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Der Ausgang: Aufstieg und Ende der Maschinenkultur

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Die »Kultur« der bewaffneten Hand hatte einen langen Atem und hat die ganze Gattung Mensch ergriffen. Die »Kulturen des Sprechens und Unternehmens« – es sind bereits mehrere, die sich deutlich unterscheiden lassen –, diese Kulturen des beginnenden seelischen Gegensatzes zwischen Persönlichkeit und Masse, des herrschsüchtig werdenden »Geistes« und des von ihm vergewaltigten Lebens ergreifen nur noch einen Teil der Menschenwelt und sind heute, nach wenigen Jahrtausenden, längst alle erloschen und zersetzt. Was wir »Naturvölker« und »Primitive« nennen, sind nur die Reste des lebenden Materials, Ruinen einstiger durchseelter Formen, Schlacken, aus denen die Glut des Werdens und Vergehens entschwunden ist.

Aus diesem Boden wachsen seit 3000 v. Chr. hier und dort die hohen Kulturen Unterg. d. Abendl. I Kap. II § 6. auf, Kulturen im engsten und größten Sinne, jede nur noch einen sehr kleinen Raum der Erdoberfläche erfüllend und von der Dauer kaum eines Jahrtausends. Es ist das Tempo der letzten Katastrophen. Jedes Jahrzehnt bedeutet etwas, jedes einzelne Jahr fast hat »ein Gesicht«. Es ist Weltgeschichte im eigentlichsten, anspruchsvollsten Sinne. Diese Gruppe von leidenschaftlichen Lebensläufen hat als ihr Symbol und ihre »Welt« die Stadt erfunden, gegenüber dem Dorf der voraufgehenden Stufe, die steinerne Stadt als das Gehäuse des ganz künstlichen, von der mütterlichen Erde getrennten, vollkommen gegennatürlich gewordenen Lebens, die Stadt des wurzellosen Denkens, welche die Ströme des Lebens vom Lande an sich zieht und verbraucht. Unterg. d. Abendl. II Kap. II: Die Seele der Stadt.

Dort entsteht die » Gesellschaft« Unterg. d. Abendl. II Kap. IV § 1 und 4. mit ihrer ständischen Rangordnung – Adlige, Priester, Bürger – gegenüber dem »groben Bauerntum« als die künstliche Stufung des Lebens – die natürliche ist die in Starke und Schwache, Kluge und Dumme – und als Sitz einer vollkommen durchgeistigten Kulturentwicklung. Dort herrschen »Luxus« und »Reichtum«. Das sind Begriffe, die von denen, die nicht dazu gehören, neidisch mißverstanden werden. Aber Luxus ist nichts als Kultur in anspruchsvollster Form. Man denke an das Athen des Perikles, das Bagdad Harun al Raschids und an das Rokoko. Diese Kultur der Städte ist durch und durch Luxus, in allen Schichten und Berufen, um so reicher und reifer, je später die Zeiten werden, durch und durch künstlich, ob es sich nun um Künste der Diplomatie, der Lebensführung, des Schmückens, Schreibens und Denkens oder des Wirtschaftslebens handelt. Ohne wirtschaftlichen Reichtum, der sich in wenigen Händen sammelt, ist auch »Reichtum« an bildenden Künsten, an Geist, an vornehmer Sitte unmöglich, um von dem Luxus an Weltanschauungen, an theoretischem statt praktischem Denken zu schweigen. Wirtschaftliche Verarmung zieht geistige und künstlerische sofort nach sich.

Und in diesem Sinne sind auch die technischen Verfahren, die in der Gruppe dieser Kulturen heranreifen, geistiger Luxus, späte, süße, leichtverletzliche Früchte einer wachsenden Künstlichkeit und Durchgeistigung. Sie beginnen mit dem Bau der Gräberpyramiden Ägyptens und der sumerischen Tempeltürme Babyloniens, die im dritten Jahrtausend v. Chr. tief im Süden entstehen und lediglich den Sieg über schwere Massen bedeuten, und gehen über die Unternehmungen der chinesischen, indischen, antiken, der arabischen und mexikanischen Kultur bis zu denen der faustischen im zweiten Jahrtausend n. Chr. im hohen Norden, welche den Sieg über schwere Probleme reinen technischen Denkens darstellen.

Denn diese Kulturen wachsen unabhängig voneinander und in einer Folge auf, die von Süden nach Norden weist. Die faustische, westeuropäische Kultur ist vielleicht nicht die letzte, sicherlich aber die gewaltigste, leidenschaftlichste, durch ihren inneren Gegensatz zwischen umfassender Durchgeistigung und tiefster seelischer Zerrissenheit die tragischste von allen. Es ist möglich, daß noch ein matter Nachzügler kommt, etwa irgendwo in der Ebene zwischen Weichsel und Amur und im nächsten Jahrtausend, hier aber ist der Kampf zwischen der Natur und dem Menschen, der sich durch sein historisches Dasein gegen sie aufgelehnt hat, praktisch zu Ende geführt worden.

