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Sechsundzwanzigstes Kapitel. Hexenprozesse des achtzehnten Jahrhunderts – Aufhören der gerichtlichen Verfolgungen

Derjenige deutsche Staat, der in der Person seines Monarchen sich zuerst mit klarer Einsicht in die Tollheit des Glaubens an Hexerei erhob, um der Hexenverfolgung ein Ende und die deutsche Nation von dem Fluche des heidnischen Dämonismus, den einst das Papsttum über sie gebracht hatte, wieder frei zu machen, war Preußen. v. Raumer, »Aktenmäßige Nachrichten von Hexenprozessen in der Mark Brandenburg« in den »Märkischen Forschungen« von 1841, S. 263–265 und Stenzel, Gesch. von Preußen, B. III, S. 447. Der Große Kurfürst war noch ganz im Geiste der Zeit befangen. Er begünstigte den Hexenprozeß und erließ im Jahre 1679 eine Verordnung, in der er ausdrücklich befahl, alle Hexen zur gerechten Strafe zu ziehen. Streckfuß, 500 Jahre Berliner Geschichte, Berlin 1900, S. 260. Doch kamen auch hierdurch in der Mark die Hexenbrände nicht so in Aufnahme, daß Massenhinrichtungen erfolgt wären, weder während seiner Regierungszeit noch in der seines Sohnes, des ersten Preußenkönigs. Sein Enkel, Friedrich Wilhelm I., ein abgesagter Feind jeder philosophischen Spekulation, daher auch aller juristischen Spitzfindigkeiten, stand mit seinem klaren Verstand dem noch immer allgemein herrschenden Aberglauben gegenüber, mit dem er in der ihm eigenen selbstherrschenden Weise aufzuräumen suchte. Streckfuß, S. 343

Kurz nach seiner Thronbesteigung erließ der Soldatenkönig unter dem 13. Dezember 1714 ein von dem Minister v. Plotho ausgearbeitetes Mandat, das zwar das Ende der Hexenverfolgung nicht sofort herbeiführte, aber doch ankündigte. Der König erklärte darin, daß unter den im Kriminalprozeß überhaupt wahrnehmbaren Mißständen einer der gefährlichsten in den Hexenprozessen hervortrete, indem hier nicht immer mit der nötigen Vorsicht verfahren, sondern oft auf ganz unsichere Indizien hin vorgegangen, darüber auch gar mancher ganz unschuldig auf die Folter, durch diese um Gesundheit und Leben und auf das Land eine große Blutschuld gebracht werde. Er wolle daher die Prozesse in Hexensachen verbessern und so einrichten lassen, daß dergleichen üble Folgen aus ihnen nicht entstehen könnten. Inzwischen aber, bis es dazu gekommen sein würde, sollten alle Urteile in Hexensachen, bei denen es sich um Anwendung der scharfen Frage oder gar um Verhängung der Todesstrafe handle, ihm selbst zur Bestätigung vorgelegt werden. Auch wünsche er, daß ihm die Kriminalkollegien, Fakultäten und Schöffenstühle ihre Gedanken wegen der Hexenprozesse überhaupt gutachtlich vorlegen möchten, wobei es ihm zu besonderem gnädigsten Gefallen gereichen werde, wenn jemand zur Verbesserung des bisherigen Verfahrens etwas beitrage. Schließlich wurde befohlen, alle noch vorhandenen Brandpfähle, an denen Hexen gebrannt worden wären, sofort zu beseitigen.

siehe Bildunterschrift

Gespensterspuk: Die weiße Frau im Berliner Kgl. Schlosse
Kupfer aus dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts

Damit hörten in Preußen die Hexenbrände auf. Die beiden letzten Hexenprozesse kamen hier in den Jahren 1721 und 1728 vor. Im erstgenannten Jahre wurde eine Schuhmachersfrau zu Nauen der Hexerei beschuldigt, weil sie an eine andere Frau Butter verkauft hatte, die über Nacht Kuhdreck geworden wäre. Darauf leitete der Magistrat zu Nauen einen Prozeß ein. Das Kriminalkollegium erkannte indessen, mit dem corpus delicti habe es nicht seine volle Richtigkeit, weil es möglich sei, daß jemand aus Mutwillen Kuhdreck statt der Butter hingesetzt habe. Auch seien die nach Art. 32 und 44 der Karolina zur Anklage auf Zauberei erforderlichen Indizien nicht vorhanden, so daß also eine Inquisition nicht stattfinden könne. – Eigenhändig schrieb der König unter dieses Erkenntnis die Worte: »Soll abolirt sein.« Zugleich wurde aber dem Magistrat zu Nauen dafür, daß er den Prozeß veranlaßt habe, ein Verweis erteilt, weil der König durchgehends alle Hexenprozesse verboten habe.

Nichtsdestoweniger konnte es in Berlin noch im Jahre 1728 vorkommen, daß eine geistesschwache oder geisteskranke Müllerstochter von zweiundzwanzig Jahren, die sich hatte erhängen wollen, nach Anleitung der in dem Malleus maleficarum gegebenen Gesichtspunkte eingezogen wurde. Sie hatte ausgesagt, daß sie einst auf dem Wedding einem Herrn in blauem Rock und gestickter Weste begegnet sei, der ihr Geld geschenkt habe. Späterhin habe sie ihn an der langen Brücke wieder angetroffen, von wo er sie nach dem Wedding geführt habe. Hier habe ihr der unbekannte Herr eröffnet, daß er der Teufel sei und habe an sie zugleich das Ansinnen gestellt, daß sie ein mit drei Buchstaben beschriebenes Billett unterzeichnen sollte. Hernach habe der Teufel ihr so in die Finger gedrückt, daß das Blut hervorgetreten sei, und seitdem verfolge sie der Teufel unablässig. Er sei auch schuld daran, daß sie sich habe erhängen wollen. Das mit drei roten Buchstaben beschriebene Billett zu den Akten gebend bemerkte sie, daß sie dem Teufel ein anderes, von ihr mit ihrem eigenen Blute beschriebenes Billett ausgestellt habe. Bei dem Schreiben habe ihr der Teufel die Hand geführt. Ein Geistlicher und ein Arzt besuchten das Mädchen im Gefängnis, wo es oft entsetzliche Paroxismen bekam. Das Erkenntnis des Kriminalkollegiums zu Berlin vom 10. Dezember 1728 erklärt, es habe das Ansehen, als sei Inquisitin wegen des Bündnisses mit dem Teufel mit dem Feuer oder doch mit dem Schwert zu strafen, zumal sie, wie es heißt, darauf los gehurt habe. Weil sie aber lange Zeit mit schwerer Not und Melancholie behaftet gewesen, so könne der Gedanke des Teufelbunds möglicherweise auch Effekt ihrer Schwermütigkeit sein, zumal die deshalb von ihr erzählten Umstände unwahrscheinlich, ja ungereimt seien, so daß man auf Verstandesverrückung schließen müsse. Daher könne Inquisitin nicht als eine Person, die sich wirklich zu ihrer und anderer Leute Schaden dem Teufel ergeben habe, angesehen und also auch nicht am Leben bestraft werden. Damit sie aber durch ein liederliches Leben und versuchten Selbstmord nicht ferner in des Satans Wegen sich verstricken könne, sei sie lebenslänglich in das Spinnhaus zu Spandau zu bringen und zu leidlicher Arbeit anzuhalten, ihr auch dort leibliche Arznei und geistlicher Zuspruch zu erteilen, von Rechts wegen. Der König bestätigte dieses Erkenntnis, mit dem die Geschichte der Hexenprozesse in Preußen ein Ende hatte. Allerdings scheint es hin und wieder den adeligen Gerichtsherrn schwer geworden zu sein, sich der Hexenverfolgung ganz zu entwöhnen. Selbst König Friedrich Wilhelm II. mußte es noch erleben, daß ein Edelmann zu Bütow in Pommern ihm eine Eingabe übersandte, worin der gestrenge Herr über die Bosheit der Zauberer klagte und von einem Knechte erzählte, dem von drei Weibern der Teufel eingegeben sei. Auch habe ihn ein Bauer bei einem Hochzeitsmahle, zu dem er von diesem eingeladen worden sei, mit einem Spitzglase Branntwein behext, weshalb er um die Erlaubnis bat, an diesem wenigstens die Wasser- und Nadelprobe vornehmen zu dürfen Horst, Zauberbibl., Teil II, S. 403.

Ein Zauberer äscherte 1761 das altmärkische Städtchen Osterburg ein. Die Stadtchronik berichtet darüber: »Einem Brauer zu Osterburg wollte kein Gebräu mehr geraten. Er mußte zuletzt glauben, daß seine Bottiche ihm verhext seien. Als kein Mittel mehr anschlagen wollte, ließ er aus Stendal einen Mann herbeiholen, welcher behauptete, nichts sei ihm leichter, als diese Hexerei »auszubrennen«. Der Versuch wurde gemacht; ehe aber der Brauer sich dessen versah, schlug ihm die helle Flamme aus seinem Hause entgegen; zwei Dritteile der Stadt brannten nieder.« Dietrich und Parisius, Biler aus der Altmark, II, S. 170

Das übrige protestantische Deutschland folgte dem Vorgange Preußens alsbald nach, indem hier in den ersten Dezennien des 18. Jahrhunderts die Hexenprozesse gänzlich aufhörten, so z. B. in Hessen-Kassel im Jahre 1711.

Anders aber war es im katholischen Deutschland.

In Osterreich machte die Staatsregierung sogar noch am 16. Juli 1707 den Versuch, der erlahmenden und absterbenden Hexenverfolgung noch einmal auf dem Wege der Gesetzgebung neues Leben einzuhauchen. Die hierher gehörigen Paragraphen der peinlichen Gerichtsordnung Josephs I. für Böhmen, Mähren und Schlesien atmen ganz den Geist des Hexenhammers. Majestät Josephi des Ersten Neue Peinliche Halsgerichts-Ordnung, vor das Königreich Böheim, Marggrafthumb Mähren, und Herzogthumb Schlesien, Freyburg 1711. Publiziert den 16. Juli 1707.

»Art. XIX. § 3. Die Zauberey (worunter auch Wahrsagen, Aberglauben, Topfeingraben, Schlösser an Bäume verschließen, solche in Brunnen oder Wasser werfen, Schüssen, Knipfen etc. gezogen werden), ist eine mit ausdrücklich oder heimlich bedungener Hülff des Teufels begangene Unthat.

»Auf wahrhaffte Zauberey, sie geschehe mit ausdrücklich- oder verstandener Verbündnus gegen den bösen Feind, dardurch denen Leuten, Viehe oder Früchten der Erde Schaden zugefüget wird, oder auf diejenige, welche neben Verläugnung des christlichen Glaubens sich dem bösen Feind ergeben, mit demselben umgangen, oder sich unzüchtig vermischet, wann sie auch sonsten durch Zauberey niemand Schaden zugefüget hätten, gehört die Straff des Feuers, obschon solche, aus erheblichen Ursachen, und wann Inquisitus oder Inquisita dazu gekommen, jung an Jahren, einfältig, in der Wahrheit bußfertig, oder der Schaden nicht so groß, mit vorhergehender Enthauptung gelindert, und nur der Cörper verbrennet werden kann; Hingegen:

Die Wahrsager, abergläubische Seegen-Sprecher und Bock-Reiter, Über Bockreiter und Bockritt F. Chr. B. Avé-Lallement, Die Mersener Bockreiter des 18. und 19. Jahrh. Leipzig 1880, S. 39 ff. welche, ohne ausdrückliche Verbündnus mit dem bösen Feind, dieses verüben, mögen, nach Erheblichkeit des Verbrechens zum Schwerdt, jedoch nicht ohne Unterscheid, sondern nur wann solches durch des bösen Feindes Hülff wissentlich beschehete, sondern aber zu einer Extra-Ordinari Straff verurtheilet, oder wann der Schaden und Umstände nicht gar groß, nach abgelegtem Eyd und öffentlicher Absagung, derley Unthaten nicht mehr zu verüben, mit einem gantzen oder halben Schilling belegt, und zugleich des Lands auf ewig verwiesen, oder, Falls sie unterthänig wären, oder andere wichtige Ursachen solches erforderten, mit einem zwey auch drey jährigen opere publico und eben also diejenigen, welche sich bey derley bösen und so bekandten Leuten Raths erholen, bestraffet werden.

»Und obgleich in vollständiger Zauberey, wegen Größe des Lasters kein lindernder Umstand kan erfunden werden, so seynd doch genügsame Ursachen, warum die Straffe zu verschärften seye, besonders wofern zu der Zauberey annoch eine Gotteslästerliche That, als Mißbrauch heiliger Hostie, oder anderer Gott geheiligten Sachen zugesetzet wird.«

Art. XIII, § 4 werden als Indizien aufgeführt: »Abergläubische Gesundheitsmittel, Schaden, so allzeit in Gegenwart des Inquisiten beschehen, und niemal in dessen Abwesenheit, bei ihm oder ihr gefundene verdächtig- oder verbothene Bücher, Spiegel, Verbündnus mit dem bösen Feinde, mit ungewöhnlichen Ziffern, oder Zeichen, mit oder ohne Blut geschriebene Zettel, Todten-Bein, an des Inquisiten Leib unschmertzhafft befundene Merck-Mahle, und sonsten zur Zauberey gebräuchliche Sachen, gedrohter und erfolgter nicht allerdings natürlicher Schaden, übernatürliche Wissenschafft zukünftiger oder unbegreifflicher Dinge, von schlechten Leuten angemaßte Wahrsagerey, etwas besonders vor anderen, zum Gleichnuß: Wann ihre Felder grünen, deren andern dürren, ihr Vieh nutzbar, anderer verdorben etc. etc. Wann die in Verdacht gekommene Person, andere Leute die Zauberey zu lehren, sich anerbothen, Menschlich unbegreiffliche Thaten würcket, in der Lufft herumfahret, u. s. w.«

In einem wichtigen Punkte hat indessen die Erfahrung den Gesetzgeber zur Vorsicht bestimmt. Er will »auf die Aussagung der Complicum allein, sie seye beschaffen, wie sie immer wolle, wegen so vielfältig unterloffenen Betrugs, und durch List des Satans angespunnenen Unwahrheit, nicht alsogleich weder die Tortur vorzunehmen, weder zur Straffe zu schreiten, zulassen.« (Art. XIII, § 29.)

In den Landen der österreichischen Monarchie hatte daher die Hexenverfolgung einstweilen noch immer ihren Fortgang, nur daß die Prozesse und Justifizierungen jetzt seltener vorkamen als früher. Auch wurde jetzt häufiger auf Hinrichtung mit dem Schwert als auf lebendige Verbrennung erkannt. So wurden in den Jahren 1716 und 1717 im Fürstentum Trient, nicht weit von Rovereto, zwei Personen, Maria Bertoletti und Domenica Pedrotti als Hexen mit dem Schwert vom Leben zum Tod geführt, aber ihre Leiber zu Asche verbrannt. Mehrere andere würden dasselbe Schicksal, gehabt haben, wenn sie nicht im Kerker gestorben wären. Im Jahre 1728 starb in einem benachbarten Orte eine Frauensperson, Maddalena Todeschi, im Gefängnis, die wegen Hexerei zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden war L. Rapp, Die Hexenprozesse und ihre Gegner aus Tirol, S. 75..

Indessen kamen damals besonders in Ungarn auch noch Hexenprozesse ganz in altüblicher Weise vor.

Am 23. Juli 1728 wurden zu Szegedin sechs Hexenmeister, unter ihnen auch der vormalige Stadtrichter, ein Greis von sechsundachtzig Jahren, und sieben Hexen, nach gemachter Wasserprobe, in der sie wie »Pantoffelholz« geschwommen haben sollen und nach geschehener Wagprobe, in der ein großes, dickes Weib nicht mehr als anderthalb Lot wog, auf drei Scheiterhaufen an der Theiss lebendig verbrannt. Nur eine Frauensperson wurde vorher geköpft. Unter den hingerichteten Weibern befand sich auch eine Hebamme, die über zweitausend Kinder in des Teufels Namen getauft haben sollte. Ein Schusterjunge, der über Szegedins Weinberge »grausam starkes« Hagelwetter gebracht hatte und durch einen anderen Jungen verraten wurde, hatte die Rotte angegeben »Wiener Zeitung« von 1728, Nr. 68 und F. Müller, Beitrag zur Geschichte des Hexenglaubens und Hexenprozesses in Siebenbürgen. Braunschweig 1854, S. 12.. Im Jahre 1730 wurde noch ein dicker Stadtrichter verbrannt, unter dem Vorwande, daß er nur einige Quentlein gewogen habe Keysler, Neueste Reisen, Hannover 1751, S. 1284.. Im Jahre 1739 machte man mit Hexen um Arad die Wasserprobe, und 1744 wurden in Karpfen drei Hexen verbrannt Schlözer, Kritische Untersuchungen zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, S. 297.. Auch noch 1746 kam zu Mühlbach im Sachsenlande ein Hexenprozeß vor, in dem drei Glieder einer Familie verbrannt wurden. Seitdem hörte die Hexenverfolgung hier auf. Ein schreckliches Drama spielte sich dagegen in dem benachbarten Maros Vasarheli noch im Jahre 1752 ab. Eine alte Frau, die Hebamme Farkas, die der Magistratsdirektor des Orts der Hexerei angeklagt hatte, wurde nämlich hier noch der altüblichen Wasserprobe unterworfen, dann, weil man ihre Mitschuldigen erfahren wollte, gefoltert, und schließlich hingerichtet F. Müller, Geschichte des Hexenglaubens in Siebenbürgen, S. 50 bis 52..

