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Erster Aufzug

Im Hintergrund Dr. Siebensterns Empirewohnhaus – die Schule von Uznach – mit Böschung nach vorn und Treppe in der Mitte. Hinter dem Haus blauer Horizont des Bodensees

Erster Auftritt

Vane, Maud, Sonja, Thylla, vier bildschöne Mädchen im Alter von siebzehn bis zwanzig Jahren, sitzen auf der obersten Treppenstufe. Siebenstern auf einem Stuhl zu Füßen der Treppe schräg vor ihnen

Siebenstern (nach einer Pause): Wie geht es dir heute, Thylla?

Thylla: Wie immer hier – so lala.

Siebenstern: Die Antwort im Sinn unseres Unterrichts, der euch zu exakten Zeitgenossen macht, ist leer, weil sie nichts wesentlich Heutiges hat, doch im Allgemeinen bleibt. Du langweilst mit ihr, nimmst die Lust, sich näher mit dir einzulassen. Dir, Maud?

Maud: Mein Wesen ist durch des Bodans peitschende Wellenkraft mächtig angeregt. Dürfte ich, was ich wollte – (sie reckt sich)

Siebenstern: Heraus damit!

Maud: Würde ich endlich –

Siebenstern: Courage!

Maud: Sie prügeln, Herr Siebenstern!

Siebenstern: Gäbe dir das dein Gleichgewicht wieder?

Maud: Ich sagte nicht daß ich meines verlor.

Siebenstern: Übergewicht?

Maud: Es reicht noch nicht. Gerade platzt mir wieder ein Pneumatik.

Siebenstern: Sonja?

Sonja: Von Krämpfen im Unterleib durch das ewige kalte Bad und der Frage, ob es heute endlich Bekömmliches zu Tisch gibt, bin ich besessen.

Siebenstern: Vane?

Vane: Methoden von Uznach, die täglich unpraktischer werden, hängen mir aus dem Hals zum Nabel heraus.

Siebenstern: Damit habe ich euer Bild. Doch unterscheidet es sich immer noch nicht von dem der Mitwelt, die auch nur räsoniert, wie zum Speien grauenhaft das Zeitalter ist. Eure Eltern gaben euch her, weil sie nach meinen Prospekten mir zutrauten, ich gebe euch Mut, sogar Übermut zu den heutigen belämmerten Verhältnissen.

Vane: Sagen wir ruhig: beschissenen.

Maud: Mut hatten wir ohne Sie zuviel.

Thylla: Krochen steilste Wände hinauf.

Sonja: Sie wissen besser als wir –

Siebenstern: Deck deine nackten Schenkel zu, Vane. Es ist auf die Dauer nicht anzusehen. Du sagtest – Sonja?

Sonja: Wissen besser als wir, das junge Mädchen sprang nach dem großen Morden, als der männliche Nachwuchs erschlagen, durch ausgestandene Angst oder Folgen geschluckter Giftgase blödsinnig war, so keß in die Lebensschlacht, daß man ein Jahrfünft seine Frechheit, methodischen Sturm auf Basteien, Schützengräben der Familie und ranziger Gesellschaft in Europa bestaunte.

Vane: Wo blieb da der Mann?

Thylla: Der junge vor allem?

Maud: Während mit waidrechter Spürung der alte Fühlung markieren konnte.

Sonja: Wir kasteiten Gefühle und Einbildungskraft, weil sie nicht zu Liebesfesten doch Daseinstumulten taugen mußten.

Vane: Nach Darwin, Haeckel, Nietzsche und der ganzen geistigen Bescherung.

Thylla: Bagage!

Maud: Schlossen Rundes, Zartes, Gefälliges unserer Erscheinung aus, als wir in die Welt auf rauhe Vorposten rückten.

Thylla: Schnitten, besser gehen und schauen zu können, den Rock, die Haare ab. Eine Armee Penthesileas!

Maud: Steckten Fühler, die in Jahrhunderten nach innen verkümmerten, steil in eiskalte Welt.

Sonja: Standen ohne Schutz als den unserer nackten Tapferkeit an abfallender Menschenfront.

Vane: Stellten fest so weit wir sahen, – –

Maud: Aberglauben!

Thylla: Schnöden Götzendienst!

Sonja: Vermoderte Ideologien!

Thylla: Verwahrlosung der Menschenbagage.

Vane: Ein krasses Panoptikum!

