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Vierundzwanzigstes Kapitel. Allmähliche Abnahme der Prozesse. Balthasar Bekker

Noch wütete der Hexenwahn und die Hexenverfolgung unter den Völkern des Abendlandes und raffte jahraus jahrein Tausende von Opfern dahin, als eine ganze Reihe von Erscheinungen zutage trat, die erkennen ließen, daß es in bisheriger Weise mit dem Brennen der Hexen nicht lange mehr fortgehen könne. Einzelne Regenten, vorerst zwar noch selbst im Glauben an Zauberei befangen, aber einsichtsvoll genug, um eine verheerende Praxis zu verabscheuen, weisen den fessellosen Gerichtsgang in gesetzliche Schranken und begnadigen; ein freies Wort führt an solchen Asylen fortan nicht mehr zum sicheren Tode. Die fortschreitende philosophische und naturwissenschaftliche Bildung umkreist jetzt immer enger die Bollwerke der Finsternis, sprengt eine Schanze nach der andern, bis endlich die mündig gewordene Vernunft mit der blanken Waffe der Wahrheit dem Teufel zu Leibe geht und ihn samt seinen Werken und Hexenprozessen, nicht ohne das Jammergeschrei und den Widerstand jener, die ohne den Teufel keinen Gott haben, aus seiner letzten Feste jagt.

Wir sahen den bambergischen Prozeß an der Verarmung des Landes und an der Erschöpfung der fürstlichen Kasse sterben; dann tat Schönborn aus menschlicheren Motiven in Würzburg und Mainz der Hexenverfolgung Einhalt; hierauf nahm sich ein schwedischer Offizier der Verfolgten in Osnabrück an, und seine Königin ließ in den neu erworbenen deutschen Landen die Niederschlagung der anhängigen Prozesse ihre erste Regierungshandlung sein, wodurch zum ersten Male ein deutsches Land von der Pest der Hexenverfolgung wieder befreit wurde.

Die Königin befahl nämlich durch Reskript vom 16. Februar 1649 von Stockholm aus, »daß alle fernere Inquisition und Prozeß in dem Hexenwesen aufzuhören habe, die dießfalls allbereits Captivirten wieder relaxirt und in integrum zu restituiren seien, – weil diese und dergleichen weit aussehende Prozesse allerlei Gefährlichkeiten und schädliche Consequentien mit sich führen und aus denen an anderen Orten fürgelaufenen Exempeln kundbar und am Tage ist, daß man sich in dergleichen Sachen je länger je mehr vertiefet und in einen inextricablen Labyrinth gesetzet« Hauber, Bibl. mag., Teil III, S. 250..

Freilich finden sich unter Christinas Nachfolgern auch wieder Hinrichtungen im schwedischen Pommern Balth. Bekker, bezauberte Welt, Buch IV, Kap. 30..

Aber es war von großer Bedeutung, daß in Mecklenburg 1683 ein herzogliches Reskript erschien, das auf das strengste untersagte »daß hinfüro in den peinlichen Gerichten bei angestelltem scharfem Verhör der wegen Zauberei inhaftirten und der Tortur untergebenen Delinquenten so wenig von den zu der peinlichen Befragung adhibirten Richtern und Beisitzern gefragt werden sollte, ob reus oder rea auf dem Blocksberg gewesen und daselbst gegessen, getrunken, getanzet oder anderes teuflisches Gaukelwerk getrieben und diese oder jene Person mitgesehen und erkannt habe, noch auch, so der Gepeinigte von selbst obiges alles erzählen und für Wahrheit berichten wollte, desselben Bekenntniß einigen Glauben beilegen, noch zu Protokoll bringen und des Beklagten Namen verzeichnen lassen sollen, zumalen alle dergleichen denuntiationes ex fonte malo herfließen und also billig zu abominiren und zu keinem Grunde rechtschaffener Beweisung zu legen seien«.

Ziemlich gleichzeitig (am Ende des siebzehnten Jahrhunderts) konnte es die Juristenfakultät zu Frankfurt sogar wagen, dem herrschenden Wahne so weit entgegenzutreten, daß sie einem Geistlichen, den eine alte Hexe unter anderem tollen Zeug, das sie erzählte, als Zauberer angab, das Recht zu einer Injurienklage gegen den Richter zusprach, weil er den Namen des Geistlichen zu Protokoll genommen hatte v. Wächter, S. 301 f..

Die Stellung, die gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts im nördlichen Deutschland die öffentliche Meinung und die Rechtspflege zur Frage der Hexerei und Hexenverfolgung einnahm, wird etwa von der »Anleitung zu vorsichtiger Anstellung des Inquisitionsprozesses« repräsentiert, die der große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg († 1688) durch den Professor Joh. Brunnemann zu Frankfurt (lateinisch und deutsch) aufstellen ließ. Allerdings wird der überlieferte Hexenglaube und der Gedanke, daß die Zauberei ein Laster sei, gegen das notwendig mit der Tortur vorgegangen werden müsse, festgehalten; allein das Prozeßverfahren wird im Interesse der Humanität mannigfach geordnet und beschränkt. Zugleich bricht sich die Überzeugung Bahn, daß gar vielerlei, was man den Hexen nachsage, und was diese auf der Folter sogar selbst von sich aussagten, auf Einbildung beruhe.