Erst unter Maria Theresia wurde die neue peinliche Halsgerichtsordnug von 1707 außer Wirksamkeit gesetzt. Bis dahin galt jedoch in Österreich und in anderen katholischen Ländern Deutschlands der Glaube an die Tatsächlichkeit der Hexe ebenso für kirchlich-orthodox, wie die Verfolgung der Hexerei als vollkommen zu Recht bestehend. Allein wenn man auch das bisherige Verfahren gegen Zauberer und Hexen aufrecht hielt, so zeigte es sich doch bald, daß die Herzhaftigkeit, mit der die Gerichte und Obrigkeiten ehedem auf Tod durch Feuer und Schwert u.dgl. erkannt hatten, dem jüngeren Geschlechte verloren gegangen war. Es zeigte sich dieses insbesondere an einem der letzten Hexenprozesse, der im geistlichen Fürstentum Salzburg im Jahre 1717 vorkam »Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. Neue Folge. Organ des germanischen Museums«, Band XXIII, Jahrg. 1876, S. 295 ff.. Er war durch folgendes veranlaßt: In den Jahren 1715-1717 wurden im Pflegegerichte Moosham sehr viele Rinder, Füllen, Schafe, Ziegen, Schweine, Hirsche und anderes Wild auf der Weide und in den Wäldern von Wölfen niedergerissen. Zwar stellte man wiederholt Jagden auf die Bestien an, aber geschossen wurde keiner. Dies erregte den Verdacht der durch die Wölfe geschädigten Gemeinden um so mehr, als gerade damals der zu Moosham inhaftierte Bäckerlippl aus freiem Antriebe gestand, daß ihn der mittlerweile verstorbene Betteltoni mit einer schwarzen Salbe angeschmiert habe, wodurch er sofort zu einem Wolfe geworden sei. Als solcher habe er mit Ruepp Gell, vulgo Perger genannt, und anderen, die ebenfalls zu Wölfen geworden, zu verschiedenen Malen Vieh niedergerissen. Auf diese Angabe hin wurden Perger und dessen Mitschuldige verhaftet und in die Fronfeste nach Salzburg abgeliefert.

Perger, mit dem allein wir uns hier beschäftigen, leugnete anfangs alles. Als er aber am 23. Sept. 1717 auf die Folter gebracht, ans Seil gebunden und, an den Füßen mit einem fünfundzwanzigpfündigen Stein beschwert, in die Höhe gezogen ward, da bekannte er, daß er wie seine Mitschuldigen sich mit einer schwarzen Salbe angeschmiert, hierdurch zum Wolf geworden und als solcher das Vieh hin und wieder niedergerissen habe. Diese Salbe habe er vom bösen Feind auf der Heide bei Moosham erhalten. Der habe zu ihm und den anderen gesagt: »Was sollt ihr Hunger leiden? Hier habt ihr Salben, daß ihr zu Wölfen werdet und euch satt fresset so oft und wie ihr wollt!« Darauf habe er sich dem Teufel mit Leib und Seele ergeben. In einem späteren Verhöre nahm allerdings Perger sein Geständnis zurück, da es ihm nur durch die Qual der Tortur abgepreßt worden sei. Allein kurzer Hand wurde er vom Scharfrichter wieder auf den Folterstuhl niedergesetzt ans Seil gebunden, auf die Leiter gespannt und eine halbe Stunde lang gemartet, was zur Folge hatte, daß er seine früheren Geständnisse bestätigte. Auch den Kameraden Pergers wurden dieselben Geständnisse abgemartert. Das Urteil der Richter lautete nun allerdings auf Verbrennung der Malefikanten; doch hielt man es für gut, sie der Gnade des Erzbischofs von Salzburg zu empfehlen. Dieser ließ auch Gnade für Recht ergehen. Am 20. August 1718 erließ daher das Stadtgericht zu Salzburg an das Untergericht die Weisung: »Demnach mit Ihrer hochfürstlichen Gnaden gnädigstem Vorwissen – wir den allhier in puncto magiae et lycanthrophiae inliegenden Perger auf ewig, den vulgo Schweblhans aber auf 8 Jahre lang ad triremes condemnirt haben, also wird – Euch hiermit anbefohlen, daß Ihr diesen Delinquenten gewisse Religiosen (damit sie in geistlichen Sachen bis zu deren Auslieferung interim notdürftig unterwiesen und allenfalls a pacto dioboli liberiret werden,) zugeben sollet.« Am 12. September 1718 mußte sodann Perger noch die übliche Urfehde schwören.

Durch die Kaiserin Maria Theresia wurde in Österreich dem Unfuge der Hexenverfolgung ein Ende gemacht. Ein Jahr vor ihrem Regierungsantritt waren noch 1739 neue Kriegsartikel erschienen, deren § 25 lautete: »das Höllische Laster der Hexerei wird mit dem Feuertode bestraft, sowie alle diejenigen, die nachts unter dem Galgen vom Teufel verblendete Mahlzeiten und Tänze halten, oder Ungewitter, Donner und Hagel, Würmer und anderes Ungeziefer machen.« Im Jahre 1740 hob sie die bestehende Prozeßordnung auf, indem sie verfügte, daß zur Verhinderung alles ferneren Unfuges sämtliche Hexenprozesse in allen kaiserlichen Erblanden ihr zur Einsicht und Entscheidung vorgelegt werden sollten. In Art. 58 ihrer »peinlichen Gerichtsordnung« verbot sie auch die Wasserprobe »nebst allen dergleichen nichtigen und abergläubischen Zaubergegenmitteln« auf das bestimmteste. Auch erließ sie eine Verordnung, aus der wir ersehen, daß Träume von gewissen Personen gedeutet, und daß aus den Friedhöfen nicht selten Leichen, als mit der Magia posthuma behaftet, ausgegraben und verbrannt wurden. Die Kaiserin sagt nämlich: »Wie zumalen hierunter Aberglauben und Betrug stecken, wir dergleichen sündliche Mißbräuche nicht gestatten, sondern vielmehr mit den empfindlichsten Strafen anzusehen gemeint sind: als ist unser gnädigster Befehl, daß künftig in allen derlei Sachen ohne Konkurrenz der Politici nichts vorgenommen, sondern allemal, wenn ein solcher Casus eines Gespenstes, Hexerei, Schatzgräberei oder eines angeblich vom Teufel Besessenen vorkommen sollte, derselbe der politischen Instanz sofort angezeigt, mithin von dieser mit Beiziehung eines vernünftigen Physici die Sache untersucht und eingesehn werden solle, und was für Betrug darunter verborgen und wie sodann die Betrüger zu strafen sein werden.«

Durch diese weise Verordnung war in Österreich zum ersten Male gegen die Hexenriecherei der Gerichte und gegen deren wüstes Dreinfahren ein fester Damm aufgerichtet, an dem sich die bisher immer noch im Gange gebliebene Hexenverfolgung ein für allemal brach. Die Prozesse hörten bald ganz auf. Doch wußte die Kaiserin recht wohl, daß sie bei dem in vielen Volksschichten herrschenden Aberglauben leicht auch wieder aufleben könnten, wenn nicht die Macht des Gesetzes sie niederhalte. Indem sie daher den Strafprozeß in Österreich überhaupt vollständig zu reformieren beschloß, trat auf ihren Befehl in Wien eine Hofkommission unter dem Vorsitze des Vizepräsidenten der Obersten Justizstelle, Mich. Joh. Graf v. Althann, zusammen, um die Aufstellung eines neuen Strafgesetzbuches zu beraten. Im zweiten Teile des neuen Kodex sollte auch ein Abschnitt de Magia eine Stelle finden. Nach längeren Verhandlungen wurde ein Entwurf fertiggestellt, in dem man zwar nicht den Hexenglauben, aber das ganze bisherige Gerichtsverfahren gegen die Hexen über Bord warf, und der Kaiserin zur Prüfung vorgelegt. Dieser Entwurf wurde nun von Maria Theresia, die sich in solchen Angelegenheiten gern von ihrem berühmten Leibarzt van Swieten beraten ließ, vollständig genehmigt und unter dem 5. November 1766 unter dem Titel »Sr. Kaiserl.-Königlich-Apostolischen Majestät allergnädigste Landesordnung, wie es mit dem Hexenprozesse zu halten sei« publiziert. Alle Gerichtsstellen und Obrigkeiten der Kaiserlichen Erblande wurden angewiesen, das neue Statut bis zur Publikation des in Arbeit befindlichen Strafgesetzbuchs als Gesetz zu beobachten.

In ihm wird erklärt: »Wir haben gleich bei Anfang Unserer Regierung auf Bemerkung, daß bei diesem sogenannten Zauber- und Hexenprozesse aus ungegründeten Vorurteilen viel Unordentliches sich mit einmenge, in Unseren Erblanden allgemein verordnet, daß solche vorkommende Prozesse vor Kundmachung eines Urtheils zu Unserer höchsten Einsicht und Entschließung eingeschicket werden sollen; welch' Unsere höchste Verordnung die heilsame Wirkung hervorgebracht, daß derlei Inquisitionen mit sorgfältigster Behutsamkeit abgeführet und in Unserer Regierung bisher kein wahrer Zauberer, Hexenmeister oder Hexe entdeckt worden, sondern derlei Prozesse allemal auf eine boshafte Betrügerei, oder eine Dummheit und Wahnwitzigkeit des Inquisiten, oder auf ein anderes Laster hinausgeloffen seien, und sich mit empfindlicher Bestrafung des Betrügers oder sonstigen Uebelthäters, oder mit Einsperrung des Wahnwitzigen geendet haben. Gleichwie Wir nun gerechtest beeifert seynd, die Ehre Gottes nach allen Unseren Kräften aufrecht zu erhalten und dagegen Alles, was zu derselben Abbruch gereichet, besonders aber die Unternehmung zauberischer Handlungen auszurotten, so können Wir keinerdings gestatten, daß die Anschuldigung dieses Lasters aus eitlem altem Wahne, bloßer Besagung und leeren Argwöhnigkeiten wider Unsere Unterthanen was Peinliches vorgenommen werde; sondern Wir wollen, daß gegen Personen, die der Zauberei oder Hexerei verdächtig werden, allemal aus rechtserheblichen Inzichten und überhaupt mit Grunde und rechtlichem Beweise verfahren werden solle, und hierinfalls hauptsächlich aus folgenden Unterscheid das Augenmerk zu halten sei: ob die der bezichtigten Person zur Last gehenden den Anschein einer Zauberei oder Hexerei und dergleichen auf sich habenden Anmaßungen, Handlungen und Unternehmungen entweder 1) aus einer falschen Verstellung und Erdichtung und Betruge, oder 2) aus einer Melancholey, Verwirrung der Sinnen und Wahnwitz, oder aus einer besonderen Krankheit herrühren, oder 3) ob eine Gottes und ihres Seelenheils vergessene Person solcher Sachen, die auf eine Bündniß mit dem Teufel abzielen, sich zwar ihres Ortes ernsthaft, jedoch ohne Erfolg und Wirkung unterzogen habe, oder ob endlichen 4) untrügliche Kennzeichen eines wahren, zauberischen, von teuflischer Zuthuung herkommen sollenden Unwesens vorhanden zu sein erachtet werden.«

Die wahre Zauberei oder Hexerei soll nur da angenommen werden, »wo die Vermuthung Statt hat, daß eine erwiesene Unthat, welche nach dem Laufe der Natur von einem Menschen für sich selbst nicht hat bewerkstelligt werden können, mit bedungener Zuthuung und Beistand des Satans aus Verhängniß Gottes geschehen sei.«

Was die Bestrafung betrifft, so verfügt das Gesetz für den ersten der oben bezeichneten Fälle angemessene Leibesstrafe und, sofern der gespielte Betrug das Mittel zur Ausführung eines Verbrechens gewesen wäre, die auf dieses gesetzte Strafe mit Schärfung; für den zweiten die Internierung in ein Irren- oder Krankenhaus; für den dritten, je nach den Umständen, entweder die schärfste Leibesstrafe, oder, wenn bürgerliche Verbrechen oder Blasphemie konkurrieren, geschärfte Todesstrafe bis zum Scheiterhaufen. »Wenn endlich viertens – sagt das Gesetz – aus einigen unbegreiflichen übernatürlichen Umständen und Begebnissen ein wahrhaft teuflisches Zauber- und Hexenwesen gemuthmaßet werden müßte, so wollen Wir in einer so außerordentlichen Ereignisse Uns selbst den Entschluß über die Strafart eines dergleichen Uebelthäters ausdrücklich vorbehalten haben; zu welchem Ende obgeordnetermaßen der ganze Prozeß an Uns zu überreichen ist.«

Außerdem verbietet die Verordnung dem Richter alle Nadel-, Wasser- und andere Proben und bindet die Anwendung der Tortur an bestimmte Regeln. Der Eingang enthält einige wohlgemeinte Belehrungen über die Unvernünftigkeit des Hexenglaubens und leidet nur an dem historischen Irrtum, »daß die Neigung des einfältig gemeinen Pöbels zu abergläubischen Dingen hierzu den Grund gelegt habe«.

Wie König Friedrich Wilhelm I. das protestantische Preußen, so hat also die Kaiserin Maria Theresia das katholische Österreich von dem Vampyr der Hexenverfolgung erlöst.

Man hätte nun erwarten können, daß damit dem Wahn der Hexerei und der Dummheit des Hexenprozesses im ganzen heiligen römischen Reiche deutscher Nation ein Ende gemacht worden wäre. Indessen war dieses doch in den katholischen Ländern des Reichs nicht überall der Fall.

In dem jetzigen Donaukreise des Königreichs Württemberg bestand das Prämonstratenser Reichsstift Marchthal. In diesem Stift kam vor dem Oberamt zu Ober-Marchthal – der Residenz des Fürstabts – noch in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts eine ganze Reihe von Hexenprozessen vor, in denen auf das entsetzlichste gefoltert worden ist. Wir besitzen genaue Abschriften von Original-Prozeßakten Wir verdanken die Einsicht in diese Akten der gütigen Mitteilung des Herrn Professor Dr. jur. Fuchs zu Marburg, dem die Originale vorlagen. aus den Jahren 1746 und 1747, die sich auf die Hinrichtung von sechs angeblichen Hexen bezogen von denen je zwei Mutter und Tochter waren, die sämtlich in dem einen zum Stiftsgebiet gehörigen, am Federsee gelegenen Dorfe Alleshausen aufgegriffen waren. Außerdem geht aus diesen Akten hervor, daß nicht lange vorher zwei Schweizerinnen in Ober-Marchthal verbrannt worden waren. Alle acht Unglückliche waren durch die Folter zum Geständnis gebracht worden. Diese Geständnisse waren die gewöhnlichen: Lossagung von Gott, der Mutter Gottes und allen Heiligen, Abschließung eines Bundes mit dem Teufel, Besuch der Hexensabbate, Anbetung des Teufels, Verunehrung der bei der Kommunion heimlich aus dem Munde genommenen Hostien, die beim Hexentanz zerstampft wurden, fleischliche Vermischung mit dem Teufel, Verursachung von Unwetter, Anstiftung von allerlei Malefizien usw. Das Urteil lautet auf Strangulierung oder Hinrichtung mit dem Schwerte und Verbrennung der Leichen zu Asche. – Von besonderem Interesse ist die Urgicht, die einer Barbara Bingesserin von Alleshausen abgemartert worden war. Aus ihr erhellt, daß diese siebenundfünfzigjährige Frau im Dorfe als Hexe verschrien war, daß man allerlei Schädigungen, von denen einzelne Ortsangehörige betroffen wurden, ihren Hexenkünsten zugeschrieben, und daß sie darum wiederholt das Oberamtsgericht flehentlichst gebeten hatte, das ihr zur Last gelegte zu untersuchen und sie gegen fernere Verleumdung in Schutz zu nehmen. Statt diese Bitte der Verunglimpften jedoch zu beachten, hatte das Gericht sie verhaften und in den Hexenturm bringen lassen. Sie sollte sich nun der ihr vorgeworfenen Malefizien schuldig bekennen. Die Ärmste wußte nicht, wie ihr geschah; aber das Gericht ging ihr alsbald mit der Verbal-Territion und da diese erfolglos war, auch mit der Real-Territion zu Leibe. Doch war auch hiermit nichts aus ihr herauszubringen. Daher wurde das Weib auf die Folter gespannt und gemartert, – einmal, zweimal, – ohne daß sie zum Geständnis zu bringen war, bis sie endlich den ihr im Kerker beigegebenen Wächtern, von denen sie unablässig mit der Aufforderung ihre Schuld zu bekennen gepeinigt ward, zuschrie, »daß sie ein schlimmes Weib sei, daß sie eine schlimme Hand habe, und daß eben jedermann, den sie nur anrühre, einen Schmerz empfinde, krank und elend werde«. Nunmehr aber, nachdem die Unglückliche so weit gebracht war, durfte man hoffen, mittelst fortgesetzter Tortur alle noch wünschenswerten Geständnisse aus ihr herauszupressen, damit sie für den Scheiterhaufen reif werde. Daher heißt es in der Akte weiter: »Endlich und nach mehrmaliger Tortur, Exorzismos und Benedictiones hat der allmächtige Gott an dem heil. Weihnachtsabend ihr steinhartes Herz berührt und erweicht, wo sie dann ohne ferneren geringsten Zwang aussagt und bekennt usw.« Nunmehr folgt dann in der Akte eine Fülle von Geständnissen. Ihr Teufel, mit dem sie auch noch im Hexenturm gebuhlt hatte, wurde von ihr »der Tambur« genannt. Er hatte, nachdem er sie blutig gegriffen, sie als »Bärbel« in sein Buch eingetragen. Sie war unzähligemal auf dem Hexentanz gewesen, und hatte dort lecker gegessen und getrunken, war aber immer hungrig nach Hause zurückgekehrt. Der Teufel hatte ihr zum öfteren Geld gegeben, das wirkliches Geld war, mit dem sie ihre Not lindern konnte; dafür hatte sie aber vor allem ihrem eigenen Manne an seinen Kühen und Pferden fortwährend Schaden zufügen müssen. Sie ließ sich auch zu dem Geständnis treiben, daß sie ihre Tochter »Annele« mit zum Hexentanz verführt, daß auch diese mit dem Teufel gebuhlt, die Hostie zertreten und allerlei Schaden angerichtet habe, fügte aber hinzu: »Sie habe ihr Kind mit auf diesen Schelmentanz und Weg genommen und wolle es nun auch mit sich in die Ewigkeit nehmen. Es sei ihr ein liebes Kind gewesen und sei ihr noch lieb bis auf diese Stunde. Ja, wenn ihr das Kind jetzo unter das Gesicht kommen würde, wollte sie ihm sagen: Annele, wir haben einander allezeit lieb gehabt, jetzo wollen wir auch miteinander in die Ewigkeit gehen und sehen, daß wir in den Himmel kommen.«

Natürlich wurde nun auch die Tochter von dem Gericht sofort gepackt und mit der Mutter konfrontiert. Es mag eine herzzerreißende Begegnung gewesen sein. Die Tochter wußte von dem allen, womit die Mutter sie belastet hatte oder belastet haben sollte, gar nichts, und die Mutter – nahm alle ihre Geständnisse wieder zurück. Da mußte die Tortur wiederum helfen, und sie half so, daß die Schuld der Mutter und der Tochter in den Augen des Oberamtsgerichts nun ganz unzweifelhaft war. – Schließlich wurde die Mutter vom Gericht befragt, »warum sie ihre so vielfältigen schweren Sünden und verübten Missethaten, wegen welcher sie zum Theil überwiesen gewesen, nicht gleich anfangs und in Güte einbekannt, sondern sich lieber so hart habe strecken und schlagen lassen wollen«. Sie antwortete: »sie habe nicht bekennen können, der böse Feind habe es ihr nicht zugelassen, habe ihr viel versprochen, aber nichts gehalten. Sie habe die Schläge und Streiche alle gar wohl empfunden und sei derentwegen allerdings elend, krumm und lahm geworden. Der böse Feind habe ihr nichts nützen oder helfen können, auch sie an ihren vielen Wunden und Schmerzen nicht geheilt. Jetzo habe sie Gott in ihrem Herzen und hoffe samt ihrem Annele, mit dem man sie schon jetzo heben und legen müsse, in den Himmel zu kommen.« –

Von diesen Prozessen hat man seinerzeit keine besondere Notiz genommen; ein anderer aber, der ebenfalls in einem geistlichen Fürstentum Deutschlands vorkam, hat mehr von sich reden gemacht.