Siebenstern: Sic! Trotz blendendster Siege der Technik, soviel mühsamer Entwicklungsgeschichte?

Sonja: Gerade durch sie!

Thylla: Nieder der Orang-Utan!

Maud: A bas, der dämliche Zwischenkiefer!

Vane: Nieder die Technik! Mechanik, Motoren, Antennen!

Alle vier: Sie sind in Zukunft verflucht!

Siebenstern: Hört, hört!

Thylla: Besonders mit des Mädchens Jungfernschaft war seit Aeonen der faulste Zauber getrieben.

Maud: Unproduktiver Maskenball getanzt.

Sonja: Man hatte der Armen die Chloroformhaube ihrer geschlechtlichen Hörigkeit über das Gretchenzöpfchen gestülpt; die Elite der Völker, sogenannte Klassiker, ängstigte sie mit gedichtetem Spuk. »Dies irae, dies illa, solvet saeclum in favilla!«

Vane: Immer wieder kam man mit dem Helden, der, hatte er in der Weltgeschichte nichts Besseres zu tun, das Dornröschen mit launigem Feuerwerk zu seinem Vergnügen wachkitzelte.

Thylla (steht auf): Es ist in alten Mären – Wunders vil gesait – Von Helden lobebären – – man kennt sie jetzt die Helden in Anführungsstrichen! Bruch!

Maud (steht auf, singt): Könnt ich's denn – wüßt ich's noch – –!

Sonja (steht auf, singt): Hoihoitohohoh!

Thylla (steht auf): Das war ein Irrenhaus!

Sonja: In knapp fünf Jahren zertrümmerten wir Bastillen des Mannesübermuts, stürmten Gaurisankare europäischen Schutts in Brüche.

Alle vier: Das taten wir Mädchen von heute! Hallo! Hallo! Jawohl!

Setzen sich mit Ruck. Drei große rhythmische Atemzüge Pause

Siebenstern: Gut im Takt mit meinen Vokabeln gebrüllt, Verehrte. Radikal ausgeschnauft. Soweit bin ich zufrieden. – Seid aber nun ein wenig abgekämpft? Kippt das gerüttelte Bewußtsein? Nicht das von euch vieren allein, doch eurer Mitschwestern in Europa und Amerika? Braucht ihr den ersten großen Atemzug der Erholung? He?

Thylla: Sind geschickter und entschlossener als je zu unseren Notwendigkeiten.

Siebenstern: Entschlossener, verborgene Hilfskräfte mobil zu machen, eure Methoden zuzuspitzen.

Vane: Sie sind den männlichen längst ebenbürtig.

Maud: Überlegen.

Siebenstern: Und?

Thylla: Wie?

Sonja: Quoi encore, Monsieur le professeur?

Siebenstern: Wißt ihr nicht weiter? Antwort!

Schweigen

Siebenstern: Hier also erhellt immer noch elterliche Überlegenheit. Man kennt eure Ziele im Vaterhaus, ist baß entsetzt. Doch statt euch wie einst korrigierenden Prügeln auszuliefern, bringt man euch zu mir, von dem feststeht, er führt euch bestimmt nicht auf bürgerliche Schleichwege zurück, doch an den Rand heutiger Tatsachen und Erkenntnisse.

Vane: Famos!

Maud: Ein Schmollis den enthemmten Eltern!

Siebenstern: Kostet den Eindruck. – Das ist gänzlich neuer Akt. Laßt der sooft Geschmähten Bild euch einen langen Augenblick freundlich imponieren.

Schweigen

Thylla: So was machen Sie blendend!

Sonja: Das war menschlich erstklassig! Hoch Siebenstern!

Maud {wirft eine Kußhand in die Luft): Ich liebe im Grund meinen vermotteten alten Herrn. Eine süße Puppe das bemooste Haupt!

Vane (wirft Kußhand): Meine Mutter in ihrem tollen Barock ist eine Nummer für sich.

Thylla: Schmachvoll benahm ich mich gegen meinen bescheiden doch sauber gebildeten Erzeuger. Bereue! Eheu!

Siebenstern: Schickt ihnen statt ewig einzulösender Pfandscheine, die langweilig werden, einen zutraulichen Brief.

Alle (erheben sich): Das tun wir heute noch.

Setzen sich

Siebenstern: Die werden staunen. Kinderliebe! Vergessene Vokabel.

Pause

Siebenstern: Ferner: Ihr bekommt Zuwachs.

