Sandi Hirsche und Reiter, um einmal ein Kind zu sein und einen rechten Idyllentag herumzubringen.

Heute schreib' ich nichts mehr, – morgen ein Weiteres.

Spanne Dir Gott auch einen so glänzenden Sommer über Deine Berge, wie er uns hier thut – ich erlebte nie so andauernd schönes Wetter – und ein Glück ist's für unser einen, daß Wien so liebliche Umgebungen hat. Aber jetzt muß ich fort, ohne Widerrede. Lebe mit Gott.

10. Ehrenpreis

27. Juni 1834.

Um zwölf Uhr in der Nacht kam ich erst zurück und brachte Freude, Sehnsucht, Gedichte, Müdigkeit, Hirsche und Reiter genug nach Hause, Bäume und Häuser obendrein.

Eben wird Alles geordnet und dann zu Sandi getragen. Der Bube wird mir ordentlich lieb, weil ich ihm eine Freude zudenke, und ich machte weit mehr als ich Anfangs dachte, und konnte ordentlich nicht aufhören, als ich einmal daran war, obwohl alle Kellner zuschauten. Beiläufig, Titus, – es muß eine große Freude sein, Kinder zu haben, und ich würde ein Narr mit ihnen, ritte vergnügt auf einem Steckenpferde und hinge mir allen Ernstes eine Kindertrommel um.

Es ist heute Sonntag und ich will ihn, wie ich versprach, ganz für Dich ausschießen, und Dir eine Menge aufschreiben und schildern. Sonntag ist hierorts der Tag der Landausflüge, und was in der Woche am Webstuhle des Lebens keuchte, gibt sich am Sonntage der Freude und wo möglich dem Lande hin – und an diesem Tage gilt der Vers in seinem vollen Maße:

Ergo omnis longo solvit se Teucria luctu:
Panduntur portae
: – –

und aus den expansis portis strömt Wien hinaus. So will ich denn auch auf den gestrigen Spaziergang heute wieder einen machen, aber nur ganz allein mit Dir, d. h. ich will ein Stück Wiener-Wald bewohnen und aus der einen oder andern Baumgruppe einen Flug Brieftauben an Dich abfertigen. Ich trage zu solchem Behufe tragbares Schreibgeräthe mit mir, da ich zu artig bin, an Dich mit Bleifeder zu schreiben; zudem muß Alles, was an Dich losfliegt, gewissenhaft in mein hiesiges Tagebuch eingetragen werden.

Studire Dir nur fleißig den Plan von Wien's Umgebungen, den ich Dir sandte, denn Du wirst noch viele Spaziergänge mit mir thun müssen, ehe Du da bist – und noch mehrere, wenn Du da bist – und es ist der Mühe werth: Stille Thäler, ganz abgeschieden – Waldeinsamkeit mit ganzen Wolken von Vögeln, die den blauen Himmel ansingen – Aussichten in's Hochgebirge – selbst Schluchten mit flinken Wässerlein, als wärest Du in der Wildniß, nicht etwa eine bis zwei Meilen von einer der lebhaftesten Hauptstädte der Welt. Viele, selbst hier Geborne, kennen die eigentlichen Schätze nicht, weil sie nicht weit von den Spazierwegen abgehen, die man ihnen überall bahnt; aber da muß man abseits gehen, wohin der Schwarm nicht kommt: dort ist das Schönste, und ich will Dich schon herumzerren, wenn Du nur einmal da bist; Du weißt, ich habe ein eignes Talent im Auffinden solcher Dinge. Und noch dazu der heurige Sommer, ewig schön, so recht für die Dichter, Maler, Spaziergeher, Weinfreunde.


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