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Zwanzigstes Kapitel. Die Hexenprozesse in der zweiten Hälfte des sechzehnten und in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts in den Geistlichen Fürstentümern Deutschlands

Im geistlichen Kurfürstentum Trier war einst der Kurfürst-Bischof Johann v. Baden, des Trithemius Freund, von Innozenz VIII. wiederholt zur Vornahme von Hexenverfolgungen aufgefordert worden. Johann hatte jedoch dieses Ansinnen mit der Erklärung zurückgewiesen, daß es in seinem Lande keine Hexen gebe. Bereits 1548 hatte zwar in Trier eine Diözesansynode verordnet: Die Offizialen sollen achtsame Nachforschungen anstellen nach den Betreibern jener Wahrsagerei und Zauberei, »bei der man die Verehrung des wahren Gottes aufgibt und zu den Blendwerken der lügnerischen Höllengeister seine Zuflucht nimmt«. Alle, die dabei betreten und trotz der Mahnung nicht ihren Sinn ändern, sind mit dem kirchlichen Bann zu belegen und so lange in das Gefängnis zu werfen, bis sie »von den Einflüsterungen und Vorspiegelungen der Teufel, ihrer Lehrer, befreit werden« Janssen, VIII, 687.. Doch fand bis ins letzte Drittel des sechzehnten Jahrhunderts im Erzstift kein Hexenprozeß statt.

Das erste näher bekannte Verfahren spielte sich im Jahre 1572 zu Kenn und Fell ab und wurde von dem Amtmann des Klosters St. Maximin bei Trier geführt. Drei Weiber starben den Flammentod Hennen, Ein Hexenprozeß aus der Umgebung von Trier im Jahre 1572. St. Wendel, 1887..

Die gewaltigen Hexenbrände entflammte erst Johann VI. (1581-1599).

Die Gesta Trevirorum rühmen ihn als einen klugen, frommen und demütigen Mann, dessen Äußeres eher einen Pfarrer als einen Kurfürsten verraten habe.

Die Bemühungen des uns schon bekannten Ketzerrichters Binsfeld hatten es dahin gebracht, daß das Land dieses »sanften Mannes« einer Wüste glich und das Vermögen der Begüterten in die Hände der Gerichtspersonen und des Nachrichters überging. Es sind dort nicht bloß gemeine Leute, sondern auch Doktoren, Bürgermeister, Kanoniker und andere Geistliche verbrannt worden Hennen, S. 11.. Laut amtlichen Nachrichten bestiegen nur aus etwa zwanzig Dörfern in der nächsten Umgegend der Hauptstadt in sechs Jahren (1587 bis 1593) 306 Personen den Scheiterhaufen M. Fr. J. Müller, Kleiner Beitrag zur Gesch. des Hexenwesens im 16. Jahrh., Trier 1830, S. 7. S. Marx, Gesch. des Erzstiftes Trier, Trier 1858-64, 2., S. 111. G. L. Burr, The fade of Dietrich Flade, New-York and London 1891, S. 21. W. Seilet, Studien zur Kunst und Kulturgeschichte, 2. Bd., Frankfurt 1883, S. 51. Arthur Richel, Zwei Hexenprozesse aus dem 16. Jahrh., Beiträge zur Kulturgesch., II, Weimar 1898.. In zwei Ortschaften blieben nur zwei Frauen am Leben Hennen, S. 3 ff. Janssen, VIII, S. 687 ff..

Auch im Fürstbistum Bamberg nahm die Hexenverfolgung einen entsetzlichen Umfang an. Im Jahre 1625 beginnt unter Johann Georg jene lange Reihe von Hexenprozessen, die die bambergischen Annalen schändet. Des Bischofs rechte Hand war hierbei Friedrich Förner, Suffragan von Bamberg, ein unbedingter Jesuitenanhänger und Todfeind der Ketzer und Zauberer, gegen die er auch als Schriftsteller aufgetreten ist Panoplia armaturae Dei. Conciones contra omnes superstitiones et praestigias diaboli. Ingolstadt 1626. S. Gropp, Tom. III, p. VIII.. Weihbischof Förner ließ für Bamberg ein eigenes »Hexenhaus« errichten. Es stand in der heutigen Franz-Ludwigstraße. Über dem Eingang war eine Bildsäule der Gerechtigkeit mit der Unterschrift: »DISCITE JUSTITIAM MONITI ET NON TEMNERE DIVOS.« Daneben das Zitat aus dem dritten Buch der Könige: »Das Haus wirdt ein Exempel werden, daß alle die für über gehen, werden sich entsetzen vnd Blaßen vnd Pfeiffen und sagen: Warumb hatt der Herr disem Landt, disem Hauß also gethan? So wird man antwortten: Darumb, daß sie den Herren ihren Gott verlassen haben vnd haben angenommen andere Götter und sie angebettet vnd ihnen gedient, Darumb hat der Herr all diß übel über sie gebracht Leitschuh, Beiträge zur Geschichte des Hexenwesens in Franken. Bamberg 1883, S. 44.

siehe Bildunterschrift siehe Bildunterschrift

Hexenhaus
Nach dem Kupfer, Bibliothek zu Bamberg

Was sich in diesem »Hexenhaus« des ob seines Wirkens von dem Kardinal Steinhuber hochgerühmten Bischofs abspielte, spottet jeder Beschreibung. Ein Aktenstück aus dem Jahre 1631 erzählt lakonisch: »Designatio welche Persohnen im abscheulichen Hexenhauss zu Bamberg bezichtigter Veneficij halben (außer etlich hunderdt hingerichten) noch jämmerlich enthalten undt unschuldig ellendtlich gequellt werden.« Nun folgen die Namen von dreiunddreißig Personen, von denen eine schon über vier Jahre im Hexenhaus gefangen gehalten wurde. Da heißt es weiter: »Nachfolgendte Persohnen seindt durch unerhörte Speis allss hering mit lauter Saltz vnd Pfeffer zum Prey gesotten, so sie ohne ainichen trunkh essen müessen, Item mit einem Wannen Baadt von siedheißen Wasser mit Kalch, Salltz, Pfeffer vndt anderer scharpffen Matherie zugerichtet neben andern neuerfundenen Torturen auch Hungers Noth ohne einichen christlichen trost, Urtl oder Raht ellendtlich vmb ihr Leben kommen.« Nun werden dreizehn Frauen genannt. »Was dann solchen noch ligenden Verhafften an ihren Haab und Güettern konfiszirt worden sich in Summa befindten würden über die 500 000 Gulden Leitschuh a. a. O. S. 56 ff..« Wenn man diese Summe auch für stark übertrieben halten mag, so blieb das Hexenbrennen und die damit verknüpfte Vermögens-Konfiskation dennoch ein sehr gutes Geschäft.

G. von Lamberg, der aus aktenmäßigen Quellen geschöpft hat Kriminalverfahren vorzüglich bei Hexenprozessen im ehemaligen Bistum Bamberg während der Jahre 1624-1630. Nürnberg, bestimmt die Anzahl der von 1625-1630 allein in den beiden Landgerichten Bamberg und Zeil anhängig gemachten Prozesse auf mehr als neunhundert; und eine im Jahr 1659 mit bischöflicher Genehmigung zu Bamberg selbst gedruckte Broschüre Bamberg 1659. Hauber, Bibl. mag. Bd. III, S. 441 ff. meldet, daß der Bischof im ganzen sechshundert Hexen habe verbrennen lassen. In Hallstadt mußten vom 16. August 1617 bis zum 7. Februar 1618 28 von 102 Hexen auf den Scheiterhaufen. An einem Tage wurden 13 eingeäschert P. Wittmann, Die Bamberger Hexenjustiz (1595-1631), Archiv für kathol. Kirchenrecht. 50. Bd., S. 117 ff. Mainz 1883..

Heben wir einiges aus der Broschüre aus:

»Darauf der Cantzler und Dr. Horn, des Cantzlers Sohn, sein Weib und zwo Töchter, auch viele vornehme Herrn und Rathspersonen, die mit dem Bischof über der Tafel gesessen, sind alle gerichtet und zu Asche verbrandt worden.

»Und haben bekennet, daß sich ihrer über die eintausendzweihundert mit einander verbunden haben, und wenn ihre Teuffels-Kunst und Zauberei nicht an den Tag kommen, wollen sie gemacht haben, daß in vier Jahren kein Wein noch Getreydig im gantzen Lande geraten wäre und dadurch viel Menschen und Viehe Hungers sterben und ein Mensch das ander fressen müssen.

»Es sind auch etliche katholische Pfaffen darunter gewesen, die so große Zauberei und Teuffels-Kunst getrieben, daß nicht alles zu beschreiben ist, wie sie in ihrer Pein bekannt, daß sie viel Kinder in Teuffels-Nahmen getaufft haben.

»Der eine Bürgermeister in der Langen-Gassen und der ander Bürgermeister Stephan Bawer, die haben bekannt, daß sie viel schreckliche Wetter und große Wunder gemacht, viel Häuser und Gebäu eingeworffen, und viel Bäum im Wald und Felde aus der Erde gerissen und nicht anders vermeint, sie wollten das Wetter und den Wind so arg machen, daß es den Thurm zu Bamberg übern Hauffen werffen sollt.

siehe Bildunterschrift

Ulrich Zwingli
Holzschnitt aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts

»Die Becken auf dem Markt haben bekannt, wie sie viel Menschen haben gesterbet, die Wecke mit ihrer teuffelischen Salbe geschmieret, daß viel Leute haben müssen verdorren. Die Bürgermeisterin Lambrech und die dicke Metzgerin haben bekannt, daß sie den Zaubern die Salbe gemacht haben, und von einer jeden Hexen wöchentlich zwey Pfennig bekommen, hat ein Jahr sechshundert Gülden gemacht.

»Der Bürgermeister Neidecker hat mit seiner teuffelischen Gesellschaft bekannt, wie sie die Brunn vergifftet haben. Wer davon getrunken, hat alsbald die Beul oder Pestilentz bekommen, und viel Menschen dadurch gesterbet.

»Es haben auch die Zauberin bekannt, wie ihrer 3000 die Walpurgis-Nacht bei Würtzburg auf dem Kreydeberg auf dem Tanz gewesen, hat ein jeder dem Spielmann einen Kreutzer geben, darmit der Spielmann 40 Gülden zu Lohn bekommen, und haben auf demselben Tanz sieben Fuder Wein dem Bischof zu Würtzburg aus dem Keller gestohlen.

»Es sind etliche Mägdlein von sieben, acht, neun und zehn Jahren unter diesen Zauberin gewesen, deren zwey und zwanzig sind hingerichtet und verbrannt worden, wie sie denn auch Zetter über die Mütter geschrien, die sie solche Teuffels-Kunst gelehrt haben, und seynd in dem Stifft Bamberg über die 600 Zauberin verbrannt worden, deren noch täglich viel eingelegt und verbrannt werden.«

Zu den Hingerichteten zählte auch der fünfundfünfzigjährige Bürgermeister Johannes Junius, der 1628 verbrannt wurde, nachdem seine Gattin vorher dasselbe Schicksal ereilt hatte. Seine seelischen und physischen Leiden sind dieselben, die hunderte Opfer vor und nach ihm erduldet. Sie gehen uns aber dadurch besonders nahe, weil er sie in einem Briefe an seine Tochter, mit von der Folter zerfetzten Händen aufgezeichnet hat, in dem er gleichzeitig von diesem seinem geliebten Kinde Abschied für immer nahm. Selbstverständlich haben die Richter dieses Schreiben, »eines der rührendsten Aktenstücke aus den Hexenprotokollen« nennt es Diefenbach, unterschlagen, und diesem Gebaren, so verdammenswert es auch sein mag, danken wir die Erhaltung dieses ganz außerordentlich wichtigen Dokumentes.

Es zeigt, wie nur wenige andere, wie grauenvoll unter dem Krummstab im Namen der Religion und der Gerechtigkeit gefrevelt wurde, und daß selbst der Verworfenste unter den Verworfenen, der Henker, mit dem Opfer der entmenschten Richter Mitleid gefühlt, das den Juristen fremd blieb. Angesichts solcher Beweise zerfallen alle »Ehrenrettungen«, die den Richtern, geistlichen wie weltlichen, guten Glauben zubilligen, in nichts, und die nackten Tatsachen der Geld- und Blutgier treten grell und unleugbar zutage.

Hier der Inhalt des Briefes, dessen beide erste Seiten unsere Wiedergabe zeigt:

»Zu viel hundert tausend guter nacht hertzliebe dochter Veronica. Vnschuldig bin ich in das gefengnus kommen, vnschuldig bin ich gemarttert worden, vnschuldig muß ich sterben. Denn wer in das haus (Hexenhaus) kompt, der muß ein Drudner (Hexer) werden oder wird so lange gemarttert, biß das er etwas auß seinem Kopff erdachte weiß, vnd sich erst, daß got erbarme, vf etwas bedencke. Wil dir erzehlen, wie es mir ergangen ist. Alß ich das erste mahl bin vf die Frag gestemt worden, war Doctor Braun, Doctor Kötzendörffer und die zween frembde Doctor da ..., da fragt mich Doctor Braun zu abtswert: schwager, wie kompt ir daher, Ich antwortt: durch die valsheit, vnglück. Hört, Ir, sagt er, Ir seyt ein Drutner, wolt Ir es gutwillig gestehen, wo nit, so wird man euch Zeug (Zeugen) herstellen vnd den Hencker an die seyten. Ich sagt, ich bin kein Drutner, ich hab ein reines gewissen in der sach, wan gleich taussent Zeug weren, so besorg ich mich gar nicht, doch wil ich gern die Zeug hören. Nun wurdt mir des Cantzlers Sohn (Dr. Haan) vorgestelt, so fragt ich Ihn, Her Doctor, waß wißet Ir von mir, Ich hab die Zeit meines lebens weder in gueten noch bössen nie noch (mit Euch?) zu thun gehabt; so gab er mir die Antwort, Herr Collega, wegen des landtgerichts. Ich bit euch umb der Zeugen. In der hoffhaltung hab ich euch gesehen. Ja wie aber? Er wißt nicht. So bat ich die herrn Commissarios, man soll ihn beeydig und recht examiniren. Sagt Doctor Braun, man werd es nicht mach, wie Ihr es haben wolt, es ist genug, daß er euch gesehen hat. Gehet hin herr Doctor. Ich sagt, so, herr, was ist das für ein Zeug? Wann es also gehet, so seyt ir so wenig sicher, alß ich oder sonsten ein ander ehrlicher man. Da war kein gehör. Danach kommt der Cantzler, sagt wie sein sohn; hette mich auch gesehen, hat mir aber nicht vf die Füß gesehen, waß ich war. Darnach die hoppfen Elß (eine angeklagte Taglöhnerin). Sie hette mich in Haupts mohr (Hauptsmorwald) dantzen seh. Ich fragt noch, wie sie sah. Sie sagt sie wüßte es nicht. Ich bat die Herrn um gottswillen, sie hörten, daß es lauter falsche Zeug weren, man sollte sie doch beeydig vnd sicher examiniren, es hat aber nicht sein wollen, sondern gesagt, ich sollte es guttwillig bekennen oder der hencker sollte mich wohl zwing. Ich gab zur antwort: ich hab got niemal verleugnet, so wollt ich es auch nicht thun, gott soll mich auch gnedig dafür behueten. Ich wollt eher darüeber außstehen, was ich sole. Vnd da kam leider, Gott erbarm es in höchstem himmel der hencker und hat mir den Daumenstock angelegt, bede hende zusamen gebunden, daß das blut zu den negeln heraußgangen vnd allenthalben daß ich die hendt in 4 wochen nicht brauch koennen, wie du da auß dem schreiben seh kannst. So hab ich mich Gott in sein heilige funff wunden befohlen vnd gesagt, weyl es Gottes ehr vnd nahmen anlang, den ich niht verleugnet hab, so will ich mein vnschult vnd alle diese marter vnd pein in seine 5 wunden leg er wirt mir mein schmertz lindern, daß ich solche schmertz aussteh kann. Darnach hat man mich erst außgezogen, die hendt vf den Rücken gebunden vnd vf die höhe in der Fulter (Folter) gezogen. Da dachte ich, himmel vnd erden ging vnder, haben mich achtmahl auffgezogen, vnd wieder fallen lassen, daß ich ein vnselig schmerzen empfan. (Auf dem Rande, quer:) Liebes Kindt 6 haben auf einmahl auf mich bekennt, als: der Cantzler, sein sohn, Neudecker, Zaner, Hoffmaisters Ursel vnd Hopffen Els alle falsch auß zwang wie sie alle gesagt, vnd mir vmb Gotteswillen eher sie gerichtet abgebetten ... worden sie wissen nichts alß liebs vnd guts von mir. Sie hetten es sag muß, wie ich selbsten erfahren werde ... kann kein Priester hab, nimb das schreiben wohl in acht.