Die nordische Landschaft hat den Menschenschlag in ihr durch die Schwere der Lebensbedingungen, die Kälte, die beständige Lebens not zu harten Rassen geschmiedet, mit einem bis aufs äußerste geschärften Geist, mit der kalten Glut einer unbändigen Leidenschaft im Kämpfen, Wagen, Vorwärtsdrängen – das, was ich das Pathos der dritten Dimension genannt habe. Unterg. d. Abendl. I Kap. III § 2 f., Kap. V § 3. Es sind noch einmal echte Raubtiere, deren Seelenkraft nach der Unmöglichkeit ringt, die Übermacht des Denkens, des organisierten künstlichen Lebens über das Blut zu brechen und in ein Dienen zu verwandeln, das Schicksal der freien Persönlichkeit zum Sinn der Welt zu erheben. Ein Wille zur Macht, der aller Grenzen von Zeit und Raum spottet, der das Grenzenlose, das Unendliche zum eigentlichen Ziel hat, unterwirft sich ganze Erdteile, umfaßt zuletzt den Erdball mit den Formen seines Verkehrs und seines Nachrichtenwesens und verwandelt ihn durch die Gewalt seiner praktischen Energie und die Ungeheuerlichkeit seiner technischen Verfahren.

Am Anfang jeder hohen Kultur bilden sich die beiden Urstände, Adel und Priestertum, als die Anfänge der »Gesellschaft« über dem bäuerlichen Leben des flachen Landes. Unterg. d. Abend. II Kap. IV § 2. Sie verkörpern Ideen, und zwar Ideen, die einander ausschließen. Der Adlige, Krieger, Abenteurer lebt in der Welt der Tatsachen, der Priester, Gelehrte, Philosoph in seiner Welt der Wahrheiten. Der eine erleidet oder ist ein Schicksal, der andere denkt in Kausalitäten. Jener will den Geist in den Dienst eines starken Lebens stellen, dieser sein Leben in den Dienst des Geistes. Nirgends hat der Gegensatz unversöhnlichere Formen angenommen als in der faustischen Kultur, in der das stolze Blut der Raubtiere sich zum letzten Male gegen die Tyrannei des reinen Denkens auflehnt. Von dem Kampf zwischen den Ideen des Kaisertums und Papsttums im 12. und 13. Jahrhundert an bis zum Kampf zwischen den Mächten einer vornehmen Rassetradition – Königtum, Adel, Heer – und den Theorien eines plebejischen Rationalismus, Liberalismus, Sozialismus – von der französischen bis zur deutschen Revolution – wurde immer wieder die Entscheidung gesucht.

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Dieser Unterschied besteht in voller Größe zwischen den Wikingern des Blutes und den Wikingern des Geistes im Aufstieg der faustischen Kultur. Jene erreichen in unstillbarem Drang nach unendlichen Fernen vom hohen Norden aus 796 Spanien, 859 das Innere Rußlands, 861 Island und zur selben Zeit Marokko, von dort her die Provence und die Nähe von Rom, 865 über Kijew (Kaenugard) das Schwarze Meer und Byzanz, 880 das Kaspische Meer, 909 Persien. Sie besiedeln um 900 die Normandie und Island, um 980 Grönland, entdecken um 1000 Nordamerika. 1029 sind sie von der Normandie her in Unteritalien und Sizilien, 1034 von Byzanz aus in Griechenland und Kleinasien, 1066 erobern sie von der Normandie aus England. K. Th. Strasser, Wikinger und Normannen (1928).

Mit derselben Kühnheit und demselben Hunger nach geistiger Macht und Beute dringen nordische Mönche des 13. und 14. Jahrhunderts in die Welt technisch-physikalischer Probleme ein. Hier ist nichts von der tatfremden müßigen Neugierde chinesischer, indischer, antiker und arabischer Gelehrten. Hier gibt es keine Spekulation mit dem Ziel, eine bloße »Theorie«, ein Bild zu erhalten von dem, was man nicht wissen kann. Zwar ist jede naturwissenschaftliche Theorie ein Mythus des Verstandes von den Mächten der Natur, und jede ist von der zugehörigen Religion durch und durch abhängig. Z. folg. Unterg. d. Abendl. Bd. I Kap. VI. Hier aber, und hier allein, ist die Theorie von Anfang an Arbeitshypothese. Ebenda Bd. II Kap. III § 19. Eine Arbeitshypothese braucht nicht »richtig«, sie muß nur praktisch brauchbar sein. Sie will die Geheimnisse der Welt rings um uns her nicht enthüllen, sondern bestimmten Zwecken dienstbar machen. Deshalb die Forderung der mathematischen Methode, die von den Engländern Grosseteste (geb. 1175) und Roger Bacon (geb. um 1210), den Deutschen Albertus Magnus (geb. 1193) und Witelo (geb. 1220) erhoben wurde. Deshalb das Experiment, Bacons scientia experimentalis, die Befragung der Natur mit der Folter, mit Hebeln und Schrauben. Ebenda Bd. II Kap. V § 6. Experimentum enim solum certificat, wie Albertus Magnus schrieb. Es ist die Kriegslist geistiger Raubtiere. Sie glaubten, daß sie »Gott erkennen« wollten, und wollten doch allein die Kräfte der anorganischen Natur, die unsichtbare Energie in allem, was geschieht, isolieren, faßbar, benutzbar machen. Die faustische Naturwissenschaft und diese allein ist Dynamik, gegenüber der Statik der Griechen und der Alchymie der Araber. Ebenda Bd. I Kap. VI § 12. Nicht auf Stoffe, sondern auf Kräfte kommt es an. Die Masse selbst ist eine Funktion der Energie. Grosseteste entwickelt eine Theorie des Raumes als einer Funktion des Lichtes, Petrus Peregrinus eine Theorie des Magnetismus. In einer Handschrift von 1322 wird die kopernikanische Theorie von der Bewegung der Erde um die Sonne angedeutet, worauf fünfzig Jahre später Nikolaus von Oresme in »De coelo et mundo« diese Theorie klarer und tiefer begründet als Kopernikus selbst und in »De differentia qualitatum« die Fallgesetze Galileis und die Koordinatengeometrie von Descartes vorwegnimmt. Man erblickt in Gott nicht mehr den Herrn, der von seinem Thron aus die Welt regiert, sondern eine unendliche, kaum noch persönlich gedachte Kraft, die überall in der Welt gegenwärtig ist. Es war ein seltsamer Gottesdienst, diese experimentelle Erforschung der geheimen Kräfte durch fromme Mönche. Und, wie ein alter deutscher Mystiker sagte: Indem du Gott dienst, dient Gott dir.

