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II. Der Tausch als Veranlassung für die Enthebung des Gegenstandes aus seiner bloß subjektiven Wertbedeutung: in ihm drücken die Dinge ihren Wert durch einander aus. Der Wert des Gegenstandes dadurch objektiviert, daß für ihn ein anderer hingegeben wird. Der Tausch als Lebensform und als Bedingung des wirtschaftlichen Wertes, als primäre wirtschaftliche Tatsache. Reduktion der Brauchbarkeits- und Seltenheitstheorie. Der sozial fixierte Preis als Vorstufe des sachlich regulierten.

Die technische Form für den wirtschaftlichen Verkehr schafft ein Reich von Werten, das mehr oder weniger vollständig von seinem subjektiv-personalen Unterbau gelöst ist. So sehr der Einzelne kauft, weil er den Gegenstand schätzt und zu konsumieren wünscht, so drückt er dieses Begehren wirksam doch nur mit und an einem Gegenstande aus, den er für jenen in den Tausch gibt; damit wächst der subjektive Vorgang, in dessen Differenzierung und aufwachsender Spannung zwischen Funktion und Inhalt dieser zu einem »Wert« wird, zu einem sachlichen, überpersönlichen Verhältnis zwischen Gegenständen aus. Die Personen, die durch ihre Wünsche und Schätzungen zu dem Vollzuge bald dieses, bald jenes Tausches angeregt werden, realisieren damit für ihr Bewußtsein nur Wertverhältnisse, deren Inhalt schon in den Dingen selbst liegt: das Quantum des einen Objekts entspricht an Wert dem bestimmten Quantum des anderen Objekts, und diese Proportion steht als etwas objektiv Angemessenes und gleichsam Gesetzliches jenen persönlichen Motiven – von denen sie ausgeht, und in denen sie endet – ebenso gegenüber, wie wir es entsprechend an den objektiven Werten sittlicher und anderer Gebiete wahrnehmen. So würde sich wenigstens die Erscheinung einer vollkommen ausgebildeten Wirtschaft darbieten. In dieser zirkulieren die Gegenstände nach Normen und Maßen, die in jedem gegebenen Augenblick festgestellt sind, und mit denen sie dem Einzelnen als ein objektives Reich gegenüberstehen; er kann an diesem teilhaben oder nicht teilhaben, wenn er es aber will, so kann er es nur als Träger oder Ausführender dieser ihm jenseitigen Bestimmtheiten. Die Wirtschaft strebt einer – nirgends völlig unwirklichen und nirgends völlig verwirklichten – Ausbildungsstufe zu, in der sich die Dinge ihre Wertmaße wie durch einen selbsttätigen Mechanismus gegenseitig bestimmen – unbeschadet der Frage, wieviel subjektives Fühlen dieser Mechanismus als seine Vorbedingung oder als sein Material in sich aufgenommen hat. Aber eben dadurch, daß für den Gegenstand ein anderer hingegeben wird, gewinnt sein Wert all die Sichtbarkeit und Greifbarkeit, der er überhaupt zugängig ist. Die Gegenseitigkeit des Sichaufwiegens, vermöge deren jedes Objekt des Wirtschaftens seinen Wert in einem anderen Gegenstande ausdrückt, hebt beide aus ihrer bloßen Gefühlsbedeutung heraus: die Relativität der Wertbestimmung bedeutet ihre Objektivierung. Die Grundbeziehung zum Menschen, in dessen Gefühlsleben sich freilich alle Wertungsprozesse abspielen, ist hierbei vorausgesetzt, sie ist in die Dinge sozusagen hineingewachsen, und mit ihr ausgerüstet treten sie in jene gegenseitige Abwägung ein, die nicht die Folge ihres wirtschaftlichen Wertes, sondern schon dessen Träger oder Inhalt ist.