(2. Seite:) Und dießes ist alles fasel nackent geschehen, dan sie haben mich fasel nacket ausziehen lassen. Als mir nun unser hergot geholfen, hab ich zu Ihnen gesagt: Verzeihe euch Got, daß ir ein ehrlich man also vnschuldig angreift, wollt ihn nicht allein vmb leib vnd seel, sondern vmb hab vnd guet bring. Sagt Doctor Braun, du bist ein schelm. Ich sagt, ich bin kein schelm, noch solcher man vnd bin so ehrlich, alß Ir alle seyt, allein weyle es also zugehet, so wirdt kein ehrlicher man in Bamberg sicher sein. Ir so wenig als ich oder ein ander. Sagt Doctor, er wer nit vom Teuffel angefochten; ich sagt: ich auch nicht, aber eure falsche Zeugen, das sen die Teuffel, eure scharffe marter. Dann ihr laßt kein hinweg und wenn er gleich alle Marter ausstehet. Vnd dieses ist den Freytag den 30. Juny gescheh hab ich mit Gott die Marter aussteh müß. Hab mich also die gantze Zeit nicht anzieh noch die hendt brauch können ohne die andern schmerzen die ich ganz vnschuldig leiden muß. Als nun der Hencker mich wieder hinwegführt in das gefengnus, sagt er zu mir: Herr, ich bit euch vmb gotteswillen, bekennt etwas, es sey gleich war oder nit. Erdenket etwas, dan ir könnt die marter nicht ausstehen, die man euch anthut, vnd wann ir sie gleich alle ausstehet, so kompt ir doch niht hinaus, wann Ir gleich ein graff weret, sondern fangt ein marter wider auf die andre an, bis ir saget, ir seyt ein Truttner, vnd sagt, eher niht dann lest man euch zufrieden, wie denn auß allen iren vrtheylen zu sehen, daß eins wie das ander gehet. Darnach kam der Georg vnd sagt, die Kommissarii hetten gesagt, mein Herr (Bischof Johann Georg II.) wolle ein solches Exempel an mir statuiren, daß man darüber staun solt; so hetten die hencker alleweyl zusammen geäußert vnd wolten mich wieder peinigen, er bette mich vmb gotteswillen, ich sollte etwas erdenken vnd wan ich gleich gantz vnschuldig wer, so keme ich doch niht wieder hinaus; es sagt mir es der Candelgießer, Newdecker vnd andere. So hab ich gebetten, ich sei gar übel auf, man solte mir einen tag bedenck zeit geb vnd ein Priester. Der Priester war mir abgeschlagen, aber die Zeit zu bedencken war mir geben. Nun hertzliebe dochter, was meinstu in was für eine gefahr ich gestanden und stehe. Ich sollt sag, ich sey ein truttner, vnd bin es niht, soll gott erst verleugnen vnd hab es zuvor niht gethan. Hab tag vnd nacht mich hoh bekümmert, endlich kam mir indem noch ein Rat vor. Ich sollte vnbekümmert sein, weyle ich keinen Priester hab bekommen, mit dem ich mich berathen könne, solte ich etwas gedencken und es also sag. Es war ja besser, ich sagt es nur mit dem mauhl und worten, vnd hette es aber im werck niht gethan, sollte es danach beychten vnd es die verantworten lassen, die mich dazu nötigen. Darauf ich dann den Paterprior im prediger Closter begert hab, ihn aber nit bekomen können. Vnd dann ist dieses mein Aussag wie folgt aber alle erlogen.

(3. Seite:) Nun folgt, hertzliebes kindt, was ich hab außgesagt, daß ich der großen marter vnd harten tortur bin entgangen, welche mir vnmöglich lenger also auszustehen geweßen were. Nemblich alß ich anno 1624 oder 1625 ein commission von Rottweyl gehab, hab ich dem Doctor (dem kaiserl. Hofger. Adv. Lukas Schlee zu Rottweil) vf die Commission in meiner Rottweylisch Rechtfertigung vf die 600 fl. geben muß, also daß ich viel ehrliche leut angesprochen, die mir ausgeholfen. Das ist alles war. Itzunder volgt mein außag mit lauter lügen, die auf befragung der noch großen marter sag muß vnd darauf sterben muß. Nach dießem sey ich vf mein Feldt bey dem Friedrichsprunnen gangen gantz bekummert, hab mich daselbsten niedergesetzet, da sey ein graß medlein zu mir kommen vnd gsagt: herr was macht ir, wie seyt ir so trawrig. Ich darauf gesagt: Ich wißte es nicht, also hat sie sich neher zu mir gemacht. Sobalt solches geschah, ist sie zu einem geißbock worden vnd zu mir gesagt: siehe, itzunder siehstu, mit wem du zu thun hast; hat mir an die gurgel gegriffen vnd gesagt, du mußt mein sein oder ich will dich umbbring. Do hob ich gesagt, behüt mich got darfür. Also ist er verschwunden vnd bald wieder komen vnd zwey weiber vnd drey menner bracht. Ich (solle) gott verleugnen, so hett ich es gethan; Gott vnd das himmlische heer verleugnet, so hett ich es gethan; darauf hatte er mich getauft vnd waren die zwey weiber die taufdotten (Paten); hatten mir ein ducaten eingebunden, were aber ein scherben gewesen. Nun vermeint ich ich wer gar forüber, da stellt man mir erst den Hencker an die seyten, wo ich vf dentze gewesen, da wust ich nicht, wo auß oder ein; besann mich, daß der Cantzler vnd sein sohn vnd die hopffen Else alte hofhaltung, rahtstube und haubtsmohr genenet hetten, vnd was ich sonsten bey den derartige vorlesen gehört hab, nennet ich solche ort auch. Darnach soll ich sag, was ich für leut alda gesehen hatte. Ich sage, Ich hatte sie nicht gekennet. Du alter Schelm, ich muß dir den hencker übern hals schicken, sag ... is der Cantzler nicht da gewest so sagt ich ja. Wer mer. Ich hatte niemandt gekennet. So sagt (er) nehm ein gaß nach der andern; fahr erstlich den marck heraus vnd wieder hinein. Da hab ich etliche persohn müssen nennen, darnach die lange gasse. Ich wuste niemand. Hab acht persohn daselbsten müssen nennen, darnach den Zinkenwert, auch ein persohn, darnach vf die ober prucken biß zum Georgthor vf beden seyten. Wuste auch niemandt. Ob ich nichts in der Burg wüst, es sey wer es (wolle) solle es ohne scheu sag. Vnd so fortan haben sie mich vf alle gassen gefragt, so hab ich nichts mer sag wollen noch können. So haben sie mich dem hencker geben, soll mich auszieh, die haar abschneide vnd vf die Tortur zieh. (»)Der schelm weiß ein vfm marck, gehet täglich mit im vmb vnd will ihn nicht nennen.(«) So haben sie den Dietmeyer (einen hochverdienten Beamten) genennet, also hab ich ihn auch nennen müssen. Darnach solt ich sag, was ich for vebel gestifft hab. Ich sagt nichts.

(4. Seite:) Hat mich wohl angesonnen (der Teufel) allein weyle ich es nicht thun wolln, hat er mich geschlagen. Ziehet den schelm auf. So hab ich gesagt, ich hette mein Kinder umbbring sollen, so hette ich ein pferdt dargegen vmbbracht. Es hat nicht helfen wollen. Ich hette auch ein hostien genohmen vnd die eingegraben. Wie dieses geredt, so haben sie mich zufride gelassen. Nun, hertzliebes kindt, da hastu alle meine Aussag vnd verlauf, darauf ich sterben muß vnd seint lautter lüg vnd erdichte sach, so war mir gott helff. Dann dieses hab ich alles auß forcht der ferner angetrohenen marter vber die schon zuvor außgestandene Marter sag muß. Denn sie lassen nicht mit den martern nach, biß man etwas sagt, er sey so fromm als er wolle, so muß er ein trudener sein. Kompt auch keiner herauß, wenn er gleich ein graf wär. Vnd wenn gott kein mittel schickt, daß die sach recht an tag kompt, so wirdt die ganze Schwegerschaft verbrendt. Dan es muß ein jedes erst laut bekennen, was man gleich nicht von einem weiß, wie das ich thun muß. Nun weiß gott im himmel, daß ich das geringste nicht kann noch weiß. Sterbe also vnschuldig vnd wie ein martirer. Hertzliebes Kindt, ich weiß, daß du so fromm bist als ich, So hastu eben so wohl schon etliche pein und wann ich dir rathen soll, so sollstu von gelt vnd briefen, was du hast, nehmen vnd dich etwa ein halb Jahr vf ein walfahrt begeben oder wo du dich eine zeit lang auß dem stifft mach kannst, da rahte ich Dir biß man siehet, wo es hinaus will. Mancher ehrlich man vnd ehrlich weib gehet zu Bamberg in die Kirchen vnd in seine andern geschafften, weiß nicht böß, hat ein gut gewissen, wie ich auch bißhero wie du weißt ... nichts desto weniger wird in dem Trudenhause angeben. Wenn er nur seine Stimme (?) hat, so muß er fort, es sei gerecht oder nicht. Es hat der Newdecker, Cantzler sein Sohn, der Candelgiesser, wolff hofmeister dochter alle of mich bekannt vnd die hopffenelse, alle vf ein mahl. Ich hab warlich hineingemüst, also gehet es gar vilen und wirdt noch vilen also ergehen, wo got kein mittel schickt. Liebes kindt dieses schreiben halt verborgen, damit es nicht vnter die leut kompt, sonsten werde ich dermassen gemartert daß es zu erbarmen vnd es würden die wechter geköpffet. Also hoh ist es verboten. Heer vetter Stamer kannstu es wohl doch vertraulich ein wenig rasch lesen lassen. Bey im ist es verschwiegen. Liebes Kindt verehr diesem man 1 Reichsthaler ... Ich hab etliche tag an dem schreiben geschrieben; es seint meine hendt alle lam, ich bin haltd gar übel zugericht. Ich bitte dich vmb des jüngsten gerichts willen, halt dies schreiben in guter Hut vnd bet für mich als dein vatter für ein rechten merterer nach meinem tode ... doch hütt dich daß du das schreiben nicht lautbar machest. Lass die Anna Maria (seine zweite Tochter, Nonne in Bamberg) auch für mich bet. Das darfst künlich für mich schwören daß ich kein trudner sondern ein mertirer bin vnd sterb hiemit gefast. Guter Nacht denn dein vatter Johannes Junius sieht dich nimmermehr. 24. July ao 1628 Leitschuh, S. 49 ff.

siehe Bildunterschrift
siehe Bildunterschrift

Die beiden ersten Seiten des Briefes des Bürgermeisters Johann Junius

Das Verfahren in diesen Prozessen war ebenso formlos wie grausam; in der Untersuchung und Aburteilung strotzte es von Nichtigkeiten. Gewöhnlich wurde die ganze Handlung in ein einziges, unabgesetztes Protokoll zusammengefaßt. Wenn mehrere Personen zugleich verurteilt wurden, so waren sie nicht mit ihren Namen, sondern mit Nummern bezeichnet.

»Auff Clag, Antwortt, auch alles Gerichtliches vor- unndt anbringen und nottürftiger erfahrung unndt sowohl güet alls peinlich selbst aigene bekhandtnus unndt aussag, So deßhalb alles nach laut deß Hochwürdigen Unssers Gnedigen Fürsten unndt Herrns von Bamberg etc. rechtmeßigen reformation geschehen, Ist endtlich zu recht erkhandt, daß nachfolgende 8 Personen, deren extrahirte Aussag mit Nris 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 angehöret worden, wegen mit der Hexerey verübten Uebeltaten, indem Sie erstlichen Gott den Allmechtigen und dem ganzen Himmlischen Heer erschröckhlich und unchristlich abgesagt dem Laidigen Sathan sich mit Laib unndt Seel ergeben, Auch anders Uebel und Unheil mehr gestifftet, Sonderlich Nro. 1, 2, 4 unndt 5 wegen ihrer Uebeltaten, so Sie mit der heiligen Hostien verübt, andern zur abscheü, so offt sie diesselbe dishonorirt, soviel Zwiekh mit glüenden Zangen gegeben. Nro. 4, weilen sie ihr aigen Kindt umbbracht, die rechte Handt abgehieben, wie auch Nro. 2, weilen sie die h. Hostie so vielmahls verunehrt unndt Nro. 5 in solche Hostie zweymahl gestochen, daß das Bluet herauß gangen, Jeder auch zuvor die rechte Hand abgehieben werden.

Alßdann neben den andern mit feüer lebendig zum todt hingericht werden sollen. Actum Bamberg den 12: Octobris anno 1629.

Richter unndt ganzer Schöpffenstuhl daselbsten« v. Lamberg, Beilage Lit. S..

Nach Fällung des Urteils wurde hin und wieder durch einen sog. Gnadenzettel verkündet, daß vor der Verbrennung die Richtung durch das Schwert allergnädigst gestattet wurde. Einer dieser Gnadenbriefe ist hier im Faksimile wiedergegeben.

In einem Bamberger Prozeß von 1614 wurde eine 74jährige Frau, nachdem sie den Daumstock und die Beinschrauben überstanden, drei Viertelstunden lang auf den Bock gesetzt. Als sie dann von den Martern tot zusammenbrach, berichteten die Kommissare: Die Inquisitin habe sich durch die drei Grade der Folterung von den gegen sie vorliegenden schweren Indizien überflüssig purgiert und ihre Unschuld insoweit dargetan, daß dieselbe, wenn der Tod sie nicht ereilt hätte, von der Instanz absolviert worden wäre. Es sei deshalb der Hingeschiedenen ein christliches Begräbnis zuerkannt und solle ihrem Mann und ihren Kindern, um üble Nachrede abzuwehren, ein Zeugnis ausgestellt werden Wittmann, S. 181. Janssen, VIII, S. 679 ff..

Dieses Zeugnis sollte den Justizmord ausgleichen.

Der Verteidiger der ultramontanen Hexenmeister, Diefenbach, ringt seiner Feder das Bekenntnis ab: »Der Einblick in einen Teil der Prozeßakten ließ folgende Eigentümlichkeiten des Bamberger Verfahrens erkennen: die eingezogenen Personen wurden in der Regel dreizehnmal examiniert und die peinliche Frage in folgenden Stufen vollzogen: Zuerst gebunden, dann Anlegung von Daumschrauben, drittens Beinschrauben, viertens der Zug auf die Leiter, fünftens Geißelung mit Ruten. Oftmals erwirkten die Verurteilten sogenannte ›Gnadenzettel‹, d. h. Verwandlung der Feuerstrafe in Hinrichtung mit dem Schwert. So erhielten unter dem 10. Februar 1628 (also an einem Tage!) sieben Personen den Gnadenzettel Der Hexenwahn, Mainz 1886, S. 132..« Der Text des Gnadenzettels, den wir nebenstehend nach einem Original der Bamberger Kgl. Bibliothek abbilden, lautet:

Obwohln gegenwertig vor Gericht gebrachte Persohnen dem itzt verlesenen Vrtheil auf Ihrem schwehren Verbrechen vnd verdienst nach billich mit dem feuer vom leben zum tode zu straffen, so läßt jedoch der hochwürdige vnser allerseits gnädige Fürst vnd Herr von Bamberg auß sonderbahren bewegenden Vrsachen Ihnen diese hohe fürstl. Gnad erzeigen vnd erweißen, das sie nemblich erstlich mit dem Schwerd vom leben zum todt hingerichtet, alßdann mit dem Feuer zu Pulfer vnd Asche verbrent werden sollen. Neben diesem aber solle Anna Eberl wegen Ihrer vndt viel begangenen Missethaten erstlich Ein griff mit glühender Zange gegeben, hernacher ihre rechte Hand, mit welcher sie erschröckhlich und vnchristlich gesündigt sambt dero haubt zugleich abgeschlagen vndt ihr Cörper gleich andern durch das feuer verzehrt werden. Act. d. 22. Jan. 1628.

