Karl Simrock
Das Nibelungenlied
Karl Simrock

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Einundzwanzigstes Abenteuer

Wie Kriemhild zu den Heunen fuhr

Die Boten laßt reiten · so tun wir euch bekannt,
Wie die Königstochter · fuhr durch das Land,
Und wo von ihr Geiselher · schied mit Gernot;
Sie hatten ihr gedienet · wie ihre Treue gebot.

Sie kamen an die Donau · gen Vergen nun geritten.
Da begannen sie um Urlaub · die Königin zu bitten,
Weil sie wieder wollten · reiten an den Rhein.
Da mocht' es ohne Weinen · von guten Freunden nicht sein.

Geiselher der schnelle · sprach zu der Schwester sein:
»Schwester, wenn du jemals · bedürfen solltest mein,
Was immer dich gefährde · so mach' es mir bekannt,
Dann reit' ich dir zu dienen · hin in König Etzels Land.«

Die Verwandten alle · küßte sie auf den Mund.
Minniglich sich scheiden · sah man da zur Stund'
Die schnellen Burgunden · von Rüdigers Geleit.
Da zog mit der Königin · manche wohlgetane Maid,

Hundert und viere · sie trugen schön Gewand.
Von buntgewebten Zeugen · manch breiten Schildesrand
Führte man der Königin · nach auf ihren Wegen.
Da trennte sich vom Zuge · mancher herrliche Degen.

Sie zogen weiter eilig · hinab durchs Baierland:
Da sagte man die Märe · es kämen angerannt
Viel unkunder Gäste · Wo noch ein Kloster steht
Und der Innfluß mündend · in die Donau niedergeht,

In der Stadt zu Passau · saß ein Bischof.
Die Herbergen leerten sich · und auch des Fürsten Hof:
Den Gästen entgegen · ging's auf durch Baierland,
Wo der Bischof Pilgerin · die schöne Kriemhilde fand.

Den Recken in dem Lande · war es nicht zu leid,
Als sie ihr folgen sahen · so manche schöne Maid.
Da kosten sie mit Augen · manch edeln Ritters Kind.
Gute Herberge · wies man den Gästen geschwind.

Der Bischof mit der Nichte · ritt auf Passau an,
Als es da den Bürgern · der Stadt ward kund getan,
Das Schwesterkind des Fürsten · Kriemhild, wolle kommen,
Da ward sie wohl mit Ehren · von den Kaufherrn aufgenommen.

Als der Bischof wähnte · sie blieben nachts ihm da,
Sprach Eckewart der Markgraf · »Unmöglich ist das ja:
Wir müssen abwärts reiten · in Rüdigers Land:
Viel Degen harren unser · ihnen allen ist es bekannt.«

Nun wußt' auch wohl die Märe · die schöne Gotelind:
Sie rüstete sich fleißig · und auch ihr edel Kind.
Ihr hatt' entboten Rüdiger · ihn bedünkt' es gut,
Wenn sie der Königstochter · damit tröstete den Mut

Und ihr entgegenritte · mit seiner Mannen Schar
Hinauf bis zur Ense · Als das im Werke war,
Da sah man allenthalben · erfüllt die Straßen stehn:
Sie wollten ihren Gästen · entgegen reiten und gehn.

Nun war gen Everdingen · die Königin gekommen.
Manche im Baierlande · hätten wohl genommen
Den Raub auf der Straße · wie es ihr Gebrauch,
Und hätten so die Gäste · mögen schädigen auch:

Das ward wohl verhütet · von dem Markgrafen hehr:
Er führte tausend Ritter · oder wohl noch mehr.
Da kam auch Gotelinde · Rüdigers Gemahl,
Mit ihr in stolzem Zuge · kühner Recken große Zahl.

Über die Traune kamen sie · bei Ense auf das Feld;
Da sah man aufgeschlagen · Hütten und Gezelt,
Daß gute Ruhe fänden · die Gäste bei der Nacht.
Für ihre Kost zu sorgen · war der Markgraf bedacht.

