Karl Simrock
Das Nibelungenlied
Karl Simrock

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Neunzehntes Abenteuer

Wie der Nibelungenhort nach Worms kam

Als die edle Kriemhild · so verwitwet ward,
Blieb bei ihr im Lande · der Markgraf Eckewart
Zurück mit seinen Mannen · der dient' ihr alle Tage
Und half auch seiner Frauen · daß sie seinen Herrn beklage.

Zu Worms am Münster wies man · ihr ein Gezimmer an,
Weit und geräumig · reich und wohlgetan,
Wo mit dem Gesinde · die Freudenlose saß.
Sie ging zur Kirche gerne · mit großer Andacht tat sie das.

Wo ihr Freund begraben lag · wie fleißig ging sie hin!
Sie tat es alle Tage · mit trauerndem Sinn
Und bat seiner Seele · Gott den Herrn zu pflegen:
Gar oft bejammert wurde · mit großer Treue der Degen.

Ute und ihr Gesinde · sprachen ihr immer zu,
Und doch im wunden Herzen · fand sie so wenig Ruh.
Es konnte nicht verfangen · der Trost, den man ihr bot.
Sie hatte nach dem Freunde · die allergrößeste Not,

Die nach liebem Manne · je ein Weib gewann:
Ihre große Treue · ersah man wohl daran.
Sie klagt' ihn bis zu Ende · da sie zu sterben kam;
Bis sie zuletzt gewaltig · um den kühnen Siegfried Rache nahm.

Sie saß in ihrem Leide · das ist alles wahr,
Nach ihres Mannes Tode · wohl viertehalbes Jahr
Und hatte nie zu Gunthern · gesprochen einen Laut
Und auch Hagen ihren Feind · in all der Zeit nicht erschaut.

Da sprach von Tronje Hagen · »Könnte das geschehn,
Daß ihr euch die Schwester · gewogen möchtet sehn,
So käm' zu diesem Lande · der Nibelungen Gold:
Des mögt ihr viel gewinnen · wird uns die Königin hold.«

Er sprach: »Laßt's uns versuchen! · meine Brüder sind bei ihr:
Die sollen für uns bitten · daß sie nicht zürnt, wenn wir
Den Hort von ihr erlangen · und daß sie's gerne sieht.«
»Ich glaube nicht,« sprach Hagen · »daß es jemals geschieht.«

Da befahl er Orteweinen · hin an Hof zu gehn
Und dem Markgrafen Gere · als das war geschehn,
Brachte man auch Gernot · und Geiselhern das Kind:
Da versuchten bei Kriemhilden · sie es freundlich und gelind.

Da sprach von Burgunden · der kühne Gernot:
»Frau, ihr klagt zu lange · um Siegfriedens Tod.
Der König will euch zeigen · er hab' ihn nicht erschlagen:
Man hört' zu allen Zeiten · euch so heftig um ihn klagen.«

Sie sprach: »Des zeiht ihn niemand · ihn schlug Hagens Hand.
Wo er verwundbar wäre · macht' ich ihm bekannt.
Wie konnt' ich mich's versehen · er trüg' ihm Haß im Sinn!
Sonst hätt' ich's wohl vermieden« · sprach die edle Königin,

»Daß ich verraten hätte · seinen schönen Leib:
So ließ' ich nun mein Weinen · ich unselig Weib!
Hold werd' ich ihnen nimmer · die das an ihm getan!«
Zu flehn begann da Geiselher · dieser waidliche Mann.

»Ich will den König grüßen« · Als er das vernahm,
Mit seinen besten Freunden · der König zu ihr kam.
Da getraute Hagen · sich nicht, zu ihr zu gehn:
Er kannte seine Schuld wohl · ihr war Leid von ihm geschehn.

Als sie verschmerzen wollte · auf Gunther den Haß,
Daß er sie küssen sollte · wohl ziemte sich ihm das.
Wär' ihr mit seinem Willen · so leid nicht geschehn,
So dürft' er dreisten Mutes · immer zu Kriemhilden gehn.

Es ward mit so viel Tränen · nie eine Sühne mehr
Gestiftet unter Freunden · Sie schmerzt' ihr Schade sehr;
Doch verzieh sie allen · bis auf den einen Mann:
Niemand hätt' ihn erschlagen · hätt' es Hagen nicht getan.

Nun währt' es nicht mehr lange · so stellten sie es an,
Daß die Königstochter · den großen Hort gewann
Vom Nibelungenlande · und bracht' ihn an den Rhein:
Ihre Morgengabe war es · und mußt' ihr billig eigen sein.

Nach diesem fuhr da Geiselher · und auch Gernot.
Achtzighundert Mannen · Frau Kriemhild gebot,
Daß sie ihn holen sollten · wo er verborgen lag
Und sein der Degen Alberich · mit seinen besten Freunden pflag.

Als man des Schatzes willen · vom Rhein sie kommen sah,
Alberich der kühne · sprach zu den Freunden da:
»Wir dürfen ihr wohl billig · den Hort nicht entziehn,
Da sein als Morgengabe · heischt die edle Königin.

»Dennoch sollt' es nimmer« · sprach Alberich, »geschehn,
Müßten wir nicht leider · uns verloren sehn
Die gute Tarnkappe · mit Siegfried zumal,
Die immer hat getragen · der schönen Kriemhild Gemahl.

»Nun ist es Siegfrieden · leider schlimm bekommen,
Daß die Tarnkappe · der Held uns hat genommen,
Und daß ihm dienen mußte · all dieses Land.«
Da ging dahin der Kämmerer · wo er die Schlüssel liegen fand.