Zu Würzburg, in der fürstbischöflichen Residenzstadt, spielte sich um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ein Drama ab – der Prozeß und die Hinrichtung der hochbetagten Nonne Maria Renata –, das den Zorn der Kaiserin Maria Theresia und Entsetzen bei den Zeitgenossen erweckt hat. Man hatte in Würzburg lange Zeit Anstand genommen, dem Wunsche derer, die im Interesse der Geschichtswissenschaft die Prozeßakten einzusehen wünschten, zu entsprechen. Erst dem Abgeordneten A. Memminger erschloß sich das ganze Aktenmaterial, das er in einem Buche unter dem Titel »Das verhexte Kloster« 2. Aufl. Würzburg 1904, S. 141 ff. herausgab. Nach seiner Darstellung ist hier das Ende der »letzten Reichshexe« wiedergegeben.

Maria Renata Singerin von Mossau war durch den Machtspruch ihres Vaters neunzehnjährig in das reiche Kloster Unterzell bei Würzburg eingetreten, dem sie fünfzig Jahre hindurch als Ordensschwester angehören sollte. Die Habsucht der Nonnen und nicht zuletzt der Subpriorin Renata trug die Schuld, daß man bei der Auswahl der Novizen nicht immer mit der nötigen Sorgfalt verfuhr. So wurden auch zwei Töchter des reichen Würzburger »Würzkrämers« Venino eingekleidet, dessen halbe Nachkommenschaft verrückt war. Hauptsächlich diese Familie, mit dem Vater an der Spitze, wurde die Hauptursache für das Verhängnis der unglückseligen Maria Renata, denn die Veninos bestärkten durch ihre Aussagen den Verdacht, daß die Subpriorin den Teufel in das Kloster gebracht habe. Außer den Veninos beherbergte das Kloster noch eine hysterische Nonne, Cäcilia von Schaumberg, die schon 1738 direkt als Närrin bezeichnet wurde, während man sie acht Jahre später für behext erklärte. Im Jahre 1746 wurde die Hysterie und die Tollheit im Kloster epidemisch, und die herbeieilenden Herren Patres taten mit ihren Mitteln und Exorzismen das Ihrige, das Übel zu steigern. Auch die Subpriorin blieb davon nicht verschont. »Aufgewachsen in einer Zeit und Umgebung, die von Teufelsspuk, von dem Glauben an Hexen und Zauberer erfüllt war, verfiel sie im Greisenalter, da sie Tag und Nacht nichts anderes mehr sah und hörte als die tollen Ausbrüche der kranken Nonnen und die aufregenden Beschwörungen der übelberatenen Patres, selber dem finstern Verhängnis. Es wurden ihr sozusagen mit Gewalt Meinungen suggeriert und Äußerungen abgerungen, die den Verdacht der Hexerei gegen sie bestätigten. Aus einem nach der Hinrichtung abgegebenen feierlichen Protest ihres Beichtvaters, des Benediktiners Pater Maurus Stuart de Boggs, läßt sich der schwere Vorwurf gegen die Hexenpatres, Prämonstratenser und Jesuiten, nicht zurückweisen, daß sich einzelne an den armen Nonnen schwer vergangen haben; denn Pater Maurus lehnt jede weitere Beteiligung an der Behandlung der kranken Nonnen ab Memminger, S. 155.

Bei Maria Renata wirkten, abgesehen von ihrem körperlichen und geistigen Zustand, noch zwei Umstände mit, sie ins Verderben zu stürzen. Sie war nicht nur ihrer finsteren Strenge wegen bei den Nonnen, sondern auch durch ihren Eigenwillen bei den männlichen Klostervorstehern überaus unbeliebt. Was die Klosterschwestern über die Subpriorin zischten, trugen die Mönche weiter, und bald war das verhexte Klosterzell und seine Hexenmeisterin in aller Mund. Jeder verrückte Mönch und jede überspannte Nonne gaben der Maria Renata die Schuld an ihren Leiden, so auch der Kaufmann und Stadtrat Venino in Würzburg. Schließlich wurde das umgehende Geschrei so groß, daß eine geistliche Kommission die Zustände in Unterzell untersuchte und das Verfahren gegen Maria Renata eröffnete. Eines der mit der Angeklagten aufgenommenen Protokolle lautet:

1. Frage: Warum sie in Gefangenschaft sitze?

Resp.: Wegen ihres gottlosen Lebens, so sie geführet.

2. Wie sie ein gottlos Leben führen oder geführt haben könne, indem sie so lange im Kloster professa wäre?

R.: Es wäre nicht anders, indem ihre profession aus keinem innerlichen Grund geschehen, darum sie auch jederzeit gottlos gelebet: da sie profess getan, wären ihre Gedanken in der Welt gestanden und ihre profession nicht von Herzen gangen.

4. Warum sie dann ins Kloster gangen, wenn sie keine Lust zum geistlichen Leben gehabt?

R.: Sie wäre von armen adeligen Eltern geboren, mithin hätten ihre Eltern gern gesehen, daß sie versorget wäre, darum wäre sie ins Kloster gegangen.

5. Worin denn ihr gottloses Leben bestanden?

R.: In Zauberei und anderen teuflischen Künsten.

6. Ob sie denn eine Zauberin sei?

R.: Ja.

7. Wo sie dann solches gelernt und von wem?

R.: Zu Wien, da sie und die ganze Haushaltung mit ihrem Vater in den ungarischen Krieg gezogen, hätte ein »grenadier« ihr solches gelernt.

8. Wie sie zu diesem Grenadier gekommen?

R.: Wie es im Krieg herginge; der Grenadier hätte ihr öfters aus Not Brot gegeben und endlich ihr was zu lernen versprochen.

9. Was denn endlich dieser Grenadier ihr gelernet?

R.: Er hätte ihr ein Papier, worauf allerhand Buchstaben gezeichnet gewesen, gegeben. Damit hätte sie einen Zirkel machen müssen und darein gestanden und hätte nebst diesen einen Zettel mit verschiedenen Wörtern bekommen, und wann sie diese Wörter gelesen, so hätte sie den auf der Gasse Vorbeigehenden krumm und lahm machen können.

10. Ob sie dann solches auch getan und ob ein Mensch lahm geworden?

R.: Ja, sie hätte es verschiedene Male getan; ob die Leute aber lahm worden wären, wissete sie nicht. (!!)

11. Wo denn dieser Zirkel und Papier sei?

R.: Diesen Zirkel und Papier hätte sie, wie sie sich dem Teufel unterschrieben und mehreres gewußt, hingeworfen und zerrissen.

12. Ob sie sich dann dem Teufel unterschrieben, wo und wann?

R.: Ja, denn sie wären von Wien nach Prag transportiret worden, wo eben dieser Grenadier sie transportiren mußte. Dieser hätte sie in Prag in einen Palast und Zimmer geführet, wo ein zahlbares Volk beisammen gewesen, da hätte sie der Grenadier zu dem höchsten Herrn, der inmitten gesessen, geführet, mit Vermelden, sie auf und in seine Gesellschaft zu nehmen.

13. Wer denn dieser große Herr gewesen?

R.: Zweifelsohne wäre es der Teufel gewesen.

14. Ob sie denn der Teufel in die Gesellschaft aufgenommen?

R.: Nein; er hätte geantwortet, sie wäre noch etwas zu jung und hätte ihr ein Bild, auf dem zwei Hexen gemalt gewesen, geben. Auf diese zwei Hexen hätte sie ihren Namen mit Tinte schreiben müssen.

15. Was sie denn für Nutzen aus diesem Unterschreiben geschöpfet?

R.: Noch keinen, als bis sie sich ihm, nämlich dem Teufel, mit eigenem Blut unterschrieben hätte.

16. Ob sie sich dann mit ihrem eigenem Blut und wann, dem Teufel verschrieben hätte?

R.: Ja und im 14ten Jahr ihres Alters hätte sie gemeldter Grenadier zu Prag in den nämlichen Saal geführt, allwo sie von ihm aufgenommen und sie sich mit ihrem eigenen Blut unterschrieben hätte.

Mit Blut aus der Hand zwischen dem kleinen und Ringfinger habe sie sich dann auf Geheiß des Teufels in ein großes Buch eingetragen, doch statt Maria Ema Renata geschrieben. Bei diesem Akt, dem »viele Gräfin, adelige von Wien etc.« beiwohnten, habe sie der heil. Dreifaltigkeit und dem ganzen himmlischen Heer abschwören müssen. Dafür erhielt sie ein neues Röcklein, in dem sie zum Hexentanz gefahren, dann eine »Schmier«, Pulver und Zettel mit verschiedenen Buchstaben, mit denen sie die Leute, so weit deren Stimme reichte, verzaubern können. Trotz ihrer Gottlosigkeit sei sie aus »Forcht und Zwang der Eltern« ins Kloster gegangen. Dort habe sie ihre geistlichen Verrichtungen getan, daß niemand ihr Lasterleben merken konnte, wozu sie der Teufel angeleitet. So habe sie sieben heilige konsekrierte Hostien »erstaunlich verunehret«, indem sie zwei in den Armen, zwei in den Füßen »eingeheilet«, je eine in das secret und in den See geworfen, die letzte endlich in die Hexenzunft oder Tanz mitgenommen.

29. Wie oder auf was Weise sie solche eingeheilet?

R.: Mit einem Federmesser hätte sie Schnitt in die Arme und Beine gemacht, die heil. Hostien in die Haut, so sie aufgelöset, geleget und solche eingeheilet. – Sie hätte entsetzliche Schmerzen ausgestanden, bis die Wunden verheilt waren. Die Narben zeigte sie vor. Beim Hexensabbat wurde die Hostie mit Nadeln durchstochen, »allwo das helle Wasser daraus geflossen«. Nun erzählt sie auf Befragen ihre Fahrt zum Hexentanz, die vom Hergebrachten nicht abweicht.

36. Ob sie glaube, daß dieses keine Verblendung gewesen, und geglaubt, dagewesen zu sein?

R.: Vielmal wäre es eine Verblendung gewesen, aber mehrestenteils wäre es Wahrheit gewesen. – In einem »angenehmen Wald« oder auf großer schöner Wiese wurde da dem Teufel, der in Gestalt eines großen Herren und potentaten zugegen war, hohe Ehre zuteil. Unter den Anwesenden befanden sich der Graf von X aus Prag und andere Adelige aus Wien. Man aß Bisquit, Anisbrod und dergleichen, trank dazu saueren Wein und ergötzte sich mit tanzen, springen und anderen Lustbarkeiten bei der Musik von Teufeln. Etliche der Tänzer waren bekleidet, doch die meisten ganz nackend und bloß. Einmal habe sie vom Teufel einen Speziestaler erhalten. Sie nennt noch zwei Teilnehmer, eine Zeller Frau und einen Offizianten. »Der Herr Hofkantzler Reibelt hat gegen diesen Offizianten starke Inquisitiones ergehen lassen.« – Alle Montage habe sie der Teufel im Kloster besucht.

52. Was er bei ihr getan?

R.: Er hätte ihr alle Montage fornicando beigewohnet.

53. Wie solches möglich wäre, indem der Teufel ein Geist und zu solchen lasterhaften Taten untauglich sei?

R.: Er hätte jederzeit einen Leib gehabt und wäre nur zu wahr, daß er ihr beigewohnet, aber mit entsetzlichen und größten Schmerzen. – Er habe sich oft zwei bis drei Stunden bei ihr aufgehalten, ohne daß es jemand bemerkt habe. Nun kommen die Hauptfragen wegen ihrer Behexungen der Schwestern. Sie gibt alles zu. Ihre Zaubereien bestanden »in Verwirrung des Verstandes, Verlängerung (?) an Gliedern, Schmerzen an denselben und Plagen an allen fünf Sinnen«. Auch drei Hofmägden und einem Knecht hat sie es aus Mißgunst angetan. Ihr Haß gegen die Nonnen entstand, weil diese bei dem Klosterpropst beichteten, den sie nicht leiden mochte. Ihn selbst durch die Zauberei lahm und blind zu machen, ließ Gott nicht zu. Sie konnte die von ihr Behexten nicht heilen, weil sie, als ihre Zauberei entdeckt worden war, ihr Röcklein, Schmier, Zettel etc. sogleich verbrannt hätte. Nun könne sie aber auch keinem andern mehr schaden.

66. Wie dann von solchen Uebeln abzuhelfen?

R.: Durch heiligen Kirchengebrauch, Exorcismus und geistliche Mittel.

67. Wie dann ihr lasterhaftes Leben entdecket worden?

R.: Durch die Katzen, so sie abschaffen müssen.

68. Was dieses für Katzen gewesen?

R.: Das Kloster und alle Zimmer wären mit so vielem Ungeziefer, Mäus und Ratten beschmeiset gewesen, daß sie keinen Rat hätten tun können. So hätten sie solches dem Propst geklagt, der dann einer jeden Nonne erlaubet, eine Katz in ihrem Zimmer zu halten, so daß das Ungeziefer hinweggeräumet.

69. Wie dann ihre Boßheit durch solche Katzen entdecket worden?

R.: Sie hätte anstatt einer Katze drei gehalten. Diese drei Katzen aber wären drei Teufel gewesen, welche geredet, sowohl in ihrem Zimmer als in dem Klostergang. Die Nonnen hätten abends und in der Nacht solches gehört und darauf acht gehabt, und wäre eine große Furcht im Kloster gewesen, da solches Reden eine Nonne der andern gesagt und geklaget, so haben sie es dem Propst angezeigt, daß meine drei Katzen redeten. – Darauf ließ der Propst alle Klosterkatzen entfernen und erteilte ihr »geschärfteste« Weisungen. Seit sie im Arrest saß, hatte sie der Teufel nicht besucht.

Soweit das Geständnis, dem sich später andere anreihten, die noch mehr Scheußlichkeiten, Ausgeburten einer überreizten Phantasie enthalten Memminger, S. 166 ff., die bereits in dem wüsten Lagerleben in der Kindheit Maria Renatas vergiftet worden war. Im Kloster steigerten die Unbefriedigtheit, der Zank mit den Schwestern, die Eifersüchteleien, das müßige, sorglose Leben ohne Zerstreuung, die unterdrückte Sinnlichkeit den mitgebrachten Keim der Hysterie zu zeitweilig auftretendem Wahnsinn. Einfache Erlebnisse aus früherer Zeit erhalten in dem getrübtem Gedächtnis phantastische Formen und werden schließlich zu all dem krausen Zeug, an dessen Realität niemand weniger zweifelt als die Erzählerin selbst.

Die Untersuchung gegen Maria Renata nahm nun ihren Fortgang, und auf Befehl des Domdechanten, der nach dem plötzlich erfolgten Tode des Fürstbischofs Anselm Franz von Ingelheim die Regierung leitete, erschien »das heilige Gericht« im Kloster Unterzell. Die Kommission bestand aus dem klugen und einsichtsvollen Dr. Barthel, dem geistlichen Rat Dr. Wenzel und den beiden Jesuiten Staudinger und Munier. Die alte und kranke Schwester mußte von Laienschwestern zum Verhör getragen werden. Der von ihr passierte Gang war mit Weihwasser besprengt worden. Man legte ihr 240 Hauptfragen, die im voraus nach den Vorschriften des Hexenhammers festgesetzt waren, zur Beantwortung vor. 72 Folioseiten umfaßt das Protokoll, das die erstgemachten Aussagen womöglich noch mehr verzerrt. So wenn sie behauptet, daß von den von ihr behexten Personen mehrere gestorben seien, und zwar eine, die 80 Jahre alt gewesen, zwei Schwindsüchtige und eine, die den Hals gebrochen habe. Sie widerspricht sich in auffälligster Weise. Die Kommission ist denn auch dafür, die Inquisitin nach einem sicheren Ort zu überführen, damit sie einerseits den Besessenen im Kloster nicht mehr schaden könne, andererseits dem Publikum, das den Handel kenne, »einige satisfaction« geschehen möge. Man suchte eben das Leben der Greisin zu retten, besonders Dr. Barthel und Dr. Wenzel. Doch die Prälaten von Oberzell und der Propst von Unterzell schürten alle bei dem neuen Fürstbischof Karl Philipp Graf von Greifenclau. Dieser erließ am 16. Mai 1749 ein Dekret, in dem die Angelegenheit Maria Renatas nochmals genau zu untersuchen befohlen wurde. Auf Wunsch des Fürstbischofs wurde der theologischen Fakultät von Würzburg ein Gutachten über die drei Punkte abverlangt:

1. Ob bei einer Besessenheit die bösen Geister zu der Aussage gezwungen werden können, ob (daß) die Besessenheit ein Maleficium sei?

2. Ob die bösen Geister die Maleficos nennen müssen, denen die Besessenheit zuzuschreiben ist und

3. welcher Glaube kann den durch die Beschwörungen bearbeiteten bösen Geistern beigelegt werden, wenn die Aussagen beständig gleich sind?