Man hatte es satt, sich mit dem Dienste von Pflanzen, Tieren und Sklaven zu begnügen, die Natur ihrer Schätze zu berauben – der Metalle, Steine, Hölzer, Faserstoffe, des Wassers in Kanälen und Brunnen –, ihre Widerstände zu besiegen durch Schiffahrt, Straßen, Brücken, Tunnels und Deiche. Sie sollte nicht mehr in ihren Stoffen geplündert, sondern in ihren Kräften selbst ins Joch gespannt werden und Sklavendienste tun, um die Stärke des Menschen zu vervielfachen. Dieser ungeheuerliche Gedanke, so fremd allen andern, ist so alt wie die faustische Kultur. Schon im 10. Jahrhundert treffen wir technische Konstruktionen von einer ganz neuen Art. Schon Roger Bacon und Albertus Magnus haben über Dampfmaschinen, Dampfschiffe und Flugzeuge nachgedacht. Und viele grübelten in ihren Klosterzellen über der Idee des Perpetuum mobile. Unterg. d. Abendl. Bd. II Kap. V: Die Maschine. – Epistola de Magnete des Petrus Peregrinus von 1269.

Dieser Gedanke ließ uns nicht wieder los. Das wäre der endgültige Sieg über Gott oder die Natur – deus sive natura – gewesen: Eine kleine selbstgeschaffene Welt, die sich wie die große aus eigener Kraft bewegt und nur dem Finger des Menschen gehorcht. Selbst eine Welt erbauen, selbst Gott sein – das war der faustische Erfindertraum, aus dem von da an alle Entwürfe von Maschinen hervorgingen, die sich dem unerreichbaren Ziel des Perpetuum mobile so sehr als möglich näherten. Der Begriff der Beute des Raubtieres wird zu Ende gedacht. Nicht dies und das, wie das Feuer, das Prometheus stahl, sondern die Welt selbst wird mit dem Geheimnis ihrer Kraft als Beute davongeschleppt, hinein in den Bau dieser Kultur. Wer nicht selbst von diesem Willen zur Allmacht über die Natur besessen war, mußte das als teuflisch empfinden, und man hat die Maschine stets als die Erfindung des Teufels empfunden und gefürchtet. Mit Roger Bacon beginnt die lange Reihe derjenigen, die als Zauberer und Ketzer zugrunde gingen.

Aber die Geschichte der westeuropäischen Technik schritt vorwärts. Um 1500 beginnt mit Vasco da Gama und Kolumbus eine neue Reihe von Wikingerzügen. Neue Reiche werden in West- und Ostindien geschaffen oder erobert und ein Strom von Menschen nordischen Blutes Denn auch was aus Spanien, Portugal und Frankreich hinüberwandert, sind sicherlich zum größten Teil Nachkommen der Eroberer aus der Völkerwanderung gewesen. Was zurückblieb, war der Menschenschlag, der schon Kelten, Römer und Sarazenen überdauert hatte. ergießt sich nach Amerika, wo einst die Islandfahrer vergeblich gelandet waren. Und gleichzeitig werden die Wikingerfahrten des Geistes in gewaltigem Maßstabe fortgesetzt. Schießpulver und Buchdruck werden erfunden. Seit Kopernikus und Galilei folgen unzählige technische Verfahren aufeinander, die sämtlich den Sinn hatten, anorganische Kraft aus der Umwelt zu isolieren und an der Stelle von Tieren und Menschen Arbeit leisten zu lassen.