In § 15 wird es ausdrücklich als ein eingeschlichener und abzustellender Mißbrauch bezeichnet, »daß die Leute so lange torquirt werden, bis sie etwas bekennen, welches absonderlich bei denen, so der Hexerei beschuldigt worden, gebräuchlich ist«. – Nach der hierauf mitgeteilten »Anweisung« soll die Peinigung nicht über eine Stunde dauern, weshalb der Richter eine Sanduhr bei sich haben soll, die er bei dem Beginne der Tortur umzukehren hat. Auch soll die Tortur wenigstens fünf oder sechs Stunden nach dem Essen oder des Morgens ganz früh, oder »was das Beste ist«, nachts vorgenommen werden, damit das Erbrechen während der Peinigung vermieden werde. Insbesondere soll, wenn der Inquisit mit einem schweren Gebrechen behaftet ist, die Tortur nicht an dem Tage, »da eine Mondverwechselung ist«, angestellt werden, weil dann die Krankheiten heftiger hervorzutreten pflegen. Auch sei es nötig, daß dem Inquisiten vorher ein Präservativ von einem verständigen Medico eingegeben und dergestalt dieses Übel nach Möglichkeit zurückgehalten werde. Die Richter «sollen die bei der Tortur gebrauchten Instrumente anmerken, damit diejenigen Rechtsgelehrten, an die hernach die Prozeßakten zur gutachtlichen Äußerung verschickt werden, sicher zu erkennen vermögen, ob die Peinigung rechtmäßig vollzogen, oder ob ein »Exzeß« dabei vorgekommen sei. Die Hexen sind allerdings zu fragen, ob sie Menschen oder Vieh Schaden zugefügt haben, aber man soll sie auch fragen, woher sie denn wüßten, daß der vorgekommene Schaden gerade durch sie bewirkt sei. – Wenn Hexen andere als Mitschuldige angeben, so soll nach Kap. 3, § 13 nachgeforscht werden, ob die Denunziation auf gutem Grunde beruht, oder ob es nur teuflische Verblendung gewesen, dahin die Beschuldigung einer Zauberin gehöre, so die anderen auf dem Blocksberg gesehen haben wollte.

In Frankreich schlug Ludwig XIV. 1672 die Untersuchungen in der Normandie nieder und setzte alle eingezogenen Hexen in Freiheit, trotzdem das Parlament zu Rouen in seinem Gutachten dem König aus theologischen und juristischen Gründen die Wirklichkeit der Hexerei und die Notwendigkeit der Todesstrafe zu beweisen suchte Garinet, p. 268 und 337.. Obgleich er selbst wieder in einem späteren Gesetze (1682) die Zauberei unter gewissen Voraussetzungen mit der Todesstrafe bedrohte, so zeigt sich doch schon darin eine Veränderung des alten Gesichtspunkts, daß hauptsächlich nur von Betrug und Mißbrauch der Sakramente, nicht aber vom Teufelsbunde und vom Sabbat ausdrücklich die Rede ist Le Brun, I, p. 316..

Seit 1682 stockten auch in England die gerichtlichen Hinrichtungen Walter Scott, Br. über Dämonologie, Teil II, S. 110.. Dreißig Jahre früher hatte auch Genf seinen letzten, wiewohl noch sehr krassen Prozeß gesehen Hauber, Bibl. mag. St. XVII..

In Holland waren die Gerichte längst verständiger geworden. Hier, wo der gelehrte Arzt und Apotheker Abraham Palingh zu Haarlem, ein Mennonit, 1658 mit einer gelehrten historischen Beleuchtung des Hexenwesens hervorgetreten war Het afgerukt momaangezicht der Tooverye, daarin het bedrogh der gewaande toovery naakt ontdekt en met gezonde redenen en exempelen dezer eeuwe aangewezen wordt. S. Scheltema, S. 281 ff., um dessen Torheit und Nichtigkeit zu erweisen, suchte namentlich der Gerichtshof von Flandern durch eine Verordnung vom 31. Juli 1660 den Hexenprozeß durch genauere Regelung des Prozeßverfahrens einzuschränken, wobei namentlich auch bestimmt wurde, daß das Nachsuchen nach dem Stigma diabolicum bei angeklagten Frauen fernerhin nicht mehr durch Scharfrichter, sondern von unverdächtigen Ärzten geschehen sollte.

Mittlerweile ging die allgemeine Geistesbildung ihren Weg. In der gesamten Naturwissenschaft war kein Heil gewesen, solange nicht Experiment und Beobachtung an die Stelle der Empirie und des Syllogismus getreten war. Jetzt aber setzte sich die Erforschung der Materie in ihr Recht ein, um die Emanzipation des Geistes aus der Gewalt des Dämonismus vorzubereiten. Was Kepler, Galilei, Gassendi, Harvey, Guericke, Huygens u. a. geleistet haben, ist nicht bloß den mathematisch-physikalischen Wissenschaften, es ist auch der Philosophie, der Humanität, dem ganzen Kulturleben zugute gekommen. Die großen Geister des Jahrhunderts, Hobbes, Bacon, des Cartes, Spinoza, Leibnitz und Newton, hoben die ganze alte Methode der Wissenschaft aus den Angeln und entzündeten ein Licht, das freilich den blöden Augen gar mancher Zeitgenossen wehe tat, aber den dankbaren Nachkommen desto wohltätiger vorgeleuchtet hat.

Vor diesem Lichte ist auch der Aberglaube erblichen.