Die erste Frage wird bejaht, die zweite nicht verneint, jedoch die Angeberei dritter Personen für gefährlich erklärt, und bei der dritten zugestanden, daß man einigen Glauben an solche nicht abweisen dürfe. Für die Jesuiten der Würzburger Universität hatte Graf Spree nicht gelebt. Ihre Quellen sind Delrio, Sanchez und ähnliche Mitglieder ihrer Gesellschaft. Inzwischen nahmen die Arbeiten der neu eingesetzten, verstärkten Kommission ihren Fortgang. Die Besessenheit der Nonnen nahm trotz aller Exorzismen nicht ab, was bei dem Fanatismus der Klosterschwestern und der ihre Dämonen beschwörenden Mönche vorauszusehen war. Dr. Barthel durchschaute das Treiben, suchte es durch kluge Maßregeln unschädlich zu machen, doch vergebens. In seiner Sentenz an den Fürstbischof gibt er und die geistlichen Räte Wenzel und Hueber das Urteil ab, daß die höllischen Geister aus den Besessenen bekennen, Renata erneuere den mit ihnen abgeschlossenen Bund alle Nacht. Aber ihnen als Lügengeistern ist ebensowenig zu glauben wie ihrer gewesenen, jetzt bekehrten Sklavin Maria Renata. Diese sei zwar dem weltlichen Richter zu überweisen, doch möge gegen die arme Sünderin »weder zu einiger Todts- noch anderer Gliederverstümmelung straf für geschritten« werden. Die Kommission suchte demnach das Leben der Greisin zu retten, aber vergeblich. Am 4. Juni begann das weltliche Gericht seine Arbeit, die am 18. Juni mit dem Todesurteil gegen Maria Renata abschloß. Ihr Hauptgegner, der Prälat von Oberzell, hatte mit seinem Zeugnis gegen Geheimrat Dr. Barthel gesiegt, denn dessen vernünftigen Aussagen vor Gericht setzte er die tollsten Hirngespinste entgegen, die von den besessenen Nonnen bestätigt wurden. Drei Tage nach dem Urteilsspruch wurde die arme greise Nonne, die nicht mehr gehen konnte, zum Richtplatz getragen, aus besonderer Gnade erst geköpft und der Leichnam verbrannt. Das Widerlichste an diesem widerlichen Justizmord war die Predigt, die Pater Gaar, Societatis Jesu, am Scheiterhaufen hielt, um das Verfahren gegen Maria Renata zu rechtfertigen Dr. Friedrich Leist. Aus Frankens Vorzeit, Würzburg 1884., die er dann am Fest der heil. Magdalena im Dom zu Würzburg fortsetzte. Beide Predigten liegen vor, die im Dom gehaltene gedruckt mit Erlaubnis der Oberen Memminger, S. 211.. Mit dem Tode Maria Renatas war der Teufelsspuk in Unterzell keineswegs zu Ende. Bei der neuerlichen Untersuchung kommt die interessante Tatsache zum Vorschein, daß Maria Renata von den Patres der Klöster Ober- und Unterzell grausam geschlagen worden sei, um von ihr ein Geständnis zu erlangen.

Dieser Würzburger Hexenprozeß, weniger merkwürdig an sich selbst als durch die Zeit, in der er sich abspielte, veranlaßte eine literarische Fehde über das Hexenwesen, die die Macht, die der Hexenglaube noch immer ausübte, noch schreckhafter erkennen ließ als dieser Prozeß selbst.

Eben damals hatte sich nämlich in Tirol ein Mann als Gegner der Hexenverfolgung erhoben, den man bisher nur als tüchtigen humanistischen Gelehrten kennen gelernt hatte. – Hieronymus Tartarotti L. Rapp, Die Hexenprozesse und ihre Gegner aus Tirol, S. 71 ff., am 2. Januar 1702 zu Rovereto geboren, hatte in Padua und Verona Theologie und alte Literatur studiert, war dann als Abbate nach Rovereto zurückgekehrt, wo er späterhin, nachdem er längere Zeit in Innsbruck, Rom und Venedig gelebt hatte, seinen bleibenden Aufenthalt nahm und zur Bekämpfung des Hexenglaubens und der Hexenverfolgung ein umfassendes Werk über die angeblichen nächtlichen Versammlungen der Hexen veröffentlichte. Sein Titel lautet: Del congresso notturno delle lammie libri trè. S'aggiungono due dissertazioni epistolari sopra l'arte magica. Venet. 1750 (460 S. in 40). Die Vorrede ist vom 25. Dezember 1748 datiert. Doch konnte das Buch erst 1750 erscheinen, weil die Bücherzensur in Venedig zwei Jahre lang den Druck aufhielt. Tartarotti suchte in seiner Schrift, nachdem er eine ausführliche Abhandlung über die Geschichte des Aberglaubens vorausgeschickt, in allerlei Weise die Nichtigkeit der Hexerei darzutun. Er sagt z. B. in Buch II: »Man behauptet, die Hexen begeben sich mit solcher Schnelligkeit durch die Lüfte zu ihren Sammelplätzen, daß kein Vogel und kein Pfeil ihnen nachfolgen könnte. Sie seien imstande, eine Strecke von zweihundert Leucas, siebenhundert bis achthundert italienische Meilen, in vier bis fünf Stunden zurückzulegen. Wie sollte dieses aber für menschliche Lungen möglich sein, ohne sich der Gefahr des Erstickens auszusetzen? Und wenn die Hexen wirklich, wie ebenfalls behauptet wird, durch die kleinsten Ritze, Türspalten usw. ihren Ausgang zu nehmen vermögen, warum benützen sie diese Fertigkeit nicht im Kerker zu ihrer Befreiung? Alle ihre Aussagen über ihre nächtlichen Fahrten, Zusammenkünfte, Tänze, Buhlschaften und Gastereien mit dem Teufel seien nichts als Phantastereien, was auch aus den unsinnigen und lächerlichen Umständen hervorgehe, unter denen diese Dinge vorkommen sollten, so z. B., daß die Hexen bei ihren Tänzen sich stets nach links bewegen, daß sie dem Teufel huldigen, indem sie ihm den Rücken zukehren, daß sie rückwärts gekehrt sich ihm nahen, daß sie, wenn sie ihn um etwas bitten, ihre Hände rückwärts ausstrecken u. dgl. m. Auch könne nachgewiesen werden, was wohl zu beachten sei, daß die angeblichen Hexen gerade dann am zahlreichsten sich vermehrten, wenn sie am härtesten verfolgt würden. Man möge von aller Verfolgung abstehen und Personen, die wirklich als Hexen gelten wollten, als Irrsinnige behandeln, dann werde es bald keinen Zauberer und keine Hexe mehr geben. Man habe wohl in der angeblichen Übereinstimmung der Aussagen der Gefolterten einen Beweis für die Wirklichkeit des Hexenwesens finden wollen. Allein eine durchgehende Übereinstimmung liege gar nicht vor. Manche z. B. sagen, sie hätten den Satan in Menschengestalt gesehen; die Maria Bertoletti, die 1716 bei Rovereto als Hexe hingerichtet sei, beschreibe ihn als ein Ungeheuer mit den Hörnern eines Bockes und dem Schweife einer Schlange. Übrigens lasse sich die Ähnlichkeit der Aussagen vieler Hexen leicht dadurch erklären, daß ihnen die Richter die gleichen Fragen vorzulegen pflegten, deren Beantwortung dann mittelst der Tortur ganz so, wie es die Richter verlangten, erpreßt werde. – Schließlich spricht sich Tartarotti über die Gründe aus, die ihn zu der Annahme berechtigen, daß der Hexenglaube allmählich ganz aufhören und aus den Köpfen der Menschen für immer verschwinden werde.

siehe Bildunterschrift

Hieronymus Tartarotti

Übrigens unterschied Tartarotti zwischen Hexerei und Magie, an die er wirklich glaubte und deren Tatsächlichkeit er aus der Schrift und Tradition zu erweisen suchte. Tartarotti stand also auf dem Standpunkt Weyers, was dem greisen Francesco Scipione Maffei zu Verona (1675-1755) Veranlassung gab, ihm in zwei Schriften Arte magica dileguata. Lettere del Signor Marchese Maffeé al Padre Innocente Ansaldi dell' ordine dei Predicatori. Seconda edizione in Verona 1750; und Arte magica annichilata, Libri trè. Verona 1754. klar zu machen, daß der Glaube an Magie ebenso widersinnig sei als der an Hexerei, und daß jene mit dieser stehe und falle. Gegen die erstgenannte Schrift richtete Tartarotti seine Apologia del Congresso notturno delle Lammie (Venez. 1751).

Nach dem Erscheinen des congresso wurde Tartarotti von vielen Seiten auf das freudigste zugestimmt. Der greise Abbate Ludovico Muratori († 1750), Bibliothekar des Herzogs von Modena, einer der intelligentesten Gelehrten Italiens im achtzehnten Jahrhundert, schrieb an Tartarotti mit Beziehung auf den eben erschienenen Congresso notturno: »Diese Frage (vom Hexenwesen) ist von Dir mit solcher Klarheit behandelt worden, daß ich vollkommen überzeugt bin, kein Anhänger des Delrio werde sich je wieder erheben, um gegen Dich auf den Kampfplatz zu treten. Denn dem allgemeinen Gelächter würde der sich aussetzender es noch wagen sollte, die vulgäre Ansicht zu verteidigen.«

Tartarotti mochte auch selbst glauben, daß es nunmehr mit der Hexenverfolgung aus sei, als er zu seiner größten Überraschung die Predigt zu Gesicht bekam, die der Jesuit Georg Gaar bei der Verbrennung der Nonne Maria Renata gehalten hatte. Siehe S. 293. Da war also der traditionelle Hexenglaube ganz unverhüllt aufs neue feierlichst verkündet worden. Sofort fertigte er daher eine italienische Übersetzung der Predigt Gaars an und ließ sie mit sehr scharfen Glossen ausgestattet in Verona drucken, – womit eine sich durch viele Jahre hinziehende Fehde ihren Anfang nahm. Der Pater zu Würzburg, für den der Hexenglaube so fest stand wie das Evangelium, blieb natürlich die Antwort nicht schuldig, sondern erwiderte die elf Glossen Tartarottis mit einer anscheinend grundgelehrten Replik, in deren Vorwort er bemerkt, »daß ein bis jetzt in Deutschland ganz unbekannter Autor, er wisse nicht von welchem Geiste getrieben, mit einer sehr lahmen Kritik seiner Predigt hervorgetreten sei und dadurch nicht nur diese Predigt, sondern auch alle Tribunale Europas sich nicht gescheut habe zu verlästern.« Nun fand allerdings Tartarotti einen sehr geschickten Verteidiger an seinem talentvollen Schüler Jos. Bapt. Graser, Lehrer der Rhetorik am Gymnasium zu Rovereto (Propugnatio adnotationum criticarum in sermonem de Maria Renata Saga adversus responsa P. Georgii Gaar J. T. Venet. 1752); allein gleichzeitig sah er auch eine ganze Reihe blinder Fanatiker die Lanze zum Schutze des alten Hexenglaubens einlegen. Unter ihnen war der verbissenste und für jede Verständigung unzugänglichste der Franziskaner-Provinzial und Generaldefinitor Benedikt Bonelli († 1783 zu Trient), der 1751 gegen Tartarotti eine ausführliche Schrift (Animaversioni critiche sopra il notturno congresso delle Lammie) zu Venedig erscheinen ließ, worin die Lehre eines Delrio in jeder Beziehung vertreten und auf das hartnäckigste verfochten wurde. Tartarotti und Bonelli wechselten nun bis zum Jahre 1758 eine ganze Anzahl von Streitschriften. Die letzte Schrift des verhaßten Hexenfreundes wurde auf Betreiben seiner ergrimmten Gegner zu Trient öffentlich durch den Henker verbrannt, während er selbst an schwerer Krankheit danieder lag. – Tartarotti starb am 16. Mai 1761.

In Deutschland unternahm es der von Neustadt a/S. im Würzburgischen gebürtige, dem Kloster Erfurt angehörige Augustiner-Eremit Jordan-Simon, ein namhafter kanonistischer Schriftsteller, in dem Buche »Das große weltbetrügende Nichts«, das 1761 und unter dem Titel »Die heutige Hexerei und Zauberkunst« 1766 in Frankfurt und Leipzig erschien, Maffeis Schriften zu übersetzen und zu bearbeiten. Simon hatte ein abenteuerliches Leben hinter sich, und sein Charakter wie seine Aufführung schienen nichts weniger als ehrenwert gewesen zu sein. Unverkennbar aber war er ein begabter und vielseitiger Kopf. Gleich Spee setzte er sich durch seine aufgeklärten Ansichten in Widerspruch mit den in seinem Orden herrschenden und durfte wohl auch aus diesem Grunde, nicht nur wegen seiner getrübten Vergangenheit, nicht wagen, offen aufzutreten. Er verbarg sich unter dem Pseudonym Ardoino Ubbidiente Dell' Osa. Dieser Literaturkreis und besonders Simons Buch boten zum großen Teil die Grundlagen für den »Hexenkrieg«, der bald darauf in Bayern losbrechen sollte. Riezler, S. 302. Baader, Lexikon verstorb. bayer. Schriftsteller, I, 241.

Hier hatte Kurfürst Maximilian Joseph (1745-1777), von dem das Volksschulwesen des Landes eigentlich zuerst begründet, viele Klöster reformiert und Feiertage abgeschafft worden waren, im Jahre 1759 die Akademie der Wissenschaften zu München begründet, deren Druckschriften der Zensur der Universität, d. h. der Jesuiten, entzogen wurden, und deren Mitglieder es als ihre Aufgabe betrachteten, dahin zu wirken, »daß die Wissenschaften von allen Vorurteilen gereinigt und zu jener Stufe der Vollkommenheit gebracht werden möchten, wie sie dieselben in den benachbarten Staaten rühmlichst blühen sahen«. Das Wappenschild der Akademie erhielt den Wahlspruch: tendit ad aequum.

Daher hielt es am 13. Oktober 1766 ein Mitglied der Akademie für angemessen, bei schicklicher Gelegenheit in ihr einen Vortrag über die Nichtigkeit des Hexenwesens zu halten. Es war dieses der regulierte Priester des Theatinerordens Don Ferdinand Sterzinger Reusch in der Allgemeinen deutschen Biographie, XXXVI, S. 124. Riezler S. 297..

Am 24. Mai 1721 auf dem Schlosse Lichtwehr im Unterinntale als Sohn eines Innsbrucker Gubernialrates geboren, war Sterzinger im neunzehnten Jahre seines Lebens in den Theatinerorden eingetreten, hatte sich mit gutem Erfolge namentlich dem Studium der Geschichte und des kanonischen Rechts gewidmet, seit 1750 in seinem Orden anfangs zu Prag, dann zu München als Lehrer der Moral und Philosophie gewirkt und war von dem Kurfürsten Maximilian Joseph schon bei der Errichtung der Akademie der Wissenschaften in diese aufgenommen worden.

In seiner Rede suchte Sterzinger zu beweisen, daß »die Hexerei ein ebenso nichts wirkendes als nichts tätiges Ding« sei Die Rede erschien im Druck unter dem Titel: »Akademische Rede von dem gemeinen Vorurteil der wirkenden und tätigen Hexerei, – – von P. Don Ferdinand Sterzinger, regulierten Priester etc. – München, 1766.. Eine wirkliche wissenschaftliche Bedeutung hatte dieser Vortrag freilich nicht, indem er nichts enthielt, was nicht schon von Maffei, dell Osa und anderen gesagt war. Überdies machte er am Schlusse dem vulgären Hexenglauben noch die bedenklichsten Konzessionen. Sterzinger resümierte nämlich: Was also von vielen für Hexerei gehalten werde, das seien nichts weiter als ganz natürliche Zufälle. Daher solle man nicht sogleich mit Exorzismen und Benediktionen zufahren, sondern die Sache durch unbefangene und urteilsfähige Leute, namentlich durch Ärzte untersuchen lassen. – Um nun aber nicht mit dem bayerischen Strafrecht in Kollision zu kommen, fuhr der Redner fort: »Ich merke schon, daß einige meiner werten Zuhörer denken werden wie es doch möglich wäre, daß so viele Hexen durch Feuer und Schwert aus der Gesellschaft der Menschen seien vertilgt worden, wenn sie weder die höllischen Geister in den menschlichen Leib bannen, weder durch Teufelskünste dem Nächsten schaden, Donner und Hagel erregen, in der Luft herumfahren oder einen Bund mit dem Satan machen können? Allein verdienen nicht diejenigen den Tod, die den heiligsten Namen der unendlichen Majestät Gottes lästern, den Teufel anrufen, ihn heidnisch anbeten und von ihm Hilfe und Beistand verlangen? Machen sich nicht diejenigen des Bluturteils schuldig, die, um ihren bösen Willen zu erfüllen, unschuldige Kinder töten, die Leichen der Toten ausgraben, dem Nächsten gröblich zu schaden suchen und tausend andere Bosheiten ausüben, wenn auch die Hexerei, wie wir unabläßlich behaupten, in sich selbst ein eitles und leeres Nichts, ein Vorurteil und Hirngespinst verrückter Köpfe ist?« – Sterzinger präzisiert seinen Standpunkt durch den Satz in seinen »Gespenstererscheinungen« (S. 12): »Teufel leugnen ist ein Unglaube; ihm zu wenig Gewalt zuschreiben ist ein Irrglaube; ihm aber zu viele Gewalt zueignen ist ein Aberglaube.«

Über den unmittelbaren Eindruck dieses Vortrags berichtet der Graf Joh. Zech in der Rede, die er als Mitglied der Akademie zum Andenken an Sterzinger am 22. Februar 1787 hielt: »Kaum wurde diese Rede, wie gewöhnlich, abgelesen, so entstunden, wie man in einem schattichten Walde das ohnversehene Sausen des Windes in den Gipfeln belaubter Aeste vernimmt, schon während der Ablesung besondere Gährungen in den Gemüthern der Zuhörer: man lispelte sich sogleich stille wechselweise Entdeckungen in das Ohr, ja man glaubte kaum das Herabgelesene verstanden zu haben: man eilte nach Hause, man spitzte die Federn zu Widerlegungen und die in so vieljähriger Ruhe gebliebenen alten Klassiker (Hexen-Klassiker!) wurden von ihren Winkeln aus ihrem spannhohen Staube hervorgerissen.«

So stand es damals um die Intelligenz der Träger der Wissenschaft in Bayern, weshalb es nicht wundernehmen kann, daß, nachdem die Kunde von dem Vortrage Sterzingers wie ein Lauffeuer durch das ganze Land gegangen war, dessen Name alsbald in allen Schichten der Gesellschaft mit Grimm und Verachtung genannt ward. Er wurde überall als Frevler am Glauben verschrien. »Die Rede Sterzingers«, berichtet einer seiner Verbündeten, »machte in Bayern sehr viel Lärmen; in München war alles in Bewegung, nicht nur die Gelehrten, auch der Pöbel war geteilt.« Auch traten, nachdem die Rede in Druck erschienen war, allerorten literarische Verfechter des Hexenglaubens auf. Zunächst erschien eine Streitschrift unter dem Titel: »Urtheil ohne Vorurtheil über die wirkend- und thätige Hexerey, abgefasset von einem Liebhaber der Wahrheit, 1766. Mit Erlaubnis der Oberen.« Im Verlaufe des nun beginnenden Streites zeigte es sich, daß der Verfasser ein Augustinermönch und Professor der Theologie zu München, Agnellus Merz war. Er entwickelte und verfocht »mit Erlaubnis der Oberen« in seinem Pamphlet folgende Lehre: »Unter der heutigen und sogenannten Hexen- und Zauberkunst verstehen wir nichts Anderes als ein ausdrückliches oder geheimes Bündniß mit dem Teufel, kraft dessen man sich ihm gegen die von ihm versprochenen Vortheile zu eigen übergibt. Diese Vortheile vonseiten der Hexe oder Unholde bestehen hauptsächlich in folgenden Wundern: daß sie an gewissen Tagen, an bestimmten Orten in einer wollüstigen Zusammenkunft alle Ergötzlichkeiten mit dem Satan genießen, der sie auf Böcken, Besen, Gabeln u. dergl. abzuholen pfleget oder verbunden ist, daß sie nach ihrem Belieben zum Schaden eines Landes, einer Gemeinde, eines Bürges schädliche Stürme, Ungewitter, Hagel, Regengüsse in der Luft erregen dürfen; daß sie endlich die erschreckliche Gewalt haben, des Nächsten Vieh, Kinder oder andere Leute zu bezaubern oder zu lähmen, ja ganze Legionen der Teufel in den Leib der Unschuldigen hineinzusperren, und was dergleichen mehr ist. Der Vortheil hingegen vonseiten des Teufels ist der einzige Seelenraub.«

Warum Bayern vor allen anderen Ländern von Vorurteilen eingenommen sein solle, kann der Verfasser nicht einsehen. Wie »die besondere Zierde des Jahrhunderts unter den Gelehrten«, P. Calmet (der Geschichtsschreiber Lothringens), erklärt habe, sei Leugnung der Hexerei ein offenbarer Angriff auf den Glauben der Kirche. Sterzinger antwortet hierauf, ebenfalls mit Erlaubnis der Oberen, in einer Verteidigungsschrift »Betrügende Zauberkunst und träumende Hexerei« (1767). Er gibt darin »dem schweren Trank des Bieres« und den groben und harten Speisen, womit sich der Nordländer den Magen anfüllt, schuld an dem Aberglauben. Und daß der Pöbel in Bayern mehr als anderswo mit Vorurteilen und abergläubischen Meinungen schwanger gehe, wissen diejenigen am besten, die fremde Länder bereist haben. Riezler, S. 304.