Ex mandato R. mi.

Die Beichtväter, gewöhnlich Jesuiten, erstatteten nach der Exekution dem Kommissär Bericht, ob der Verurteilte früher getane Komplizenangaben im Momente des Todes zurückgenommen oder verändert hatte. War dieses nicht der Fall, so schloß der Kommissär, daß diesen Angaben um so mehr Glauben beizumessen sei v. Lamberg, S. 24.. Eine Verletzung des Beichtgeheimnisses, die eine direkte Denunziation enthielt, berichtet v. Lamberg S. 25.

Die Gelderpressungen waren so arg, daß selbst die Hinterbliebenen herangezogen wurden. Man raubte, so lange noch etwas da war; als aber die Verarmung durch Krieg, Mißwachs und Hexenprozeß allgemein geworden war, riet sogar das bischöfliche Kabinett zur Einschränkung der Prozesse, weil man nicht mehr wisse, woher die Unkosten zu bestreiten v. Lamberg, S. 15. Leitschuh, S. 56 ff.. Zwischendurch hatte sich auch Kaiser Ferdinand II. durch eingelaufene Beschwerden zum Einschreiten bewogen gefunden. Es liegen von ihm Schreiben an den Bischof vor, worin er sich selbst die Ernennung des Oberrichters vorbehält, das Anfangen des Prozesses mit Kaptur und Folter rügt und ganz besonders die Güterkonfiskation nachdrücklich verbietet. »Was aber die höchst schmutzige Confiskation in diesem Crimine anbelangt, können wir diese Dero Andacht durchaus nicht und unter keinerlei Vorwand mehr gestatten v. Lamberg, S. 20.«. Aus einer jener Beschwerden ergibt sich, daß man das Vermögen der Inkulpaten schon unmittelbar nach deren Verhaftung aufzunehmen und dem Fiskus und den Inquirenten pro rata zuzuschreiben pflegte v. Lamberg, S. 17..

Im Stifte Würzburg gedachte Bischof Julius von Mespelbrunn mit dem Protestantismus zugleich sein Land auch von der Hexerei zu säubern, weshalb er überall die eifrigste Hexenverfolgung eintreten ließ Buchinger, Julius Echter von Mespelbrunn, S. 170 ff. u. S. 232 ff..

In dem kleinen Orte Gerolzhofen wurden allein im Jahre 1616 99 Hexen verbrannt und im folgenden Jahre mußten 88 daran glauben.

Julius starb am 13. September 1617, als das begonnene Werk der Reinigung des Landes noch unvollendet war, weshalb es sein Nachfolger, der bisherige Fürstbischof von Bamberg, Johann Gottfried von Aschhausen (1617-1623) rüstig fortsetzte. Schon im ersten Jahre seiner Regierung ließ er in dem neu erbauten Gefängnis in der Münze zu Würzburg acht Kammern und zwei Stuben für Hexen und Unholde einrichten, damit sie nicht mehr über die Straße zu den Verhören geschleppt werden müßten Baldi, die Hexenprozesse in Deutschland, S. 13..

Die grausigste Tätigkeit entfaltete aber in der Verfolgung der Hexen sein Nachfolger Philipp Adolf von Ehrenberg (1623-1631). Personen jeden Alters, Standes und Geschlechts, Einheimische und Fremde, Geistliche, Ratsherren, dann Söhne des fränkischen Adels, Matronen, Jungfrauen und unmündige Kinder sind in rasch aufeinander folgenden »Bränden« zum Tode geführt worden, und das Vermögen der Reichen, die auf diese Weise endeten, ist nicht mehr ins Ausland gegangen Dr. Scharold, Archiv des hist. Vereins f. Unterfranken, VI. 1. S. 128.. Wir haben noch ein Verzeichnis der bis zum Februar 1629 vollzogenen Hinrichtungen. Es reicht bis zum neunundzwanzigsten Brand und macht hundertsiebenundfünfzig Personen aus dieser kurzen Periode namhaft; in seiner Fortsetzung bis zum zweiundvierzigsten Brande kannte es der Biograph des Bischofs bei Gropp. Dort belief sich die Zahl der Opfer auf zweihundertundneunzehn. Hiermit sind aber ohne Zweifel nur die in der Stadt Würzburg selbst zum Tode Geführten gemeint; die Gesamtzahl der Hinrichtungen im Stift unter Philipp Adolf belief sich laut einer mit bambergischer Zensur gedruckten Nachricht auf neunhundert. Die anschaulichste Widerlegung der nicht ungewöhnlichen Meinung, als hätte die Verfolgungswut in Deutschland der Regel nach nur arme, alte Weiber zu erreichen gewußt, wird sich aus der wörtlichen Mitteilung der erwähnten Liste ergeben. Sie reicht von 1627 bis zum Anfange von 1629.

siehe Bildunterschrift

Bamberger Gnadenzettel

siehe Bildunterschrift
siehe Bildunterschrift

Mandat gegen Teufelskunst Philipp Adolfs Bischof von Würzburg

»Verzeichnis der Hexen-Leut, so zu Würzburg mit dem Schwert gerichtet und hernacher verbrannt worden Hauber, Bibl. mag. 36. Stück, 1745, S. 807..

Im ersten Brandt vier Personen.

Die Lieblerin.
Die alte Anckers Wittwe.
Die Gutbrodtin.
Die dicke Höckerin.

Im andern Brandt vier Personen.

Die alte Beutlerin.
Zwey fremde Weiber.
Die alte Schenckin.

Im dritten Brandt fünf Personen.

Der Tungersleber, ein Spielmann.
Die Kulerin.
Die Stierin, eine Procuratorin.
Die Bürsten-Binderin.
Die Goldschmidin.

Im vierdten Brandt fünf Personen.

Die Siegmund Glaserin, eine Burgemeisterin.
Die Birckmannin.
Die Schickelte Amfrau (Hebamme).
NB. von der kommt das ganze Unwesen her.
Die alte Rumin.
Ein fremder Mann.

Im fünften Brandt acht Personen.

Der Lutz ein vornehmer Kramer.
Der Rutscher, ein Kramer.
Des Herrn Dom-Propst Vögtin.
Die alte Hof-Seilerin.
Des Jo. Steinbacks Vögtin.
Die Baunachin, eine Rathsherrnfrau.
Die Znickel Babel.
Ein alt Weib.

Im sechsten Brandt sechs Personen.

Der Rath-Vogt, Gering genannt.
Die alte Canzlerin.
Die dicke Schneiderin.
Des Herrn Mengerdörfers Köchin.
Ein fremder Mann.
Ein fremd Weib.

Im siebenten Brandt sieben Personen.

Ein fremd Mägdlein von 12 Jahren.
Ein fremder Mann.
Ein fremd Weib.
Ein fremder Schultheiß.
Drey fremde Weiber.
NB. Damahls ist ein Wächter, so theils Herren ausgelassen, auf dem Markt gerichtet worden.

Im achten Brandt sieben Personen.

Der Baunach, ein Raths-Herr, und der dickste Bürger zu Würtzburg.
Des Herrn Dom-Propst Vogt.
Ein fremder Mann.
Der Schleipner.
Die Visirerin.
Zwei fremde Weiber.

Im neundten Brandt fünf Personen.

Der Wagner Wunth.
Ein fremder Mann.
Der Bentzen Tochter.
Die Bentzin selbst.
Die Eyeringin.

Im zehnten Brandt drei Personen.

Der Steinacher, ein gar reicher Mann.
Ein fremd Weib.
Ein fremder Mann.

Im eilften Brandt vier Personen.

Der Schwerdt, Vicarius am Dom.
Die Vögtin von Rensacker.
Die Stiecherin.
Der Silberhans, ein Spielmann.

Im zwölften Brandt zwey Personen.

Zwey fremde Weiber.

Im dreyzehenden Brandt vier Personen.

Der alte Hof-Schmidt.
Ein alt Weib.
Ein klein Mägdlein von neun oder zehn Jahren.
Ein geringeres, ihr Schwesterlein.

Im vierzehenden Brandt zwey Personen.

Der erstgemeldten zwey Mägdlein Mutter.
Der Lieblerin Tochter von 24 Jahren.

Im fünfzehenden Brandt zwey Personen.

Ein Knab von 12 Jahren in der ersten Schule.
Eine Metzgerin.

Im sechzehenden Brandt sechs Personen.

Ein Edelknab von Ratzenstein, ist Morgens um 6 Uhr auf dem Cantzley-Hof gerichtet worden, und den gantzen Tag auf der Pahr (Bahre) stehen blieben, dann hernacher den andern Tag mit den hierbeygeschriebenen verbrant worden.
Ein Knab von zehn Jahren.
Des obgedachten Raths-Vogts zwo Töchter und seine Magd.
Die dicke Seilerin.

Im siebenzehenden Brandt vier Personen.

Der Wirth zum Baumgarten.
Ein Knab von eilf Jahren.
Eine Apotheckerin zum Hirsch, und ihre Tochter. NB. Eine Harfnerin hat sich selbst erhenket.

Im achtzehenden Brandt sechs Personen.

Der Batsch, ein Rothgerber.
Ein Knab von zwölf Jahren, noch
Ein Knab von zwölf Jahren.
Des D. Jungen Tochter.
Ein Mägdlein von funfzehen Jahren.
Ein fremd Weib.

Im neunzehenden Brandt sechs Personen.

Ein Edelknab von Rotenhan, ist um 6 Uhr auf dem Cantzley-Hof gerichtet, und den andern Tag verbrannt worden.
Die Secretärin Schellharin, noch
Ein Weib.
Ein Knab von zehn Jahren.
Noch ein Knab von zwölf Jahren.
Die Brüglerin eine Beckin, ist lebendig verbrennt worden.

Im zwanzigsten Brandt sechs Personen.

Das Göbel Babelin, die schönste Jungfrau in Würtzburg.
Ein Student in der fünften Schule, so viel Sprachen gekont, und ein vortreflicher Musikus vocaliter und instrumentaliter.
Zwey Knaben aus dem neuen Münster von zwölf Jahren.
Der Steppers Babel Tochter.
Die Huterin auf der Brücken.

Im einundzwanzigsten Brandt sechs Personen.

Der Spitalmeister im Dietericher Spital, ein sehr gelehrter Mann.
Der Stoffel Holtzmann.
Ein Knab von vierzehn Jahren.
Des Stoltzenbergers Rathsherrn Söhnlein, zween Alumni.

Im zweiundzwanzigsten Brandt sechs Personen.

Der Stürmer, ein reicher Bütner.
Ein fremder Knab.
Des Stoltzenbergers Raths-Herrn große Tochter.
Die Stoltzenbergerin selbst.
Die Wäscherin im neuen Bau.
Ein fremd Weib.

Im dreiundzwanzigsten Brandt neun Personen.

Des David Croten Knab von zwölf Jahren in der andern Schule.
Des Fürsten Kochs zwey Söhnlein, einer von 14 Jahren, der ander von zehn Jahr aus der ersten Schule.
Der Melchior Hammelmann, Vicarius zu Hach.
Der Nicodemus Hirsch, Chor-Herr im neuen Münster.
Der Christopherus Barger, Vicarius im neuen Münster.
Ein Alumnus. NB. Der Vogt im Brembacher Hof, und ein Alumnus sind lebendig verbrannt worden.

Im vierundzwanzigsten Brandt sieben Personen.

Zween Knaben im Spital.
Ein reicher Bütner.
Der Lorenz Stüber, Vicarius im neuen Münster.
Der Betz, Vicarius im neuen Münster.
Der Lorenz Roth, Vicarius im neuen Münster.
Die Roßleins Martien.

Im fünfundzwanzigsten Brandt sechs Personen.

Der Fridrich Basser, Vicarius im Dom-Stift.
Der Stab, Vicarius zu Hach
Der Lambrecht, Chor-Herr im neuen Münster.
Des Gallus Hausen Weib.
Ein fremder Knab, die Schelmerey Krämerin.

Im sechsundzwanzigsten Brandt sieben Personen.

Der David Hans, Chor-Herr im neuen Münster.
Der Weydenbusch, ein Raths-Herr.
Die Wirthin zum Baumgarten.
Ein alt Weib.
Des Valckenbergers Töchterlein ist heimlich gerichtet, und mit der Laden verbrannt worden.
Des Raths-Vogts klein Söhnlein
Der Herr Wagner, Vicarius im Dom-Stift, ist lebendig verbrannt worden.

Im siebenundzwanzigsten Brandt sieben Personen.

Ein Metzger, Kilian Hans genannt.
Der Hüter auf der Brücken.
Ein fremder Knab.
Ein fremd Weib.
Der Hafnerin Sohn, Vicarius zu Hach.
Der Michel Wagner Vicarius zu Hach.
Der Knor, Vicarius zu Hach.

Im achtundzwanzigsten Brandt, nach Lichtmeß anno 1629 sechs Personen.

Die Knertzin, eine Metzgerin.
Der D. Schützen Babel
Ein blind Mägdlein.
NB. Der Schwart, Chor-Herr zu Hach.
Der Ehling, Vicarius.
NB. Der Bernhard Mark, Vicarius am Dom-Stift, ist lebendig verbrannt worden.

Im neunundzwanzigsten Brandt sieben Personen.

Der Viertel Beck.
Der Klingen Wirth.
Der Vogt zu Mergelsheim.
Die Beckin bei dem Ochsen-Thor.
Die dicke Edelfrau.
NB. Ein geistlicher Doctor, Meyer genant, zu Hach, und
Ein Chor-Herr ist früh um 5 Uhr gerichtet und mit der Bar verbrannt worden.
Ein guter vom Adel, Junker Fischbaum genannt.
Ein Chor-Herr zum Hach ist auch mit dem Doctor eben um die Stunde heimlich gerichtet, und mit der Bar verbrannt worden.
Paulus Vaecker zum Breiten Huet.

Seithero sind noch zwey Brändte gethan worden.

Datum, den 16. Febr. 1629.

Bisher aber noch viel unterschiedliche Brandte gethan worden.«

Unter den Opfern dieser Greuelzeit war auch ein Blutsverwandter des Bischofs. Wir entnehmen die Erzählung dem salbungsreichen Berichte desjenigen Jesuiten, der als Aufseher, Beichtvater und – fast als Scherge eine Hauptrolle in der Begebenheit gespielt hat, und der durch alle Umstände seiner eignen Erzählung uns die Alternative stellt, in ihm entweder den hirnlosesten Kopf seines Ordens oder einen vollendeten Schurken zu erkennen Gropp, Collect. Tom. II, p. 287 ff. Aucupium innocentiae a stygio aucupe in pietatis et literarum palaestris versanti juventuti periculose structum et experientia duce ac magistra veritate detectum. Würzburg 1700..