Die Technik ist mit den wachsenden Städten bürgerlich geworden. Der Nachfolger jener gotischen Mönche war der weltlich gelehrte Erfinder, der wissende Priester der Maschine. Mit dem Rationalismus endlich wird der »Glaube an die Technik« fast zur materialistischen Religion: Die Technik ist ewig und unvergänglich wie Gott Vater; sie erlöst die Menschheit wie der Sohn; sie erleuchtet uns wie der Heilige Geist. Und ihr Anbeter ist der Fortschrittsphilister der Neuzeit, von Lamettrie bis Lenin.

In Wirklichkeit hat die Leidenschaft des Erfinders mit ihren Folgen gar nichts zu tun. Sie ist sein persönlicher Lebenstrieb, sein persönliches Glück und Leiden. Er will für sich den Triumph über schwierige Probleme genießen, den Reichtum und Ruhm, den ihm der Erfolg einbringt. Ob seine Erfindung nützlich oder verhängnisvoll ist, schaffend oder zerstörend, das ficht ihn nicht an, selbst wenn irgendein Mensch imstande wäre, das von Anfang an zu wissen. Aber die Wirkung einer »technischen Errungenschaft der Menschheit« sieht niemand voraus, abgesehen davon, daß »die Menschheit« nie etwas erfunden hat. Chemische Erfindungen wie die Synthese des Indigo und in kurzer Zeit wahrscheinlich die des künstlichen Gummi zerstören die Lebensbedingungen ganzer Länder, die elektrische Kraftübertragung und die Erschließung der Wasserkräfte haben die alten Kohlengebiete Europas samt ihrer Bevölkerung entwertet. Haben solche Überlegungen je einen Erfinder dahingebracht, sein Werk zu vernichten? Dann kennt man die Raubtiernatur des Menschen schlecht. Alle großen Erfindungen und Unternehmungen stammen aus der Freude starker Menschen am Sieg. Sie sind Ausdruck der Persönlichkeit und nicht des Nützlichkeitsdenkens der Massen, die nur zusehen, aber die Folgen hinnehmen müssen, wie sie auch sind.

Und diese Folgen sind ungeheuerlich. Die kleine Schar der geborenen Führer, der Unternehmer und Erfinder, zwingt die Natur, eine Arbeit zu leisten, die nach Millionen und Milliarden von – Pferdekräften bemessen wird und der gegenüber das Quantum menschlicher Körperkraft nichts mehr bedeutet. Man versteht die Geheimnisse der Natur so wenig als je, aber man kennt die Arbeitshypothese, die nicht »wahr«, sondern nur zweckmäßig ist, mit deren Hilfe man sie zwingt, dem menschlichen Befehl, dem leisesten Druck auf einen Knopf oder Hebel zu gehorchen. Das Tempo der Erfindungen wächst ins Phantastische, und trotzdem, es muß immer wieder gesagt werden, es wird dabei nichts von menschlicher Arbeit gespart. Die Zahl der notwendigen Hände wächst mit der Zahl der Maschinen, weil der technische Luxus jede andere Art von Luxus steigert Man vergleiche das Leben von Arbeitern um 1700 und 1900 und die Lebenshaltung städtischer Arbeiter überhaupt mit der von Bauern. und weil das künstliche Leben immer künstlicher wird.

Seit der Erfindung der Maschine, der listigsten aller Waffen gegen die Natur, die überhaupt möglich ist, haben Unternehmer und Erfinder die Zahl der Hände, deren sie bedürfen, im wesentlichen auf deren Herstellung verwendet. Die Arbeit der Maschine wird von der anorganischen Kraft geleistet, der Spannkraft von Dampf oder Gas, der Elektrizität und der Wärme, die aus oder durch Kohle, Erdöl und Wasser befreit werden. Aber damit ist die seelische Spannung zwischen Führern und Geführten gefährlich gewachsen. Man versteht einander nicht mehr. Die frühesten »Unternehmungen« der vorchristlichen Jahrtausende forderten die verstehende Mitarbeit aller, die wußten und fühlten, um was es ging. Es war eine Art Kameradschaft dabei, wie heute auf der Treibjagd und beim Sport. Schon bei den großen Bauten im frühen Ägypten und Babylonien kann das nicht mehr der Fall gewesen sein. Der einzelne Arbeiter begriff weder das Ziel noch den Zweck des ganzen Verfahrens. Sie waren ihm auch gleichgültig, vielleicht verhaßt. »Arbeit« war ein Fluch, wie es die Paradieserzählung am Anfang der Bibel darstellt. Jetzt aber, seit dem 18. Jahrhundert, arbeiten die zahllosen »Hände« an Dingen, von deren tatsächlicher Rolle im Leben, auch im eigenen, sie gar nichts mehr wissen und an deren Gelingen sie gar keinen inneren Anteil nehmen. Eine seelische Verödung greift um sich, eine trostlose Gleichförmigkeit ohne Höhen und Tiefen, die Erbitterung weckt – gegen das Leben der Begabten, die schöpferisch geboren sind. Man will es nicht sehen, man versteht es nicht mehr, daß Führerarbeit die härtere Arbeit ist, daß das eigene Leben von ihrem Gelingen abhängt. Man fühlt nur, daß diese Arbeit glücklich macht, daß sie die Seele beschwingt und bereichert, und darum haßt man sie.