Hierauf entgegnete der Augustiner mit einer »Vertheidigung wider die geschwulstige Vertheidigung der betrügenden Zauberkunst« 1767. So ging das Geplänkel hin und her, bis immer neue Kämpfer gegen Sterzinger erstanden, natürlich lauter Herren schwarzester Gesinnung, Ultramontane schwersten Kalibers. So der Benediktiner Angelus März im bayerischen Kloster Scheyern, der zu Freising gegen ihn eine »Kurze Vertheidigung der Hex- und Zauberey wider eine dem heiligen Kreuz zu Scheyrn nachtheilig-akademische Rede, welche den 13. Oktober 1766 von P. Don Ferdinand Sterzinger abgelesen worden«, erscheinen ließ Riezler, Seite 306 ff.. Motive, Geist und Stil des ehrwürdigen Paters zeigen sich am anschaulichsten im § 7 seiner Abhandlung, den wir, weil er überdies einige interessante Nachrichten über den damaligen Stand des religiösen Lebens in Bayern gibt, vollständig wiedergeben.

»Die Akademische Rede ist nachtheilig dem H. Kreutz zu Scheyrn. Das ehemal eines durchleuchtigsten, und dermal Glorwürdigst regierenden Churhauses Bajern uralte Stammenschloß, dessen eigentlichen Erbauer, ich neulich entdecket zu haben glaube, nunmehro aber Benediktiner-Kloster Scheyrn hat allein vor andern Gotteshäusern Deutschlands die Ehre, sich mit dem größten und mit Blut besprengten Particul vom wahren Kreutz Christi zu rühmen. Wie und auf was Art wir dieses erhalten, ist allen durch ein gedrucktes Buch unter dem Titel: »Kreutz im Kreutz« schon bekannt. Nur allein kommet hier zu erinnern vor, daß sich dessen Verehrung nicht nur mit großen Eifer angefangen, sondern auch immerdar mit noch größeren fortgesetztet worden. Wie denn ein unsterblicher Held, und Churfürst in Bajern Maximilian der Zweite, ein Durchleuchtigster Karl Philipp Churfürst in der Pfalz, ein Großer Karl Albert nachmahl Römischer Kayser, Sr. Durchleucht Eminenz Johann Theodor, und viele andere Durchleuchtigste Häupter auch bei izigen Zeiten sich persönlich zu diesen begeben, und mit tiefester Ehrfurcht angebettet haben. Die Andacht und Vertrauen kamme endlich so weit, daß man um dessen Verehrern ein Genüge zu leisten, theils von Messing, theils von Silber kleine gegossene Kreutzl an dem wahren Partickel anrühren, und ihnen überlassen mußte, welche auch bis auf izige Stunde als ein, absonderlich wider Hex- und Zauberey, dienendes Mittel von allen sind erkennet worden, wie aus einem gedrückten, und den Fremdlingen zu gebenden Zettel erhellet, dessen Inhalt wir anhero setzen: Die an solchem hochheiligen Partickel benedicirt, und anberührte Kreutzlein (welche sogar die Unkatolischen an vielen Orten wegen ihrer großen Kraft hoch schätzen) dienen sonderbar wider die gefährliche Donner und Schauer-Wetter, dann Zauber und Hexereyen – – – –, demmet den bösen Feind in den besessenen Personen, machet das krank- und bezauberte Vieh wieder gesund u. s. f. – Hochwürdiger Herr Akademicus! ist die Hex- und Zauberey ein Fabelwerk, eine Blödsinnigkeit, ein Vorurtheil schlechtdenkender Seelen, so sind wir Scheyerische Väter schändliche Betrüger, Wort- und Maulmacher, wie man zu reden pflegt, gleich jenen Marktschreyern, welche die hoche Berge, wo sich ein Kaiser Maximilian verirret hat, auf- und abklettert. Die Folge ist zu klar, als daß sie einer weiteren Probe nöthig ist. Da nun dieses nicht nur der Ehre der scheyerischen Religiosen sehr nahekommt; sondern auch dem dasigen Heil. Kreutzpartickel sehr nachtheilig ist, wie darfen Sie sich wunderen, wenn da und dort eine Probe aus der Feder geschlichen, der keinen Khylus, oder Milchsaft machen wird. Nicht nur in Bajern, Schwaben, Böhmen, Oesterreich, Mähren und Ungarn, sondern auch in Sachsen und Poln werden die Scheyerisch an dem wahren Partickel anberührte Kreutzlein absonderlich wider Hex- und Zauberey, wider gefährliche Schauer und Donnerwetter, theils andächtig verehret, theils nützlich gebrauchet, also daß man bei 40,000 derselben nicht selten in einem Jahre hat ausgetheilet. Wäre aber nichts anders, als leere Einbildung, histerische Zustände, nächtliche Träume, kein anders, als nur natürliches, und durch keine Hex- und Zauberey erregtes Ungewitter zu förchten: wie würde inskünftig die Andacht und Vertrauen gegen dem Heil. Kreutz bestehen können, und zwar bei Christen, von welchen man sagen kann: Nisi signa et prodigia videritis, non creditis. Was lächerliche Andacht wäre diese? was ungereimtes Vertrauen?« usw.

Zur weiteren Beglaubigung legt der Pater März ein mit priesterlichem Eide bekräftigtes, untersiegeltes und dreifach unterzeichnetes Instrument bei, in dem ein Karmeliter von Abensberg seine Heilung durch ein scheyerisches Kreuz erzählt. Das Wunder erfolgte im Jahre 1719, das Dokument ist von 1738. Der Karmeliter hatte sich, wie er sagt, plötzlich von einem so starken Zauberwerk angesteckt gefühlt, daß er Stimme, Sprache und Verstand verlor. Sein Beichtvater legte ihm ein »an dem wahren Partickel berührtes Scheyrer Kreuz« auf das Haupt, gab ihm auch ein wenig mit diesem Kreuze geweihtes Öl zu kosten, und der Patient fand sich bald wieder hergestellt, nachdem er zuvor an drei Tagen nacheinander verschiedene Zauberstücke durch Erbrechen ausgeworfen hatte, nämlich:

»Am ersten Tag: 1. Einen Partickel eines haarichten Leders. 2. Einen Partickel eines versilberten Papiers, welches einen Engelskopf vorstellte. 3. Einen Flintenstein (dessen ziemliche Größe annoch bei uns zu ersehen ist). 4. Einen halben Kopf eines Hechtes. 5. Einen Hufnagel. 6. Einen kleinen Zwirn, dessen Farbe nicht zu erkennen. 7. Etwelche Partickel eines wächsernen Tachtes [Dochtes]. Am zweiten Tage: 1. Etwelche S. V. mit einem Faden zusammen gebundene Schweinborste. 2. Zween Partickeln eines abgenutzten Tuches.« Usw.

Von den Argumenten des Paters Angelus März für das Dasein der Hexen dürfen wir schweigen; es sind die längst bekannten, nur in der eigentümlichen Sprache dieses Schriftstellers vorgetragen. War aber der Pater kein großer Gelehrter, so war er doch ein ganz guter Taktiker. Auf der Rückseite des Titels steht in Schwabacher Schrift als Motto folgende Stelle aus dem bayerischen Strafkodex: »Böse Gemeinschaft mit dem Teufel, durch desselben praemeditirt und geflissene Beschwörungen mit aberglaubischen Ceremonien, oder da man durch zauberische Mittel jemand an seinem Leben, Leibs- oder Gemüths-Gesundheit, Vieh, Früchten, Haab und Guth, oder auf welcherley Weis es immer seyn mag, schaden thut, wird ohne Unterscheide, ob der Schaden gering, oder groß, mit dem Schwerdt bestrafft. Maximilianus Josephus utriusque Bavariae Dux etc. Codicis criminal. Parte prima, Cap. 8. §. 7. n. 2.«

Außer den Genannten traten noch verschiedene andere Kämpfer für den Hexenglauben gegen Sterzinger auf, z. B. ein junger Jurist Joh. Mich. Model, der in einer Broschüre die »Ausfahrt der Hexen wider den heutigen Hexenstürmer P. Ferd. Sterzinger« verteidigte; dann ein Benediktiner des Klosters Niederalteich, P. Beda Schallhammer, der einen dicken Quartband, 30 Bogen stark, in lateinischer Sprache (Dissertatio de Magia nigra critico-historico-scripturistico-theologica, Straubing 1769) zur Verteidigung des Hexenglaubens gegen Sterzinger erscheinen ließ. – Doch fand Sterzinger in diesem Kampfe auch Freunde und Vertreter. Unter ihnen befand sich auch sein jüngerer Halbbruder Don Joseph Sterzinger († 1821 als Bibliothekar zu Palermo), der anonym die satirische Schrift »Der Hexenprozeß, ein Traum, erzählt von einer unpartheiischen Feder im Jahr 1767« publizierte. Der Hessische Hofrat und Leibarzt Baldinger in Kassel, seit 1786 Professor in Marburg, hatte bereits 1766 in einem Büchlein, das im folgenden Jahr von der Wiener Zensur verboten wurde, dem Teufel den Krieg erklärt Riezler, S. 301.. Am eifrigsten nahm sich jedoch des vielfach Angegriffenen ein pseudonymer Schriftsteller, der sich »F. N. Blocksberger, Benefiziat zu T.« nannte, in mehreren Schriften an. An den P. Angelus in Scheyern richtete er ein humoristisches »Glückwunschschreiben« (gedruckt zu Straubing 1767), worin er ihn dazu beglückwünschte, daß er mit so unvergleichlicher Geschicklichkeit die Hexerei und die Hexenprozesse verteidigt und dem bösen Don Sterzinger nach Gebühr die Leviten gelesen habe, da er letzteren einen »Abgesandten des Teufels«, einen »theologischen Marktschreier«, einen »Stiefeltheologen« etc. hieß Wegen dieser Grobheiten vom bischöflichen Konsistorium zu Freising zur Verantwortung gezogen, erklärte März: »Ich konnte anders nicht schreiben, weil ich glaubte, ein großer Thurm dürfte nicht einen kleinen Knopf haben.«.

Sich selbst verteidigte Sterzinger seinem verkappten Gegner, dem Augustiner Merz, gegenüber in einer besonderen Schrift, und dem offenen trat er vor dem Konsistorium in Freising entgegen. Vor diesem erhielt er im ganzen weder recht noch unrecht Riezler, S. 309.. Zwar meldeten schon triumphierende Briefe aus Bayern, die Rede des Akademikers sei zu Freising verdammt worden und werde nächstens in Rom als eine »oratio scandalosa und haeretica ad valvas geschlagen werden« S. Nichtige, ungegründete, eitle, kahle und lächerliche Verantwortung des H. P. Angelus März über die vom P. Sterzinger bei dem hochfürstlichen geistlichen Rat in Freising gestellten Fragen, Vom Moldaustrom 1767. S. 8.. Indessen kam es in der Tat nicht so weit. Der Kläger und der Beklagte erhielten den Auftrag, »in dieser Materie eine moderate Schrift herauszugeben«, und Sterzinger leistete dieser Forderung Genüge, indem er in der dritten Auflage seiner begierig gelesenen Rede seine frühere Behauptung, daß die Hexerei ein Vorurteil schlecht denkender Seelen sei, dahin abschwächte, daß er diese nun zum Vorurteil seicht denkender Seelen machte. Die beiden Väter Merz und März sahen sich übrigens noch verschiedenen sehr derben Abfertigungen von Anhängern Sterzingers ausgeliefert, und der Streit, in dem sich sehr wenig Neues und Gründliches, aber sehr viel gutwillige Halbheit auf der einen und dummdreiste Anmaßung auf der andern Seite gezeigt hatte, war bald ganz vergessen. Das Geistreichste, was bei dieser Veranlassung geschrieben wurde, ist Pfarrer Kollmanns »Zweifel eines Bayers über die wirkende Zauberkunst und Hexerei. An dem Lechstrome 1768.« Es werden darin sowohl Sterzingers Inkonsequenzen wie die Ungereimtheiten seiner Gegner in skeptischem Tone ans Licht gezogen. – Den Münchener Streitpunkt verbindet mit einem lobpreisenden Kommentar der österreichischen Verordnung folgende Schrift: Anpreisung der allergnädigsten Landesverordnung Ihrer k. k. a. Majestät, wie es mit dem Hexenprozesse zu halten sei, nebst einer Vorrede, in welcher die kurze Vertheidigung der Hex- und Zauberei, die Herr Pater Angelus März der akad. Rede des Herrn P. Sterzinger entgegengesetzet, beantwortet wird von einem Gottesgelehrten. München 1767. – Nach einer handschriftlichen Bemerkung in dem Exemplar dieser Schrift in der Hofbibliothek zu Darmstadt war Dr. Jordan Simon, Augustiner zu Erfurt, dann zu Prag, der obengenannte Dell' Osa, dieser »Gottesgelehrte«.

Übrigens begegnen wir damals in Bayern allerlei Begebenheiten, die beweisen, daß der Dämonenglaube und die Hexenverfolgung hier von jeher ganz besonders heimisch gewesen waren. Denn hier wurde 1728-1734 bei Augsburg, im Gericht Schwabmünchen, jener Hexenprozeß gegen elf Einwohner aus Bobingen geführt, der sich aus einer Anklage wegen Kindesmord und Inzest zu einem Hexendrama von echt mittelalterlichem Gepräge entwickelte. Dann wurde in Landshut 1754 die dreizehnjährige Bortenmacherstochter Veronika Zerritschin hingerichtet, und 1756 endlich ein vierzehnjähriges Mädchen, Marie Kloßnerin, weil es mit dem Teufel Umgang gepflogen, Menschen behext und Wetter gemacht habe, enthauptet Rapp, Hexenprozesse, S. 112. Riezler, S. 296 f.. Es wurde sogar bei den kurbayerischen Landgerichten noch im Jahre 1769 eine amtliche Instruktion zum »Malefiz-Inquisitions-Prozeß« Schuegraf in Müllers und Falkes »Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte«, 1858, S. 767 ff. eingeführt, die ganz und gar dem Hexenhammer entsprach. In diesem merkwürdigen Dokument werden den Richtern zunächst die genauesten Belehrungen über das »Laster der Zauberei, Hexerei oder Schwarzkunst« gegeben, wobei zwischen Schwarzkünstlern (magi), eigentlichen Zauberern (praestigiatores), Segensprechern (incantatores oder exorcistae), sowie necromanticis, Wahrsagern (haruspices, arioli), Veneficis und eigentlichen Hexen (sagae, lamiae, striges oder Unholden) sorgfältig unterschieden wird. – Diese »Gabelfahrerinnen, Hexen und Hexenmeister thuen Ungewitter, Riesel, Donner und Blitz in den Lüften erwecken, trachten nach Menschen und Viehs Untergang, – besuchen die Zusammenkünfte der Teufel und anderer Hexen und reiten dahin auf Gabeln, Stecken und Besen, halten auch beiderlei Geschlechts bei.«

»Die Schwarzkünstler, Hexen und Zauberer machen mit dem Teufel einen ordentlichen Pakt, sie verleugnen die allerheiligste Dreifaltigkeit, den christlichen Glauben, die seligste Mutter Gottes, die lieben Heiligen, alle Kirchen-Sacramenta, treten deren Bildniß, das heilige Kreuz, mit Füßen, lassen sich auf des obersten Teufels Namen und in aller anderen Teufel Namen umtaufen, schwören denselben die Treue, beten ihn mit gebogenen Knieen an, unterschreiben sich mit ihrem eigenen Blut, geloben (sich) ihm an und gebrauchen ohne Unterlaß seinen Beistand, werden auch von ihm an unterschiedlichen Orten des Leibes mit verschiedenen Figuren gezeichnet, allwo sie hernach keine Empfindlichkeit haben, küssen den Teufel von hinten und vorn, treiben mit demselben (wie ich darvor halte) ihrer Einbildung nach Unzucht und fleischliche Vermischung, – tragen versteckter Weise die heil. Hostien mit sich auf die Hexentänze und Convente, haben viele Jahre aufeinander ihre Teufel als Puller und legen dergleichen, wenn sie von ihren Ehemännern aus dem Bett hinweggefahren, statt ihrer unter menschlicher Gestalt zu dem Ehemann in das Bett an die Seite.«

Hierauf wird bezüglich der »Anzeigen dieses allerabscheulichsten Lasters« mit Berufung auf die Autorität Carpzovs ausgeführt, daß es »in den heimlichen und schwer zu probirenden Verbrechen genug« sei, daß Mutmaßungen vorhanden; denn »eine mutmaßliche und aus wichtigem Argwohn entsprungene Probe ist dießfalls für vollkommen entscheidend zu achten«. Daher hat man zunächst nur nach dem Rufe der Betreffenden zu fragen und demgemäß gegen sie vorzugehen.