Da standen vor dem Berge · die Kriemhild gesandt,
Und mancher ihrer Freunde · man ließ den Schatz zur Hand
Zu Meere bringen · an die Schiffelein
Und führt' ihn auf den Wellen · bis zu Berg in den Rhein.

Nun mögt ihr von dem Horte · Wunder hören sagen:
Zwölf Leiterwagen konnten · ihn kaum von dannen tragen
In vier Tag' und Nächten · aus des Berges Schacht,
Hätten sie des Tages · den Weg auch dreimal gemacht.

Es war auch nichts anders · als Gestein und Gold.
Und hätte man die ganze Welt · erkauft mit diesem Sold,
Um keine Mark vermindern · möcht' es seinen Wert.
Wahrlich Hagen hatte · nicht ohne Grund sein begehrt.

Der Wunsch lag darunter · ein golden Rütelein:
Wer es hätt' erkundet · der möchte Meister sein
Auf der weiten Erde · wohl über jeden Mann.
Von Albrichs Freunden zogen · mit Gernot viele hinan.

Als sie den Hort gewannen · in König Gunthers Land,
Und sich darob die Königin · der Herrschaft unterwand,
Kammern und Türme · die wurden voll getragen;
Man hörte nie von Schätzen · so große Wunder wieder sagen.

Und wären auch die Schätze · noch größer tausendmal,
Und wär' der edle Siegfried · erstanden von dem Fall,
Gern wäre bei ihm Kriemhild · geblieben händebloß.
Nie war zu einem Helden · eines Weibes Treue so groß.

Als sie den Hort nun hatte · da brachte sie ins Land
Viel der fremden Recken · wohl gab der Frauen Hand,
Daß man so große Milde · nie zuvor gesehn.
Sie übte hohe Güte · das mußte man ihr zugestehn.

Den Armen und den Reichen · zu geben sie begann.
Hagen sprach zum König · »Läßt man sie so fortan
Noch eine Weile schalten · so wird sie in ihr Lehn
So manchen Degen bringen · daß es uns übel muß ergehn.«

Da sprach König Gunther · »Ihr gehört das Gut:
Wie darf ich mich drum kümmern · was sie mit ihm tut?
Ich konnt' es kaum erlangen · daß sie mir wurde hold;
Nicht frag' ich, wie sie teilet · ihr Gestein und rotes Gold.«

Hagen sprach zum König · »Es vertraut ein kluger Mann
Doch solche Schätze billig · keiner Frauen an:
Sie bringt es mit Gaben · wohl noch an den Tag,
Da es sehr gereuen · die kühnen Burgunden mag.«

Da sprach König Gunther · »Ich schwur ihr einen Eid,
Daß ich ihr nie wieder · fügen wollt' ein Leid,
Und will es künftig meiden · sie ist die Schwester mein.«
Da sprach wieder Hagen · »Laßt mich den Schuldigen sein.«

Sie nahmen ihre Eide · meistens schlecht in Hut:
Da raubten sie der Witwe · das mächtige Gut.
Hagen aller Schlüssel · dazu sich unterwand.
Ihr Bruder Gernot zürnte · als ihm das wurde bekannt.

Da sprach der junge Geiselher · »Viel Leides ist geschehn
Von Hagen meiner Schwester · dem sollt' ich widerstehn:
Wär' er nicht mein Blutsfreund · es ging' ihm an den Leib.«
Wieder neues Weinen · begann da Siegfriedens Weib.

Da sprach König Gernot · »Eh' wir solche Pein
Um dieses Gold erlitten · wir sollten's in den Rhein
All versenken lassen · so gehört' es niemand an.«
Sie kam mit Klaggebärde · da zu Geiselher heran.

Sie sprach: »Lieber Bruder · du sollst gedenken mein,
Lebens und Gutes · sollst du ein Vogt mir sein.«
Da sprach er zu der Schwester · »Gewiß, es soll geschehn,
Wenn wir wiederkommen · eine Fahrt ist zu bestehn.«

Gunther und seine Freunde · räumten das Land,
Die allerbesten drunter · die man irgend fand;
Hagen nur alleine · verblieb um seinen Haß,
Den er Kriemhilden hegte · ihr zum Schaden tat er das.

Eh' der reiche König · wieder war gekommen,
Derweil hatte Hagen · den ganzen Schatz genommen:
Er ließ ihn bei dem Loche · versenken in den Rhein.
Er wähnt', er sollt' ihn nutzen · das aber konnte nicht sein.

Bevor von Tronje Hagen · den Schatz also verbarg,
Da hatten sie's beschworen · mit Eiden hoch und stark,
Daß er verhohlen bliebe · so lang' sie möchten leben:
So konnten sie's sich selber · noch auch jemand anders geben.

Die Fürsten kamen wieder · mit ihnen mancher Mann.
Kriemhild den großen Schaden · zu klagen da begann
Mit Mägdlein und Frauen · sie hatten Herzeleid.
Gerne wär' ihr Geiselher · zu allen Treuen bereit.

Sie sprachen einhellig · »Er hat nicht wohlgetan.«
Bis er zu Freunden wieder · die Fürsten sich gewann,
Entwich er ihrem Zorne · sie ließen ihn genesen;
Aber Kriemhild konnt' ihm · wohl nicht feinder sein gewesen.

Mit neuem Leide wieder · belastet war ihr Mut,
Erst um des Mannes Leben · und nun, da sie das Gut
Ihr so gar benahmen · da ruht' auch ihre Klage,
So lang' sie lebte, nimmer · bis zu ihrem jüngsten Tage.

Nach Siegfriedens Tode · das ist alles wahr,
Lebte sie im Leide · noch dreizehen Jahr,
Daß ihr der Tod des Recken · stets im Sinne lag:
Sie wahrt' ihm immer Treue · das rühmen ihr die meisten nach.


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