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Herakles' Erdenfahrt

Und als nun Herakles hinlänglich menschenhart
Befunden war, ein Lügenfeind und Widerpart
Der Massenfeigheit und der Herdenheuchelei,
Gemäss des Schöpfers Vorbild als sein Konterfei,
Erhob die Arme Zeus zum Schicksal im Gebet:
«Erhöre, Moira! Zeus der Himmelskönig fleht.
Nicht für sich selber. Mitleid heisst den Wunsch mich weinen,
Dass dein Erbarmen du vermählest mit dem meinen.
Ein Abbild hab ich mir geschaffen, willensgross,
Zwar an Geblüt und Leibestracht ein Menschlein bloss,
Der Erde pflichtig. Vor der Übelnisse Scharen,
Ob Zeus ich heisse, kann mein Arm ihn nicht bewahren.
Gleich jedem andern wartet sein das Tränenbrot,
Und seiner tausend Mühen Endziel ist der Tod.
Ich heische keinen Göttertisch für meinen Sohn,
Nicht Volksgunst, weder Herrschermacht noch Ehrenlohn.
Um eins nur bitt ich: woll dem Ungeziefer wehren!
Lass Kränkung nicht erbittern dieses Edlen Schwären!
Gib, dass das Menschenvolk geziemlich ihn begrüsse,
Und wer ihm ungebührlich naht, es schimpflich büsse.»

Sieh, Moira ihm zur Seite. «Fordre!» sagte sie,
«Ich schreibe.» Sprachs und setzte sich bereit, ein Knie
Aufs andre, netzte mit dem Mund des Griffels Stift:
«Dreimal, was du verlangest, schreib ich ihm zur Gift.»
«Zunächst begehr ich», sprach er, «ihm zum Eigentum
Das, was dem Sohn des Zeus zu Recht gebührt: den Ruhm.
Auf dass der Frechheit Schopf gezwungen sich verneige,
Und, wenn er seinen Mund erschliesst, der Schwätzer schweige.»
«Vernommen», sagte Moira,» ‹Ruhm› hab ich geschrieben.
Fahr fort, ich höre zu. Was mag dir mehr belieben?»
Und als er zweifelte: «Ich warte: was verfügt
Dein Wille weiter?» – «Nichts mehr», schloss er, «das genügt.»
«Wie dir gefällt!» Stand auf, reicht ihm die Schicksalsrolle
Für Herakles; hernach verschwand die Gnadenvolle.

Der König aber lud zu sich die Heroldschar:
«Die Harfenspieler und die Sängerinnen dar!
Auf dass mit Hall und Schall in lieblichem Geleite
Gestärkten Mutes Herakles nach Erden schreite!»
Und als nun vor dem Tor gedämpftes Saitenschwirren
Vernommen ward und des Gelächters Gurgelgirren
Verriet der Sängerinnen übermütige Nähe,
Sprach Zeus zu Herakles: «Nun tut der Abschied wehe!»
Führt ihn hinab zum Hof und Brunnen, langt ein Glas
Und füllt es unterm Sprudel, trank daraus etwas
Und bot das übrige dem Sohne freundlich dar:
«Trink herzhaft», mahnt er, «denn der Quell ist klar und wahr!»
Dann, ihm die Hände auf die Schultern legend: «Mann!
Geschehe, was da will, und komme, was da kann:
Du hast empfangen eine königliche Taufe,
Du hast geschlürft vom Sprudel aus der Wahrheit Traufe,
Du hast mit Zeus aus einem selben Glas getrunken –
Das raubt dir keine Macht von Tausenden Halunken.
Und brauchst du Trost einmal in einer schwarzen Stunde,
Schau auf, erinnre dich: du stehst mit mir im Bunde.
Was ich für dich vermochte, ist hiermit geschehn.
Wir wollen jetzt nach deinem Weggefolge sehn.»
Und wie nun unter Saitenspiel und Sangesbraus
Der König mit dem Sohne trat vors Haus hinaus,
Horch: Geisselknallen, Pferdeklingeln! Federn, Fahnen!
Und sieh: ein Wagenzug von fürstlichen Titanen.
«Willkomm zum Gruss! Was habt ihr mir?» rief Zeus. «Wir haben
Den Sohn des Zeus mit Angebinden zu begaben.»
«Habt Dank! Daran erkenn ich lieber Vettern Weise.»
Die Fürsten stellten sich um Herakles im Kreise:
Den Adel schenkt ihm Artemis, Apoll den Mut,
Pallas den scharfen Geist, der keinen Irrtum tut,
Hermes der Augen schönen Blick, erwärmt von Güte,
Und Aphrodite lacht ihm Frohsinn ins Gemüte.
Zeus aber sprach, den Schicksalsrodel um die Brust
Des Sohnes hängend: «Da du endlich ziehen musst,
Empfang denn meinen Wegspruch: Allzeit Trotz im Kopf!
Scher dich um keinen Lumpenhund und sei kein Tropf!»
Danach verzog mit Sang und Klang das Weggeleite,
Geschart um Herakles, feldeinwärts in die Weite.