Auf die in jener Zeit begründeten Fortschritte der Naturkunde und Philosophie stützt sich wesentlich die spätere Umgestaltung des Strafrechts. Der empirischen wie der spekulativen Schule, so verschieden übrigens in Prinzipien wie in Resultaten, gebührt hier gleiches Lob; beide strebten nach Selbständigkeit. Sobald einmal der Satz von der Bewegung der Erde und von der Existenz der Antipoden feststand, war ein wichtiges Prinzip durchgefochten. Es mußte nun auch außerhalb der Bibel und der Kirchenväter eine legitime Erkenntnisquelle für die Wahrheit geben. Die Philosophie riß sich los von der Obervormundschaft der Theologie. Vor der Erkenntnis des Naturgesetzes wich das Wunder des Aberglaubens und die Teufelei, vor der eigenen Einsicht die traditionelle Autorität, vor einer geistigen Auffassung der Buchstabenkram; der starke, eifrige Gott der Juden, der da straft bis ins vierte Glied, machte im Herzen des Theologen demjenigen Platz, der seine Sonne aufgehen läßt über die Guten und die Bösen, und der Jurist bat dem Höchsten die Lästerung ab, die er ihm zugefügt, als er in der Bestrafung eingebildeter Verbrechen sich vermaß, zur Rache für die beleidigte göttliche Majestät den Scheiterhaufen aufzurichten.

Aber wie sich zwischen Tag und Nacht die Dämmerung um so länger legt, je schiefer sich eine Region der Sonne zukehrt, so durchdrang auch das geistige Licht nur langsam und unter steten Kämpfen das mit altgewordenen Verkehrtheiten überschüttete Europa.

Der gelehrte Gabriel Naudé Bayle, Pensées diverses, § 241., Oberbibliothekar der Mazarinschen Büchersammlung, an deren Begründung er einen hervorragenden Anteil hatte, bestritt zwar nicht in direkter Polemik das System des Zauberglaubens seiner Zeit, aber er half dessen geschichtliche Grundlage untergraben, indem er auf dem Wege der historischen Kritik diejenigen Männer der Vergangenheit, die als Hauptzauberer verschrien waren, gegen diesen Vorwurf in Schutz nahm Apologie pour tous les grands hommes qui ont été accusés de magie. Paris 1669.. Er zeigte, wie dergleichen durch alberne Nachbeterei stehend gewordene Anklagen ursprünglich auf sehr unschuldigen Dingen oder gar auf beneideten Verdiensten beruhten. Dichter, Politiker, Philosophen, Mathematiker und Naturforscher seien Opfer solcher Nachreden geworden. Seine Apologie verbreitet sich umständlich und mit guten gelegentlichen Bemerkungen über Zoroaster, Orpheus, Pythagoras, Numa Pompilius, Demokritus, Empedokles, Apollonius, Sokrates, Aristoteles, Plotin, Jamblich, Geber, Raymund Lullius, Arnold von Villeneuve, Paracelsus, Agrippa von Nettesheim, Roger Bacon, Trithemius, Albertus Magnus, Sylvester II., Gregor VII., den König Salomon, Virgil u. a. – Zufrieden mit der Ehrenrettung längst Verstorbener, überläßt Naudé der Einsicht seiner Zeitgenossen die Anwendung der von ihm angebahnten kritischen Methode auf die gegenwärtigen Verhältnisse.

Wenige Jahre vorher hatte der Hexenglaube einen außerordentlich geschickten Anwalt an einem jungen Geistlichen der anglikanischen Kirche, Joseph Glanvil (1636-1680), gefunden. – Glanvil Hauber, Bibl. mag., B. II., S. 682 ff., ein unabhängiger Denker, entschiedener Gegner des Aristotelismus und gewandter Schriftsteller, wurde seinerzeit von den einen als Vertreter kirchlicher Rechtgläubigkeit, von den anderen als Organ des modernen Skeptizismus angesehen, und ebenso verehrt wie gehaßt. In Wahrheit gehörte er zu der kleinen Zahl von Gelehrten des siebzehnten Jahrhunderts, die zwar an der überlieferten Dogmatik festhielten, aber es doch einsahen, daß die Zeit der Herrschaft der Autorität abgelaufen sei, daß der Glaube sich mit der Bildung der Zeit abfinden, auf die Einwendungen der Skeptiker eingehen und sich über seine Wahrheit und Berechtigung wissenschaftlich ausweisen müsse. Um diesem Bedürfnisse der Zeit zu entsprechen und die von aller Autorität unabhängigen wissenschaftlichen Grundlagen des Glaubens nachzuweisen, gab Glanvil 1661 eine Schrift über »die Nichtigkeit des Dogmatisierens« heraus The vanity of dogmatizing, London 1661 und 1662. Mit Zusätzen vermehrt 1665 unter dem Titel: Scepsis scientifica or Confest ignorance the way to science..

Die Veröffentlichung dieses Aufsehen erregenden Buches – das zur Einführung der induktiven Philosophie in England wesentlich beitrug und eine ganz neue Periode der Theologie zu begründen schien – hatte zunächst für Glanvil den Erfolg, daß er zum außerordentlichen Mitglied der Königlichen Sozietät erwählt wurde. Zugleich kam aber Glanvil in eine wissenschaftliche Diskussion, die ihm die rationelle Begründung des Hexenglaubens als das nächstliegende Interesse der neueren Theologie erscheinen ließ. Sein Gedankengang war: »Wer das Dasein von Hexen leugnet, der leugnet auch das Dasein der Geister, und wer dieses tut, der leugnet auch das Dasein Gottes. Da nun die Hexerei diejenige Erscheinungsform der supranaturalen Welt ist, von der die Gegenwart, das Leben der christlichen Völker – nach dem Urteile jedes Unbefangenen – am unmittelbarsten berührt wird, so muß der Glaube an das Übernatürliche überhaupt gerade durch Begründung des Glaubens an die Hexerei neu befestigt werden.«