Ernst von Ehrenberg, Page und Verwandter des Bischofs, der Letzte seines Namens, war ein schöner, talentvoller, fleißiger und frommer Knabe. Eine alte, vornehme Base, die er zuweilen besuchte, verführte ihn. Ernst spielte eine Zeitlang den Heuchler, dann ließ er seine Studien liegen, vernachlässigte den Gottesdienst und beschwerte sich über dessen Langweiligkeit, spielte und ging den Mädchen nach. Die Hexenrichter erfuhren endlich von gefolterten Inquisiten den Grund dieses Benehmens. Ernst hatte sich, gelockt durch die Ränke seiner Base, dem Teufel ergeben, besuchte die Hexentänze, bezauberte seine Feinde und verführte seine Freunde. Der Bischof beschloß, seinen Verwandten der Zucht der Mönche zu übergeben. Man stellte dem Beschuldigten vor, daß der Fürst trotz der vorliegenden Beweise gnädig sein und ihn nicht am Leben strafen wolle, wenn er gestände und sich bußfertig zeigte. Der Knabe bekannte erschrocken, was man forderte, versprach Besserung und wurde den Jesuiten anvertraut. Diese nahmen ihn in ihr Haus, bewaffneten ihn gegen die Angriffe des bösen Feindes mit Amuletten, Agnus Dei, Wachs, Reliquien und Weihwasser, unterwarfen ihn angestrengten geistlichen Übungen und bewachten ihn Tag und Nacht. Anfangs zeigte sich der Pflegebefohlene willfährig, aber bald machten die Väter der Gesellschaft Jesu die Entdeckung, daß kein Laster in der Welt schwieriger zu heilen sei als das der Zauberei. Ernst legte nämlich in der Nacht zuweilen die Heiligtümer, mit denen man ihn ausgerüstet hatte, ab, und dann kam der Teufel und holte ihn zu den Hexentänzen. Morgens um vier Uhr, wenn die Väter aufstanden, war er gewöhnlich wieder zurück; doch fanden diese auch zuweilen sein Bett leer und vernahmen ein sonderbares, verworrenes Getöse. – Auf Befragen erzählte der Knabe die erlebten Wunderdinge, gelobte weinend Besserung und ließ es doch immer beim alten. Die Jesuiten gewannen die Überzeugung, daß Ernst stets zwischen Gott und dem Teufel schwanke. Sie verzweifelten daher an dem Erfolg ihrer pädagogischen Kunst, und da es den Franziskanern, die einen letzten Versuch machten, nicht besser ging, so erklärte man dem Bischofe, daß an dem jungen Sünder Hopfen und Malz verloren sei. Jetzt ließ der Bischof vom Gerichte das Todesurteil sprechen. Die Jesuiten sollten den Verurteilten zum Tode bereiten. Am bestimmten Tage traten diese – der Erzähler war unter ihnen – bei dem nichts ahnenden Knaben ein, redeten ihm in zweideutigen Ausdrücken von einem besseren Leben, dem er jetzt entgegen gehe, und lockten ihn auf das Schloß. Hier erinnerte er sich in argloser Freude aller Plätzchen, die ihm durch seine Kinderspiele teuer geworden waren – der Jesuit beschreibt es sehr rührend – und merkte noch immer nicht, zu welchem Gange er abgeholt war. Erst als die Pädagogen ihn in ein schwarz behangenes Gemach führten, wo ein Schafott errichtet war, gingen ihm die Augen auf, und als nun der Scharfrichter Hand an ihn zu legen begann, erhob er ein Jammergeschrei, daß selbst die Richter erweicht wurden und beim Bischofe Fürbitte einlegten. Der Fürst macht einen letzten Versuch und verheißt durch einen Abgesandten Verzeihung, wenn Ernst sich aufrichtig bessern will. Aber der Abgesandte meldet zurück: Alles sei vergebens, weil der Teufel den Jüngling verhärtet habe, so daß dieser so frech gewesen zu erklären, er wolle bleiben wie er wäre, und wäre er nicht schon so, so würde er's werden wollen. Da wird der Fürst grimmig und befiehlt, dem Recht seinen Lauf zu lassen. Von neuem schleppt man den Jüngling in das schwarze Zimmer, zwei Jesuiten zur Seite, die zur Buße mahnen; er aber bleibt dabei, daß er keiner Buße bedürfe, jammert um sein Leben, sucht sich den Händen der Schergen zu entwinden und gibt den fortgesetzten Ermahnungen der Priester kein Gehör. Endlich nimmt der Scharfrichter den günstigen Augenblick wahr und schlägt dem ermatteten Schlachtopfer den Kopf ab. »Er fiel – sagt der Jesuit, der diese Begebenheit überliefert hat, – ohne ein Zeichen des Schmerzes oder eine andere Äußerung der Frömmigkeit zu Boden. Wollte Gott, daß er nicht auch ins ewige Feuer gefallen wäre!«

Gropp hat eine dramatisierte Darstellung dieser Geschichte aufbewahrt, wie sie einst bei einem Schulaktus in Heidelberg aufgeführt worden sein soll Gropp, Tom. II, p. 291..

Wäre Philipp Adolph nicht Landesherr gewesen, er selbst hätte ohne Zweifel bald darauf denselben Weg gehen müssen, den er seinen einzigen Verwandten gehen hieß. Denn es kam zuletzt dahin, daß die Angeklagten den Bischof selbst und seinen Kanzler als Mitschuldige angaben. Jetzt erst gingen dem Betrogenen die Augen auf. Er sistierte die Prozesse und stiftete ein wöchentliches, vierteljährliches und jährliches feierliches Gedächtnis für die Hingerichteten bei den Augustinern zu Würzburg Anpreisung Sr. Majestät allergnädigsten Landesverordnung, wie es mit dem Hexenprozesse zu halten sei. 1766, S. 142..

Im geistlichen Fürstentum Fulda ging die Ausrottung der Hexen mit der des Protestantismus Hand in Hand. Der Fürstenabt Balthasar von Dernbach mußte allerdings darüber einen Aufstand seiner evangelischen Stände erleben, infolgedessen das Land unter kaiserliche Administration kam Heppe, »Die Restauration des Katholizismus etc.« S. 134 ff. und »Das evangel. Hammelburg und dessen Untergang durch das Papsttum«. Wiesbaden, 1862.. Kaum aber waren ihm 1579 von Kaiser Rudolf II. die Einkünfte des Amtes Bieberstein zum Unterhalte zugewiesen, als er auch einen seiner Diener, Balthasar Roß Roß, nicht Nuß, Ruß oder Voß. Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde in Frankfurt a. M., 6. Bd. 1881, S. 36. (»Balzer Roß«), einen Sadisten schlimmster Art, zum Zentgrafen und Malefizmeister des Amtes ernannte. Als er dann im Dezember 1602 vom Kaiser die Regierung des Fürstentums wieder übertragen erhielt, bestellte er den Roß 1603 zum Zentgrafen und Malefizmeister des ganzen Landes. Alsbald trat nun in dem Lande Fulda eine Hexenverfolgung ein, die in dem Zeitraum von 1603 bis 1605 an 250 Unglücklichen das Leben kostete Malkmus, »Fuldaer Anekdotenbüchlein« (Fulda 1875) S. 101-151.. Das Gericht, das der Abt mit der Ausrottung der Hexen betraut hatte, war das Stadtgericht zu Fulda, die »Müntz« genannt. Es bestand aus dem Zentgrafen Roß, einigen Beisitzern und den Schöffen; in Wahrheit aber hatte Roß die Hexenverfolgung ganz allein in der Hand. War ihm eine Person als Hexe oder Zauberer angezeigt worden, so ließ er sie durch den Stadt- oder Landknecht wo er sie gerade fand in Haft nehmen und dem Henker zur Tortur überliefern. Den Hans Werner von Ditges, einen Mann von 70 Jahren, griff er selbst ohne Anzeige und ohne allen Grund auf offenem Wege auf, brachte ihn nach Fulda und ließ ihn foltern. Des Steub Hennes Ehefrau zu Neuhof ließ er aus dem Wochenbett hinweg nach Fulda ins Gefängnis schaffen, peinigen und verbrennen, was auch den Tod ihres eben geborenen Kindes zur Folge hatte. Dabei wurde die Tortur von Roß in der unmenschlichsten Weise zur Anwendung gebracht. Viele Gefolterte starben während oder unmittelbar nach der Tortur. Töll Glübs Weib von Neuhof wurde zweimal nachts verhaftet, das eine Mal alsbald aufgezogen und mit einem scharfen, schneidenden Holz, mit brennenden Fackeln und anderen »bisher unerhörten Tormenten« so furchtbar gepeinigt, daß Roß selbst ihrem Manne hundert Taler versprach, wenn er von diesen Torturen niemand etwas sagen würde. Viele Verhaftete machten im Kerker aus Verzweiflung ihrem Leben selbst ein Ende, und schließlich wurden die Greuel, die Roß an seinen Opfern beging, sogar den Schöffen selbst so arg, daß sie ihn wiederholt vor deren Fortsetzung warnten und sich von der Hexenverfolgung zurückzuziehen suchten. In den Wetzlarschen Beiträgen zu den Hexenprozessen (von 1847) wird ein Mandat des Reichskammergerichts vom 27. Juli 1603 gegen den Zentgrafen und die Schöffen des peinlichen Gerichts in Fulda, auf Anrufen eines verhafteten Weibes verfaßt, mitgeteilt, woraus das Prozeßverfahren des Fuldischen Hexenrichters zu ersehen ist. Dort heißt es: die klagende Hausfrau habe sich von Jugend auf als fromme, unbescholtene, redliche und tugendhafte Person betragen, auch im besten Rufe gestanden etc. »Das Alles hintangesetzt habt Ihr, Zentgraf, Schöffen und Richter, sie ohne einigen Grund für eine Hexe – bloß unter dem Vorwande erklärt, weil drei derselben Untat beschuldigte Weiber sie dafür angesehen haben sollen; und ohne fernere Erkundigung habt Ihr sie gewalttätig angreifen, in ein abscheuliches Gefängnis, in einen Hundestall am Backhause des Fuldaer Schlosses, einsperren, in grausamer Weise an Händen und Füßen fesseln lassen und sie genötigt, durch ein niedriges Loch auf allen vieren wie ein Hund zu kriechen, worin sie dann gekrümmt und gebückt, elendiglich hockend, sich weder regen, bewegen, aufrecht stehen, noch des leidigen Ungeziefers erwehren kann. – Obwohl nun außer dem Zeugnisse der drei heillosen Weiber – nicht die geringsten Indicia der Zauberei gegen sie vorliegen, und deswegen ihr Ehewirt ihre Unschuld in Rechten darzutun, auch eine Kaution zu stellen sich erboten und um Erleichterung der Haft dieser ehrbaren, vermutlich schwangeren Person und um Zeit zur Defension gebeten, so habt Ihr ihm diese Bitte nicht gewährt, und die Klägerin hat hiernach nichts Gewisseres zu erwarten, als daß Ihr zu unerträglicher Tortur forteilen und ihr demnächst einen schmählichen Tod unzweifelhaft antun werdet.« Das Kammergericht erließ hierauf den strengen Befehl, bei »Pön von 10 Mark löthigen Goldes sofort der Klägerin ein mildes, leidliches Gefängnis zu geben, ohne erhebliche, in Rechten zugelassene Indizien sie nicht zu torquiren und den zu ihrer Defension und Verantwortung erforderlichen Zutritt zu gestatten. Auch habe sich das Gericht über die zur Klage gebrachten Nullitäten zu verantworten«.

Roß ließ sich aber durch derartige Einsprüche in seinem Wüten und Würgen nicht hemmen. Er suchte nur um so mehr durch summarisches, ganz formloses Verfahren – seine Prozesse dauerten von der Verhaftung bis zur Verbrennung oft nur acht bis vierzehn Tage –, durch Ermarterung von Denunziationen – die aus jedem Hexenprozeß eine ganze Reihe anderer erwachsen ließ –, um so rascher zu dem zu gelangen, worauf er es mit seiner ganzen Hexenverfolgung abgesehen hatte, nämlich zu Geld, indem ihm für jede Verurteilung wie für jede Freisprechung ganz beträchtliche Summen gezahlt werden mußten. So mußten z. B. Sebastian Orth zu Fulda für sein Weib 31 Gulden, Hans Herget für sein Weib 42 Gulden, Johann Keller für seine Mutter 50 Gulden, Hans Döler zu Hammelburg für seine Schwiegermutter 80 Gulden, die Erben der Heimfurterin 80 Gulden und Blasius Bien zu Fulda für sein Weib, das zweimal eingezogen, das erstemal freigesprochen, das zweitemal aber verbrannt war, 91½ Gulden 5 Batzen bezahlen, – wobei die Hauptbeträge für Holz, Reisig und Stroh (zum Scheiterhaufen) und für den vertrunkenen Wein verrechnet wurden.

So hauste Roß im Fulder Lande drei volle, schreckliche Jahre lang. Überall loderten die Feuer der Scheiterhaufen auf, und nicht selten ließ er auf einem Scheiterhaufen eine ganze Anzahl von Frauen und Mädchen sterben. So wurden im Jahre 1604 am 22. Juni neun, am 14. Juli neun, am 11. August neun, am 9. September elf, am 29. September zwölf, am 17. Oktober zehn, am 12. Dezember acht, im Jahre 1605 am 21. Mai dreizehn, am 27. Juni zwölf, am 13. Juli zwölf, am 22. August zwölf, am 25. Oktober zehn, am 14. November elf, und im Jahre 1606 am 13. März sieben Personen hingerichtet. – In einem Bericht über die bei den Hexenprozessen gehabten Einnahmen und Ausgaben führte Roß selbst 205 Personen namentlich auf, die er in den Jahren 1603-1605 justifiziert hatte, – fast lauter Frauen und Mädchen aus den geringeren Ständen. Dabei waren aber nicht wenige Hingerichtete, namentlich alle Hammelburger, unerwähnt geblieben.

Glücklicherweise starb der Abt Balthasar, Roß' Gönner, am 15. März 1606. Bei seinem Nachfolger Johann Friedrich von Schwalbach liefen alsbald über die Vergewaltigungen und Schändlichkeiten, die der Zentgraf sich erlaubt habe, so schwere Anzeigen ein, daß dieser nicht umhin konnte, dessen sofortige Verhaftung anzuordnen. Die Kläger beschwerten sich nicht über ungerechte Hinrichtung der Ihrigen, sondern über das Prozeßverfahren und über die Kosten. Roß hatte von den Prozessen in den drei Jahren im ganzen 5393 Gulden eingenommen. In den nun eingeleiteten Untersuchungen kamen die größten Betrügereien zutage. Roß suchte sich zu reinigen; allein darüber mußte er 13 Jahre in schrecklicher Haft verbringen und schließlich wurde er 1618 öffentlich enthauptet.

Von besonderem Interesse sind auch die auf die Hexenverfolgung bezüglichen Vorfälle im Fürstbistum Münster Dr. B. Niehues, »Zur Geschichte des Hexenglaubens und der Hexenprozesse, vornehmlich im ehemaligen Fürstbistum Münster.« (Münster 1875.) 34 ff., 49 ff., 141 ff..