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In der Tat aber vermögen weder die Köpfe noch die Hände etwas an dem Schicksal der Maschinentechnik zu ändern, die sich aus innerer, seelenhafter Notwendigkeit entwickelt hat und nun der Vollendung, dem Ende entgegenreift. Wir stehen heute auf dem Gipfel, dort, wo der fünfte Akt beginnt. Die letzten Entscheidungen fallen. Die Tragödie schließt.

Jede hohe Kultur ist eine Tragödie; die Geschichte des Menschen im Ganzen ist tragisch. Der Frevel und Sturz des faustischen Menschen aber ist größer als alles, was Äschylus und Shakespeare je geschaut haben. Die Schöpfung erhebt sich gegen den Schöpfer: Wie einst der Mikrokosmos Mensch gegen die Natur, so empört sich jetzt der Mikrokosmos Maschine gegen den nordischen Menschen. Der Herr der Welt wird zum Sklaven der Maschine. Sie zwingt ihn, uns, und zwar alle ohne Ausnahme, ob wir es wissen und wollen oder nicht, in die Richtung ihrer Bahn. Der gestürzte Sieger wird von dem rasenden Gespann zu Tode geschleift.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sieht die »Welt« auf diesem kleinen Planeten so aus: Eine Gruppe von Nationen nordischen Blutes unter der Führung von Engländern, Deutschen, Franzosen und Yankees beherrscht die Lage. Ihre politische Macht beruht auf ihrem Reichtum, und ihr Reichtum besteht in der Stärke ihrer Industrie. Diese aber ist an das Dasein von Kohle gebunden. Die Lage der erschlossenen Kohlengebiete sichert vor allem den germanischen Völkern beinahe das Monopol und führt zu einer Vermehrung der Bevölkerung, die in der gesamten Geschichte ohne Beispiel ist. Auf dem Rücken der Kohle und an den Knotenpunkten der von ihr ausstrahlenden Verkehrswege sammelt sich eine Menschenmasse von ungeheurem Ausmaß, die von der Maschinentechnik gezüchtet ist, für sie arbeitet und von ihr lebt. Die übrigen Völker werden, ob in der Gestalt von Kolonien oder als scheinbar unabhängige Staaten, in der Rolle von Rohstofferzeugern und Abnehmern erhalten. Diese Verteilung wird gesichert durch Heere und Flotten, deren Unterhalt den Reichtum von Industrieländern voraussetzt, und die infolge ihrer technischen Durchbildung selbst Maschinen geworden sind und auf einen Fingerdruck hin »arbeiten«. Wieder zeigt sich die tiefe Verwandtschaft, ja fast Identität von Politik, Krieg und Wirtschaft. Der Grad der militärischen Macht ist vom Rang der Industrie abhängig. Industriearme Länder sind arm überhaupt, also können sie kein Heer und keinen Krieg bezahlen, also sind sie politisch ohnmächtig, also sind die Arbeiter in ihnen, Führer wie Geführte, Objekte der Wirtschaftspolitik ihrer Gegner.

Gegenüber den Massen ausführender Hände, die der mißgünstige »Blick der Kleinen« allein sieht, wird der steigende Wert der Führerarbeit weniger schöpferischer Köpfe, der Unternehmer, Organisatoren, Erfinder, Ingenieure, nicht mehr begriffen und gewürdigt, Unterg. d. Abendl. Bd. II Kap. V § 7. am meisten noch im praktischen Amerika, am wenigsten im Deutschland der »Dichter und Denker«. Der alberne Satz: »Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will« umnebelt die Gehirne von Schwätzern und Schreibern. Das kann auch ein Ziegenbock, der ins Getriebe gerät. Aber diese Räder erfinden und beschäftigen, damit jener »starke Arm« sich ernähren kann, das vermögen nur wenige, die dazu geboren sind.

Diese Unverstandenen und Verhaßten, das Rudel der starken Persönlichkeiten, haben eine andere Psychologie. Sie kennen noch das Triumphgefühl des Raubtieres, das die zuckende Beute unter den Klauen hält, das Gefühl des Kolumbus, als am Horizont das Land erschien, das Gefühl Moltkes bei Sedan, als er am Nachmittag von der Höhe von Frénois aus beobachtete, wie sich der Ring seiner Artillerie bei Illy schloß und damit den Sieg vollendete. Solche Augenblicke, der Gipfel dessen, was ein Mensch erleben kann, sind die, in denen ein großes Schiff vor den Augen seines Erbauers die Helling verläßt, eine neu erfundene Maschine tadellos zu arbeiten beginnt, oder der erste Zeppelin sich vom Boden erhob.