Sonja: Was?

Drei: Wen?

Siebenstern: In einer halben Stunde kommt mit dem Dampfer Mathilde aus Deutschland. Andresen holt sie ab.

Thylla (lachend): Mathilde – aus Deutschland!

Vane: Ich hasse die Boches!

Siebenstern: Ihr sprecht ihre Weltsprache.

Maud: Weil wir mit ihr einst bessere Geschäfte als mit unseren Dialekten machen wollen. Sonst wollen wir keinen Verkehr mit ihnen.

Thylla: Mathilde! Warum nicht Thusnelda, Brünhilde?

Sonja: Das ist Teutoburger Wald. Blonde Primitivität.

Maud (singt): Rotraud, süß Rotraud!

Vane: Fast Walhall!

Maud: Triste Fassade.

Thylla: Damit löschen Sie den Eindruck von eben wieder aus.

Siebenstern: Mathilde Enterlein ist uznachreif. Einziges Kind reicher Eltern, wird sie für arbeitende Massen triftige Entschlüsse fassen müssen; ringt wie ihr nach persönlicher radikaler Deutlichkeit. Wie ihr Maud letzthin herzlich empfingt, begegnet ihr nicht mit Vorurteilen.

Sonja: Wer in neue Situation befangen eintritt, bringt sich um ihren besten Reiz.

Maud: Wir wollen sie nüchtern und gründlich prüfen.

Vane: Mit Ihren Methoden soll sie von uns belichtet sein.

Thylla: Wenn nötig, reißen wir Vorhänge vor neuen Schauplätzen auf.

Siebenstern: Soweit ich sehe, bleibt auch für sie wenig zu entschleiern. Sie war ihrerseits nicht untätig.

Sonja: Aber wir wiederholen keine ollen Kamellen ihretwegen mit Ihnen.

Vane: Im Gegenteil: jetzt endlich letzten Schwung in die Sache!

Thylla: Müssen zum Winter in die Welt zurück. Theoretisch wurden wir sauber, praktisch blieben Sie uns die neuen Sehenswürdigkeiten schuldig.

Siebenstern: Nicht unbescheiden über Uznachs Programm hinaus! Es gab euch Start in anderes Sein. Brachte das neue Rhodus fertig. Springen in ihm müßt ihr selbst! Mit solchen Beinen wird es nicht schwer sein. Vane, deck endlich die Schenkel zu! Ich schließe die Stunde. Gymnastik fällt in Anbetracht der Neuen aus. Fräulein Vigdor ist benachrichtigt.

Alle sind aufgestanden

Maud: Sie sind nicht aufrichtig, Meister. Verheimlichen, die erste Bombenrolle der neuen Zeitrevue zum Auftritt fertig, prangt in der vordersten Kulisse.

Vane: Ihr Sohn Klaus kommt heute auch!

Siebenstern: Das geht zuerst den Vater an.

Maud: Uns alle packt der junge Mann mehr als die nebbich Enterlein.

Siebenstern: Das ist am anderen Geschlecht die erste ernste Anteilnahme, die ich bei euch merke. Sonst drücktet ihr unwiderruflich kühlen Abscheu aus.

Thylla: Was Sie bis jetzt an Männlichkeit in Uznach zeigten, konnte unseren begründeten degout nicht erschüttern. Andresen etwa?

Aller Gelächter

Vane: Dem von Ihnen tausendmal hymnisch angezogenen Knaben geht füglich Nimbus, duftender Geruch voraus.

Sonja: Dinge, die Sie aus seinen Briefen lasen, lassen männliche Art in uns bisher unbekannter Dichte ahnen.

Siebenstern: So bin ich gespannt, welche Formen ihr mit dem jungen Mann zur Geltung in europäische Mode bringt.

Thylla: Sie werden sehenswert sein.

Siebenstern: Wohin wollt ihr?

Maud: Uns fürs große Ereignis gebührend putzen natürlich.

Maud, Vane, Thylla oben exeunt

Siebenstern: Auf Wiedersehen!

Sonja (kommt herab): Dem Ankömmling gegenüber behalte auch ich mir freieste Hand und Handlung vor. Du schwärmtest so von ihm, daß mit aller Einbildung auch meine ihm verhaftet ist.

Siebenstern (ihr Auge in Auge): Schwärmte von mir nicht weniger stark.

Sonja: Und ich gab Beweise, daß ich Begeisterung für dich teilte.