Hier regierte 1565 der Fürstbischof Bernhard von Raesfel, dem der Gedanke der Hexenverfolgung fast ganz fremd war. Der erste münstersche Hexenprozeß, über den wir Nachricht haben, datiert aus dem Jahre 1565, beziehungsweise 1563. Der Amtsschreiber zu Stromberg schreibt nämlich unter dem 19. Juli 1565 an den Fürstbischof, daß mehrere Personen wegen Zauberei anrüchig wären. Sie seien schon 1563 deshalb gerichtlich eingezogen und peinlich verhört worden. Sie stellten alles, was man ihnen zur Last lege, beharrlich in Abrede, allein er »habe ihnen nicht gestattet sich durch einen Eid zu reinigen«. Weiters berichtet er dem Landesherrn, daß er von Malefizien, die die Angeschuldigten anderen zugefügt haben sollten, durchaus nichts habe ermitteln können. Andererseits geben die »weltlichen Richter« des Fürstbischofs dem Amtsschreiber bezüglich der Geständnisse der Angeschuldigten den Bescheid: »Weil solche und dergleichen Dinge gewöhnlich aus einem Afterglauben zu fließen pflegen, so habt Ihr den Prädikanten einige Male zu ihnen zu schicken, daß er sie mit der H. Schrift von solcher teuflischen Phantasie abzustehen ermahne«. Auch der Fürstbischof bewies dabei, daß ihm der Glaube der späteren Zeit an die Malefizien der Hexen noch ganz fremd war, und daß er darum auch nicht im entferntesten an eine Verfolgung der Hexen, wie sie nach seinem Ableben im Lande zu wüten begann, dachte. Das durch die Folter erpreßte Geständnis der Angeklagten genügte ihm darum nicht zur gerichtlichen Feststellung ihrer Schuld, indem er vielmehr den Nachweis der Schuld durch äußere Beweisgründe oder durch rechtsgültige Zeugen verlangte. Zur Einbringung eines Strafantrags von Seiten des fiskalischen Anwalts forderte er ferner den Nachweis, daß die Angeklagten durch ihre Zauberkünste anderen Schaden zugefügt hatten; und als dieser Nachweis nicht erbracht werden konnte, befahl er die Angeklagten trotz ihres Geständnisses zu entlassen und sie nur der besonderen Obhut ihres Ortspfarrers zu empfehlen. Ja schließlich erhielten unter dem 25. November 1565 der Vogt und der Untersuchungsrichter sogar den landesherrlichen Befehl, in Zukunft nicht wieder »solche Leute auf bloße Vermutung in Haft zu nehmen, es wäre denn, sie suchten sich davon zu machen und unterständen sich zu entfliehen«.

Das alles wurde aber nach dem Ableben des Fürstbischofs Bernhard anders. Im Jahre 1585 wurde Herzog Ernst von Bayern zum Fürstbischof von Münster erwählt, und als dieser 1611 die Regierung niederlegte, kam sein Neffe Ferdinand von Bayern (von 1612-1650) zur Regierung. Beide betrachteten die Ausrottung des Protestantismus in ihren Diözesen als ihre vornehmste Aufgabe, denn wie die Ketzerei der Protestanten, so war aber auch die Zauberei der Hexen das Werk des Teufels, weshalb derselbe Eifer, der die protestantischen Prediger verjagte und deren Gemeinden gewaltsam zum Katholizismus zurückführte Vgl. Niehues, »Zur Gesch. der Gegenreformation im ehemaligen Fürstentum Münster« in der Zeitschr. für preuß. Gesch. und Altertumskunde, 1874, Monat November., sich auch auf die Aufspürung und Verfolgung der Hexen warf. Bald wurde es geradezu zur Manie, in jedem besonders auffallenden Vergehen einen Zusammenhang mit Zauberei zu vermuten, und die Folter gab die Mittel zur Entdeckung an die Hand.

Ein Prozeß aus dem Jahre 1596 läßt es deutlich erkennen, wie eben damals im Fürstentum Münster der Umschwung erfolgte, aus dem der eigentliche Hexenprozeß und die epidemische Hexenverfolgung hervorging Niehues, S. 60-77..

Es rühmten sich damals nicht wenige im Lande, im Besitze von Exorzismen zu sein, mittelst deren sie in allerlei Kräuter eine besondere Heilkraft hineinbringen könnten. Von dem Verkauf dieser Kräuter und sonstiger Geheimmittel nährten sie sich und die Ihrigen. Einer dieser »Exorzisten« war ein gewisser Schneider Hermann Schwechmann, Eigenhöriger des Gutsbesitzers Rudolf Münnich zu Eickhafen im Amte Vechta. Schwechmann wurde, wegen Zauberei anrüchig, in Haft genommen, obschon der Droste zu Vechta in seinem Bericht an die »weltlichen Räte« zu Münster ihm nichts anderes zur Last legen konnte als daß er »den Leuten allerlei Briefe für Zauberei und sonstige Dinge gegeben, durch die er sie von Gott und seinem Worte ablenkt und sie ihres Geldes beraubt und entblößt«. Dabei bemerkt der Drost, daß »dieser Handel hier im Amte viel im Schwange ist«. Nun nahm sich der Gutsherr des Angeklagten in mehrfachen Gnadengesuchen sehr energisch an, indem er beteuerte, daß Schwechmann niemals Zauberei getrieben, niemand etwas Böses getan, sondern in seiner Armut sich der Exorzismen, gegen die bisher kein Verbot ergangen sei, bediene, um sich zu ernähren. Allein diese Gnadengesuche verfehlten ihren Zweck, indem die Untersuchung unter der Hand eine ganz andere und für den Angeklagten höchst bedrohliche Richtung angenommen hatte. Die Regierung zu Münster wollte dem weit verbreiteten Handel mit Exorzismen, geweihten Kräutern und Kerzen ein Ende machen, was am sichersten dadurch geschah, daß man sie für Teufelswerk erklärte. Da nun der vorliegende Fall ganz dazu geeignet zu sein schien, die Exorzisten und deren geheime Formeln und Mittel an den Tag zu bringen, so erkannten die »weltlichen Räte« am 28. März 1596 gegen den Verhafteten auf peinliches Verhör durch Anwendung der Folter. Alsbald richtete daher der Gutsherr, der von diesem Befehle Kunde erhielt, am Karfreitag 1596 ein neues Gnadengesuch an die Regierung, worin er hervorhob, daß Schwechmann durchaus nichts anderes verbrochen habe, als was tagtäglich auch von vielen anderen Personen, und zwar geistlichen und weltlichen Standes, im Stifte geschehe.

Allein diese Eingabe des Gutsherrn lief in Münster ein, als der Verhaftete bereits gefoltert war – und sein »Geständnis« abgelegt hatte. Aus dem Protokoll ist deutlich zu ersehen, an welchen Stellen das »Geständnis« durch Suggestivfragen ermartert ist. Nachdem er nämlich zunächst wegen ganz anderer Vergehen, die man ihm zur Last gelegt hatte, vernommen war, heißt es plötzlich:

»Weiteres gefragt, wer ihn sothane Künste (NB. von denen vorher gar keine Rede war) gelehrt, sagt er: Zu Holte im Gerichte zu Haselünne wohne einer, der heiße Morer Johann, der habe ihm die Bücher gegeben und ihn solche Künste gelehrt.«

»Sagt, er könne den Teufel zwingen mit Gottes Wort, da er Schaden thue, daß er allda abweichen müsse.«

»Sagt demnächst, Johann Hagestede sei zu ihm gekommen, als ihm drei Pferde krank gewesen und habe ihn um Rat gefragt. Er habe demselben geantwortet: Er besitze natürliche Kräuter, darüber wolle er Gottes Wort lesen und sie dann den Pferden eingeben. Werde es gut oder wiederum besser, so solle er ihm, dem Verstrickten, einen Reichsthaler und ein Brot geben; wofern aber nicht, solle er ihm einen Ortsthaler und ein Brot für die Kräuter und Arbeit geben. Es sei aber darnach mit den Pferden besser geworden.«

»Haverkamp Buschelmann, dem Meier zu Molen, dem Schulten Johann zum Ossendorp habe er auch mit solchen Künsten und Kräutern geholfen, nemlich ihren Tieren, und zwar habe er gebraucht Hugelicia, Repuntia, Rhabarbara und Hohlwurzeln. Es würden nachfolgende Worte darüber gesprochen: Exufilus te Deus Pater, exufilus te Deus Filius, exufilus te Deus Spiritus Sanctus; Benedicat te Deus, qui coelum creavit. Ipse vos benedicat in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen.« –

»Sagt, der Teufel werde auch bei Gott und seinen fünf Wunden, Leiden und Sterben abzuweichen beschworen, wie er von seinem obgemeldten Meister verstanden und selber auch versucht und erfahren hätte.«

»Auch sagt, der Teufel komme vor ihm in Gestalt einer Drossel; auch müsse er kommen in jeder Gestalt, so ihm befohlen oder geboten werde. Er könne sprechen, wie er selbst erfahren.«

»Auch sagt, die so hoch in der Kunst seien, daß ihnen der Teufel allhier auf Erden zu dienen gelobt, die müßten ihm wiederum nach ihrem Absterben mit ihren Seelen dienen. Das habe er auch gelobt.«

»Diese Nachbeschriebenen sollen auch diese Kunst gebrauchen und damit umgehen: Der Pastor zu Bostrup usw. usw.«

Zum Schlusse des Protokolls heißt es sodann:

»Letztlich bekennt er nochmals zum Überfluß, daß er sothanen Vertrag mit dem Teufel, wie obgemeldet, geschlossen, und bekennt Alles, was er gesetzter Maßen bekannt, also wahr zu sein. Er will darauf leben und sterben und bittet um Gottes willen um Gnade, mit Erbietung und Angelobung, daß er sothane Künste hinferner nicht mehr gebrauchen will.«

Hier war also dem Unglücklichen das Geständnis eines Vertrags mit dem Teufel suggeriert, wie es den Hexenprozessen zugrunde lag, während er doch gestanden hatte, daß er seine Mittel gegen den Teufel gebrauche! Auch was er außerdem über den Teufel gesagt hatte, paßte mit dem Begriff eines Bundes mit dem Teufel wenig zusammen.

Die Herren zu Münster gingen aber auf der einmal eingeschlagenen Bahn ruhig weiter. Schon am Tage nach dem Empfange des Protokolls wurden sie in der Sache schlüssig. Die Exorzismen und Weisungen Schwechmanns wurden von ihnen kurzer Hand als »teuflische Handlungen« hingestellt, und die Amtleute zu Vechta wurden angewiesen, mit ihm – anderen zum abscheulichen Exempel – nach dem Rechte zu verfahren. Zugleich wurden diese Amtleute aufgefordert, die in der Nachbarschaft gesessenen Personen geistlichen und weltlichen Standes, die nach dem Geständnis Schwechmanns ebenfalls der Zauberei ergeben wären, in Untersuchung zu ziehen und, wenn sich seine Angabe bewahrheiten sollte, in gleicher Weise zu bestrafen.

Hier war also ganz allmählich eine Untersuchung wegen Wunderdoktorei künstlich so geführt und gedreht worden, daß sie schließlich die Unterlagen eines Hexenprozesses zutage förderte und mit dem grausigen Ende eines solchen abschloß. Wie sehr es aber bereits zur Manie geworden war, jede ungewöhnliche Untersuchung durch das Medium der Folter in einen Hexenprozeß umzuwandeln, ist aus einem Prozeß zu ersehen, der 1615 in der münsterischen Stadt Ahlen vorkam Niehues, S. 81-97. Janssen, VIII, 698 ff..

Hier lebte ein Trunkenbold Peter Kleikamp, der wegen eines ihm schuldgegebenen Diebstahls flüchtig geworden, später nach Ahlen wieder zurückgekehrt war, wo er plötzlich des Versuchs der Sodomiterei und anderer Dinge angeklagt wurde. Von Zauberei war dabei keine Rede. Der Angeklagte wurde vernommen, die ihm nachgesagten Vergehen konnten jedoch nicht erwiesen werden und Kleikamp hätte somit wieder in Freiheit gesetzt werden müssen. Da fiel es dem Untersuchungsrichter ein, daß Kleikamp einst von Ahlen geflohen war, und sofort wurde gesagt, er habe sich durch die Flucht der Untersuchung entziehen wollen. Da man nun außerdem ohne Mühe nachweisen konnte, daß er mit verdächtigen Personen Umgang gepflogen habe, so hatte man zwei Gründe, die zur Anwendung der Folter berechtigten. Allerdings wurde nun ein rechtskundiger Verteidiger des Angeklagten zugelassen, der die Anklageschrift für neidisches Straßengewäsch und Geplärr erklärte und namentlich die mangelhafte Glaubwürdigkeit des Hauptzeugen hervorhob. Allein nichtsdestoweniger wurde von dem Gerichtshof die peinliche Verfolgung der Sache in Münster beantragt, infolgedessen am 16. Juni 1615 die Tortur stattfand.

Das Protokoll der Tortur fehlt. Kleikamp hatte sich aber standhaft gehalten und kein Geständnis abgelegt, weshalb er »wieder hingesetzt und, damit er während der Nacht nicht vom bösen Feind gestochen werde, durch die dazu bestellten Diener bewacht wurde«.

Was man nun während der Nacht mit ihm anfing, darüber schweigen die Akten. Am anderen Morgen aber wurde dem Richterkollegium angezeigt, daß Kleikamp zum Geständnis willig gemacht sei.

Von sodomitischen Sünden, um die es sich im Anfange der Untersuchung gehandelt hatte, ist in dem über das Geständnis aufgenommenen Protokoll keine Rede. Vielmehr heißt es darin:

»Am folgenden Tage (17. Juni) haben wir – dem Angeklagten gütlich zugesprochen, um von ihm zu erfahren, wie es denn mit ihm wäre, ob er ein Zauberer und welchergestalt er damit umgegangen und von wem er das Zaubern gelernt.«

»Darauf er gütlich ausgesagt: Er sei seines Alters 44 Jahre. Gestern habe ihn der Teufel unter dem linken Arm gestochen und nicht haben wollen, daß er bekennen sollte. Er habe ihn gekniffen bunt und blutig, welches auch an ihm zu sehen war. Er sei ein Zauberer. – Seine verstorbene Frau habe ihn vor ungefähr sechzehn Jahren das Zaubern gelehrt. Auf der Broickhauser Heide, im Kirchspiel Walstedde, da habe er Gott und seinen Heiligen entsagt, dem Teufel Glauben, Treue und Huld gelobt. Bei dieser Verleugnung Gottes sei er dreimal rückwärts gesprungen. Darauf wäre der Teufel in Gestalt eines schwarzen Hundes zu ihm gekrochen. Der Hund wäre bald wieder verschwunden; statt seiner aber habe sich ein Weib neben ihn gestellt. Auch ein Mann sei erschienen, der Buhle seiner verstorbenen Frau. Der sei mit seiner Frau auf die Seite gegangen, um mit ihr zu buhlen.«

»Vor zehn Jahren sei er ein Werwolf geworden. Sein Gehilfe sei damals gewesen der verstorbene Johann Ossenkamp. Hier folgt die Angabe verschiedener Leute, deren Kälber, Ochsen und Schafe er und Ossenkamp gebissen. – Später, vor fünf Jahren, sei Christian zum Loe sein Gehülfe geworden. – Meine Frau ist auch eine Zaubersche, gehört aber zu einer anderen Rotte. Nun folgt die Angabe zahlreicher Genossen. Wir bildeten zwei Rotten. In meine Rotte gehörte Heinrich Hoyemann zu Broickhausen. Unser Hauptmann war Cort Busch; der hatte einen roten Kopf. Zu jeder Rotte gehören sieben, und zwar gehören zu meiner Rotte Grethe Cloeths, Anna Grone, Anna Jaspers, Tonieß zu Kellings Frau, Christian zum Loe etc. – Ich war ihr Trommelschläger. Unseren Tanz hielten wir auf der Kampfarte. Wir tanzten auf einer Leine, die an der Pforte und an der Mauer befestigt war. Beim Trommelschlagen saß ich auf der Mauer. Die Trommel wird mit einem Fuchsschwanz geschlagen und geht: Tup, Tup, Tup, Tup, Tup.« –

siehe Bildunterschrift

Teufelsspuk
Nach P. Bruegel d. Ä. von H. Cock

siehe Bildunterschrift

Titelkopf eines Flugblattes von der Marterung und Richtung eines Bauern aus Bedburg bei Köln, der ein Werwolf gewesen sein soll. Mit ihm werden zwei Hexen eingeäschert
Nürnberg 1589. Kgl. Kupferstich-Kabinett, Berlin

Weiterhin bekannte er: Auf der Kampstraße in Schellings Hause hätten sie sich geschmiert, darauf wären sie aufgeflogen nach der Mark, in den Weg nach Mecheln zu, in Suidtholdts Kamp an der Lohelinde und nach anderen Orten hin. Hier hätten ihnen ihre Buhlen Kräuter behändigt, die sie zum Vergiften gebrauchen sollten. Mit den seinigen habe er nichts ausgerichtet. Nur im Anfange seiner Lehre habe er von seiner Buhle Kraut empfangen, mit dem er einen Hahn, eine Henne und sich selber ein Schwein vergiftet. Sie wären aufgeflogen als schwarze Raben.« –

Von dem Untersuchungsrichter mußte vor allem die Richtigkeit dieser Angaben genauer ermittelt und festgestellt werden. Auch wandte sich das Gericht noch an demselben Tage (17. Juni 1615) an das benachbarte Gericht von Heessen, in dessen Bezirk der Angeklagte einen Teil seiner Malefizien verübt haben wollte, mit dem Ersuchen um genauere Auskunft darüber, ob die bezeichneten Stücke Vieh zu der von dem Angeklagten angegebenen Zeit und an den von ihm bezeichneten Orten, so wie er es angegeben, umgekommen wären. Die in Ahlen wohnenden Personen, denen Kleikamp Schaden an Vieh zugefügt haben wollte, wurden daher für die folgenden Tage zur Zeugenaussage nach Ahlen vorgeladen. Nun hatten allerdings die Zeugen gar vieles über mannigfache Schädigungen zu klagen, die ihnen seit Jahren von Hexen und Zauberern zugefügt wären, aber nur ganz wenige gaben diese Unglücksfälle oder Vergehen ungefähr so an, daß die Zeugenaussagen mit Kleikamps »Geständnissen« in Übereinstimmung gebracht werden konnten.