Aber das gehört zur Tragik dieser Zeit, daß das entfesselte menschliche Denken seine eigenen Folgen nicht mehr zu erfassen vermag. Die Technik ist esoterisch geworden wie die höhere Mathematik, deren sie sich bedient, wie die physikalische Theorie, die bei ihrem Zerdenken von Abstraktionen der Erscheinung bis zu den reinen Grundformen menschlichen Erkennens vorgedrungen ist, ohne es recht zu bemerken. Unterg. d. Abendl. Bd. I Kap. VI § 14–15. Die Mechanisierung der Welt ist in ein Stadium gefährlichster Überspannung eingetreten. Das Bild der Erde mit ihren Pflanzen, Tieren und Menschen hat sich verändert. In wenigen Jahrzehnten sind die meisten großen Wälder verschwunden, in Zeitungspapier verwandelt worden und damit Veränderungen des Klimas eingetreten, welche die Landwirtschaft ganzer Bevölkerungen bedrohen; unzählige Tierarten sind wie der Büffel ganz oder fast ganz ausgerottet, ganze Menschenrassen wie die nordamerikanischen Indianer und die Australier beinahe zum Verschwinden gebracht worden.

Alles Organische erliegt der um sich greifenden Organisation. Eine künstliche Welt durchsetzt und vergiftet die natürliche. Die Zivilisation ist selbst eine Maschine geworden, die alles maschinenmäßig tut oder tun will. Man denkt nur noch in Pferdekräften. Man erblickt keinen Wasserfall mehr, ohne ihn in Gedanken in elektrische Kraft umzusetzen. Man sieht kein Land voll weidender Herden, ohne an die Auswertung ihres Fleischbestandes zu denken, kein schönes altes Handwerk einer urwüchsigen Bevölkerung ohne den Wunsch, es durch ein modernes technisches Verfahren zu ersetzen. Ob es einen Sinn hat oder nicht, das technische Denken will Verwirklichung. Der Luxus der Maschine ist die Folge eines Denkzwanges. Die Maschine ist letzten Endes ein Symbol, wie ihr geheimes Ideal, das Perpetuum mobile, eine seelisch-geistige, aber keine vitale Notwendigkeit.

Sie beginnt der wirtschaftlichen Praxis vielfach zu widersprechen. Der Zerfall meldet sich schon allenthalben. Die Maschine hebt ihren Zweck durch ihre Zahl und ihre Verfeinerung zuletzt auf. Das Automobil hat sich in den großen Städten durch seine Massenhaftigkeit um die Wirkung gebracht und man kommt schneller zu Fuß vorwärts. In Argentinien, Java und anderswo erweist sich der einfache Pferdepflug der kleinen Besitzer den großen Motoren gegenüber als wirtschaftlich überlegen und verdrängt sie wieder. Schon ist in vielen tropischen Gebieten der farbige Bauer mit seiner primitiven Arbeitsweise ein gefährlicher Konkurrent des modernen technischen Plantagenbetriebes der Weißen geworden. Und der weiße Industriearbeiter im alten Europa und Nordamerika beginnt mit seiner Arbeit fragwürdig zu werden.

Es ist Torheit, wie es im 19. Jahrhundert Mode war, von der drohenden Erschöpfung der Kohlenlager in wenigen Jahrhunderten und deren Folgen zu reden. Auch das war materialistisch gedacht. Abgesehen davon, daß heute schon Erdöl und Wasserkraft als anorganische Kraftreserven von größtem Umfang herangezogen sind, würde technisches Denken sehr bald noch ganz andere Quellen entdecken und erschließen. Aber es handelt sich gar nicht um solche Zeiträume. Die westeuropäisch-amerikanische Technik wird früher zu Ende sein. Kein platter Umstand wie der Mangel an Stoffen würde diese gewaltige Entwicklung aufhalten können. Solange der in ihr wirkende Gedanke auf der Höhe ist, wird er immer die Mittel zu seinen Zwecken zu schaffen wissen.

Aber wie lange wird er auf der Höhe sein? Um auch nur den gegenwärtigen Bestand an technischen Verfahren und Anlagen auf dem gleichen Niveau zu erhalten, sind, sagen wir, 100 000 hervorragende Köpfe nötig, Organisatoren, Erfinder und Ingenieure. Es müssen starke, sogar schöpferische Begabungen sein, für ihre Sache begeistert und mit eisernem Fleiß und großen Kosten durch Jahre hindurch daraufhin ausgebildet. In der Tat haben seit 50 Jahren die meisten starken Begabungen unter der Jugend der weißen Völker eine vorherrschende Neigung gerade für diesen Beruf empfunden. Schon die Knaben spielten mit technischen Dingen. In den städtischen Schichten und Familien, deren Söhne hier vorwiegend in Betracht kommen, waren Wohlstand, eine Tradition geistiger Berufe und verfeinerte Kultur vorhanden, die normalen Voraussetzungen für die Ausbildung dieses reifen und späten Produktes, des technischen Denkens.