Glanvil war mit diesen Gedanken beschäftigt, als er mit Bestürzung erfuhr, daß die Staatsregierung einem gewissen Mr. Hunt, der als Friedensrichter in Sommerset mit einem wahrhaft wütigen Eifer die Aufspürung und Verfolgung der Hexen betrieb, Einhalt gebot. Er schrieb daher eine Abhandlung zur Verteidigung Hunts und des Hexenprozesses überhaupt Some philosophical considerations touching the being of witches and witchcraft. 1666.. Dieser folgte bald eine zweite, worin Glanvil eine um jene Zeit vorgefallene Spukgeschichte von einem gespenstischen Trommler zu Tedworth dem Publikum als neuen Beweis für seine dämonologischen Ansichten vorlegte. Er nannte diese Schrift »einen Streich gegen den heutigen Sadduzismus« Blow at modern Sadducism on Witches and Witchcraft etc. 1666 (1667, 1688).. Aber der Sadduzismus in England war unbescheiden genug, in seinen Zweifeln zu beharren, und als Mr. Glanvil zu einem zweiten, gewaltigeren Streiche ausholte, erschien sogar eine Druckschrift des Arztes Webster Display of supposed witchcraft, 1673. Aus dem Englischen übersetzt, mit einer Vorrede von Thomasius, Halle 1719., in der dieser im kecken Tone eines Weyer behauptete, M. Glanvil habe sich durch einen höchst plumpen Betrug hintergehen lassen, und seine ganze Lehre von der Hexerei sei eine Albernheit. Der Beleidigte wollte anfangs hierauf nicht antworten; bald jedoch entwarf er, durch seine Freunde bestimmt, den Plan zu einem ausführlicheren Werke. Er sammelte hierzu bei seinem Freunde Hunt und anderwärts die »glaubwürdigsten« Hexengeschichten, rückte aber so langsam vor, daß er über der Arbeit starb. Seine Freunde stellten die gesammelten Belege mit den führenden Abhandlungen und einigen eigenen Zutaten zusammen und nannten das Ganze Sadducismus triumphans Sadducismus triumphans or a full and plain evidence concern. Witches etc. by Dr. Henry More, 1681. Hartpole Lecky, S. 89 ff.. Das Buch erschien 1681, ein Jahr nach Glanvils Tode. Von seinen beiden Hauptteilen soll der erste die Möglichkeit, der zweite die Wirklichkeit der Hexerei aus der Schrift und Geschichte erweisen. Der Sadducismus triumph. war für alle, die am Hexenglauben festhalten zu müssen glaubten und doch das Gewicht der gegen ihn laut gewordenen Skepsis zu begreifen vermochten, ein Trost, der sie aus großer innerer Bedrängnis befreite. Denn er war scheinbar die geistvollste Verteidigung des Hexenglaubens, die bis dahin erschienen war, weshalb nicht allein sehr bald neue Ausgaben des Buches nötig wurden, sondern auch eine ganze Reihe von Schriftstellern, der Philosoph Henry More, der Dekan von Canterbury, Casaubonus, der berühmte Theologe Cudworth, für das Werk eintraten. – Das Buch Glanvils wurde auch ins Deutsche übersetzt. Da diese deutsche Übersetzung gleichzeitig mit des Thomasius berühmten Thesen erschien, so nahmen sie dessen Gegner schon um des Titels willen mit großem Beifallsgeschrei auf, und das Buch scheint in Deutschland fast größeres Aufsehen gemacht zu haben als in seinem Vaterlande.

siehe Bildunterschrift

Titelkupfer zu John Websters
»Untersuchung der vermeintlichen und sogenannten Hexereien«
Halle im Magdeburgischen, 1716

Dieses Aufsehen kam indessen bei weitem nicht demjenigen gleich, das Balthasar Bekkers »Bezauberte Welt« erregte. Das erste Buch der Schrift erschien unter dem Titel: De betoverde Wereld, synde een groudig onderzoek van't gemeene gevoelen, aangaande de Geesten, derzelver aart, vermogen, bewind en bdrijf alsoog hetgeen de Menschen door derzelver kragt of gemeenschap doen, 1. boek Leeuw. 1691, 80. Die drei nachfolgenden Bücher folgten bis 1693. Letzter Abdruck: Deventer, 1739 in 40. Eine deutsche Übersetzung wurde bereits 1693 in Leipzig herausgegeben B. Becker in Franeker, Gron. 1848; B. Bekker in Amsterdam, Gron. 1850; v. d. Aa, Biographisch Woordenboek, T. II, S. 88; Nippold, S. 83 f.. Bekker, von deutscher Abkunft, reformierter Pastor zu Amsterdam, ein Mann von philosophischem Scharfblicke, freiem Geiste und theologischer Gelehrsamkeit, ist der erste, der die Nichtigkeit des Zauberglaubens in seiner Totalität erkannte und demzufolge nicht mehr dessen einzelnen Erscheinungen, sondern dem Prinzip selbst den Krieg erklärte. Dieses Prinzip aber liegt in der Dämonologie, insbesondere in der Lehre vom Teufel. Bekker führt uns zum erstenmal die historische Entwicklung, Verbreitung und Feststellung der dämonologischen Vorstellungen unter den Christen vor Augen und stellt hiermit die heidnischen und jüdischen Meinungen zusammen, die auf diese Ausbildung eingewirkt haben können.