Siebenstern: Feilschtest keine Sekunde, entzückt nahm ich die überstürzte Herrlichkeit. Deine, Sonja. Hoffen wir, ich dauere neben dem Jungen ein Weilchen – sonst – –

Sonja: Sonst?

Siebenstern: Liebe ich ihn so äffisch, daß ich auf viel für ihn verzichten kann.

Sonja: Liebst du mich noch?

Siebenstern: Das müssen wieder geänderte Umstände zeigen.

Sonja: So frech die Antwort ist, so wahrhaftig.

Siebenstern: Kluge Schülerin – du wirst das Leben reiten! Putzt du dich nicht?

Sonja: Vorbereitung belastet – lehrst du doch.

Siebenstern: Das begriffen die anderen nicht. Mit Putz und Puder scheinen sie noch immer von gestern.

Sonja: Außer in Reden und ihrer erledigten Jungfernschaft steht in nichts fest, ob sie sich wirklich von ihren Großmüttern unterscheiden.

Siebenstern: Du?

Sonja: Mit der Weiblichkeit bleibt's trotz hehrer Dränge in uns soso. Jedenfalls ist ein Kuß zwischen Geschlechtern in diesem Augenblick wieder himmlisch akut (küßt ihn)

Siebenstern: Doch wollt ihr aus so nacktem Ungestüm hinaus?

Sonja: Müssen's – in peinlich geiziger Zeit Luxus gilt nicht mehr. Ökonomie!

Schnell exit nach, oben

Siebenstern: Wie einfach war das für mich mit dreißig Jahren. Jeder Tag fegte Horizonte klar. Wie bewölkt ist dem Vierzigjährigen das Plausible, wie völlig rätselhaft das Leben wieder, das man schon geraten hatte!

 

Zweiter Auftritt

Von links ein schriller Ruf

Klaus: Hallo!

Siebenstern: Da ist er!

Klaus (tritt schnell auf): Vater! Mit dem Dampfer um. die Wette den See herum. Zehn Minuten eher mit dem Motorrad hier.

Siebenstern: Junge! (Umarmung) Laß dich besehen. Wie schaust du aus? Phantastisch!

Klaus: Unter spanischem Himmel von fünfzig Graden zum Neger geschwärzt. Muskeln, den Erdball zusammenzudrücken, (umarmt ihn stürmisch)

Siebenstern: Luft, Klaus! Ich bin nicht der Erdball!

Klaus: In nördlichen Zonen seid ihr vereist. Die ewige Lampe ist in euch erloschen! Du mußt mit mir nach Spaniens Süden, Afrika, tief in die Wüsten, wo Menschenblut in Sonne gar- und überkocht. Mich wirst du nicht wiederkennen. Rhythmus, bezaubernder Marsch fuhr mir in die Glieder. Meine Sehnsucht, dem Motor voran, donnerte dir entgegen; Begeisterung für die Stunde küßte den kühlen Bodensee in Flammen, (schüttelt ihm stürmisch die Hände)

Siebenstern: Au! Laß die Hände los!

Klaus: Ich beherrsche mich. Da unten solltest du mich schwärmen, mit der Glut der andern, erhitzter Kreatur um die Wette brennen sehen. Da stehe ich keine Minute still, nachts rattern meine Motore in die Mondbläue, lassen sich von so hellen Sternen, wie ihr Grönländer sie nicht sähet, zu großen Überlegungen leuchten.

Vater, was wurdet ihr für Menschen! Schon auf der Fahrt schien es nordwärts nicht nur klimatisch, aus mich stechenden Blicken kälter. Aber ich lasse mir Schwung und Brennkraft nicht nehmen; du mußte den ganzen Drang ertragen.

Siebenstern: Meine Gesellschaft soll mir helfen. Auf ein Dutzend Menschen kannst du dein Pulver verschießen.

Klaus: Als Heiland finde ich dich unter Aposteln wieder.

Siebenstern: Die Schule von Uznach blieb der letzte Ausweg, da unser Vaterland mich Dichter nicht wollte, uns durchzubringen, Junge. Fünf Mädel zahlen für den Anfang unser Leben.

Klaus: Nette?

Siebenstern: Schönheiten, Charaktere, Paradigmata!

Klaus (schriller kurzer Pfeiflaut)

Siebenstern: Doch grundsätzlich anderer Rasse als du scheinst. Wundern würde ich mich, fänden sie überhaupt Anschluß an dich.