Das wendet sich seit Jahrzehnten immer deutlicher, in allen Ländern mit großer und alter Industrie. Das faustische Denken beginnt der Technik satt zu werden. Eine Müdigkeit verbreitet sich, eine Art Pazifismus im Kampfe gegen die Natur. Man wendet sich zu einfacheren, naturnäheren Lebensformen, man treibt Sport statt technischer Versuche, man haßt die großen Städte, man möchte aus dem Zwang seelenloser Tätigkeiten, aus der Sklaverei der Maschine, aus der klaren und kalten Atmosphäre technischer Organisation heraus. Gerade die starken und schöpferischen Begabungen wenden sich von praktischen Problemen und Wissenschaften ab und der reinen Spekulation zu. Okkultismus und Spiritismus, indische Philosophien, metaphysische Grübeleien christlicher oder heidnischer Färbung, die man zur Zeit des Darwinismus verachtete, tauchen wieder auf. Es ist die Stimmung Roms zur Zeit des Augustus. Aus Lebensüberdruß flüchtet man aus der Zivilisation in primitivere Erdteile, ins Landstreichertum, in den Selbstmord. Die Flucht der geborenen Führer vor der Maschine beginnt. Bald werden nur noch Talente zweiten Ranges, Nachzügler einer großen Zeit, verfügbar sein. Jeder große Unternehmer stellt die Abnahme der geistigen Qualitäten des Nachwuchses fest. Aber die großartige technische Entwicklung des 19. Jahrhunderts war nur auf Grund des beständig steigenden geistigen Niveaus möglich gewesen. Nicht die Abnahme allein, schon der Stillstand ist gefährlich und weist auf ein Ende, mögen noch soviel gutgeschulte Hände zur Arbeit bereit sein.

Aber wie steht es damit? Die Spannung zwischen Führerarbeit und ausführender Arbeit hat den Grad einer Katastrophe erreicht. Die Bedeutung der ersteren und der wirtschaftliche Wert jeder echten Persönlichkeit in ihr ist so groß geworden, daß sie den meisten von unten her nicht mehr sichtbar und verständlich ist. In der andern, der Arbeit der Hände, ist der einzelne nun ganz ohne Bedeutung. Nur die Zahl hat noch Wert. Das Wissen um diese unabänderliche Lage, das von egoistischen Rednern und Schreibern gereizt, vergiftet und finanziell ausgebeutet wird, ist so trostlos, daß eine Auflehnung gegen die Rolle, welche die Maschine, nicht deren Besitzer, den meisten zuweist, menschlich genug ist. Es beginnt in zahllosen Formen, vom Attentat über den Streik bis zum Selbstmord, die Meuterei der Hände gegen ihr Schicksal, gegen die Maschine, gegen das organisierte Leben, zuletzt gegen alle und alles. Die Organisation der Arbeit, wie sie seit Jahrtausenden im Begriff des Tuns zu mehreren S. 44 ff. liegt, und welche den Unterschied von Führern und Geführten, von Köpfen und Händen zur Grundlage hat, wird von unten her aufgelöst. Aber »Masse« ist nur eine Verneinung, und zwar des Begriffes der Organisation, nichts was für sich lebensfähig wäre. Ein Heer ohne Offiziere ist nur ein überflüssiger und verlorener Menschenhaufe. Die Sowjetherrschaft versucht seit 15 Jahren nichts anderes, als unter neuen Namen die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Organisationen wiederherzustellen, die sie zerstört hat. Ein Gewirr von Ziegeltrümmern und Eisenfragmenten ist kein Gebäude mehr. Diese Meuterei rings auf der Erde droht die Möglichkeit technisch-wirtschaftlicher Arbeit aufzuheben. Die Führer können fliehen, aber die überflüssig gewordenen Geführten sind verloren. Ihre Zahl bedeutet ihren Tod.

Das dritte und schwerste Symptom des beginnenden Zusammenbruchs aber liegt in dem, was ich den Verrat an der Technik nennen möchte. Es handelt sich um Dinge, die jeder kennt, die aber nie in dem Zusammenhang gesehen werden, der erst ihren verhängnisvollen Sinn offenbart. Die ungeheure Überlegenheit Westeuropas und Nordamerikas in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts an Macht jeder Art, wirtschaftlicher, politischer, militärischer, finanzieller Macht, beruht auf einem unbestrittenen Monopol der Industrie. Große Industrien gab es nur im Zusammenhang mit Kohlenlagern in diesen nordischen Ländern. Der Rest der Welt war Absatzgebiet, und die Kolonialpolitik wirkte stets in der Richtung der Erschließung neuer Absatz- und Rohstoff-, nicht Produktionsgebiete. Kohle gab es auch anderswo, aber nur der »weiße« Ingenieur hätte sie erschließen können. Wir waren im Alleinbesitz nicht der Stoffe, sondern der Methoden und der Gehirne, die zu deren Anwendung geschult waren. Darauf beruht die luxuriöse Lebenshaltung des weißen Arbeiters, der im Vergleich zum farbigen Ich verstehe unter »Farbigen« auch die Bewohner Rußlands und eines Teils von Süd- und Südosteuropa. fürstliche Einnahmen besitzt, ein Umstand, den der Marxismus zu seinem Verderben unterschlagen hat. Das rächt sich heute, wo von hier aus das Problem der Arbeitslosigkeit in die Entwicklung geworfen wird. Der Lohn des weißen Arbeiters, heute eine Gefahr für sein Leben, beruht in seiner Höhe ausschließlich auf dem Monopol, das die Führer der Industrie um ihn herum aufgerichtet hatten. Schon die Spannung zwischen dem Lohn eines Knechtes auf dem Lande und dem Einkommen eines Metallarbeiters beweist das.