Bezüglich des Prozeßverfahrens ist nun zwar von der Anwendung der Folter nicht die Rede; dagegen wird eine Reihe der scheußlichsten Vorschriften des Hexenhammers wiederholt. Zunächst heißt es nämlich: »Wenn dergleichen Geschmeiß in Verhaft kommt, ist das Sicherste, der Oberbeamte befehle, man solle ihnen alle Haare abscheeren und sie durchgehends glatt und eben machen, auch wegen vielleicht habenden Zeichen visitiren, damit sie nichts Zauberisches mögen bei sich führen oder versteckt behalten, wie dann auch wohl geschicht, wenn man ihnen ein anderes Malefizhemd – zuwirft.«

Aus den für den Prozeß vorgeschriebenen »Fragestücken« sind hierbei wohl am empörendsten die zum Gebrauche bei Kindern vorgeschriebenen. Sie sollen zunächst in freundlicher Weise gefangen werden: »Wie sie heißen? Ob sie ihre Eltern lieb haben? Ob sie schon zur Schule gehen? Was sie für Kameraden haben? Was diese können? Was sie mit ihnen spielen?« usw. Dann folgen die Fragen: »Warum sie dermalen nicht zu Hause bei dem Vater (Mutter), sondern hier im Amthaus sich befinden? Was sie neulich da und dort mit diesen getrieben? In wem es bestanden? Was, wie er es gemacht? Wer es ihm gelehrt? Wann, wo, wer dabei gewesen? Wie oft sie es gemacht? – Wie lange das Wetter gedauert? Wem es vermeint gewesen und geschadet? Zu wem sie die Mäuse geschickt? Warum? Wie er ausgeschaut? – Wie oft sie auf dem Tanz gewesen? Wer sie hingeführt und was sie noch alldort gethan? Was ihnen dieser und jener, auch der Teufel versprochen?« usw.

Bei Erwachsenen soll sofort gefragt werden: »Ob er diese oder jene Personen kenne? Ob dieser ein Hexenmeister sei? Er müsse es wissen, weil er mit ihm Umgang gepflogen. Was ihm von dem jüngst gewesenen Schauerwetter bekannt? Wer dieses gemacht? Wo er um diese und jene Zeit gewesen? Von wem er das Hexen und Zaubern gelernt? Wie lange er solches treibe? – Was er für einen Glauben habe? Wie er dieses sagen möge, zumal er sich ja durch seine teuflischen Künste von Gott abgesondert? Was er zu seiner Kunst gebrauche? Woher er die Sachen genommen? Was der Teufel von ihm verlangt? Solle die Wahrheit sagen. Ob er sich demselben verschrieben? Auf wie lange und mit was für Umständen? Ob er Gott verleugnet? Ob er anders getauft und mit was für einem Namen? – Ob er mit dem Teufel Beischlaf gehabt? Wie oft und auf was für eine Weise? Wie dieser geheißen, wie er ausgesehen? Was sie hierbei und nach der Hand verspürt? Hierbei ist dann auch in herkömmlicher Weise von dem membrum frigidum und semen frigidum des Teufels die Rede! Zu was Zeit und an welchem Orte er auf dem Tanz gewesen? Was der Teufel geredet?« usw. usw. – Besonders wird es dem Untersuchungsrichter noch zur Pflicht gemacht, »auch auf die Complices zu inquiriren«.

Diese im Archive zu Kelheim aufgefundene Instruktion für die kurbayerischen Hexenrichter scheint keinen offiziellen Charakter gehabt zu haben. Sie dürfte, wie Riezler vermutet, das Machwerk eines Reaktionärs unter den Richtern gewesen sein. Daß es aber unter den bayerischen Richtern einen Mann gab, der ein derartiges Schriftstück abfassen konnte, ist bezeichnend genug.

Große Bewegung rief damals in Bayern ein gewaltiger Teufelsbanner, der Priester Joh. Joseph Gassner, hervor Vgl. L. Rapp, die Hexenprozesse und ihre Gegner aus Tirol, II. Aufl., S. 133 ff. Riezler, S. 314.. Er verkündete, daß die Wirksamkeit des Teufels jetzt vorzugsweise in der Bewirkung von Krankheiten hervortrete, weshalb ein großer Teil von ihnen nicht mit Arzneien, sondern nur mit Beschwörungen und Exorzismen geheilt werden könne.

Einen mächtigen Gönner fand Gassner an dem Bischof von Regensburg, Anton Ignaz Grafen von Fugger, der ihn zu seinem Hofkaplan und geistlichen Rat ernannte. Da der genannte Bischof zugleich Propst von Ellwangen war, so begab sich Gassner dahin und begann hier an Besessenen und anderen Kranken seine Exorzismen zu experimentieren. Der Zulauf, den er hier fand, war so groß, daß im Dezember 1774 die Zahl der Hilfesuchenden über 2700 betrug. Um seine Teufelsbannerei noch mehr in Schwung zu bringen, veröffentlichte Gassner 1774 ein Schriftchen unter dem Titel: »Weise, fromm und gesund zu leben, auch ruhig und gottselig zu sterben oder Nützlicher Unterricht wider den Teufel zu streiten durch Beantwortung der Fragen: 1. Kann der Teufel dem Leibe der Menschen schaden? 2. Welchen am meisten? 3. Wie ist zu helfen?« (Kempten, 1774, 40 S.) Er meint in diesem Schriftchen, daß es drei Klassen vom Teufel geplagter Menschen gebe, nämlich circumsessi (angefochtene), obsessi oder maleficiati (verzauberte) und possessi (besessene). Für alle diese Geplagten gibt Gassner die Mittel der Heilung an. Vor allem habe sich der Betroffene davor zu hüten, daß er die teuflische Plage und Schädigung für ein natürliches Leiden halte, indem niemand die Wirklichkeit der dämonischen Zauberei leugnen könne, ohne sich »de religione suspectus« zu machen. – Im folgenden Jahre zog Gassner nach Regensburg und auch hier strömte viel Volks von allen Seiten herbei, aus der Pfalz, aus Böhmen, Österreich und aus anderen Ländern, um sich durch seine Bannsprüche von allerlei zauberischen Plagen, Besessenheit und sonstiger Krankheit heilen zu lassen.

Endlich aber ward ihm das Handwerk gelegt. Der kaiserliche und kurbayerische Hof, der Bischof von Konstanz und die Erzbischöfe von Salzburg und Prag untersagten ihm die fernere Ausübung seiner Teufelsbannerei. Auch in Rom wurde die Ostentation gemißbilligt, mit der er seine, teilweise von ihm selbst redigierten, Exorzismen betrieb. Nebenbei wurde viel Staub durch die Broschüren aufgewirbelt, die sich mit dem Teufelsbanner und Wunderdoktor beschäftigten Vgl. Schröckhs Kirchengesch. seit der Reform., B. VII., S. 330 ff. – Gassner starb 1779 als Dekan zu Bendorf in der Diözese Regensburg..

In diesem Federkrieg sprach sich seltsamerweise nicht nur der berühmte Ludwig Lavater zu Zürich einigermaßen zugunsten Gassners aus, indem er in diesem zwar keinen Wundertäter, aber doch einen starken Glaubensmann anerkannte, – sondern auch der kaiserliche Leibarzt Anton von Haen. Haen, der wie sein Kollege, der Freiherr Gerhard van Swieten, für einen Hauptgegner des Hexenglaubens galt, und der einst drei angebliche, schon gemarterte und zum Scheiterhaufen verurteilte Hexen gerettet hatte, ließ sich bestimmen, in einer Broschüre De magia liber, Venetiis 1775. dem Hexenglauben gewisse Konzessionen zu machen. In einer zweiten Broschüre De miraculis liber, Ven. 1776. »über die Wunder« schloß freilich Haen seine Untersuchung damit, daß, da sich die wesentlichen Kennzeichen des Wunders bei den wunderbaren Heilungen Gassners nicht vorfänden, er sie wohl mit Hilfe des Teufels verrichtet haben müßte.

siehe Bildunterschrift

Titelblatt von Lavaters De Spectris etc.
Zürich 1659

Auch unter der Regierung des Kurfürsten Karl Theodor (1777-1799) dauerte die Herrschaft des Aberglaubens in Bayern ungestört fort. Noch im Jahre 1784 verbot ein landesherrliches Reskript Karl Theodors alle weltlichen Heilmittel gegen den Biß toller Hunde und verwies lediglich auf die geistliche Wunderkraft des heiligen Hubertus Dr. E. Vehse, Geschichte des Hofes vom Hause Baiern. Leipzig, II. Band, S. 169.. Fast jedes Kloster hatte seinen sogenannten Hexenpater, bei dem man sich Rat und Schutzmittel zu holen pflegte, z. B. Agnus Dei und Lukaszettel. Eine 1786 erschienene Schrift: »Neuester Hexenprozeß aus dem aufgeklärten heutigen Jahrhundert, oder: So dumm liegt mein bayerisches Vaterland noch unter dem Joch der Mönche und des Aberglaubens, von A. v. M.« hat mit Hexen nichts zu tun, sondern berichtet nur die Schandtaten eines Hexenpaters. »Haben wir nicht«, sagt der Anonymus, »in jedem Kloster einen Hexenpater? Unter welch anderen Namen sind die P. Astery, ein Karmeliter zu Straubing, P. Hugo zu Abensberg bekannt als Hexenpater? Ich selbst habe von ersterem einen Zettel gesehen, worauf er aus eigener Kraft dem Satan, den Hexen und allem Unheil befiehlt, dieses Haus nie zu betreten. In und um Straubing befinden sich auf sieben Stunden weit wenige Häuser, wo nicht ein solcher Zettel an der Türe angebracht ist.« Eine Münchener Handschrift aus dem 18. Jahrhundert enthält in deutscher und lateinischer Sprache das ganze Rüstzeug eines dieser Hexenpatres, eine Sammlung von Mitteln, in denen auch solche nicht fehlen, die der Hexenhammer empfohlen hatte Riezler, S. 317 f..

In Bayern sah man noch im Jahre 1775 eine Hexentragödie vor sich gehen. Dieser Hexenprozeß erfolgte im damaligen Stift Kempten, wo er am 6. März begann und am 11. April zu Ende ging. Über seinen Verlauf berichten wir nach C. Haas, der ihn in der Schrift »die Hexenprozesse« S. 108 ff. nach den Akten mitgeteilt hat.

Eine arme Söldners- und Tagwerkerstochter Anna Maria Schwägelin von Lachen hatte früh ihre Eltern verloren und mußte sich ihr Brot mit Dienen erwerben. Im Dienste eines protestantischen Hauses knüpft der Kutscher des Herrn ein Verhältnis mit ihr an und verspricht ihr die Ehe unter der Bedingung, daß sie den katholischen Glauben verlasse und lutherisch werde. Dieses vollzog die Schwägelin in Memmingen im Alter von etwa 30-36 Jahren (sie wußte im Verhör über ihr Alter nur zu sagen, daß sie in die dreißig oder nahezu vierzig Jahr alt sei). Nichtsdestoweniger ließ sie der Kutscher sitzen und heiratete eine Wirtstochter von Berkheim. Hierüber erregt und zugleich in ihrem Gewissen beunruhigt beichtete sie die Sache einem Augustinermönch in Memmingen, der ihr gesagt haben soll: »es sei nunmehr genug, daß sie es gebeichtet, und daß sie eine wahre Reue dagegen bezeuge, und sie habe nicht nötig, daß sie wiederum neuerdings ein Glaubensbekenntnis ablege, wenn sie nur bei ihrem Vorsatz beharre.« Bei ihrer Konversion in der Martinskirche zu Memmingen habe sie die Schwörfinger heben und sagen müssen, daß sie auf dem lutherischen Glauben beharren wolle, und daß die Mutter Gottes und die Heiligen ihr nicht helfen können. Die Mutter Gottes sei nur eine Kindelwäscherin und nicht mehr als ein anderes Weibsbild gewesen. Die Bilder von den Heiligen seien nichts als zum Gedächtnis, keineswegs aber, daß man diese verehren solle. Gott allein könne ihr helfen, sonst niemand. Da aber der oben gemeldete Augustiner in Memmingen wenige Tage nach der Beichte der Schwägelin apostasierte, so wurde sie wieder unruhig und meinte, sie sei wohl von diesem Geistlichen nicht richtig absolviert. Sie will daher hierauf die Sache einem Kaplan gebeichtet haben, der ihr jedoch die Absolution mit dem Bemerken verweigerte, der Fall müsse nach Rom berichtet werden. Alsbald aber sei der Kaplan auf einen anderen Dienst gekommen und die Sache sei liegen geblieben.

Seitdem irrte die Schwägelin von Dienst zu Dienst, und wurde schließlich als vagierende und wahrscheinlich körperlich und geistig leidende Person in das Kemptensche Zuchtschloß Langenegg gebracht. Dort wurde sie einer notorisch geisteskranken Person, namens Anna Maria Kuhstaller, für wöchentlich 42 kr. in Pflege und Aufsicht gegeben. Ihrer Aussage nach wurde sie von dieser sehr schlecht gehalten, elend genährt, oft Tage lang gar nicht, und dabei vielfach geschlagen und sonst mißhandelt. Soviel steht wenigstens fest, daß sie schließlich nicht mehr stehen und gehen und keine Hand mehr erheben konnte. Die Schwägelin gab dabei an, daß die Kuhstaller sie aus Eifersucht so arg mißhandelt habe, weil sie befürchtete, sie mache ihr den Zuchtmeister abspenstig. Dagegen erklärte die Kuhstaller, sie habe der Schwägelin nur zweimal mit einem Stricke etliche Hiebe gegeben, weil sie gelogen habe und boshaft gewesen sei. Essen habe sie ihr richtig und genug gegeben, so gut sie es habe auftreiben können, was der Zuchtmeister Klingensteiner als wahr bezeugte.

In ihrem Unmute sagte einmal die Schlägelin, sie wollte lieber beim Teufel als in solcher Pflege sein. Das benutzte die Kuhstaller, um alsbald bei Gericht anzuzeigen: die Schwägelin habe ihr einbekannt, daß sie mit dem Teufel Unzucht getrieben und Gott und allen Heiligen habe absagen und auf jene Weise und Art sich verschwören müssen, wie es ihr der Teufel vorgehalten habe. Auch habe sie die Schwägelin manchmal laut lachen und mit jemand sprechen hören, während doch niemand bei ihr gewesen sei.

Diese Anzeige genügte, weil der Zuchtmeister sie bestätigte, die unglückliche, ganz gebrechliche Person »abholungsweise auf der sogen. Bettelfuhr« am 20. Febr. 1775 nach Kempten ins Gefängnis schaffen zu lassen. Von da bis zum 6. März wurde sie nun zunächst durch den Eisenmeister Klingensteiner beobachtet, der auf Befragen über das Verhalten der Angeklagten deponierte: In der dritten Nacht ihrer Anwesenheit im Kerker habe man im Gefängnisofen ein Geräusch gehört, als ob etwas vom Ofen herabgefallen wäre. Er selbst freilich habe es nicht gehört, sondern es sei ihm von einem anderen Gefangenen erzählt worden. Aber er und seine Schwester hätten gehört, wie ihre Enten im Stalle geschrien und hätten deren Unruhe gesehen, und zwar nachts zwischen zwei und drei Uhr. Späterhin habe man nichts mehr gehört. Er, der Eisenmeister, habe die Schwägelin gefragt, ob sie wisse, warum sie ins Gefängnis gebracht worden sei. Darauf habe sie geantwortet: Ja, sie habe gesagt, daß sie Gott und allen Heiligen abgeschworen und mit dem Teufel Unzucht getrieben; allein das habe sie zur Kuhstallerin nur aus Furcht gesagt, weil sie sonst von ihr geschlagen worden sei. – Diese wollte sie also als Hexe anklagen und hatte das Geständnis erpreßt!

Die Voruntersuchung war nun geschlossen und die Angeklagte wurde am 6. März vernommen. Die Personalien wurden protokolliert, dabei die Erzählung ihres Abfalls vom katholischen Glauben, ihrer Behandlung seitens der Kuhstallerin etc., wobei sie erzählte, sie habe der Kuhstallerin geklagt, daß die Maden ihr die Fersen auffräßen, sie solle doch machen, daß man ihr diesmal ein Mittel verschaffe, worauf diese geantwortet, daß ihr Hurenjäger, womit sie den Zuchtmeister gemeint, ihr schon was geben werde. Auf ihre Klage über schlechte Kost habe sie von der Kuhstallerin Schläge bekommen unter Vermelden, sie habe von der gnädigen Herrschaft Erlaubnis sie zu züchtigen. Immer darüber berufen, daß sie es mit dem Teufel zu tun habe, habe sie aus Furcht vor Schlägen und anderer Mißhandlung solches zugegeben und auf Andringen habe sie zuletzt auch dem Zuchtmeister erzählt, vor etwa fünf oder sechs Jahren sei der Teufel in Gestalt eines Jägers ihr in der Harth unweit Memmingen begegnet, mit dem sie sich damals versündigt habe. Sonst wisse sie nichts anzugeben.