Klaus: Feuer will ich unter ihre Dochte zünden.

Siebenstern: Unter alle auf einmal?

Klaus: Trotz unseres Temperamentsunterschiedes habe ich als dein Sohn auf niemand Absichten. Bin nur durch alle Phänomene aufgeregt.

Siebenstern: Du hast meine Bereitschaft, Mutters Tempo dazu.

Klaus: Und vor allen Dingen blendenden Respekt! Wer deine Erziehung hatte, steht gepackter als der Esel vor der Schöpfung.

Siebenstern: Für die Worte, die kein anderer sagte, danke ich.

Klaus: Laß mich die Liebeserklärung ausreden. Kein Mann in England, Frankreich, Spanien verdunkelte deine Rechtschaffenheit. Mit keinem war ich in so ausgesprochenen Situationen. Du mußt mit in den Süden, Vater; dein Innerstes, was der Menschheit noch von dir gehört ausbrennen. Du bist fähig, ein Anreger zu sein.

Siebenstern: In der Schule von Uznach!

Klaus: Zu eng, klimatisch falsch im Korridor der Zivilisation gelegen. Die versteinerten Zeitgenossen in neuen Fluß zu bringen, müssen höchste Temperaturen helfen. Mit Worten sind die Fossile ans Mimikry, Anpassung an alles Infame und Unpersönliche nicht zu erlösen. Wie willst du den durch technischen Blödsinn Berauschten Impulse höherer Selbständigkeit wiedergeben? Laß die zu Beton Verkalkten; sieh mindestens selbst den gefühlsmäßigen Überfluß, originalen Rhythmus in Zonen, von deren ohne Kohle und öl polternder Überproduktion du dir nichts einbildest.

Siebenstern: Die Menschen hier sind vielfach von mir enthemmt.

Klaus: Doch wird ihre neue Freiheit andere Befangenheit, stärkerer Machtwille auf neue Umstände, neue Menschen, sei es mit Giftgasen, sein. Und würfest du sie in den Urzustand zurück, nie ändern sie die innere Marschrichtung zur Gewalt, zum Größenwahn.

Siebenstern: Wie dich die Reise wirklich reifte! Mit dreihundert Franken monatlich schießt noch solcher Kerl ins Kraut?

Klaus: Und spart vom väterlichen Wechsel das Motorrad dazu.

Siebenstern (sieht ihn an): Ein schöner Bursche bist du geworden.

Klaus (lacht): Das sagt allenthalben Weiblichkeit auch.

Siebenstern: Hast du Distanz zu ihr?

Klaus: Dem Typ von heute gegenüber ist, Enthaltsamkeit zu üben, nicht schwer.

Siebenstern: Das junge Mädchen ist am schnell eroberten Platz im Leben überanstrengt, mürb, geschlechtlich abgekämpft.

Klaus: Fast ein Jahrzehnt nach dem Krieg durfte der Jüngling über dem Mädchen vergessen, in seinen Gefühlsgründen sich zu sich selbst erholen.

Siebenstern: Tat er's? War die Pause schöpferisch?

Klaus: Prüfe mich auf meine Frische! Das Mädchen aus seiner schäbigen Mitgenommenheit und Abgegriffenheit verdient großes Mitleid.

Siebenstern (lacht): Mitleid? Da werden unsere Hausgenossinnen Augen machen.

Klaus: Im rechten Augenblick wird der erfrischte Mann zu allem anderen mit ihnen wieder bereit sein.

Siebenstern: Wir armen Alten. Mit unserem verhedderten Kauderwelsch können wir in einer fehlenden Welt der Erwachsenen so klar das Neue nicht sagen.

Klaus: Niemand bringt wie du Wahrheit an den Tag.

 

Dritter Auftritt

Thylla tritt auf der Hausterrasse auf

Siebenstern: Sie treten, daß jede zu ganzer Geltung kommt, wie Mannequins einzeln auf. Thylla Vandenbergh aus Utrecht Arzneimittelfabriken. Mehr sage ich nicht.

Thylla: Beim ersten Anblick eines hübschen Mädels interessiert Klaus dessen Nationalität und alter Herr nicht. Sicher hat er inzwischen andere Entdeckungen an mir gemacht.

Klaus: Für die Sie durch prachtvollen Zufall der Sonne oben durchleuchtet stehen.