Da beginnt am Ende des Jahrhunderts der blinde Wille zur Macht entscheidende Fehler zu begehen. Statt das technische Wissen geheim zu halten, den größten Schatz, den die »weißen« Völker besaßen, wurde es auf allen Hochschulen, in Wort und Schrift prahlerisch aller Welt dargeboten, und man war stolz auf die Bewunderung von Indern und Japanern. Die bekannte »Industriezerstreuung« setzt ein, auch aus der Überlegung, daß man die Produktion dem Abnehmer nähern müsse, um größere Gewinne zu erzielen. Es beginnt statt des Exports ausschließlich von Produkten der Export von Geheimnissen, von Verfahren, Methoden, Ingenieuren und Organisatoren. Selbst Erfinder wandern aus. Der Sozialismus, der sie in sein Joch spannen möchte, vertreibt sie. Alle »Farbigen« sahen in das Geheimnis unserer Kraft hinein, begriffen es und nützten es aus. Die Japaner wurden binnen 30 Jahren technische Kenner ersten Ranges und bewiesen im Kriege gegen Rußland eine kriegstechnische Überlegenheit, von welcher ihre Lehrmeister lernen konnten. Heute sind allenthalben, in Ostasien, Indien, Südamerika, Südafrika, Industriegebiete entstanden oder in Bildung begriffen, die infolge ihrer niedrigen Löhne eine tödliche Konkurrenz darstellen. Die unersetzlichen Vorrechte der weißen Völker sind verschwendet, verschleudert, verraten worden. Die Gegner haben ihre Vorbilder erreicht, vielleicht mit der Verschmitztheit farbiger Rassen und der überreifen Intelligenz uralter Zivilisationen übertroffen. Wo es Kohle, Erdöl und Wasserkräfte gibt, kann eine neue Waffe gegen das Herz der faustischen Kultur geschmiedet werden. Hier beginnt die Rache der ausgebeuteten Welt gegen ihre Herren. Mit den unzähligen Händen der Farbigen, die ebenso geschickt und viel anspruchsloser arbeiten, wird die Grundlage der weißen wirtschaftlichen Organisation erschüttert. Der gewohnte Luxus des weißen Arbeiters gegenüber dem Kuli wird zu seinem Verhängnis. Die weiße Arbeit selbst wird überflüssig. Die gewaltigen Massen auf der nordischen Kohle, die Industrieanlagen, das angelegte Kapital, ganze Städte und Landstriche drohen der Konkurrenz zu erliegen. Das Schwergewicht der Produktion verlagert sich unaufhaltsam, nachdem der Weltkrieg auch der Achtung der Farbigen vor dem Weißen ein Ende gemacht hat. Das ist der letzte Grund der Arbeitslosigkeit in den weißen Ländern, die keine Krise ist, sondern der Beginn einer Katastrophe.

Für die Farbigen aber – die Russen sind hier immer einbegriffen – ist die faustische Technik kein inneres Bedürfnis. Nur der faustische Mensch denkt, fühlt und lebt in ihrer Form. Sie ist ihm seelisch nötig, nicht ihre wirtschaftlichen Folgen, sondern ihre Siege: navigare necesse est, vivere non est necesse. Für »Farbige« ist sie nur eine Waffe im Kampf gegen die faustische Zivilisation, eine Waffe wie ein Baumast im Walde, den man fortwirft, wenn er seinen Zweck erfüllt hat. Diese Maschinentechnik ist mit dem faustischen Menschen zu Ende und wird eines Tages zertrümmert und vergessen sein – Eisenbahnen und Dampfschiffe so gut wie einst die Römerstraßen und die chinesische Mauer, unsere Riesenstädte mit ihren Wolkenkratzern ebenso wie die Paläste des alten Memphis und Babylon. Die Geschichte dieser Technik nähert sich schnell dem unausweichlichen Ende. Sie wird von innen her verzehrt werden wie alle großen Formen irgendeiner Kultur. Wann und in welcher Weise wissen wir nicht.

Angesichts dieses Schicksals gibt es nur eine Weltanschauung, die unser würdig ist, die schon genannte des Achill: Lieber ein kurzes Leben voll Taten und Ruhm als ein langes ohne Inhalt. Die Gefahr ist so groß geworden, für jeden einzelnen, jede Schicht, jedes Volk, daß es kläglich ist, sich etwas vorzulügen. Die Zeit läßt sich nicht anhalten; es gibt keine weise Umkehr, keinen klugen Verzicht. Nur Träumer glauben an Auswege. Optimismus ist Feigheit.

Wir sind in diese Zeit geboren und müssen tapfer den Weg zu Ende gehen, der uns bestimmt ist. Es gibt keinen andern. Auf dem verlorenen Posten ausharren ohne Hoffnung, ohne Rettung, ist Pflicht. Ausharren wie jener römische Soldat, dessen Gebeine man vor einem Tor in Pompeji gefunden hat, der starb, weil man beim Ausbruch des Vesuv vergessen hatte, ihn abzulösen. Das ist Größe, das heißt Rasse haben. Dieses ehrliche Ende ist das einzige, das man dem Menschen nicht nehmen kann.

 


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