Von den Herbergen · ritt ihrer Frau entgegen
Gotelind die schöne · Da zogen auf den Wegen
Mit klingenden Zäumen · viel Pferde wohlgetan.
Sie wurde wohl empfangen · lieb tat man Rüdigern daran.

Die sie zu beiden Seiten · begrüßten auf dem Feld
Mit kunstvollem Reiten · das war mancher Held.
Sie übten Ritterspiele · das sah manch' schöne Maid.
Auch war der Dienst der Helden · der Königin selber nicht leid.

Als zu den Gästen kamen · die in Rüdgers Lehn,
Viel Schaftsplitter sah man · in die Lüfte gehn
Von der Recken Händen · nach ritterlichen Sitten.
Da wurde wohl zu Danke · vor den Frauen geritten.

Sie ließen es bewenden · Da grüßte mancher Mann
Freundlich den andern · nun führten sie heran
Die schöne Gotelinde · wo sie Kriemhild sah.
Die Frauen dienen konnten · hatten selten Muße da.

Der Vogt von Bechelaren · ritt zu Gotlinden hin.
Wenig Kummer schuf es · der edeln Markgräfin,
Daß sie wohl geborgen · ihn sah vom Rheine kommen.
Ihr war die meiste Sorge · mit großer Freude benommen.

Als sie ihn hatt' empfangen · hieß er sie auf das Feld
Mit den Frauen steigen · die er ihr sah gesellt.
Da zeigte sich geschäftig · mancher edle Mann:
Den Frauen wurden Dienste · mit großem Fleiße getan.

Da ersah Frau Kriemhild · die Markgräfin stehn
Mit ihrem Ingesinde · sie ließ nicht näher gehn:
Sie zog mit dem Zaume · das Roß an, das sie trug,
Und ließ sich aus dem Sattel · heben schleunig genug.

Den Bischof sah man führen · seiner Schwester Kind,
Ihn und Eckewarten · hin zu Frau Gotelind.
Es mußte vor ihr weichen · wer im Wege stund.
Da küßte die Fremde · Gotelinden auf den Mund.

Da sprach mit holden Worten · die edle Markgräfin:
»Nun wohl mir, liebe Herrin · daß ich so glücklich bin,
Hier in diesem Lande · mit Augen euch zu sehn:
Mir könnt' in diesen Zeiten · nimmer lieber geschehn.«

»Nun lohn' euch Gott«, sprach Kriemhild · »viel edle Gotelind.
So ich gesund verbleibe · und Botlungens Kind,
Mag euch zugute kommen · daß ihr mich habt gesehn.«
Noch ahnten nicht die Beiden · was später mußte geschehn.

Mit Züchten zueinander · ging da manche Maid;
Zu Diensten waren ihnen · die Recken gern bereit.
Sie setzten nach dem Gruße · sich nieder auf den Klee:
Da lernten sich kennen · die sich fremd gewesen eh.

Man ließ den Frauen schenken · Es war am hohen Tag;
Das edle Ingesinde · der Ruh' nicht länger pflag.
Sie ritten, bis sie fanden · viel breiter Hütten stehn:
Da konnten große Dienste · den edeln Gästen geschehn.

Über Nacht da pflegen · sollten sie der Ruh'.
Die von Bechelaren · schickten sich dazu,
Nach Würden zu bewirten · so manchen werten Mann.
So hatte Rüdiger gesorgt · es gebrach nicht viel daran.

Die Fenster an den Mauern · sah man offen stehn;
Man mochte Bechelaren · weit erschlossen sehn.
Da ritten ein die Gäste · die man gerne sah;
Gut Gemach schuf ihnen · der edle Rüdiger da.

Des Markgrafen Tochter · mit dem Gesinde ging
Dahin, wo sie die Königin · minniglich empfing.
Da war auch ihre Mutter · Rüdigers Gemahl:
Liebreich empfangen wurden · die Jungfrauen allzumal.