Hoch schwang das Reiselied voraus ins Himmelsblau,
Und goldne Ähren hielten von den Hügeln Schau.
Wer von den Ackerleuten Herakles erblickte,
War keiner, der ihm nicht ein freundlich Sprüchlein schickte.
«Wohlfahrt nach Erden! Wohlergehn im Menschenland!»
Die Knaben sprangen her und boten ihm die Hand.
Ein Mägdlein lacht aus Aug und Mund und Backen aus
Und steckt ihm vor den Busen einen Blumenstrauss.
Und andre Menschenseelen, kreuzend seine Bahn,
Lugten aus Traumesaugen ihn verwundert an:
«Wer kommt da, dessen Schritte tönen Sieg und Heil?
Und seines Heldenwuchses Stamm ist stolz und steil!»
Doch eine Jungfrau, von den Menschenseelen eine,
Höher und schöner als der andern Jungfraun keine,
Ging auf ihn zu, die Locken wie im Schlaf bewegend,
Und stellt ihn still, den Finger vor die Brust ihm legend.
Dann senkte sinnend sie die Stirn und seufzte: «Oh!
Wo ist dort fremd im Erdenland die Strasse, wo?
– Sag mirs, du grosser Unbekannter, sag das mir –
Die über Berg und finstre Wälder führt zu dir?
Und wärens vieler Tag und Nächte tausend Meilen,
Ich will mit hastgem Herzensatem dich ereilen.
Und wärs durch spitze Dornen, wärs durch blutige Wunden,
Ich will den Fuss nicht warten, bis ich dich gefunden.
Denn sieh: auf Erden weiss ich nicht, wo Heimat ist,
Drum will ich wohnen gehen, wo du mit mir bist.»
So seufzt im Traum die Jungfrau. Dann, den Spruch beendet,
Verzog sie ihres Wegs, den Blick zurückgewendet.

Und Herakles, von Lieb und Güte so umkreist,
Erhob im Rausch die Seele und begann im Geist:
«Von Erden einen Gipfel seh ich mahnend ragen.
Aus ernster Andacht ein Gelöbnis will ich sagen:
Ihr wonnigen Gauen des Olympos, farbenschön,
Du hehrer Himmel, schwebend über Wolkenhöhn,
Ihr Teuren alle, seid mir Zeugen: ja, ich schwöre,
Dass ich nicht mir, nur meinem Werk allein gehöre
Mit Herz und Händen, weder Lust noch Rust mir gönnend,
Das Grosse mögend und das Nievermochte könnend.
O Menschen, liebe Brüder, liebe Schwestern mein,
Ich will euch Freund und treuergebner Beistand sein.
Um keinen Lohn, es sei denn nach vollbrachter Tat
Ein stummer Blick der Besten, wissend, was ich tat.
Gegrüsst mir, Erde! Willig zahl ich Mühezoll.
Beseelten Mutes komm ich leisten, was ich soll.»
Er riefs, die Chöre jauchzten auf, die Harfen hallten,
Und weiter ging es durch die goldnen Felderfalten.