Am 8. März erfolgte nun das zweite Verhör. Inquisitin bleibt dabei, daß sie nur aus Furcht und Angst der Kuhstallerin und dem Eisenmeister die Geschichte mit dem Teufel erzählt habe, um Ruhe zu bekommen und weil letzterer ihr versprochen, ihr dazu behilflich sein zu wollen, daß sie von Langenegg fortkomme. Trotzdem wurde aber diese Aussage als Geständnis angesehen und Inquisitin mit Fragen aller Art so bestürmt, daß sie endlich verwirrt auf die Suggestionen selbst einging und die lächerliche Aussage mehr und mehr ausspann, oder vielmehr sich ausspinnen ließ, z. B., daß der Teufel ihr zuletzt gesagt habe, daß er der Teufel sei. – Hierauf geht das Verhör auf das Lutherischwerden usw. über, und wird das Abschwören in der Martinikirche zu Memmingen zum Abschwören vom Teufel. Zur Unzucht mit dem Teufel, sagt die Angeklagte, sei es nicht gekommen, und sie könne es nicht anders sagen, auch wenn sie sterben müsse. – Auf die Frage, was ihr denn der Teufel versprochen, antwortet sie: Der Teufel habe ihr allerlei Sachen schenken wollen. – Nun wird die Unglückliche immer von neuem dazu gedrängt, daß sie gestehen soll, sie habe mit dem Teufel Unzucht getrieben; allein sie verneint es stets und bleibt dabei, daß sie ihre Aussage gegen den Zuchtmeister nur aus Furcht und Angst getan habe.

Am folgenden Tage (9. März) wird die Schwägelin wieder ins Verhör genommen. Dieses beginnt wieder mit Fragen nach dem Lutherischwerden und geht sodann zur Erörterung ihrer Behandlung in Langenegg über. Inquisitin bleibt fest bei ihren früheren Aussagen, gesteht aber endlich zu, daß der Teufel mit ihr Unzucht getrieben und sie mit Aufhebung von zwei Fingern habe schwören lassen, daß sie alles dasjenige halten wolle, was sie ihm versprochen habe, nämlich, daß sie ihm dienen wolle.

Nun beginnt ein so schamloses Inquirieren nach dem Detail der Unzucht, daß das arme Geschöpf nicht weiß, was es antworten soll. Sie wird nach Scheußlichkeiten gefragt, von denen sie noch nie gehört hat; aber der Verhörrichter ruht nicht, bis er aus ihr herausgepreßt, was er in sie durch seine Suggestionen hineingelegt hat. Die Kuhstallerin, die nachher verhört wird, deponiert, daß sie die Schwägelin einmal habe zum Teufel sagen hören: es komme jemand, er solle in ihre Truhe fahren.

In dem am 10. März fortgesetzten Verhör versichert Inquisitin, sich mit dem Teufel nur einmal, und zwar auf der Harth, versündigt zu haben. Im Schlafe sei es ihr zwei- oder dreimal nur so vorgekommen. Sie klagt, »es werde ihr so wehe und sie könne schier nicht mehr schnaufen; heute nacht habe sie gemeint, sie müsse sterben, indem es ihr so schwer auf dem Herzen gewesen«. Hierauf wird ihr erwidert: »ihr dermaliger Zustand, den sie dato anzeige, werde wohl ja und allein daher rühren, dieweilen sie dem Anschein nach bisher kein aufrichtiges Bekenntniß gethan habe. Sie solle daher ihre Sache aufrichtig bekennen«.

Endlich dahin gebracht, daß sie bekennt, der Teufel habe in jeder Nacht mit ihr Unzucht getrieben, geht sie nun auf alle Fragen ein, so toll sie auch waren, und beantwortet sie ganz nach Wunsch des Verhörrichters mit einfachem Ja. Zumeist betrafen die Fragen schon früher verhandelte Dinge. Plötzlich aber wird im Verhöre von etwas ganz Neuem, nämlich von einem Pakte mit dem Teufel gesprochen, den die Angeklagte eingestandenermaßen eingegangen habe. Dieses geschah in der zweihunderteinundzwanzigsten Frage, in der der Richter dabei auf Frage hundertsechsundsechzig Bezug nahm. Die Frage hundertsechsundsechzig lautete aber: »Wie lange es angestanden, daß, nachdem sie lutherisch geworden, sie hernach Gott und alle Heiligen verleugnet und sich dem Teufel zugeeignet?« an die nun die Suggestivfrage zweihunderteinundzwanzig angeschlossen ward: »Sie habe ad interrog. hundertsechsundsechzig gesagt, daß sie erst in zwei Jahren danach, wie sie lutherisch geworden, diesen Pakt mit dem Teufel gemacht habe.« Nun folgt noch eine lange Reihe von Fragen über die mit dem Teufel getriebene Unzucht, wobei die Angeklagte auf Befragen angibt, daß er bald als Jäger bald als halberwachsener Bauersknecht zu ihr gekommen war, bis man endlich am 30. März 1775 das crimen laesae majestatis divinae als konstatiert ansehen und das Urteil gefällt werden konnte, das auf »Tod durch das Schwert« lautete. Die Bestätigung des Urteils ist mit den Worten vollzogen: »Fiat iustitia! Honorius, Fürstbischof.« Ein nachgetragenes »Bey-Urthl« lautet: »Auch ist zu Recht erkannt wurden, daß wer der armen Sünderin Tod rächen oder hindern würde, in dessen (?) Fusstapfen gestellt werden solle.«

So verlief der letzte Hexenprozeß auf deutscher Erde – im Jahre 1775!

Unter den französischen Gerichten war das Parlament von Bordeaux eines der hartnäckigsten. Es verbrannte noch 1718 einen Menschen, den es für überführt erklärte, einen vornehmen Herrn mit seinem ganzen Hause durch Nestelknüpfen bezaubert zu haben Garinet, pag. 256..

Spanien endigte seine Hexenverbrennungen 1781 mit der Hinrichtung eines Weibes zu Sevilla, das des Bundes und der Unzucht mit dem Teufel angeklagt war. Sie hätte, sagt Llorente, dem Tode entgehen können, wenn sie selbst sich des Verbrechens hätte schuldig erklären wollen Llorente, Geschichte der spanischen Inquisition, Teil IV, Kap. 46.. – Noch 1804 wurden verschiedene Personen wegen Liebeszauber und Wahrsagerei von der Inquisition eingekerkert.

Die schrecklichsten Dinge trugen sich aber während des achtzehnten Jahrhundert in der Schweiz zu »Der Hexenprozeß und die Blutschwitzer-Prozedur, zwei Fälle aus der Kriminal-Praxis des Kantons Zug aus den Jahren 1737-1738 und 1849.« Zug, 1849. Dettling, Schwyz, S. 60 f..

Hier erschien am 9. August 1737 ein siebzehnjähriges Mädchen, Katharina Kalbacher, in Zug vor dem Hexentribunal, um Geständnisse abzulegen. Diese von frühester Jugend an verwahrloste Person hatte vorher eine Besprechung mit den Jesuiten in Luzern gehabt, die in ihr eine Besessene erkannten, und deren Rektor ihr die Weisung erteilt hatte, zu tun, was er sie heißen werde, wenn sie von ihrem Stande erledigt sein wollte. Sie gab nun den gewöhnlichen Unsinn zu Protokoll, wollte schon als kleines Kind dem Teufel und der Zauberei ergeben gewesen sein, nannte dabei noch sechs Personen als Mitschuldige, zu denen sie späterhin, wahrscheinlich zur Fristung des eigenen Lebens, noch drei andere Personen hinzufügte.

Die Angezeigten wurden nun vorgeladen und »in loco torturae«, d. h. in dem unter dem Namen Kaibenturm bekannten, noch vorhandenen scheußlichen Arrestlokal der Hexen vernommen.

Im ersten Verhör wiesen die Denunzierten jedes Wissen von Zauberkünsten und jede Teilnahme an ihnen einfach zurück, obschon ihnen von Anfang an mit Drohungen sehr ernst zugesetzt wurde. Daher schritt man alsbald zum peinlichen Verhör, zunächst mit der siebzigjährigen Lisi Bossard. Diese alte Person wurde also »gesetzt«, dann »gebunden« und mit dem »kleinsten Stein aufgezogen«. Die Bossard gab hängend »unter erschrecklichem Geschrei, aber ohne Zähren« auf die Fragen: »ob es nichts mit dem Teufel gehabt, ob es nichts verderbt, ob es nichts wissen wolle über das Schlüsselloch, ob es kein Vieh verderbt«, ein beharrliches »Nein« zur Antwort, worauf zu schärferen Torturen vorgegangen wurde, – mit demselben Erfolg.

Doch wir sehen hier von der gräßlichen Behandlung der anderen Angeklagten ab, um nur eine von ihnen ins Auge zu fassen, deren Geschick uns darüber belehren mag, wie Menschen teuflischer als der Teufel sein können.

Die Ehefrau Anna Gilli war am 12. August 1737, vierzig Jahre alt, in der vollen Kraft der Gesundheit und eines abgehärteten, starken Körpers vor ihre Untersuchungsrichter gebracht worden; und am 29. Januar 1738 wurde sie zerschlagen, zerquetscht, zerfetzt und zerrissen an Fleisch und Knochen, kaum noch ein menschliches Aussehen an sich tragend, in der Ecke eines der Löcher im Kaibenturm zusammengekauert, tot aufgefunden.

Das erste Verhör der Anna Gilli wurde damit eröffnet, daß man sie das Zeichen des Kreuzes machen, fünf Vaterunser und Ave Maria sowie den Glauben und die »offene Schuld« beten ließ, worauf die erste Frage folgte: »ob sie dem bösen Feinde widersage«, deren Bejahung sofort zu der Frage benutzt wurde, »ob sie von ihm etwas angenommen habe«, womit die Quälerei ihren Anfang nahm. Man hatte bei ihr im Stalle acht »Steckeln« gefunden, von denen sie sagte, daß ihr Mann sie gemacht habe, um sie mit Köpfen zu versehen, mit Scheidewasser anzustreichen und zu verkaufen. Allein das Gericht wollte in ihnen nun einmal die Besenstiele erkennen, mit denen sie zum Hexensabbat fahre, weshalb sie sich des Bundes und der Buhlerei mit dem Teufel usw. schuldig bekennen sollte. Da sie dieses nicht tat, so wurde alsbald zur Tortur geschritten. Sie wurde entblößt, mit einem Hexenkleide angetan, »ist ihr dann unseres Erlösers Jesu Christi ... Riezler, S. 116, Anm. 1, will hier eine Kette eingefügt wissen. um den Leib gelegt und heilige und gesegnete Sachen an den Hals gehängt worden, wie auch Salz, das an einem Sonntag gesegnet war – ist auch exorzisiert worden, hat aber hierauf keine Zähre vergossen. Sind ihr hierauf im Weihwasser drei Tropfen von einer gesegneten Wachskerze gegeben, ist ihr hierauf wieder lange Zeit geistlich zugesprochen worden«, – mit diesen Worten beginnt das Protokoll des dreizehnten Verhörs. Bis zum 2. September, wo dieses Verhör stattfand, war sie bereits zwölfmal gepeinigt worden. Fast in jedem dieser Verhöre hatte man sie stundenlang die Tortur auf der Folter durch Anhängen der schwersten Steine ertragen lassen, und da dieses nichts fruchtete, so wurden noch andere Martermittel zur Anwendung gebracht. Man hatte sie in die »Geige« gespannt, ihr den »eisernen Kranz« aufgelegt und schließlich war sie »im Namen der heiligsten Dreifaltigkeit« nach Entblößung ihres Körpers erst auf dem Rücken, dann auf den Fußsohlen mit Haselstöcken zerhauen worden. Im vierzehnten Verhör (am 3. September) wurden ihr sogar über dreihundert Rutenstreiche versetzt. »Zur Applizierung dieser Rutenstreiche wurde (in Zug) der Inquisit mittelst einer besonderen Vorrichtung (spanischer Bock genannt) auf dem Boden der Folterkammer, und durch Stricke, die an den Daumen und Zehen befestigt und angezogen wurden, auf das äußerste ausgestreckt. Jeder dieser Rutenhiebe auf diesen so gespannten Rücken warf eine schwarz und blau unterlaufene Schramme auf, die nach und nach aufsprang und einen bis auf die Knochen zerfetzten Rücken zurückließ. Man brauchte diese Folter auch noch in neuerer Zeit; doch hat man nie gewagt, mehr als fünfzig bis achtzig Streiche auf einmal geben zu lassen.« Aber die teuflisch Gequälte blieb standhaft. Daher ließ man sie jetzt bis zum 3. Oktober in ihrem scheußlichen Behälter in Ruhe. Da aber nahmen das Verhör und die Tortur aufs neue ihren Anfang. Man hatte nämlich in ihrem Hause ein Bündelchen mit Hafermehl und ein Büchschen mit einer Salbe vorgefunden, und die Kalbacherin hatte ausgesagt, daß das angebliche Hafermehl Gift sei, das die Gilli zum Hagelmachen und Sterben des Viehes gebrauche. Ebenso hatte sie angegeben, daß die Gilli mit der Salbe ihre »Steckle« zum Ausfahren verwende. Allein obgleich die Gilli sich bereit erklärte, das Hafermehl sofort zu verzehren, wenn man es ihr nur gebe, und obgleich der Meister Nachrichter, den man beauftragt hatte, mit dem gefundenen Hafermehl an einem Hunde die Probe zu machen, berichtete, er habe eine Handvoll davon einem Hund in einem Stück Fleisch und in Bratwurst beigebracht, dem es weder geholfen noch geschadet habe, so wurde die Unglückliche doch nochmals auf die Folter gespannt, und zwar mit Anhängung aller drei Steine an den Füßen. – Nach dieser letzten Tortur wurde sie nach Ratserkenntnis wieder in ihr kaltes Loch gesperrt, und bei etwas Suppe zu Mittag und etwas Brot zur Nacht bis zum 23. Januar in Ruhe gelassen. Da wurde sie plötzlich nochmal ins Verhör geführt. Die zermarterte Frau konnte nicht mehr gehen. Sie wurde abermals aufgefordert, sich als Hexe zu bekennen, gab aber keine Antwort, sondern brach lautlos zusammen. Die Richter hatten dabei noch die Roheit, sie zu fragen, weshalb sie nicht gerade stehen könnte. Als Antwort sprach sie die Bitte aus, daß man ihr etwas Wasser geben möchte.

Am 29. Januar 1738 wurde sie endlich tot im Gefängnis gefunden. Das darüber aufgenommene Visum repertum teilt mit, »daß nachdem die Läufer besagte Person todt angetroffen, der Meister Nachrichter bei näherem Untersuch in einem der zwei hölzernen Gehäuse oder Keychen der obersten contignatio dieselbe in einer Ecke auf der rechten Schulter liegend, Hände und Füße zusammengezogen und mit einem Skapulier und Rosenkränzchen am Hals, – auch ohne Merkmale eigenhändiger Gewaltthätigkeit gefunden; daß hierauf die wohlweisen und gnädigen Herrn des Stadt- und Amtsrats beschlossen, weil solche arme Person von den auf sie gewesenen Indizien durch große und vielfältige Pein sich purgirt und nichts auf sie gebracht werden können, wollen M. g. Herrn sie nun als tot nicht für eine Unholdin erkennen noch traktiren, und um das so viel mehr, da sich aus dem Viso reperto durchaus zeige, daß diese arme Person nicht eines gewaltthätigen sich selbst angethanen Todes gestorben sei, sondern das Skapulier und Rosenkranz am Halse gefunden worden. Deßhalb soll solche heute Nacht ohne Geläute und Lichter von den Läufern auf den Kirchhof getragen und in das Bettlerloch herunter gelassen werden.«

Ganz ebenso wie mit diesem standhaften, willensstarken Weibe wurde nun auch mit allen anderen Angeklagten verfahren. Bei allen dieselben Prozeduren und dieselben Torturen! Nur mit einigen Worten wollen wir hier noch das Schicksal des Marx Stadlin von Zug, seiner Frau und seiner Tochter Euphemia berühren. Diese drei Unglücklichen waren die von der Kathri Kalbacher ganz nachträglich am Tage vor ihrer beschlossenen Hinrichtung als Hexen Denunzierten. Marx Stadlin erlitt unter unsäglichen Schmerzen alle die Torturen, die wir bei der Gilli erwähnten, ohne sich ein Geständnis abpressen zu lassen. Das schreckliche Ende mehrerer dieser sogenannten Hexen auf dem Richtplatze, das er noch vor seiner Gefangennehmung mit ansehen konnte, mag nicht wenig zu dieser Standhaftigkeit beigetragen haben. Ebenso ertrug auch seine Tochter Euphemia alle Martern. Dieses heldenmütige, kaum achtzehnjährige Mädchen hat durch den Mut, mit dem sie lieber alle Martern erleiden und das Leben einbüßen wollte, als die Seele verlieren, selbst ihre Richter in einem Grade stutzig gemacht, daß »solche unter der Zeit die h. Regierungshäupter um Rath fragen zu müssen glaubten, was ferner in der Sache zu thun sei.« – Beide wurden schließlich freigesprochen.

Weniger stark und fest war Stadlins Frau, Anna Maria, geb. Petermann. »Sie wolle lieber sagen, sie sei eine Hexe, als so gemartert werden, – sie sei jetzt schon halb tot.« Etwa sechsmal widerrief sie ihre Geständnisse, bis sie schließlich der fortgesetzten Tortur und Geißelung erlag und sich als Hexe bekannte.

Zum Schlusse noch folgende in diesem Prozesse vorgekommenen Erkenntnisse:

»Ueber die arme Sünderin Elisabeth Bossard, weilen diese vor vierzig Jahren durch Ableugnung Gottes und seiner Heiligen, auch wegen begangenen gottesschänderischen Verunehrung des Hochwürdigsten solche unmenschliche Verderbungen, nicht minder auch mit Vermischung mit dem Teufel sich entsetzlich verfehlet, daß diese arme Person vor dem Thurm hinter sich in ein Karren gesetzt, dreimal mit feurigen Zangen gerissen, als zum erstenmal allhier gleich nach Ablesung des Urtheils an der rechten Hand, das andere Mal am rechten Fuß gleich vor der Stadt auf der Schanze, und das dritte Mal gleich innerhalb des Schützenhauses an dem linken Fuße; hernach mit einem Vierling Pulver am Hals lebendig verbrannt, und also vom Leben zum Tode hingerichtet werde.«

»Ebenso soll das Margareth zweimal mit feurigen Zangen gerissen, ebenso ausgeführt und mit einem Vierling Pulver am Hals an eine Leider gebunden und ins Feuer gestoßen werden.«

siehe Bildunterschrift

Hexenbrand und Gerichtsverfahren
Kupfer von D. Chodowiecki in Basedows Elementarwerk, 1768 ff.