siehe Bildunterschrift

D. Balthasar Bekker
geb. 20. März 1654, gest. 11. Juni 1698
Nach dem Gemälde von Zach.
Weber, gestochen von Liebe

Im zweiten Buche zeigt er zuerst, wie eine gesunde Spekulation von der herrschenden Dämonologie nichts wisse, und betritt dann den exegetischen Weg, um die Zauberei auf Grund der biblischen Schriften zu prüfen. Es ergibt sich ihm hierbei, daß viele bisher auf den Teufel gedeutete Stellen sich gar nicht auf ihn beziehen und somit die daraus gezogenen Folgerungen für die Dämonologie wegfallen; andere Stellen, die vom Satan und den Dämonen wirklich reden, erhalten teils durch eine allegorische, nicht immer ungezwungene Interpretation, teils durch die Annahme einer weisen Akkomodation von Seiten Jesu und der Apostel ihre Aussöhnung mit den philosophischen Begriffen der Zeit. Hiernach kommt Bekker zu dem Ergebnisse, daß die Bibel nur sehr Weniges und Unvollständiges über die Natur und Macht der Dämonen lehre, und daß dieses Wenige die herrschenden Vorstellungen so wenig stütze, daß sie mit der Bibellehre sogar im Widerspruche stehen. Der Teufel ist ihm nicht jener im Moralischen wie im Physischen so mächtige Fürst der Finsternis, wie er sich in der fast in Manichäismus ausgearteten Orthodoxie darstellte; er ist vielmehr ein gefallener, zur Strafe in den Abgrund hinabgestoßener und dort des Gerichts harrender Geist, ohne Kenntnis des Verborgenen, ebenso unfähig einen Leib anzunehmen, wie sinnlich wahrnehmbar zu erscheinen und auf das Leibliche einzuwirken. Seine untergeordneten Geister sind gleichfalls verdammt und so ohnmächtig wie er selbst.

»Es streitet derhalben«, sagt er, »gegen alle Vernunft und Verstand, daß der Teufel oder ein böser Geist, wer er auch möchte sein, sich selber oder etwas anderes in einem Leibe oder leiblichen Schein zeigen sollte, und es streitet auch wider das Wesen eines Geistes, wie oben gemeldet worden. Und so dieses vielleicht zu wenig wäre, so habe man bloß acht auf diese Ursachen. Kein Geist wirket anders, als mit seinem Willen, und der Wille bloß durch Denken. Wie man es wendet oder kehret, so kann man es anders nicht begreifen; es kommt allemal wieder darauf aus. Nun sagt mir eins, wie euer eigener Geist, d. i. eure Seele, etwa das Geringste an eurem Leibe tut, so es anders als mit Denken ist. Nachdem ihr wollet, so reget sich Hand und Fuß, und wie ihr wollet. Aber tut das einmal an einem anderen Leibe, der nicht euer eigen ist, ohne Mittel eures eignen. Machet mit Denken eins einen Leib, oder leibliches Gleichniß, oder Schatten auf der Erden, wo es auch sein mag, oder in der Luft. Wie will denn das der Teufel tun, der keinen eigenen Leib hat? Ein guter Engel ist ganz etwas anderes; denn der hat Gottes Gunst und Macht zur Hilfe, ihm einen Leib oder Leibes Gleichniß in dem, was er aus Befehl der höchsten Majestät verrichten muß, zu geben. Aber meinen wir, daß der höchste Richter den verfluchten Feind aus dem Kerker loslassen und noch darüber allenthalben mit allem, was ihn gelüstet, fügen wird, um nach seinem Belieben nichts als Wunder zu tun, mit allemal etwas Neues zu schaffen und den einen oder andern Lumpenhandel ins Werk zu setzen, welches er zur Unehre des Schöpfers und seines liebsten Geschöpfes mißbrauchen soll?

»Aber die Schrift, meint man, lehret uns, daß Gespenster seien? So das wahr ist, so wird es in dem Lager der Syrer von Samarien gewesen sein, da es so kräftig spukete, daß sie alle erschraken, in der Nacht wegliefen und ließen alles stehen, da es stund. Aber dieses Gespenst war von dem Teufel nicht, sondern der Herr hatte hören lassen die Syrer ein Geschrei von Rossen, Wagen und großer Heereskraft. Derhalben hatten sie sich aufgemacht und flohen in der Frühe. II. Kön. VII. 6. 7. Die Apostel, Leute ohne sonderliche Auferziehung aus dem geringsten Volk der Juden, die insonderheit zu der Zeit zum Aberglauben geneigt waren, schienen im Anfang nicht weiser zu sein als die übrigen. Denn als sie Jesum um die vierte Nachtwache auf dem Meere gehen sahen, erschraken sie und sprachen: Es ist ein Gespenst, – und schrieen für Furcht. Matth. XIV. 26. Da er sich seit dem ersten Mal nach seinem Tod unvermuthet ihnen lebendig erzeigte, da erschraken sie und furchten sich, meinten, sie sähen einen Geist. Luc. XXIV. 37. Aber Christus, ohne zu erklären, ob die bösen Geister auch erscheinen (welches in solchem Fall seine Weise nicht war ...), antwortet auf die Sache, daß ein Geist nicht Fleisch und Bein habe, wie sie sähen, daß er habe. Demnach weiß es Schottus besser, daß ein Geist kalt ist anzurühren (I. Buch XX. v. 9). So hätte Jesus nach dem Sagen des Jesuiten besser geantwortet: Tastet mich an und fühlet mich, daß ich warm bin und darum auch kein Geist.