Doch als sie nachmals kamen auf die kahle Heide
Mit Namen Ate, oben auf der Wasserscheide,
Und nahten dem unheimlichen, verrufnen Stein,
Wo nachts Schakale heulen und tagaus, tagein
Ein scheussliches Geflügel krächzt, als schmutzige Reiher,
Aaskrähen, feige, und verschmitzte Gänsegeier,
Da trat, gebieterisch den Durchpass mit dem Leib
Versperrend, hinterm Stein hervor ein feindlich Weib.
«Halt!» herrschte sie, die Arme wehrend vor sich hin.
Und zagend zischelte der Schreck: «Die Königin!»
«Schwenkt um!» tönt ihr Befehl. «Genug der Narrenfuhr!
Ich selber übernehme diesen. Heim die Spur!»
Bestürzt vernahmens die Gefährten: «Weh der Schere!
Zwei Fürstenworte fechten kreuzweis in die Quere.
Dort ‹vorwärts›, hier ‹zurück!› Was tun? Verübeln freilich
Wird es der Herr. Doch Frauengroll ist nicht gedeihlich.»
Und gaben zögernd nach und lieferten, nicht gerne,
Das Opfer aus und kehrten kleinlaut in die Ferne.

«Jetzt, Herakles», hohnlachte Hera, «bist du mein.
Und was ich mit dir habe, wird dir deutlich sein.»
Den Handbrief Moiras riss sie ihm mit heftiger Faust
Vom Hals und streut ihn in den Wind, zerpflückt, zerzaust.
Die Gänsegeier sahen zu mit Hump und Hink,
Erhaschten husch die Fetzen und entwischten flink.
«Wer darf», schrie Herakles, «wer darf sich das erlauben,
Mein Recht von Zeus und Moiras Gnaden mir zu rauben?
Und wer bist du, dass Grausamkeit dich mag ergetzen?»
«Getrost!» rief sie, «ich will dir den Verlust ersetzen!»
Und hurtig in des Mantels Busen langend, schlang
Sie ihm ein schwarzes Brieflein um den Hals mit Zwang.
Geschlossen war das Schreiben und versiegelt noch;
Doch kaum dass er den Rauch der giftigen Runen roch,
Warf ekelnd er die Stirn zurück und sträubte sich,
Von Abscheu übermannt, und ächzte bitterlich.
Dem Ochsen gleich, wenn er, dem Todesbeil verkauft,
Plötzlich die Schlachthofmauer sieht und stöhnt und schnauft
Und sperrt die Beine, schaudernd vor dem Blutgeruch:
So Herakles vor seinem andern Schicksalsspruch.
Hera indessen rief mit einem schrillen Schrei
Einen Gewaltgen, hinterm Stein versteckt, herbei.
«Hinweg mit diesem», gellte sie, «wohin du weisst!»
«Bewusst, erhabne Herrin, was Gehorsam heisst.»

Und wie nun Herakles an des Gewaltgen Seite
Mit schwerem Mute traurig wandert in die Weite,
Verschwindend in den Hohlweg hinterm Steine dort,
Erschwang mit schnellem Lauf Hera das Rasenbort,
Das überm Hohlweg ansteigt, folgt ihm stetig nach,
Verhöhnend den Verdammten, rief ihn an und sprach:
«Was zögerst du und weigerst widerwillentlich
Die lahmen Füsse? Heissa! lustig! tummle dich!
Schützel des Zeus! Erheb zum Tanz den Hochzeitsgang:
Gar lieblich wartet dein des Menschenvolks Empfang.
Mehr sag ich nicht. Geheim! Nicht an der Zukunft naschen!
Es ist ein Findmichnicht, es soll dich überraschen.
Schatzkind der Götter, goldnes Herzblatt aller Seelen,
Komm, lehn an meine Brust, ich will dir hübsch erzählen:
‹Es war einmal ein Bulle, aus dem Pferch gestossen:
In Wüsteneinsamkeit mocht er beliebig grossen.
Es war einmal ein Held, den Helden überlegen:
Sie wölkten Finsternis um ihn. Nun ficht dagegen!
Es war einmal ein Adler, flügellahm geschossen:
‹So musst du fliegen›, zeigten Sperling und Genossen.
Es starb einmal ein Riese. ‹Brauchts zur Warnung, Buben!›
Lehrten die Zwerge, die ihn weinerlich begruben.
Ha! schüttle nur den Stirnbusch! Stemm nur dein Genick!
Wie? du versuchsts? du wagsts? du kreuzest meinen Blick?
Wahnwitzger Wicht! Mach auf den Schicksalsbrief und lies!
Schmeck seinen Inhalt! Schleck die Zunge! Mundet dies?
Ein Stein am Weg mit Namen ‹Nichts›; ein Blatt im Garten;
Dem Lebensdurst die ewige Antwort: ‹Warten, warten!›
Die Jugend, die dir klanglos von den Schultern fault;
Das Anrecht, das vergebens nach dem Richter mault;
Ohnmächtig spürend, wie dir Glaub und Hoffnung fliehn;
Durchs Fenster schauend, wie Jahrzehnte haltlos ziehn;
So Weg als Steg, so Tür als Tor zum Licht verrammelt:
Zähl, wieviel Bitterkeit ein Menschenleben sammelt!
Du meinst: ‹Halt aus! Am letzten lohnt der Sieg! Huida!
Besorge nichts: der Tanz ist um, der Tod ist da!›»