Das Zeugenverhör begann am 22. Juni. Zuerst erschien der von dem Angeklagten genannte Roer aus dem alten Kirchspiel Ahlen. Ihm wollte Kleikamp mit seinem Gefährten vor fünf Jahren ein schwarzbuntes Kalb totgebissen haben. Roer aber wußte nur zu sagen, daß ihm vor etwa drei Jahren in seinem Gehölz ein rotes Huhn und ein braunes mit weißen Füßen abhanden gekommen sei. Außerdem sei eins seiner Rinder, schwarz von Farbe, zuerst an den Füßen lahm geworden und bald darauf gefallen und gestorben. Und dennoch urteilten die Richter, daß dieser Fall mit der Aussage des Angeklagten ganz wohl übereinstimme.

Aber noch weniger paßte die Aussage eines andern Zeugen, Recker, zu dem, was der Angeklagte erzählt hatte. Ihm wollte Kleikamp mit Christian zum Loe ein schwarzbuntes Rind in einen trockenen Graben gedrängt und darin umgebracht haben. Recker aber erklärte ganz bestimmt: Eine schwarz-bunte Kuh sei im letztverflossenen Jahre nicht ihm, sondern dem Roer in einen Graben gefallen, die sie indessen lebendig wieder herausgezogen hätten.

Der Zeuge Brune in der Broickhauser Heide, dem der Angeklagte als Werwolf ein Schaf gebissen haben wollte, hatte bis dahin Schafe gar nicht besessen; und der Zeuge Frie zu Broickhausen wußte sich nicht zu erinnern, daß ihm oder seinen Vorfahren an einem Kalbe Schaden zugefügt sei, weshalb er die Aussage des Angeklagten nicht zu bewahrheiten vermochte.

Diese Widersprüche zwischen der Selbstanklage Kleikamps und den Zeugenaussagen machten aber die Richter nicht im entferntesten irre, vielmehr gaben sie dem Richterkollegium nur Veranlassung, durch künstliche Wendungen und Auslegungen zwischen den beiderseitigen Aussagen eine scheinbare Übereinstimmung herzustellen, um so die Selbstanklage des Verhafteten als erwiesen ansehen und im Prozesse weiter fortfahren zu können.

Dieser aber erlitt plötzlich eine Störung durch das Auftreten der von Kleikamp genannten Mitschuldigen. Der Angeklagte hatte die angeblichen Angehörigen der beiden Rotten genannt, die mit ihm und seiner Frau an den nächtlichen Hexentänzen und an der Teufelsbuhlschaft teilgenommen haben sollten. Diese gehörten nun teilweise den angesehensten Familien in Ahlen an. Als sich daher in dem durch diesen Prozeß in die größte Aufregung versetzten Städtchen – in dem jetzt Kleikamp von jedermann als der entdeckte Urheber alles Unglücks der letzten Jahre angesehen ward – die Kunde von diesen Anschuldigungen verbreitete, säumten die nächsten Angehörigen der Beschuldigten nicht, dem Gericht alsbald einen entschiedenen Protest gegen die Aussagen Kleikamps zu überreichen und seine nochmalige Vernehmung zu beantragen. Außerdem erschien auch Christian zum Loe vor Gericht und erklärte zu Protokoll, daß er Kleikamp gegenübergestellt zu werden begehre. Daher verfügte das Gericht nochmaliges Verhör des Angeklagten und seine Konfrontation mit Christian zum Loe.

In diesem neuen Verhör wurde dem ersteren sein »Bekenntnis« vorgelesen und er dabei befragt, ob er etwas hinzuzusetzen oder zu widerrufen habe. – Der Unglückliche wußte, daß ein gänzlicher Widerruf nur eine abermalige Folterqual zur Folge haben würde; aber es peinigte ihn der Gedanke, daß er mit dem Verbrechen, das er an seiner Frau begangen, aus der Welt scheiden sollte. Daher entschloß er sich, seine bezüglich dieser getanen Aussagen zu widerrufen. Er sprach seine Reue darüber aus, daß er seiner Frau unrecht getan, denn sie sei keine Hexe und habe sich nie mit Zauberei befaßt. »Was er aber sonst am 17. Juni ausgesagt, sei der Wahrheit gemäß, insbesondere auch, soweit es Christian zum Loe betreffe, und er habe es ungezwungen und aus freien Stücken gesagt. Er verbleibe darum bei seinem Bekenntnis und er wolle es vor dem strengen Gerichte Gottes, bei Verlust seiner ewigen Seligkeit also verantworten.«

Nachdem nun Kleikamp das von ihm aus Verzweiflung zusammengebrachte Lügengewebe abermals anerkannt und sich darin verstrickt hatte, daß er sich nicht mehr drehen und wenden konnte, fand seine Konfrontation mit dem am meisten von ihm angeschuldigten Christian zum Loe statt. »Du bist ein Werwolf, gerade so wie ich«, rief ihm Kleikamp entgegen und hielt ihm nun die ganze, lange Reihe von Malefizien vor, die er gemeinschaftlich mit ihm verübt haben wollte. Der alte Christian zum Loe – ein Eingehöriger des Jobst van der Recke auf dem benachbarten Gute Heessen – war wie niedergedonnert. Er beteuerte seine Unschuld; aber Kleikamp blieb bei seiner Aussage.

Der Prozeß ging zu Ende. Die Prozeßakten wurden abschriftlich einem auswärtigen Rechtsgelehrten zur Begutachtung übersandt, worauf das Verdikt erfolgte, daß Kleikamp »wegen geständiger Zauberei, dabei verübter Vergiftung und anderer Untaten mit der gesetzlichen Strafe des Feuers vom Leben zum Tode hingerichtet und zu Asche verbrannt« werden sollte. Schließlich machte der Verteidiger noch einen Versuch, wenigstens die Qual des Feuertodes von dem Verurteilten abzuwenden. Allein »Richter und Schöffen« erklärten, die Bitte des Verurteilten nur insofern berücksichtigen zu können, »daß sie die Ausführung des ausgesprochenen Urteils möglichst beschleunigten«. – Daher ward Kleikamp schon in den nächstfolgenden Tagen zu Asche verbrannt.

Das war das Ergebnis der Anklage eines einzigen, die gar nicht auf das Vergehen der Zauberei, sondern auf das der Sodomiterei gerichtet gewesen war.

Aber eine Drachensaat ging aus der Asche des Gemordeten auf – was vor allem der alte Christian zum Loe erfahren mußte Niehues, S. 96-109.. Von Verzweiflung getrieben, eilte er nach Lembeck, um sich dort der Wasserprobe zu unterwerfen und seinen Leumund wieder herzustellen. Allein die Wasserprobe mißlang. Seine Frau schlich sich in Erwartung der Dinge, die da kommen würden, heimlich von ihm fort. Er selbst hielt sich aus Furcht vor einer Verhaftung eine Zeitlang in den benachbarten Gehölzen auf; allein es war alles vergebens. Die Behörden begannen über ihn zu verhandeln und auf ihn zu fahnden, bis endlich am 26. Februar 1616 seine Verhaftung erfolgte. Im Kerker befiel den Unglücklichen der Wahnsinn, weshalb die Räte zu Münster am 18. April 1616 seine baldige Folterung befahlen. Doch erlöste ihn der Tod aus den Händen seiner Peiniger, indem er noch am Abend des 18. April starb. Das Gutachten des Scharfrichters über das Ableben des Verhafteten lautete: Der Hals des Verstorbenen sei ganz schwarz und lasse sich umdrehen; die Brust und die Beine wären zerkratzt. Er sei schon bei mehreren derartigen Fällen zur Stelle gewesen und halte dafür, daß der zum Loe dieses sich nicht selbst getan, sondern daß ihm der Teufel dabei geholfen habe.

Seitdem loderten die Scheiterhaufen allerorten im Münsterlande auf. Denn in allen Städten, in allen Untergerichten wurden angebliche Hexen massenweise aufgespürt oder zur Anzeige gebracht, und nur in den seltensten Fällen endete ein Hexenprozeß mit bedingter Freisprechung der Angeklagten.

Im Kurfürstentum Mainz hatte man zwar schon vom Ende des fünfzehnten Jahrhunderts an Hexen und Zauberer fleißig verbrannt, indessen liegen doch bis über das Jahr 1570 hinaus nur über ganz vereinzelt vorgekommene Hexenprozesse Berichte vor, und aus dem dabei angewandten prozessualischen Verfahren ersieht man, daß die Hexenverfolgung der nächstfolgenden Zeit damals noch nicht im Gange war Huffschmids Aufsatz »Zur Criminalstatistik des Odenwalds im sechszehnten und siebenzehnten Jahrh.« (in der »Zeitschrift für deutsche Kulturgesch.« 1878, S. 423-433).. Vom Februar bis Juni 1511 finden in Mainz Verhandlungen gegen zwei Frauen statt, die von zwei Männern Zauberinnen gescholten werden, durch die ihre Frauen und sie selbst krank gemacht worden waren. Das Ratsgericht erklärte nach eingehenden Zeugenverhören die Beschuldigungen für unbegründet und legte den Verleumdern Buße auf Horst, Zauberbibliothek, IV. 210. S. auch Diefenbach, Hexenwahn, S. 111.. Im Gegensatz zu diesem gerechten Verfahren steht der Prozeß vom Jahre 1570.

In diesem Jahre wurde Elisabeth, Hans Schmidtens Ehefrau, in dem Orte Altheim der Hexerei verdächtig. Ihre Nachbarn richteten daher eine Eingabe an den Oberamtmann zu Amorbach, worin sie baten, »wegen dieser Zaubereien sie gnädig zu bedenken«. Infolgedessen wurde die Angeklagte in den Turm zu Buchen geworfen und hier, an eine Kette angeschmiedet, in strenger Haft gehalten. Die Zeugen, die man am 12. Juni 1570 über sie vernahm, sagten aus: In jeder Walpurgisnacht sei die Schmidtin, die eine Geiß geführt, bei dem Vieh auf dem Felde gewesen und habe mit einer schwarz-weißen Gerte auf verschiedenes Vieh geschlagen. Das sei hernach erkrankt und zugrunde gegangen. Sie habe ferner, als ein schweres Unwetter entstanden, gesagt: ihretwegen möge das Wetter alles erschlagen; sie habe den ganzen Winter hindurch auch nur Hotzele und Dürrüben zu essen gehabt. – Insbesondere sagte noch der Kuhhirt aus: Als das Gewitter sich entladen, seien ihm die Kühe davon gelaufen, was seiner Überzeugung nach nur durch die anwesende Schmidt verursacht sei. – Ihrem Bericht fügten Schultheiß und Schöffen noch bei: Dem Dorfschulzen sei durch die Zauberei der Schmidtin inzwischen eine Kuh krepiert, auch seien »den Leuten, so die Schmidtin angezeigt, die Kühe und vier Schweine schwach und krank geworden. Auch habe zur großen Verlegenheit der Gemeinde der Kuhhirt abgedankt, weil er mit solchen verhexten Kühen nichts mehr zu schaffen haben wollte«, – »ihm überdies drei zauberische Hasen begegnet seien, von denen einer einen Bauch gehabt wie eine Geiß, und denen kein Hund habe nachlaufen können«.

siehe Bildunterschrift

Walpurgisnacht
Handzeichnung von Goethe im Frankfurter Goethe-Haus

Am 12. Juli befahlen hierauf die »weltlichen Räthe« des Kurfürsten, man solle die Schmidtin unaufgezogen (d. h. ohne Anwendung der Folter) verhören. Dieses geschah, die Angeklagte beteuerte aber natürlich ihre Unschuld. Nun ruhte die Untersuchung, während die Unglückliche im Kerker schmachtete, bis das Rats-Kollegium am 12. Juli 1571 verfügte, man solle sie entlassen, ihr aber einschärfen, daß sie sich in Zukunft fromm und ehrlich zu halten habe. – Aber dennoch ließ der Schultheiß auf des Amtmanns Befehl, wie es in den Akten heißt, den mit Reverenz zu vermeldenden Wasenmeister aus Miltenberg kommen, die Schmidt auf die Folter legen und dergestalt peinigen, daß ihr Leib zerdehnt, zerrissen, ihre Hände und Arme verrenkt und zerbrochen wurden. Sie hielt aber aus, ohne das geforderte Geständnis abzulegen, und der Prozeß endete, nachdem die gemarterte Schmidtin entlassen war, damit, daß deren Ehemann gegen die Ankläger seiner Frau bei dem Zentgerichte auf Entschädigung klagte, – was aber keinen Erfolg hatte.

Im letzten Dezennium des Jahrhunderts nahm aber die eigentliche Hexenverfolgung ihren Anfang, indem nicht mehr einzelne, sondern ganze Massen von Angeklagten mit der peinlichen Frage in Untersuchung genommen wurden. Namentlich scheint von 1593 an im ganzen mainzischen Odenwald überall auf Hexen und Zauberer Jagd gemacht worden zu sein. Dort geriet das ganze Volk in eine wilde Bewegung, die sich allerdings zunächst gegen die Ausrottung »alles teuflischen Geschmeises« richtete, dann aber auch die Unzufriedenheit mit den elenden materiellen Zuständen zu erkennen gab.

Furcht und Schrecken herrschte damals unter der Bevölkerung, weil die unsinnigste Klage hinreichte, um jemand auf die Folter und auf den Scheiterhaufen zu bringen. Die Untersuchungsakten enthalten umfangreiche Verzeichnisse von Verdächtigen, Eingezogenen, Entflohenen usw. Selbst alters- und geistesschwache Personen finden sich unter den Verhafteten vor. Eine große Zahl schwangerer Frauen wurde ihren Männern nur gegen schwere Kaution auf so lange zurückgegeben, »bis sie ihrer weiblichen Bürde entledigt« seien.

Auf der Folter wurden nun die tollsten Geständnisse zuwege gebracht. Eine Katharina Lengenfelder von Reisenbach schrie auf der Folter, »sie sei des Teufels und wolle sein bleiben«, riß sich dann von der Folter los, machte einen rasenden Angriff auf den Scharfrichter und stürzte tot nieder. Die Leiche wurde verbrannt.

Dabei befahlen die weltlichen Räte, »man solle nicht so viele Umstände machen, und vor allem das Vermögen einziehen«.

Eine Margarete Habeckerin aus Galmbach war entflohen. Man zog nun ihre Mutter ein, und diese bekannte, ihre Tochter an einen Teufel verheiratet zu haben. – Zu Amorbach gab ein Bauer seiner eigenen Mutter vor Gericht schuld, daß sie das teuflische Hexenwerk treibe.