»Was, will ich den alle Spukerei leugnen? Beinahe. Von Engeln vermeine ich nicht, wie gesagt ist, ob Jemand sagen möchte, daß dieselbigen noch nun und dann erscheinen. Daß man aber so viel Spuks vom Spuken macht, bin ich wohl geruhig, daß Niemand viel davon halten soll, dem es an dem Einen und Andern nicht mangelt von dem, was ich als Ursache solches Aberglaubens in meiner Untersuchung über die Kometen in dem XXV. und XXIX. Hauptstücke angewiesen habe. – – – – Die Unachtsamkeit bei den Werken der Natur und die Unwissenheit ihrer Kraft und Eigenschaften und das stete Hörensagen machen, daß wir leichtlich auf eine andere Ursache denken, als die Wahrheit lehret; und das Vorurteil, das man von dem Teufel und den Gespenstern hat, sowohl gelehrt als ungelehrt, bringet den Menschen alsbald zum Gespenst. Die Auferziehung der Kinder stärket diesen Eindruck, dieweil man sie von Jugend auf durch gemachte Gerüchte erschrecket, sie durch eingebildete Furcht zu stillen und ferner mit allen solchen alten Mährlein und altem Weibergeschwätz unterhält. Denn es kann nicht ausbleiben, oder es gehet nach dem alten Sprichwort:

Quo semel est imbuta recens, servabit odorem
Testa diu ...

Daher begegnet ihnen das Geringste nicht, daß sich im Anfang von ferne oder im Dunkeln herfürthut, ohne daß man noch kann merken, was es ist, das man nicht achtet ein Gespenst zu sein. Solches war zu sehen an den Aposteln, welche, wie ich glaube, niemals ein Gespenst gesehen, aber viel von Gespenst gehört hatten, als sie Jesum bei der Nacht auf dem Wasser gehen sahen, den sie mannichfaltig und kurz zuvor gesehen hatten und von ihm so manches Wunderwerk; dennoch, ohne eins an ihn zu denken, erschraken sie sehr und sprachen: Es ist ein Gespenst, – sonder Frage, sonder Zweifel, es wär und müßte ein Gespenst sein. (Matth. XIV. 26.) Bez. Welt, Buch II, Kap. 32, § 8, 9, 10.

»In Ansehung nun, daß in der ganzen Bibel nichts, das im Geringsten nach keinem Königreich gleichet und darauf gedeutet wird, zu finden ist; so wird es außer Grund insgemein also gesagt, daß der Satan auch ein Reich auf Erden habe, das eben so weit, als Gottes eigen Reich auf Erden sich erstrecket, nicht allein außer-, sondern auch innerhalb seiner Kirche, welche das Himmelreich, das Reich Gottes und Christi genannt wird. Reich gegen Reich, des Teufels Reich wider Gottes; und ob das noch zu wenig wäre, Reich in dem Reich: Imperium in imperio, – und das von feindlicher Macht. Wie kann Gottes eigen, wie kann Christi Reich bestehen? Ich will beweisen, daß der Teufel kein Reich, das gegen Gott, noch unter Gott angestellet, noch wider das Christenthum, oder davon unterschieden, noch weniger darinnen, weder in dem Meisten, noch in dem Geringsten hat, noch haben kann Ebendaselbst, Kap. 34, § 4..

»Man darf sich auch nicht allzu sehr bekümmern, zu wissen, was der Teufel zu thun vermag, wenn uns bedünket, daß etwas über die Natur geschieht; denn so ist es gewiß, daß er es nicht kann thun. Ich sage, daß es allzumal sinnlos fürgegeben wird, wenn etwas Böses geschieht, das nach unserem Verstande über die Kraft der Natur geht, daß es ein Werk des Teufels sei. Denn welchen das dünket, der muß nothwendig glauben, daß der Teufel etwas thun kann, das natürlicher Weise nicht kann geschehen. Siehet Jemand diese Folge nicht, ich will's ihm alsofort sehen lassen. Alles, was er denken könnte, das da ist, das muß entweder der Schöpfer selbst, oder sein Geschöpfe sein. Was ist der Teufel nun? Ein verdorben Geschöpfe, werdet ihr sagen müssen, diesemnach ein Theil und ein verdorben Theil der erschaffenen Natur. Wie kann nun das, was ein Theil der Natur ist, über die Natur sein? Wer ist über die Natur, denn Gott allein? Derhalben schließe ich alsofort schnurgerade wider die gemeine Meinung: Sobald als man mir sagt, daß etwas über die Natur geschehen sei, so hat es denn der Teufel nicht gethan; es ist Gottes eigen Werk. Ein Anderer sagt: Es ist doch kein natürlich Werk; derhalben muß es Zauberei sein, – und ein ungewaschener Mund: Da spielet der Teufel mit; – aber ich: So es kein natürlich Werk ist, so ist es gewißlich auch keine Zauberei; denn ist Zauberei, die muß, obschon betrüglich, dennoch ganz und gar natürlich sein, gleichwie ich hoffe, in dem dritten Buch den Leser sehen zu lassen Buch II, Kap. 34, § 17.