Sie fügten ihre Hände · in eins und gingen dann
Zu einem weiten Saale · der war gar wohlgetan,
Vor dem die Donau unten · die Flut vorübergoß.
Da saßen sie im Freien · und hatten Kurzweile groß.

Ich kann euch nicht bescheiden · was weiter noch geschah.
Daß sie so eilen müßten · darüber klagten da
Die Recken Kriemhildens · wohl war es ihnen leid.
Was ihnen guter Degen · aus Bechlarn gaben Geleit!

Viel minnigliche Dienste · der Markgraf ihnen bot.
Da gab die Königstochter · zwölf Armspangen rot
Der Tochter Gotlindens · und also gut Gewand,
Daß sie kein bessres brachte · hin in König Etzels Land.

Obwohl ihr war benommen · der Nibelungen Gold,
Alle, die sie sahen · machte sie sich hold
Noch mit dem kleinen Gute · das ihr verblieben war.
Dem Ingesind' des Wirtes · bot sie große Gaben dar.

Dafür erwies Frau Gotlind · den Gästen von dem Rhein
Auch so hohe Ehre · mit Gaben groß und klein,
Daß man da der Fremden · wohl selten einen fand,
Der nicht von ihr Gesteine · trug oder herrlich Gewand.

Als man nach dem Imbiß · fahren sollt' hindann,
Ihre treuen Dienste · trug die Hausfrau an
Mit minniglichen Worten · Etzels Gemahl.
Die liebkoste scheidend · der schönen Jungfrau zumal.

Da sprach sie zu der Königin · »Dünkt es euch nun gut,
So weiß ich, wie gern es · mein lieber Vater tut,
Daß er mich zu euch sendet · in der Heunen Land.«
Daß sie ihr treu gesinnt war · wie wohl Frau Kriemhild das fand!

Die Rosse kamen aufgezäumt · vor Bechelaren an.
Als die edle Königin · Urlaub hatt' empfahn
Von Rüdigers Weibe · und von der Tochter sein,
Da schieden auch mit Grüßen · viel der schönen Mägdelein;

Sie sahn einander selten · mehr nach diesen Tagen.
Aus Medelick auf Händen · brachte man getragen
Manch schönes Goldgefäße · angefüllt mit Wein
Den Gästen auf die Straße · und hieß sie willkommen sein.

Ein Wirt war da gesessen · Astold genannt,
Der wies sie die Straße · ins Österreicherland
Gegen Mautaren · an der Donau nieder:
Da ward viel Dienst erboten · der reichen Königin wieder.

Der Bischof mit Liebe · von seiner Nichte schied.
Daß sie sich wohl gehabe · wie sehr er ihr das riet,
Und sich Ehr' erwerbe · wie Helke einst getan.
Hei! was sie großer Ehren · bald bei den Heunen gewann!

An die Traisem kamen · die Gäst' in kurzer Zeit.
Sie zu pflegen fliß sich · Rüdigers Geleit,
Bis daß man die Heunen · sah reiten über Land:
Da ward der Königstochter · erst große Ehre bekannt.

Bei der Traisem hatte · der Fürst von Heunenland
Eine reiche Veste · im Lande wohl bekannt,
Mit Namen Traisenmauer · einst wohnte Helke da
Und pflag so hoher Milde · als wohl nicht wieder geschah.

Es sei denn von Kriemhilden · die mochte gerne geben.
Sie durfte wohl die Freude · nach ihrem Leid erleben,
Daß ihre Güte priesen · die Etzeln untertan.
Das Lob sie bei den Helden · in der Fülle bald gewann.

König Etzels Herrschaft · war so weit erkannt,
Daß man zu allen Zeiten · an seinem Hofe fand
Die allerkühnsten Recken · davon man je vernommen
Bei Christen oder Heiden · die waren all mit ihm gekommen.

Bei ihm war allerwegen · so sieht man's nimmermehr,
So christlicher Glaube · als heidnischer Verkehr.
Wozu nach seiner Sitte · sich auch ein jeder schlug,
Das schuf des Königs Milde · man gab doch allen genug.


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