Gegen das mörderische Treiben der mainzischen Beamten reichten damals zwei Edelleute eine Beschwerdeschrift bei dem Kurfürsten Wolfgang zu Mainz ein, worin sie klagten, daß die Beamten des Kurfürsten nachts in ritterschaftliche Gebiete eingefallen, fremde Untertanen hinweggeschleppt, unschuldige Personen schändlich gemartert und selbst den Nachlaß der hingerichteten Weiber konfisziert hätten.

Dagegen richtete die Gesamtbürgerschaft der Stadt Buchen an den Kurfürsten eine Eingabe, in der sich der Aberglaube der Zeit in wahrhaft schrecklicher Weise kund gab: In der Nacht vom 4. auf 5. Juli habe der Torwart Veit Meffert zwischen 11 und 12 Uhr ein Rumoren von Pfeifen, Trommeln, umhersprengenden Reitern und ungeschmierten Kutschen gehört, daß er vor Schrecken ins Horn gestoßen, doch habe er niemand von der Bürgerschaft aufwecken können. Desgleichen habe der Torwart in der Vorstadt ein Springen, Tanzen und Getümmel vernommen, wie wenn alle Häfen zerschmissen würden, worauf um den Torturm herum ein greuliches Wetter samt Platzregen erfolgt, wie aus Fässern, dessengleichen noch niemand gesehen. Ein Bürger, der aus dem Wirtshaus des Hanns Feierabend gekommen, habe alles um sich herumtanzen sehen, und habe eine merkliche Anzahl teuflischen Zaubergesindels in Menschengestalt, schwarz angetan, auf der Gasse umher tanzen und springen bemerkt, das sei vom leidigen Satan wider alles Verbot geistlicher und weltlicher Obrigkeit mit seinen untergebenen teuflischen Instrumenten zu keinem anderen Ende gerichtet, denn um sein Reich durch solche verdammliche Freude zu erheben. Daher »wolle die liebe, von Gott eingesetzte, und von Gott mit dem scharfen Verstande wohl begabte Obrigkeit eine heilsame Strafe gegen die dem leidigen Satan fürsichtig ergebenen Zauberer verordnen«.

Alsbald wurden nun wieder – trotz der Einsprache des Amtskellers zu Buchen, der behauptete, der Bürger, der die Teufelsgestalten gesehen, müsse offenbar zum Narren gehalten worden sein – eine Menge von Zauberern und Hexen eingezogen, zum Teil unter den unsinnigsten und lächerlichsten Anschuldigungen. So wurde z. B. eine Frau beschuldigt, in eine Kuh einen Fiedelbogen hineingezaubert zu haben. Im Jahre 1602 entstand in Buchen ein Auflauf, bei dem zwei der Hexerei verdächtige Weiber vom Pöbel mißhandelt und auf das Rathaus geschleppt wurden. Weil der Amtskeller dem Verlangen, sie zu verbrennen, nicht entsprach, sondern fünf der Rädelsführer in den Turm werfen ließ und sie mit schwerer Geldstrafe belegte, erging eine gewaltige Beschwerdeschrift an den Kurfürsten, worin die ärgsten Klagen gegen den Amtskeller erhoben und die Bitte um Zerstörung der »greulichen Tyrannei des Satans« ausgesprochen wurde. Der Kurfürst stimmte dem Amtskeller bei und ließ die Überreicher der Schrift einsperren E. Huffschmid in der Zeitschrift für deutsche Kulturgesch., 1859, S. 425 ff..

Doch dies war eine Ausnahme. Sonst war es vergeblich, daß die Unglücklichen bei Gott und allen Heiligen ihre Unschuld beteuerten. Sie wurden gefoltert, wobei stets in den Akten bemerkt wird, daß sie sich zwar am Kopfe »gekrauet«, daß aber bei ihnen keine Tränen geflossen seien. Nicht wenige der Gefolterten überstanden auch alle Qualen, ohne sich ein Geständnis abmartern zu lassen. Über diesen teuflischen Trotz des Hexengeschmeißes aufs höchste erbittert, verfügten daher die mainzischen Räte: »Gegen diejenigen, so in puris negativis ohne sonderlichen Schmerz beständen und mit der Sprache nicht losschlagen wollten, solle mit den Schrauben und Daumeisen angefangen und dann mit den anderen Instruments fortgefahren werden. Sintemalen aber diese Leute allem Ansehen nach unsichtbare Geister bei sich hätten und vom bösen Feinde angereizt seien, sollen geistlicher Leute Mittel gegen diese teuflischen Verführungen gebraucht werden.« –

Über das Schicksal der einzelnen Angeschuldigten erfährt man aus den Akten nur selten etwas Bestimmtes. Zuweilen wird von dieser und jener Unglücklichen auf der Außenseite des betreffenden Aktenheftes ausdrücklich bemerkt, daß sie hingerichtet worden sei. Im allgemeinen fand man jedoch diese Notierung unnötig, da ein Hexenprozeß nur selten anders als auf dem Scheiterhaufen oder überhaupt unter der Hand des Scharfrichters endigte. Als eines Tages der Oberamtmann anzeigt, er habe wieder fünf Hexen verbrennen lassen, wird er von den kurfürstlichen Räten belobt.

Während der ganzen ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts war in Kurmainz die Hexenverfolgung im fortwährenden Steigen.

Kurfürst Johann Schweikart (1604-1626) brachte zuerst System in die Prozesse. Nachdem er sich von der theologischen und der juristischen Fakultät seiner Hochschule umständlichst über das fluchwürdige Wesen und Treiben der Hexen hatte belehren lassen, befahl er eine Untersuchungsordnung für Hexenprozesse mit achtzehn General- und achtundneunzig Spezialfragen aufzusetzen und allen Gerichten im Lande zu überweisen.

Die schrecklichste Zeit nahm jedoch mit dem Regierungsantritt seines Nachfolgers, des Kurfürsten Georg Friedrich (v. Greiffenklau) 1626 ihren Anfang. Als sich dieser im genannten Jahre zu Dieburg huldigen ließ, erschien vor ihm eine Deputation der Zentmannschaft und bat ihn inständig und um Gottes willen, daß er doch zur Ausrottung des überhandnehmenden Lasters der Zauberei die nötigen peinlichen Untersuchungen befehlen möchte. Dieselbe Bitte wurde ihm, da es dem Kurfürsten mit der schärferen Verfolgung der Hexen doch nicht so eilig war, unter dem 6. Februar 1627 auch schriftlich vorgetragen. In Dieburg stand nämlich damals eine ganze Menge von Personen im Geruch der Zauberei, und die Masse des Volks war gegen sie mit solcher Wut erfüllt, daß selbst die Beamten, die nicht sofort alle Verdächtigten in Haft nahmen, sich bedroht sahen. Daher mußte zur Beruhigung der Bürgerschaft endlich wieder ein Hexenprozeß in Szene gesetzt werden. Aus der Menge der zur Anzeige gebrachten wählte man hierzu Martin Padts Witwe aus, »weil deren Mutter vor zwanzig Jahren als Hexe verbrannt worden sei«. Am 26. Juni 1627 begann das Verhör und am 7. Juli wurde die Verhaftete hingerichtet. Die Padtin hatte eine ganze Anzahl von Mitschuldigen genannt; daher gestaltete sich aus dieser einen Inquisition sofort eine ganze Anzahl anderer Prozesse, von denen jeder einzelne wieder zu neuen Verfolgungen in Dieburg, Seligenstadt Steiners Geschichte der Stadt und ehemaligen Abtei Seligenstadt, Aschaffenburg 1820, S. 283 ff., Aschaffenburg Janssen, VIII, S. 686. usw. Anlaß gab. Aus den massenhaft angestellten Verhören traten nun auch hier die gewöhnlichen Angaben der wegen Hexerei Verhafteten hervor. Als Versammlungsstätten der Hexen wurden der Eichwasen bei Dieburg, der Humesbühl, der große Formel usw. bezeichnet. Bei der Generalversammlung, die zu Walpurgis auf dem Eichwasen stattfand, fanden sich oft Tausende, darunter auch vornehme Leute aus Darmstadt, Aschaffenburg, Umstadt, Münster usw. zusammen. Bei den Gelagen waren die Tische und Stühle gemalt, die Trinkgeschirre, dem Anschein nach von Gold und Silber, waren eigentlich Roßköpfe und Schelmenbeine, und was sich als Krammetsvögel ansah, war in Wirklichkeit eine Schüssel voll Kröten. Das aufgetischte Brot mußte an einem Sonntag gebacken sein; Salz dagegen kam bei keiner Gasterei vor. Die Hexen erzählten auch, sie hätten sich zwar mit den genossenen Speisen gesättigt, allein, wenn sie nach Hause gekommen, hätten sie sich hungrig und äußerst matt gefühlt usw. – Alle diese und ähnliche Geständnisse waren den Verhafteten durch eine bestialische Anwendung der Folter erpreßt. Man lese z. B. folgendes Torturprotokoll vom 2. Oktober 1627: »Weil dieselbe (Verhaftete) nichts gestehen wollte, sondern auf dem Leugnen halsstarrig bestand, als ist sie auf dem einen Schenkel mit dem Krebs beschraubt worden. Sie hat aber immerdar gerufen, es geschehe ihr Unrecht etc. und sich erzeigt, gleichsam sie einigen Schmerz nicht empfinde. Und ob der Meister auf ein Holz schraubte, auch mit aufgesperrtem Mund in einen Schlaf gerathen. Und als man ihr Weihwasser in den Mund geschüttet, hat sie dasselbe jedesmal wieder ausgespieen und abscheuliche Geberden im Gesicht von sich gegeben. Derentwegen, nachdem sie wieder zu sich selbst gekommen, dieselbige ausgezogen, geschoren, mit dem Folterhemd angelegt und auf dem anderen Bein auch beschraubt worden, wobei sie sich mit Entschuldigen, Rufen, Schreien, Schlafen wieder wie zuvor geberdet, auch das Weihwasser abermals ausgespieen. Auf welche beharrliche Halsstarrigkeit und Verleugnen sie ungefähr ein zwei Vaterunser lang aufgezogen, und mit ihr ein großer Stein an beide große Zehen gehängt worden. Sie hat aber wie zuvor einig empfindliches Zeichen nicht von sich gegeben, sondern gleichsam sie tot wäre, sich gestellt, deßhalben man sie herabgelassen, und zur vorigen Custodie, nachdem sie sich wieder erholt, hinführen lassen Steiner, S. 94.«.

Einer der Verhafteten, Philipp Krämer aus Dieburg, tat im Verhör die unerhörte Äußerung, daß die gegen ihn abgelegten Zeugenaussagen falsch seien und daß das ganze Hexenwerk nichts als Aberglauben sei. »Wenn dergleichen Belialszeugnisse auch tausend wären,« rief er, »so könnten sie doch alle tausend falsch sein. Denn das wären Leute, so in ihrer Pein und Marter verzweifelten. Da müsse er sehen, daß unter Tausenden nicht einem Recht geschehe. Es nehme ihn Wunder, daß man solche abergläubische Sachen glaube. Das seien doch lauter unmögliche Dinge, und es könne aus keiner Schrift bewiesen werden, daß es zu glauben sei. Der Teufel verblende die Leute und nehme frommer Leute Gestalt an.«

Er wurde dafür am 6. September 1627 mit dem Schwerte hingerichtet und sein Leichnam verbrannt.

So wurden in Dieburg nach den vorliegenden Akten im Jahr 1627 überhaupt sechsunddreißig – nach einer Aufzeichnung des Pfarrers Laubenheimer sogar fünfundachtzig – Personen hingerichtet. Im November 1629 begann hierauf eine neue Untersuchung gegen einundzwanzig Dieburger Leute. Ganze Familien sind in jenen Jahren zu Dieburg fast ausgerottet worden.

An anderen Orten ging es noch grausiger her.

In Großkrotzenburg und Bürgel wurden auf Betreiben des fanatischen Dechanten zu St. Peter in Mainz gegen dreihundert Personen wegen Hexerei hingerichtet, infolgedessen der Kapitularpräsenzkammer zu Mainz bei tausend Morgen konfiszierter Ländereien zufielen. Das aber war dem Kurfürsten Johann Philipp (von Schönborn, 1647 bis 1673) doch zu arg, weshalb er das im Lande herrschend gewordene ganz formlose Verfahren in der Hexenverfolgung untersagte, regelte und einschränkte Steiner, Gesch. d. Stadt Dieburg, Darmstadt 1829, S. 68-100.. Weitere Hexenbrände, frühere und spätere aus dem Mainzer Erzstift werden aus Miltenberg (1615-17) Diefenbach, Zauberglaube, S. 104., Lohr (1602, 1617) Diefenbach, S. 107., Stockum (1587), Oberursel (1613) Diefenbach, S. 111., Flörsheim und Hochheim gemeldet. Hochheim nahm zur »Ausrottung der Zauberei« 1618 bei dem St. Klarakloster in Mainz ein Darlehen von 2000 Gulden auf Schuler, Gesch. der Stadt Hochheim am Main, Hochheim 1887, S. 135..

Im Jahr 1657 wurde von der Bürgerschaft der kurmainzischen Stadt Amorbach ein Projekt zur Verbrennung aller Hexen entworfen, die Fröste gemacht und die Weinernte zugrunde gerichtet hätten. Zu diesem Zwecke waren nicht allein die Einwohner von Amorbach, sondern auch die der angrenzenden Ämter aufgeboten, und der Oberamtmann Daniel von Frankenstein wurde in geradezu stürmischer Weise zu einem gerichtlichen Einschreiten gegen die Hexerei gedrängt. Allein der Kurfürst Johann Schönborn zu Mainz befahl, man sollte die bereits Verhafteten ohne weiteres zu ihren Familien zurückkehren lassen Huffschmid, in der »Zeitschr. für deutsche Kulturgesch.« 1858, S. 432..