Im dritten Buche führt Bekker den Satz von der Unkörperlichkeit und Machtlosigkeit des Teufels in seiner Anwendung auf die Zauberei und die Besitzungen weiter aus. Es wird gezeigt, daß die Schrift keinen Bund mit dem Teufel und eine daraus hervorgehende Zauberei kenne, daß vielmehr Vernunft und Christentum solchen gemeinschädlichen Irrtum verdamme; daß die im mosaischen Gesetze bezeichneten Zauberer nicht übermenschliches Wissen und Vermögen besitzen und nicht als Teufelsverbündete vertilgt werden sollen, sondern als Betrüger, Götzendiener und Verführer des Volkes. »Der Bund der Zauberer und der Zauberinnen mit dem Teufel ist nur ein Gedichte, das in Gottes Wort nicht im allergeringsten bekannt ist, ja streitig wider Gottes Bund und Wort, allerdings unmöglich, das allerungereimteste Geschwätz, das jemals von den heidnischen Poeten ist erdacht worden, und dennoch von vielen vornehmen Lehrern in der protestantischen Kirche verteidigt, wo nur nicht auch zum Theil erdacht. Denn ich finde schier keine Papisten, die von dem Teufel und den Zauberern mehr Wunder schreiben, als Danaeus, Zanchius und ihres Gleichen thun. Woraus man sehen mag den kläglichen Zustand der Kirche, in welcher ein so häßliches, ungestaltes Ungeheuer von Meinungen nicht allein gelitten, sondern auch geheget und unterhalten wird Buch III, Kap. 19, § 1.

Die einzelnen Arten des sich hieran knüpfenden Aberglaubens hat Bekker mit einer Schärfe gegeißelt und ihre verderblichen Einwirkungen auf Religion, Moral, Wissenschaft und Rechtspflege so dringend hervorgehoben, daß die Intelligenz wie der Charakter des Mannes in gleich erfreulichem Lichte erscheint. Derselbe Scharfblick bewährt sich auch im vierten Buche, wo Bekker mehrere berühmte Zauber- und Spukgeschichten der nächsten Vergangenheit einer Analyse unterwirft. Wir führen noch folgende Worte aus dem Schlusse des Werkes an:

»Daß wir die Meinung von der Zauberei und was derselben anklebet, gar wohl entbehren können, erscheint klärlich aus unserer eigenen Erfahrung, weil sie nirgends mehr gefunden wird, als da man sie zu sehn glaubt. Glaubt sie denn nicht mehr, so wird sie nicht mehr sein. In dem Papstthum hat man täglich Beschwörungen zu thun, hier nimmermehr. So viel Besessene sind denn allda mehr, als hier. Denn sehet, sie sind selbst nöthig, den Geistlichen Materie zu Miraculn zu geben und zu zeigen, welche Kraft ihr okus bokus auf den Teufel habe; davon rauchet ihr Schornstein. Bei uns erkennt man nicht leichtlich Jemand bezaubert, so da kein Handgucker oder Wahrsager, noch sogenannte Teufelsjäger sein, gleichwie der alte Claes und solch Volk. Alle, die allda kommen, sind bezaubert, – – – kommen aber dieselben zu Doctoren, die wissen von keiner Zauberei. – Also siehet man auch, daß bei uns (in Holland), da bei keinem Richter mehr auf Zauberei Untersuchung gethan wird, auch Niemand leichtlich der Zauberei halber wird beschuldigt. Man sieht hier niemals weder Pferd, noch Kuh, noch Kalb, noch Schaf, in dem Stall, oder auf der Weide, die von einem Wehrwolf todtgebissen sind. So das Gras oder Korn nicht wohl stehet, gibt man niemals den Zauberern dessen Schuld. – – Aber anderswo, da das Hexenbrennen Statt hat, wird kein Unglück sich begeben haben, das man nicht der Zauberei zuschreibet. – Man siehet nun klärlich, daß ganz keine Zauberei sein würde, so man nicht glaubte, daß sie sei. Derhalben ist es keine Atheisterei, dieselbe zu leugnen, weil Gott nicht angehet, daß man von dem Teufel etwas leugnet. So es Atheisten sind, die solche Teufelsdinge leugnen, so sind es die Heiden und nächst ihnen die Papisten am wenigsten; am meisten aber dagegen die zum reinsten reformirt sind und am wenigsten von der Zauberei wissen. So es unsern Glauben und Gottesdienst hindert, wenn man keine Zauberei glaubet, und ist das Glauben der Zauberei Gottesfurcht: warum denn länger hier verzogen? warum kehren wir nicht mit dem Ersten zum Papstthum zurück? Allda spüket es täglich aus der Hölle und dem Fegfeuer, ja selbst erscheinen allda wohl die Seelen aus dem Himmel von Jesu und Maria, von den Aposteln und den Märtyrern. Wenn es hier einmal spüket, so muß es allemal der Teufel thun, wie in dem ersten Buche gezeigt ist, daß in solchen Zeiten und bei solchen Lehrern am meisten von Zauberei, Besessenheit, Erscheinungen und Beschwörungen der Geister die Rede ist, allda sie meist von dem heidnischen Aberglauben Stadt und Raum behalten hatte; also siehet man heute, daß, wo am meisten von dem Papstthum übrig ist, da redet man auch am meisten von der Zauberei. – Also kann man denn die Wahrheit des christlichen Glaubens vertheidigen und dennoch so viel weiter von dem Glauben der Zauberei ab sein, so kann man Gott und Christum näher kennen, wenn man weniger von dem Teufel meint zu wissen außer dem, was uns die Schrift davon lehrt. Das nur zu wissen, ist genug zu wissen, und alles, was darüber, ist, ist nur Thorheit. Es sagen fürnehme Gottesgelehrte selber, daß wir den ganzen Teufel sollten entbehren können und nichts desto weniger vollkömmlich zur Seligkeit wohl unterwiesen sein, so die Schrift uns nicht lehrete, daß so ein Teufel mit seinen Engeln sei.«