Thylla: Mit Absicht in einer Pose, Klaus, die Sie bezaubern soll.

Kommt herab

Gegrüßt Gestirn am jungen Männerhimmel!

Sieht ihn an

Sie entsprechen vollkommen, und wissen, daß Ihr Vater Sie abgöttisch liebt vor Sehnsucht nach Ihnen starb.

Klaus: Ich hoffe es, Thylla.

Er schüttelt ihr, die sich unter seinem Griff krümmt, die Hand

Vane (tritt oben auf): Vane von Peschel. Tochter eines berühmten russischen Feldmarschalls aus Operetten des Japanischen und Russisch-Deutschen Krieges, der trotz aller Revolutionen und Sowjets steinreich in Baden-Baden lebt. Etsch!

Kommt herab

Klaus: Ich bin nicht neidisch. Gönne dem alten Haudegen und Ihnen Glück, alles Kostbare des Lebens, Vane.

Schüttelt ihr die Hände

Vane (schreit auf): Um Gottes willen!

Klaus (lacht, läßt ihre Hände los): Verzeihen Sie!

Vane: Greifen Sie immer so zu?

Klaus (immer lachend): Wo es geboten ist.

Thylla: Scharmant!

Maud tritt oben auf

Siebenstern: Und da – Uznachs Gipfel und Gral: Maud Panhorst, Erbin riesiger Stahlwerke in Amerika. Siebzigtausend Arbeiter usw.

Maud: Unsinn! (kommt herab) Hier, Maud – blühreife Polle, sonst nichts. Tag! Hoffentlich haben auch Sie auf Reisen Hermann, den albernen Cherusker, Karl den Dicken, Großen, Kühnen, Kahlen, und welchen Ramsch des Kulturguts Sie sonst noch lernten, verschwitzt.

Vane: Verpflichtenden Zement.

Thylla: Toute la camelotte européenne.

Siebenstern: Und wo bleibt Sonja?

Sonja (steckt oben das Bein zur Haustür hinaus und winkt mit ihm): Von mir kurzen Gruß. Ich will Sie in diesem Augenblick nicht kennen, Klaus. Pikante Weiblichkeit umsteht Sie reichlich, und gleich kommt noch eine dazu. Ich spare mich für später auf. (wirft die Tür zu)

Vane: Das gilt nicht!

Maud: Der Trick ist zu raffiniert!

Klaus: Wer fehlt hier noch?

Siebenstern: Muß auch jeden Augenblick da sein.

Maud, Thylla, Vane (schließen einen Reigen um Klaus, singen und tanzen zu der Mozartschen Melodie):

Liebe Schwestern zur Freude geboren
Retten wir uns in Isolation, in Isolation, in Isolation,
Waren einst an den Mann wir verloren,
Sind wir jetzt nur die eigne Person, nur pure Person,
nur unsere pure Person.

Tralala, Tralala, Tralalalalalalalala.

Allgemeines Gelächter

Siebenstern (singt hinein): Da ist sie ja schon!

 

Vierter Auftritt

Mathilde Enterlein, der Andresen die Handtasche trägt, tritt von links auf

Mathilde (überrascht): Oh!

Siebenstern: Seien Sie herzlich in Uznach willkommen, Mathilde!

Die Drei Mädchen schließen einen Reigen um Mathilde, tanzen und knicksen stürmisch

Maud (nach der Melodie: »Ça ça geschmauset«): Ich heiße Maud.

Vane (ebenso): Vane bin ich.

Thylla: Thylla mein Name.

Alle Drei: Post multa saecula saeculum novum!

Mathilde mit kleinem Schrei ohnmächtig

Siebenstern: Zu wüst auf sie euer Eindruck, (er nimmt sie mit Andresens Hilfe unter den Arm, führt sie die Stufen hinauf)

Mathilde (oben ermachend): Verzeihung! Bitte? (sieht sich um und zurück)

Siebenstern: Das ist mein Sohn Klaus!

Mathilde, Siebenstern, Andresen verschwinden oben durch die Haustür

Maud (hinaufsteigend): Glänzend der Auftritt!

Thylla (hinaufsteigend): Trotz der Beine, vorsintflutlicher Frisur! Mathilde!

Maud (hinaufsteigend, Kommando oben): Aufgepaßt, Schwestern!

Machen hinter sich die Tür zu

Klaus (nach Pause mit schrillem, großem Pfiff): Donner und Doria!

Vorhang

 


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