Als allenthalben die Scheiterhaufen aufloderten, schrieb der Kölner Ratsherr Hermann Weinberg in sein Tagebuch: »Anno 1589, den 30. Juni, wollten etliche für gewiß halten, daß die Hexen oder Zauberinnen das Unwetter verlittener Nacht gemacht hätten. Denn das Gerücht ging sehr stark, wie der Kurfürst von Trier innen und außer Trier, viele Zauberer und Zauberinnen, Männer und Frauen, Geistliche und Weltliche, gefangen, verbrannt und ertränkt habe. Einige geben vor, es sei eine freie, natürliche Kunst, womit Hochgelehrte und Prälaten sich befaßten, vielleicht die Nekromantia, Schwarzkunst oder dergleichen darunter zu verstehen, wiewohl auch diese verboten ist. Über die Zauberei kann ich nach meinem Verstande nicht urteilen; ich höre auch, die Leute sind nicht darüber einig. Etliche glauben gar nicht daran, halten es für Phantasie, Träumerei, Tollheit, Dichtung, Nichtsnutzigkeit. Andere, Gelehrte und Ungelehrte, glauben daran, nehmen ihr Fundament aus der Heiligen Schrift und haben Bücher darüber geschrieben und gedruckt, halten hart darauf. Gott allein wird es wohl am besten wissen. Man kann der alten Weiber und verhaßten Leute nicht besser und bälder quitt werden als auf solche Weise und Manier (!) Mich gibt (nimmt) es Wunder, daß es in dem Katholischen und heiligen Stifte von Trier und in mehreren anderen Orten so viele böse Weiber gibt, warum dem Teufel dort mehr von Gott die Zauberei gestattet werden soll als in der Stadt Köln. Wer hat früher gehört, daß Zauberer oder Zauberinnen in Köln verurteilt, verbrannt worden wären? Oft hat man einige, die der Zauberei beschuldigt waren, gefangen und lange sitzen lassen; man hat sie verhört, aber nichts Bestimmtes erfahren können. Soll es denn in Köln nicht so viele Mittel geben, die Wahrheit zu erforschen, wie an andern Orten? Heute noch sitzt ein armes, altes Weib auf dem Altenmarkt am Brunnen im Schuppen Tag und Nacht; man sagt, sie sei eine Zauberin; man wirft es ihr vor, sie bekennt es öffentlich vor dem Volke, verlangt, man solle sie verbrennen; sie ist wohl lange Jahre ein böses Weib gewesen; aber man läßt sie passieren und sagt, daß sie toll sei. Es gibt gar böse Leute, die irgend ein Weib Zauberin schelten, dadurch in den Mund des Volkes bringen, und das Volk hält dieses Weib dann für eine wirkliche Zauberin. Wenn man aus Haß oder aus Leichtfertigkeit seine Mitmenschen in so böses Gerücht bringt, wird man schwerlich solches vor Gott verantworten können. Ich habe auch zu den Leuten, die mit Fingern auf eine Zauberin wiesen, gesagt: »Woher wißt ihr das?« – »Ja, die Leute sagen es, das Gerücht geht so.« Darauf antwortete ich: »Wenn es von euch gesagt würde, wie solltet ihr denn gemutet sein, welche Lust solltet ihr darüber empfinden? Liebe schweigt, nimmt niemanden, was man ihm nicht wieder geben kann.« Ich weiß wohl, daß es manche böse, argwöhnische, niedrige, aufsässige, unzüchtige, schädliche Weiber gibt, daraus folgt aber gar nicht, daß diese Zauberinnen seien. Niemals aber habe ich ein Weib gesehen, das imstande wäre, Hasen, Hunde, Katzen, Mäuse, Schlangen, Kröten zu machen, mit einem Bock durch den Schornstein zu fliegen, in Weinkeller zu schlüpfen, mit den Teufeln zu tanzen; und derjenige, der da sagt, er habe es gesehen, kann lügen Höhlbaum C., Das Buch Weinberg, 2 Bände, Leipzig 1886-87..« So spricht der gesunde Menschenverstand eines Renaissance-Menschen, der in der frischen Luft einer freien Stadt aufgewachsen war.

Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert griff in der Erzdiözese Köln die Hexenverfolgung wie ein rasender Dämon in alle Schichten der Gesellschaft ein, Kinder und Greise, Geistliche und Laien, Frauen und Mädchen massenhaft erfassend und zerreißend W. Von Waldbrühl: »Naturforschung und Hexenglaube«. L. Ennen, Gesch. der Stadt Köln, 5. Bd., Köln cit. 1880. Das Buch Weinsberg, herausgeg. von F. Lau, Bonn 1897, 2 Bd. S. 68 f.. Man vergleiche folgende aus dem Salmschen Archive abgedruckten Akten! Der Pfarrer Duren zu Alfter berichtet an den Grafen Werner von Salm: »daß ich vorlängst nicht geschrieben, ist daher kommen, daß mir nichts Sonderliches vorgekommen, allein daß man zu Bonn stark zu brennen anfange. Jetzo sitzet eine Reiche (Frau), deren Mann vormals Schöffe zu Bonn gewesen, Namens Kurzrock, dem die Herberge »zur Blume« eigenthümlich zuständig gewesen. Ob er Ihre Gnaden bekannt gewesen, weiß ich nicht. Dem sei wie ihm wolle; sie ist eine Hexe und täglich vermeint man, daß sie justifizirt werden solle, welcher ohne Zweifel noch etliche Dickköpfe (d. h. lutherisch Gesinnte) folgen müssen.« – Aus einem späteren Briefe desselben Pfarrers an den Grafen sei folgende Stelle ausgezogen: »Solche (Opfer des Scheiterhaufens) sind aber mehrertheils Hexenmeister dieser Art. Es geht gewiß die halbe Stadt drauf. Denn allhier sind schon Professores, Candidati juris, Pastores, Canonici und Vicarii, Religiosi eingelegt und verbrannt. Ihre Fürstliche Gnaden haben siebzig Alumnos (des Priesterseminars), welche folgends Pastores werden sollten, von welchen quidam insignis musicus, gestern eingelegt; zwei andere hat man aufgesucht, sind aber ausgerissen. Der Kanzler sammt der Kanzlerin und des geheimen Secretarii Hausfrau sind schon fort und gerichtet. Am Abend unserer lieben Frauen (7. September) ist eine Tochter allhier, so den Namen gehabt, daß sie die schönste und züchtigste gewesen von der ganzen Stadt, von neunzehn Jahren, hingerichtet, welche von dem Bischofe selbst von Kind an auferzogen. Einen Domherrn mit Namen Rotensahe habe ich sehen enthaupten und folgends verbrennen sehen. Kinder von drei bis vier Jahren haben ihren Buhlen (Buhlteufel). Studenten und Edelknaben von neun, von zehn, von elf, zwölf, dreizehn, vierzehn Jahren sind hier verbrannt. Summa, es ist ein solcher Jammer, daß man nicht weiß, mit was Leuten man conversiren und umgehen soll.«

Der Vogt zu Hülchrath, Andreas Heffelt, berichtet unter dem 22. Dezember 1590 an den Amtmann Wilhelm von Ladolf in dem salmschen Städtchen Dyck: »Nächst dienstnachbarlicher Ehrerbietung thue Ew. Liebden ich hiermit zu wissen, wie daß Zeiger dieses, der armen gefangenen Frauen Eidam, genannt Gort, – bei mir gewesen und gebeten wegen seiner selbst und seinen Geschwägern, daß man doch ihre Mutter mit dem Schwerte richten und in die Erde begraben möchte, dagegen sie unserem gnädigen Herrn 40 Thaler Kölnisch zu unterthänigster Verehrung geben wollten. – Die allhier Sitzenden habe ich examiniren, peinigen und aufs Wasser versuchen lassen, deren zwei ihre Unthaten umständlich bekannt, die dritte aber halsstarrig geleugnet, jedoch dieselbe wie die anderen zwei auf dem Wasser geschwommen.«

Unter den zahllosen Kölner Hexenprozessen, von damals und dem Anfange des folgenden Jahrhunderts, mag einer genügen.

In Köln lebte im Jahr 1627 eine junge schöne Dame, Katharine von Henoth, die Tochter eines kaiserlichen Postmeisters. Sie leitete das Hauswesen ihres Bruders, des Propstes und Domherrn Hürtger von Henoth, und war in den vornehmen Kreisen, die sich mit dem Hause des Bruders berührten, hoch angesehen. Da geschah es, daß einige angeblich behexte und vom Teufel besessene Profeßschwestern des Klosters zu St. Clara sie als Hexe verschrien, weshalb sie unter Beihilfe eines städtischen Rutenträgers und Gewaltrichters mit Gewalt aus dem Hause ihres Bruders geholt und ins Gefängnis geschleppt wurde. Alsbald wurden über sie die erbärmlichsten Gerüchte in Umlauf gesetzt. In den Gärten um ihrer Wohnung hatte sich eine auffallende Menge von Raupen gezeigt, die Obst und Gemüse verdarben. Auch bekannten zwei Pfarrer, daß sie an den geheimsten Teilen ihrer Leiber litten, daß eine Hexe es ihnen angetan haben müsse, und daß ihnen die Hexe im Traume wie im wachenden Zustand fortwährend erscheine. Daß diese Hexe Fräulein v. Henoth sei, stand sehr bald fest. Sie wurde daher dreimal durch alle Grade hin gefoltert. Die gräßlichsten Schmerzen waren jedoch nicht imstande, der mit zerrissenen Gliedern auf der Folter liegenden standhaften jungen Dame das Geständnis zu erpressen, das die Richter haben wollten. Sie blieb bei der Beteuerung ihrer Unschuld. Beinahe wäre auch ihr Bruder in den Prozeß hereingezogen worden. Er hatte alle Ursache, sich glücklich zu schätzen, daß man ihn unbehelligt ließ, als man die Schwester auf einen Karren lud und hinaus vor die Stadt zum Scheiterhaufen führte. Die Unglückliche hatte freilich Freunde, die auch in der äußersten Not nicht von ihr ließen, weshalb sie einen kaiserlichen Notar gewannen, der sich bereit erklärte, einen Protest gegen das schreckliche Verfahren aufzusetzen. An einer Straßenkreuzung der Stadt, wo altem Herkommen gemäß der Zug nach dem Richtplatze zu halten pflegte, standen die Freunde, stand der Notar. Die Verwahrungsurkunde wurde auf den Wagen gereicht, und der Unglücklichen eine Feder in die Hand gedrückt, damit sie unterzeichne. »Seht ihr, Leute,« riefen alsbald die Jesuiten, die den Karren zum Richtplatz geleiteten, zu dem Volke, in dem sich das Gefühl des Mitleids zu regen begann, »seht ihr, daß sie eine Hexe ist, denn sie schreibt mit der linken Hand.« Jetzt aber, als sie die Rechtsverwahrung in die Hand des Notars zurückgegeben, riß sie mit der linken Hand den Verband von der Rechten, zeigte, wie diese in der Folter zu einer blutigen Masse verstümmelt war und brach in die Worte aus: »Ja, ich schreibe mit der Linken, weil die Henkersknechte die Rechte mir verdarben und zerschmetterten, um mich Unschuldige zum Geständnis zu zwingen!« – Grausen und Entsetzen ergriff das Volk; Entrüstung zeigte sich in der Menge, in der bereits harte Worte gegen die Hexenrichter laut wurden. Da winkten die Jesuiten, stimmten einen Psalm an und geleiteten den Karren, der sich wieder in Bewegung setzte, durch die Stadt zum Scheiterhaufen.

An anderen geistlichen Orten ging es nicht besser.

Zu Ellingen in Franken, einer Landkomturei des deutschen Ordens, wurden 1590 in nur acht Monaten 71 Personen wegen Hexerei hingerichtet Württembergische Vierteljahrhefte für Landesgeschichte 1883 und 1884. 6. 247. 306 ff.. Zu Ellwangen wurden in dem einen Jahr 1612 sogar 167 von Jesuiten zum Henkertode vorbereitet; in Westerstetten bei Ellwangen wurden binnen zwei Jahren 300 verbrannt. Bis 1617 dauerten die Blutgerichte Janssen, VIII, 680..

In dem reichsunmittelbaren Frauenstift Quedlinburg, wo die Hinrichtungen im Jahre 1569 begannen, zählte man im Jahre 1570 etwa 60, im Jahre 1574 beiläufig 40 Hexenverbrennungen Janssen, VIII, 737.. 1589 wurden an einem Tage 133 Hexen verbrannt.

In dem Stiftslande Zuckmantel, dem Bischof von Breslau untertan, wurden schon 1551 nicht weniger als 8 Henker gehalten, die, wie das Theatrum Europaeum erzählt, vollauf zu tun hatten. In den Jahren 1639 wurden nachweisbar zu Zuckmantel, Freiwaldau, Niklasdorf, Ziegenhals und Neisse 242 Personen wegen Hexerei hingerichtet, und im Jahr 1654 starben hier 102 Personen den Feuertod, darunter auch zwei Kinder, deren Vater der Teufel gewesen sein sollte Roskoff, B. II, S. 312. Riezler, S. 241..

Unter den bischöflichen Territorien spielte Eichstätt eine besonders traurige Rolle. Dort waren schon im 15. Jahrhundert viele Ketzerbrände veranstaltet worden. Hexenprozesse mit zahlreichen Hinrichtungen folgten 1590, 1603 bis 1630, 1637 Riezler, S. 221.. Noch 1723 hatte sich bei einem Eichstätter Hexenprozeß der ganze mittelalterliche Wahnwitz behauptet. Eine Hexe, die 22jährige Maria Walburga Rung von Buchdorf, die fromme Richter foltern und enthaupten ließen, war anscheinend eine geistesgestörte Dirne Ebenda, S. 295..

In dem Erzstift Salzburg kam die Hexenverfolgung unter Wolfgang Dietrich 1588 in Gang. Im Jahr 1678 wurden hier 97 der »erschröcklichsten Zauberer und Hechsen«, darunter Kinder von 10-14 Jahren, mit Feuer und Schwert hingerichtet Dr. F. V. Zillner, Salzburg. Kulturgeschichte, S. 234. Ad. Bühler, Salzburg und seine Fürsten, 3. Aufl., Reichenhall, 1910, S. 135.. Einem damals erschienenen Berichte zufolge sollten die Salzburger Hexen das einstimmige Bekenntnis abgelegt haben, daß sie, außer anderen Vergehen, allen Heiligen abgesagt und sich verpflichtet hätten, keine guten Werke in oder außer der Kirche zu tun, zum Abendmahl ohne vorgängige Ohrenbeichte zu gehen und die Hostie zu verunehren. Sie sollten auch gestanden haben, daß sie oft die Hostie durchstochen hätten, wobei aus ihr Blut hervorzutreten pflege Kofler, Observationes magicae bei Hauber, Bibl. mag., T. III, S. 306. Horst, Dämonomagie, T. II, Anhang, S. 349 ff. Mezger, Histor. Salisburg, Lib. V, cap. 54..

Im Stift Paderborn, wo die Scheiterhaufen seit 1585 unter der Regierung des Fürstbischofs Theodor v. Fürstenberg gelodert hatten G. J. Bessen, Gesch. des Bistums Paderborn, C. II, S. 88, 98 ff., rief 1656 ein Jesuit Löper, der den Teufel durch Exorzisierung der von ihm Besessenen bekämpfen wollte, eine Bewegung ganz eigener Art hervor. Die Besessenen, etwa hundert an der Zahl, liefen in den Straßen der Stadt umher und schrien Zeter über den Bürgermeister, über die Kapuziner, die Hexen und Hexenverteidiger. Auf Betreiben des Kapuziner-Guardians wurde der Jesuit ausgewiesen, aber der Unfug war nun einmal im Gange. »Aus mehr als dreißig besessenen Leuten«, sagt das Theatrum Europaeum (T. VII, S. 1023) »zu Paderborn und Brackel riefen die Teufel unaufhörlich über Trinike Morings als über eine Zauberin, welche die Teufel durch Branntwein, Kuchen, Äpfel, Bier, Fleisch und andere mehr Sachen hätte in die Menschen getrieben. Ja die Teufel haben auch öffentlich auf den Gassen über etliche als Hexenverteidiger geschrien; und was die Teufel schrien, das bekannten dann die Hexen gerichtlich vor den Herren Kommissarien, nämlich daß die bösen Geister durch Hexerei in so viele Menschen wären eingetrieben worden.«

Die einmal in Gang gekommene Bewegung ließ sich jedoch nicht so leicht bewältigen, vielmehr drang sie bald über ihre anfänglichen Grenzen hinaus.

Die ungeheuere Erregung der Gemüter, durch die Hexenverfolgung hervorgerufen, die gräßlichen öffentlichen »Brände« und die dem Volke dadurch eingeimpfte Furcht vor der Hexerei bewirkte, daß die Seuche nicht nur das ganze Paderborner Land, sondern auch die Grafschaft Rietberg und andere westfälische Bezirke erfaßte, indem ganze Scharen von Frauen und Mädchen das Land durchzogen, sich für vom Teufel besessen erklärten, die seltsamsten konvulsivischen Gebärden zeigten, eine Menge von Personen als Hexen und Hexenmeister verschrien und überall Furcht und Schrecken verbreiteten. Da hierdurch an vielen Orten tumultuarische Auftritte hervorgerufen wurden, so schritten die Behörden gegen die Unruhestifter ein. Viele wurden ausgepeitscht oder gebrandmarkt und des Landes verwiesen, einzelne auch am Leben gestraft. In zahllosen Verhören gestanden nicht wenige, daß sie von bestimmten Personen zur Simulierung der Besessenheit verführt und in dem dazu erforderlichen Gebärdenspiel unterwiesen worden wären »Ein Kriminalprozeß gegen ein besessenes Mädchen« in Hitzigs und Schletters Annalen der Kriminalrechtspflege, Leipzig 1854, S. 267 ff..


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