Sie riefs. Vergrämt die Strasse wankend, kehrt indes
Das düstre Haupt und hob die Stimme Herakles:
«Ich frag und forsche nicht, du Unheilsweib, warum
Dein Geifer mich verfolgt. Behalts zum Eigentum!
Aus deinen Blicken, deinem Atem faucht der Hass,
Und leckern Trunk erwart ich nicht aus faulem Fass.
Doch wenn du etwa wähnst, mit deinen Mörderstreichen
Zu Bitten meine Manneswürde zu erweichen,
Enttäusch dich, Weib! Wohl schmeckt es herb und sauer zwar,
Im Dunkeln zu ersticken, wenn man Leuchter war,
Und für zu hohen Wuchs verfemt auf Lebenszeit,
Mein bebend Herz bekennts, ist keine Kleinigkeit.
Kannst eines doch mir nicht entwenden, Unhold, eins:
Dass ich mit meinem Amt und meiner Seele eins,
Dass ich verspüre, was ich kann und wer ich bin;
Die Werke, die ich wäge, würgst du mir nicht hin.
Lass immer deines Neides Krähenschwänze rauschen:
Ich heisse Herakles, mit keinem möcht ich tauschen!»
Auf schäumte sie, zerriss vor Schmerz und wilder Wut
Die Kleider, schlug die Stirn sich, biss die Faust aufs Blut:
«O Schlag ins Angesicht! O Schmach der schmutzigen Schande!
Heisse die Himmelskönigin, und nicht imstande,
Ein nichtig sterblich Menschenmännlein weich zu schlagen!
Frechheit, noch nie erhört: ein Mensch, und will nicht klagen!
Zu dir, allmächtge Bosheit, die das Weltall schuf,
Dass jeglich Leben dir erstatte Weheruf,
Gellt mein Geschrei: Schau her, hier streitet deine Sache.
Rache für einen Glücklichen verlang ich, Rache!»
Und während sie noch sprach: ein Pfiff. Ein Bosheitsblitz
Flog an, und ein Gedanke – «ich bins!» – sprang vom Sitz.
Der züngelt ihr ins Ohr: «Willst einen Mann du kränken,
Musst nicht an Schaden, an Beschämung musst du denken.»
Gelernt, gemerkt. Und frischen Mutes hatte schon
Sie Herakles erreicht und schüttelt ihm den Hohn
Aus vollem Ärmel übers Haupt: «Viel Gunst und Gaben
Hast du von andrer Huld! Du darfst auch meine haben:
Ein weiches Narrenherz vermach ich dir – greif zu! –
Dass nie ein ärmrer Narr auf Erden war als du;
Das nach geträumten Sonnen deine Sehnsucht prellt,
Das Fleisch und Blut als Gottheit dir vor Augen stellt.
Dem Weib, du trotzger Herr von oben, sollst du dienen,
Um Gnade bettelnd aus der nächsten Huldin Mienen.
O welche Hoheit! Seufzer schmachten, Schluchzer plärren!
Und deine Wunden darf man durch die Mäuler zerren.
Such dann dein Selbstbewusstsein, ob im Spott dus findest:
Vielleicht, dass du den Ruhm an deine Possen bindest.
Dank hübsch, verneig dich: Schellen sind zum Frohsinn nütze.
Fahr wohl, o Sohn des Zeus, im Schmuck der Narrenmütze!»