Die durch Bekkers Werk veranlaßte Bewegung war außerordentlich. In zwei Monaten waren viertausend Exemplare verkauft, und fast in allen Sprachen Europas erschienen gute und schlechte Übersetzungen. Aber die Welt teilte sich zwischen Beifall und Haß. Über die Entbehrlichkeit des Teufels dachte der größere Teil der damaligen Theologen anders als Bekker. Eine Flut von Streitschriften wurde gegen ihn losgelassen; Bayle behauptet, daß man sie nicht um hundert Gulden würde anschaffen können. Bald wurde ihm Cartesianismus, bald Mißverstehung dieser Philosophie, bald Mißhandlung der Bibel durch gezwungene allegorische Interpretation, bald gar atheistischer Irrtum vorgeworfen. Bald waren alle Kirchenräte, der zu Amsterdam voran, Klassenkonvente und Synoden Hollands mit Bekker beschäftigt. Fast allgemein wurde die Bestreitung der hergebrachten Teufelslehre als Leugnung des wahren Glaubens an Gott angesehen, weshalb ihn die Synode zu Alkmaar im August 1692 seines Amtes entsetzte. An vielen Orten wurde ihm auch die Teilnahme an der Abendmahlsfeier verweigert. Indessen vertrat Bekker seine Überzeugung mit männlichem Mut, bis er am 11. Juli 1698 zu Amsterdam starb.

Hundert Jahre später hat es kaum noch einen namhaften protestantischen Theologen gegeben, der in dämonologischen Dingen nicht an Bekkers Resultaten festhielt. Bekkers Bedeutung für den Umschwung der Theologie des achtzehnten Jahrhunderts muß daher dankbar anerkannt werden. Zu derjenigen freieren Kritik der biblischen Schriften selbst sich zu erheben, die das Vorhandensein gewisser, aus den Begriffen der Zeit geschöpfter dämonologischen Vorstellungen in der Bibel anerkennt, ohne daraus eine bindende Norm für den Glauben herzuleiten – dies war freilich erst einem späteren Zeitalter vorbehalten. Bekker kannte, um seine sich ihm aufdrängende philosophische Überzeugung mit der Bibel zu versöhnen, keinen anderen Weg, als den der üblichen Exegese, und daher kommt es, daß diese nicht überall eine ungezwungene ist.

Auch Peter Bayle muß unter den Bekämpfern des Aberglaubens genannt werden. Schon in seinen Gedanken über die Kometen (1682) hatte er einige hierher gehörige Fragen abgehandelt, und mehrere Kapitel in der Réponse aux questions d'un provincial (1703) sind demselben Gegenstande gewidmet. Der Hexenglaube war damals in Frankreich noch sehr mächtig. Mit gewohnter Klarheit weiß Bayle zu entwickeln, wie z. B. den sogenannten Besessenheiten entweder absichtlicher Betrug, Autosuggestion oder Krankheit der Seele zugrunde liegt, oder wie die Furcht vor dem Nestelknüpfen (nouer l'aiguillette) an dem abergläubischen Menschen wirklich diejenigen Erscheinungen hervorbringen kann, die man dem Zauber selbst zuschreibt, und wie diese Erscheinung aufhört, sobald der Leidende zu dem Glauben kommt, daß der Zauber gehoben sei.

Um so mehr setzen Bayles Ansichten über die Strafwürdigkeit der Zauberei in Verwunderung Réponse aux questions d'un provincial, Chap. 35.. Ist es schon sonderbar, daß dieser Philosoph den wirklichen Zauberern, wenn er gleich von deren Existenz nur hypothetisch redet, die Todesstrafe zuerkennt, so fällt es noch mehr auf, wie er gleiche Strafe begehrt für die eingebildeten Zauberer (sorciers imaginaires), d. h. für diejenigen, die zwar keinen Vertrag mit dem Teufel wirklich gemacht haben, aber doch dies getan zu haben, den Sabbat zu besuchen und der Teufelsgesellschaft anzugehören sich einbilden. Bayle will in ihnen den bösen Willen bestraft haben, verteidigt in dieser Beziehung die Hexenrichter gegen die Vorwürfe von Loos und Bekker und findet sogar von Gaufridys Verurteilung ganz in der Ordnung. Er war in dem Irrtum befangen, in den abgefolterten Bekenntnissen der Angeklagten eine subjektive Wahrheit zu vermuten.

Übrigens unterscheidet Bayle zwischen den beiden Fragen: ob die Zauberer Strafe verdienen und ob die Obrigkeit sie peinlich strafen solle Réponse, Chap. 39.. Dieses will er, wie schon Mallebranche begehrt hatte, eingeschränkt sehen, damit nicht der Aberglaube und der Reiz, sich in ein imaginäres Hexenverhältnis einzulassen, gesteigert werde. So wenig sich nun auch bei Bayle durch das Ganze ein festes Prinzip hindurchzieht, so ist doch im einzelnen viel Treffendes gesagt und insbesondere auch mancher Mißbrauch im Gerichtsverfahren angemessen gerügt. Was Deutschland anbelangt, so begrüßte Bayle freudig die ersten wirksamen Lichtstrahlen, die damals von Halle aus sich durchzuarbeiten anfingen, und meinte, daß im Punkte des Hexenglaubens eine Kongregation de propaganda incredulitate in hohem Grade vonnöten sei.

siehe Bildunterschrift

F. C. Krüger fec.


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