»Das arme Mensch Theresia Bossard soll gleich der anderen zur Stadt hinaus auf den gewohnten Richtplatz geführt und alldort die rechte Hand abgehauen und da sie den Strick am Hals und noch lebendig, die Zunge mit einer feurigen Zange aus dem Mund gerissen, auch mit einem Strick an einer Stud erwürgt werden.«

»Ebenso soll das Anna Maria Bossard ausgeführt, mit feuerigen Zangen gerissen und verbrannt werden. Dieselben alle vier sollen zu Pulver und Asche verbrannt, damit ferner Niemandem kein Schade geschehen könne.«

Anna Maria Petermann wurde an einem Pfahl erwürgt und vorher mit feurigen Zangen gezwickt.

Noch enthält das Protokoll das Urteil über sieben Personen, die auf gleich grausame Weise als Hexen hingerichtet wurden. –

So endete dieser entsetzliche Prozeß, der – was wohl zu beachten ist – in Szene gesetzt wurde, nachdem es der alten aristokratischen Partei zwei Jahre vorher (1735) gelungen war, das Regiment des edlen, gerechten und freisinnigen Landamman Schuhmacher in Zug zu stürzen und diesen aus dem Lande zu verbannen.

Übrigens war er noch lange nicht der letzte Hexenprozeß der Schweiz. In dem zum Königreich Preußen gehörigen Lande Neufchatel wurde noch im Jahre 1743, also unter der Regierung Friedrichs d. Großen, von dem Kriminalgericht zu Motiers ein Zauberer verurteilt. Er wurde erst gerädert und dann lebendig verbrannt Les procédures de sorcellerie à Neufchâtel par Charles Lardy, Neufchâtel 1866, S. 42.. Im Juli 1753 wurde in Schwyz die »Kastenvögtin« Anna Maria Schmidig auf Denunziation hin eingezogen, darauf durch den Scharfrichter beschoren, gewaschen und gradatim gepeinigt. Nach zahlreichen Folterungen starb die Gefangene im Hexenturm. Der Körper wurde um 12 Uhr nachts aus dem Turm in einem Sack hinausgeworfen und samt allen Kleidern in einem abgelegenen Gestrüpp tief in die Erde verscharrt. Nur ihr Zinn, »Ehr« und Kupfer wurde ihren Erben gelassen. Den ganzen übrigen Hausrat, Betten und Kleider verbrannte der Scharfrichter in einem abseitigen Ort Dettling, Schwyz, S. 61 ff..

Am 5. Oktober desselben Jahres wurde gleichfalls in Schwyz die bereits einmal freigesprochene, etwa 63jährige Rosa Locher aufs neue eingezogen. Auch sie überstand die häufigen, gräßlichen Martern nicht und starb im Gefängnis. Ihr Vermögen fiel dem Fiskus anheim, ihre Kleider wurden durch den Scharfrichter verbrannt Ebenda, S. 66 ff..

Das letzte gerichtliche Opfer des Hexenglaubens während des achtzehnten Jahrhunderts fiel in der Schweiz im Jahre 1782 zu Glarus Siehe Freundschaftliche und vertrauliche Briefe, den sogenannten sehr berüchtigten Hexenhandel zu Glarus betr. Von H. L. Lehmann, Zürich 1878. Scherr, Menschliche Tragikomödie, Leipzig 1884, VI. Band, S. 49 f. Scherr, Studien, Leipzig 1865-66, III. Band, S. 257..

Anna Göldi, Dienstmagd des Arztes Tschudi, wurde enthauptet, weil sie das Kind ihres Herrn bezaubert haben sollte, so daß es Stecknadeln, Nägel und Ziegelsteine vomierte. Dieses Erbrechen hatte begonnen, als die Beschuldigte bereits seit drei Wochen außerhalb Landes gewesen war. Ihr angeblicher Mitschuldiger, ein angesehener Bürger, erhängte sich aus Verzweiflung im Gefängnisse. Das in diesem Prozesse hervortretende Parteienspiel der Patrizierfamilien, das Benehmen der Ärzte und Theologen, das Hinzuziehen eines wahrsagenden Viehdoktors, die Entzauberungsprozedur durch die Angeschuldigte und das von reformierten Richtern gefällte Todesurteil selbst geben einen traurigen Begriff von der damaligen Geistesbildung des kleinen Freistaates. Die Vorstellungen, die von dem aufgeklärten Zürich herüberkamen, hatten kaum einen andern Erfolg, als daß die Glarner Richter einen Euphemismus erfanden. Sie redeten in ihrem Urteil von »außerordentlicher und unbegreiflicher Kunstkraft« und von »Vergiftung«, wo sie auf Zauberei erkannt haben würden, hätten sie nicht aus Zürich erfahren, daß ein Hexenprozeß ihnen vor aller Welt Schande bringen müßte. Das folgende Aktenstück wird den Charakter des Ganzen hinlänglich ins Licht stellen Lehmann a. a. O., Heft II., S. 88 ff.:

»Malefiz-Prozeß und Urtheil

über die z. Schwert verurtheilte Anna Göldinn aus dem Sennwald, verurtheilt den 6/17 Junii 1782.

Die hier vorgeführte bereits 17 Wochen und 4 Tage im Arrest gesessene, die meiste Zeit mit Eisen und Banden gefesselte arme Uebelthäterin mit Namen Anna Göldinn aus dem Sennwald hat laut gütlich und peinlichem Untersuchen bekennet, daß sie am Freytag vor der letzten Külbi allhier zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags aus des Herrn D. Tschudis Haus hinter den Häusern durch und über den Gießen hinauf zu dem Schlosser Rudolf Steinmüller, welcher letzthin in hochobrigkeitlichem Verhaft unglückhafter Weise sich selbst entleibet hat, expresse gegangen sey, um von selbem zu begehren, daß er ihr etwas zum Schaden des Herrn Doktors und Fünfer Richters Tschudi zweyt ältestem Töchterli Anna Maria, dem sie übel an sey, geben möchte, in der bekennten äußerst bösen Absicht das Kind elend zu machen, oder daß es zuletzt vielleicht daran sterben müßte, weil sie vorhin von dem unglücklichen Steinmüller vernommen gehabt habe, daß wann man mit den Leuten uneins werde, er etwas zum Verderben der Leute geben könne. Auf welches sie ein von dem unglücklichen Steinmüller zubereitetes und von ihm am Sonntag darauf, als an der Kilbi selbst, überbrachtes verderbliches Leckerli im Beyseyn des Steinmüllers auf Herrn D. Tschudis Mägdekammer zwischen 3 und 4 Uhr, als weder Herr D. Tschudi, noch dessen Frau, noch das älteste Töchterli zu Hause war, unter boswichtigen Beredungen, daß solches ein Leckerli sey, dem bemelten Töchterli Anna Maria beigebracht habe; wo ihr der Steinmüller bey gleich unglücklichem Anlaß noch auf der Mägdekammer, zwaren da das Töchterlein das verderbliche Leckerli schon genossen gehabt, eröffnet habe, daß solches würken werde, nämlich es werde Guffen, Eisendrath, Häftli und dergleichen Zeugs von dem Kinde gehen, welches auch leider zum Erstaunen auf eine unbegreifliche Weise geschehen, wodurch das unschuldige Töchterlein fast 18 Wochen lang auf die jammervollste Weise zugerichtet lag. Bey solchem unter der betrüglichen Gestalt eines Leckerlis dem Töchterlein beigebrachten höchst verderblichen Gezeug ließ es die hier stehende Uebelthäterin nicht bewenden, sondern erfrechte sich aus selbsteignem bösen Antrieb laut ebenfalls gütlich und peinlich abgelegtem Geständniß neuerdings in der letzten Woche, da sie noch bei Herrn D. Tschudi am Dienst stund, wo ihro nach ihrem Vorgeben damals das Töchterli in der Küchen die Kappe abgezerret habe, diesem Töchterli in sein mit Milch auf den Tisch gebrachtes Beckeli zu acht unterschiedlichen malen und noch über erfolgtes Warnen hin, jedesmal eine aus dem Brusttuch genommene Guffe, also zusammen 8 Guffen zu legen, in der bekennten schändlichen Absicht, damit wann man die Guffen gewahr werde und mit der Zeit Guffen vom Kind gehen möchten, man schließe, daß das Töchterlein solche aus eigner Unvorsichtigkeit geschluckt habe, und dadurch die erste im Beyseyn des Steinmüllers verübte Uebelthat, wegen des beygebrachten Leckerlis, verdeckt bleibe, von welchen Guffen zwaren das Töchterli keine empfangen hat, sondern solche allemal auf dem Tisch entdeckt worden sind.«

»Laut der unterm 13ten letzt abgewichenen Christmonat aufgenommenen Besichtigung, da die Uebelthäterin der Justiz noch nicht eingebracht worden war, ist das gedachte Töchterli elend, meistens ohne Verstand auf sein Lager gelegen, die Glieder waren starr, so daß weder die Arme noch Füße, noch Kopf konnten gebogen werden, auch konnte es auf das linke Füßlein nicht stehen, und hat in Gegenwart der zur Untersuchung verordneten Ehren-Kommission öfters gichterische Anfälle bekommen.«

»Nach laut der neuerdings unterm 10. März dis Jahrs bei dem bemeldten Töchterlein aufgenommenen Besichtigung, da damalen die arme Uebelthäterin schon im Verhaft gelegen war, hatte das Töchterlein wiederum in Anwesenheit der Ehren-Kommission öfters kaum 2 Minuten dauernde Anfälle von gichterischen Verliehrungen der Sinne angewandelt, und das linke Füßlein war unveränderlich mit gebogenem Knie ganz kontrakt gegen den Leib gezogen, dergestalten, daß solches auch mit Gewalt nicht konnte ausgestreckt werden, auch beim geringsten Berühren sich schmerzhaft zeigte. Was in so langer Zeit das elende Töchterli seinen geliebten Eltern für Mühe, Kosten, Kreuz und Kummer verursacht hat, ist zum Erstaunen groß, indem laut eydlichen Zeugnuß der Eltern und anderer dabey gewesenen Ehrenleute in etlichen Tagen über 100 Guffen von ungleicher Gattung, 3 Stückli krummen Eisendraht, 2 gelbe Häftli und 2 Eisennägel aus dem Mund des Töchterleins unbegreiflicher Weise gegangen sind. Nachdem dieser armen Uebelthäterin die jammervollen Umstände des Töchterleins zu Gemüth geführet worden, hatte sie sich endlich nach vorläufig dreymal auf dem Rathhause nächtlicher Zeit, als den 11., 12. und 14. März, vergeblich gewagten Versuchen erkläret, daß sie das Kind an dem Ort, wo sie solches verderbt, wiederum bessern wolle; wo also gleich, den 15. März, nächtlicher Zeit man bemeldte Uebelthäterin in H. D. Tschudis Haus in die Küche, dahin sie zu gehen begehrte, führen ließ, welche durch ihr in dem Untersuch beschriebenes Betasten, Drucken und Strecken an dem linken verkrümmten und kontrakten Füßli des Kinds, welches einige Zoll kürzer, als das rechte Füßli war, und darauf es weder gehen, noch stehen konnte, mit ihren bloßen Händen so viel bewürkte, daß das Töchterli in Zeit 10 Minuten wieder auf das verderbte Füßli stehen und damit allein und auch mit Führen hin und hergehen konnte, wie dann diese Uebelthäterin das Töchterli an denen noch nachgefolgten zwey Nächten vermittelst ihrer auch im Untersuch ausführlich beschriebenen Bemühung wiederum nach allen Theilen zum größten Erstaunen auf eine unbegreifliche Weise gesund hergestellt, so daß nach eydlichem Zeugnuß nach der Hand 2 Guffen nid sich von dem Töchterli gegangen sind, welches nun die wesentliche Beschreibung des Verbrechens samt der Krankheit und Besserung des Töchterleins ausmachet.«

»Wann nun hochgedachte M. G. H. und Obere vorbemeldtes schwere Verbrechen nach seiner Wichtigkeit in sorgfältige Bewegung gezogen und betrachtet die große Untreue und Bosheit, so die gegenwärtige Uebelthäterin als Dienstmagd gegen ihres Herrn unschuldiges Töchterlein verübet, betrachtet die fast 18 Wochen lang unbeschreiblich fürchterliche unerhörte Krankheit und vorbemeldt beschriebene elende Umstände, welche das Töchterli zu allgemeinem größten Erstaunen ausgestanden hat, nebst der von eben dieser Uebelthäterin bezeigten außerordentlichen und unbegreiflichen Kunstkraft mit der einersmaligen zwar zum Besten des Töchterleins gelungenen plötzlichen Curirung desselben, und auch betrachtet ihren vorhin geführten üblen Lebenswandel, darüber zwaren sie, wegen eines in Unehren heimlich geborenen und unter der Decke versteckten Kind schon in ihrem Heimat von ihrer rechtmäßigen Obrigkeit aus Gnaden durch die Hand des Scharfrichters gezüchtigt worden, und hiemit solche in keine weitere Beurteilung fallet, wohl aber in traurige Beherzigung gezogen worden, wie daß anstatt diese arme Delinquentin, wegen ihrer großen Versündigung gegen ihr Fleisch und Blut sich hätte bessern und bekehren sollen, sich wiederum eine solche Greuelthat gegen das Töchterli des H. D. Tschudis ausgeübt hat; derowegen von hochgemeldten auf ihren Eyd abgeurtheilet wurde: daß diese arme Uebelthäterin als eine Vergifterin zu verdienter Bestrafung ihres Verbrechens und Andern zum eindruckenden Exempel dem Scharfrichter übergeben, auf die gewohnte Richtstatt geführt, durch das Schwerdt vom Leben zum Tod hingerichtet und ihr Körper unter den Galgen begraben werde, auch ihr in hier habendes Vermögen confiscirt seyn solle. Ob dann jemand wäre, der jetzt oder hernach des armen Menschen Tod änzte, äferte oder zu rächen unterstünde, und jemand darum bächte, hassete, oder schmähte, der oder die solches thäten, sollen laut unserer Malefiz-Gericht-Ordnung in des armen Menschen Urthel und Fußstapfen erkannt seyn, und gleichergestalten über sie gerichtet werden. Actum den 6/17. Juni 1782.

Landsschreiber Kubli.«

In Polen, wo die Hexenverfolgungen arg gewütet hatten, fand die preußische Regierung bei der Besitznahme von Posen noch die Prozesse vor. Scholtz macht hierüber folgende Mitteilung: »Im Jahre 1801 fielen einer Gerichtsperson bei Gelegenheit einer Grenzkommission in der Nähe eines kleinen polnischen Städtchens die Reste einiger abgebrannten, in der Erde steckenden Pfähle in die Augen. Auf Befragen wurde von einem dicht anwohnenden glaubhaften Manne darüber zur Auskunft gegeben: daß im Jahre 1793, als sich eine königliche Kommission zur Besitznahme des ehemaligen Südpreußens für den neuen Landesherrn in Posen befand, der polnische Magistrat jenes Städtchens auf erfolgte Anklage zwei Weiber als Hexen zum Feuertode verurteilt habe, weil sie rote entzündete Augen gehabt und das Vieh ihres Nachbars beständig krank gewesen sei. Die Kommission in Posen habe auf erhaltene Kunde davon sofort ein Verbot gegen die Vollstreckung des Urteils erlassen. Selbiges sei aber zu spät angelangt, indem die Weiber inmittelst bereits verbrannt worden Scholtz, Über den Glauben an Zauberei in den letztverflossenen vier Jahrhunderten, Breslau 1830, S. 120.

Ohne Zweifel ist dieses der letzte gerichtliche Hexenbrand gewesen, den Europa im achtzehnten Jahrhundert gesehen hat. Der Pöbel aber, unfähig zu begreifen, wie das Recht auf einmal zum Unrecht werden sollte, sah fast allerwärts nur mit Widerstreben die obrigkeitlichen Schritte gegen das gefürchtete Hexenvolk aufhören und hat bis auf die neueste Zeit herab nicht selten zur Selbsthilfe gegriffen. In England erstürmte 1751 eine wütende Volksmasse die Sakristei einer Kirche, wohin sich ein altes, schwaches Weib vor ihren Verfolgern geflüchtet hatte, und schleifte die Unglückliche im Wasser herum, bis sie den Geist aufgab. Als derjenige Mensch, der sich hierbei am gewalttätigsten benommen hatte, von der Obrigkeit ergriffen und zum Hängen verurteilt wurde, wollte der Pöbel der Exekution nicht beiwohnen, sondern stellte sich in der Ferne auf und schimpfte auf diejenigen, die einen ehrlichen Burschen zum Tode verdammten, weil er die Gemeinde von einer Hexe befreit hätte W. Scott, Briefe über Däm., Teil II, S. 113 f..

In Sizilien kam 1724 die letzte Verbrennung von Ketzern und Hexen vor. Der »Glaubensakt«, wie man das Autodafé zu Palermo nannte, betraf eine Nonne und einen Ordensbruder, die als Anhänger der molinistisch-quietistischen Ketzerei dem Feuer übergeben wurden. Das Ganze war eine pomphafte Feier, an der mehrere hundert Personen, die sämtlich lukullisch bewirtet wurden, teils amtlich, teils als eingeladene Zuschauer teilnahmen. Bei diesem Akte wurden nun noch sechsundzwanzig andere Personen gemaßregelt (»reconciliirt«). Unter diesen befanden sich zwölf Personen, die man als Hexen (fattuchiere) und Hexenmeister in Untersuchung gezogen hatte, sowie ein sechsundsechzigjähriger Greis, der schon 1721 »wegen Zauberei und Aberglauben« bestraft und jetzt als rückfälliger Sünder abermals in die Hand der Inquisition geraten war. Er wurde zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt. Alle sechsundzwanzig aber wurden verurteilt »zur Schmach mit gelben Kleidern angetan und ausgelöschte gelbe Wachskerzen in der Hand tragend durch die Straßen der Stadt« geführt zu werden. Außerdem wurde ihnen Haft oder Verbannung und den Hexen Peitschenstrafe zuerkannt. Eine Hexe sollte zweihundert Hiebe erhalten. Diese Strafe wurde am 7. April, am Tage nach dem Autodafé, vollstreckt L'Atto publico di fede solennemente celebrato nella città di Palermo à 6. Aprile 1724 dal Tribunale del S. Uffizio di Sicilia. Descritto dal D. D. Antonino Mongitore, Canonico etc. Palermo 1724. – Reusch, Theologische Literaturbl. 1873, Nr. 3..

siehe Bildunterschrift

Titelblatt von Goldschmids »Höllischem Morpheus«
Hamburg 1698
(Als Beispiel der Ausstattung einer populären Hexenschrift)


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