Die Lippen nagend, sprach er düster: «Gut gehasst!
Das war der rechte Fleck, den du getroffen hast.
Diesmal, ich sag es frei, denn Wahrheit nenn ich Sitte,
Bin ich besiegt. Ein Bettler steht vor dir: ich bitte.
Um Mitleid nicht, um Anstand. Weib, der Jägerstolz
Kennt ein Gesetz: dem Hochwild gilt kein bübischer Bolz.
Drum schinde nicht, bedien dich weidgerechter Waffen.
Im Namen Zeus', der mich zu grossem Werk geschaffen,
Im Namen der Titanenfürsten, deren Gaben
Mit Willensmut und Tatkraft mich gezeichnet haben,
Ruft mein Gebet: Sei grausam, sei nicht adelsohne!
Vom Narrenherzen schone meine Würde, schone!
Enterbt, beraubt, verbannt: genügt dem Hass, mir scheint.
Demütigung ward nie von edlem Feind gemeint.
Lass deine Flüche, brauchst dus, doppelt mich erfahren:
Die Röte der Beschämung sollst du mir ersparen!»

Im Kreise schwang sich Hera: «Wohl mir, das behagt!
Die Stimme tränt, die Worte hat der Schmerz gesagt.
O Labsal! Süsse Wonne, mehr als Honig gut:
Mitleid zu spüren, wies dem Feinde wehe tut!»
Sie riefs. Und jung genesen, seiner Qual gewiss,
Zog sie von dannen in erquickter Heiternis.

Doch Herakles hub an, den Blick zurückgewandt:
«Mein Vater Zeus, der du nach Erden mich gesandt!
Dein gnädiger Wille hiess, dass Werk und Lohn sich eine,
Dass mir für viele Müh ein wenig Sonne scheine.
Es ist dahin, vom Neid entwendet und gestohlen.
Nun liegt mir ob, im Undank mein Verdienst zu holen.
Wenn meine Werk und Taten minder mir gedeihen,
So wolle Nachsicht mir darum, mein Vater, leihen!»
Er sprachs. Und vor dem Odem, der den Spruch durchwehte,
Beugte der Scherge Haupt und Nacken zum Gebete.

Hinter dem Hohlweg ging die Reise allgemach
Talwärts, der Erde zu, auf sanft geneigtem Dach.
Doch wie sie schliesslich kamen an die schroffe Wand,
Von wo der Weg hinabstürzt in das Erdenland
Und wo aus hundert Höhlen, tausend Felsenklausen
Die Wasserfälle des Olymp zur Tiefe brausen:
Horch, hinter ihren Schritten Adlerflügelsausen;
Und in der Feme, sieh, auf luftiger Bergesspitze
Der grosse Zeus im Blendeglanz der Sonnenblitze.
Freiragend schaut er von dem waldumkränzten Throne,
Und Abschiedsgrüsse winkt er freundlich seinem Sohne.

Jetzt aufrecht, hoch den Arm zum Gegengruss erhoben,
Schwang Herakles das stolze Wort ihm zu nach oben:
«Hie Wasserdonnertanz, umrauscht von Adlerflug!
Mut sei mein Wahlspruch bis zum letzten Atemzug!
Mein Herz heisst ‹Dennoch›. Herakles bedarf nicht Dank;
Auch mit verhärmten Wangen geht sichs ohne Wank.
Genug, dass über meinem Blick der Himmel steht;
Getrost, dass eines Gottes Odem mich umweht.
Und wenn im Spiegel Torheit mich und Schwächen grüssen,
Ich nehms in Kauf; was tuts? man wird es eben büssen.
Dummheit, ich reize dich! Bosheit, heran zum Streit!
Lass sehen, wer da bändigt, welchen Zeus geweiht!»

Er riefs, warf seinen Trotz voraus die Erdenstrasse
Und folgte festen Trittes nach mit Ruh und Masse.

 


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