Die Tatsache des wirtschaftlichen Tausches also löst die Dinge von dem Eingeschmolzensein in die bloße Subjektivität der Subjekte und läßt sie, indem sie ihre wirtschaftliche Funktion in ihnen selbst investiert, sich gegenseitig bestimmen. Den praktisch wirksamen Wert verleiht dem Gegenstand nicht sein Begehrtwerden allein, sondern das Begehrtwerden eines anderen. Ihn charakterisiert nicht die Beziehung auf das empfindende Subjekt, sondern daß es zu dieser Beziehung erst um den Preis eines Opfers gelangt, während von der anderen Seite gesehen dieses Opfer als zu genießender Wert, jener selbst aber als Opfer erscheint. Dadurch bekommen die Objekte eine Gegenseitigkeit des Sichaufwiegens, die den Wert in ganz besonderer Weise als eine ihnen selbst objektiv innewohnende Eigenschaft erscheinen läßt. Indem um den Gegenstand gehandelt wird – das bedeutet doch, daß das Opfer, das er darstellt, fixiert wird –, erscheint seine Bedeutung für beide Kontrahenten vielmehr wie etwas außerhalb dieser letzteren selbst Stehendes, als wenn der Einzelne ihn nur in seiner Beziehung zu sich selbst empfände; und wir werden nachher sehen, wie auch die isolierte Wirtschaft, indem sie den Wirtschaftenden den Anforderungen der Natur gegenüberstellt, ihm die gleiche Notwendigkeit des Opfers für den Gewinn des Objektes auferlegt, so daß auch hier das gleiche Verhältnis, das nur den einen Träger gewechselt hat, den Gegenstand mit derselben selbständigen, von seinen eigenen objektiven Bedingungen abhängigen Bedeutung ausstatten kann. Die Begehrung und das Gefühl des Subjektes steht freilich als die treibende Kraft hinter alledem, aber aus ihr an und für sich könnte diese Wertform nicht hervorgehen, die vielmehr nur dem Sichaufwiegen der Objekte untereinander zukommt. Die Wirtschaft leitet den Strom der Wertungen durch die Form des Tausches hindurch, gleichsam ein Zwischenreich schaffend zwischen den Begehrungen, aus denen alle Bewegung der Menschenwelt quillt, und der Befriedigung des Genusses, in der sie mündet. Das Spezifische der Wirtschaft als einer besonderen Verkehrs- und Verhaltungsform besteht – wenn man einen paradoxen Ausdruck nicht scheut – nicht sowohl darin, daß sie Werte austauscht, als daß sie Werte austauscht. Freilich liegt die Bedeutung, die die Dinge in und mit dem Tausch gewinnen, nie ganz isoliert neben ihrer subjektiv-unmittelbaren, über die Beziehung ursprünglich entscheidenden; vielmehr gehört beides zusammen, wie Form und Inhalt zusammengehören. Allein der objektive und oft genug auch das Bewußtsein des Einzelnen beherrschende Vorgang abstrahiert sozusagen davon, daß es Werte sind, die sein Material bilden, und gewinnt sein eigenstes Wesen an der Gleichheit derselben – ungefähr, wie die Geometrie ihre Aufgaben nur an den Größenverhältnissen der Dinge findet, ohne die Substanzen einzubeziehen, an denen allein doch jene Verhältnisse real bestehen. Daß so nicht nur die Betrachtung der Wirtschaft, sondern die Wirtschaft selbst sozusagen in einer realen Abstraktion aus der umfassenden Wirklichkeit der Wertungsvorgänge besteht, ist nicht so verwunderlich, wie es zuerst scheint, sobald man sich klarmacht, wie ausgedehnt das menschliche Tun innerhalb jeder seelischen Provinz mit Abstraktionen rechnet. Die Kräfte, Beziehungen, Qualitäten der Dinge – zu denen insoweit auch unser eigenes Wesen gehört – bilden objektiv ein einheitliches Ineinander, das erst von unseren hinzutretenden Interessen und um von uns bearbeitet zu werden, in eine Vielheit selbständiger Reihen oder Motive gespalten wird. So untersucht jede Wissenschaft Erscheinungen, die erst unter dem von ihr gestellten Gesichtspunkte eine in sich geschlossene Einheitlichkeit und reinliche Abgrenzung gegen die Probleme anderer Wissenschaften haben, während die Wirklichkeit sich um diese Grenzlinien nicht kümmert, sondern jeder Abschnitt der Welt ein Konglomerat von Aufgaben für die mannigfaltigsten Wissenschaften darstellt. Ebenso schneidet unsere Praxis aus der äußeren oder inneren Komplexität der Dinge einseitige Reihen heraus und schafft erst so die großen Interessensysteme der Kultur. Dasselbe tritt an Betätigungen des Gefühls hervor. Wo wir religiös oder sozial empfinden, wo wir melancholisch oder weltfreudig gestimmt sind, da sind es immer Abstraktionen aus dem Wirklichkeitsganzen, die uns als Gegenstände unseres Gefühls erfüllen – sei es, daß unsere Reaktionsfähigkeit aus den dargebotenen Eindrücken nur diejenigen ergreift, die unter diesen oder jenen gemeinsamen Interessenbegriff gehören; sei es, daß sie von sich aus jeden Gegenstand mit einer Färbung versieht, deren in dem Gegenstand selbst gelegene Berechtigung sich in dessen Ganzheit mit den Begründungen anderer Färbungen zu einer objektiv ungeschiedenen Einheit verwebt. So ist auch dies eine der Formeln, in die man das Verhältnis des Menschen zur Welt fassen kann: daß aus der absoluten Einheit und dem Ineinanderverwachsensein der Dinge, in dem jedes das andere trägt und alle zu gleichen Rechten bestehen, unsere Praxis nicht weniger als unsere Theorie unablässig einzelne Elemente abstrahiert, um sie zu relativen Einheiten und Ganzheiten zusammenzuschließen. Wir haben, außer in ganz allgemeinen Gefühlen, keine Beziehung zu der Totalität des Seins: erst indem wir von den Bedürfnissen unseres Denkens und Handelns aus fortwährende Abstraktionen aus den Erscheinungen ziehen und diese mit der relativen Selbständigkeit eines bloß inneren Zusammenhanges ausstatten, die die Kontinuität der Weltbewegungen dem objektiven Sein jener verweigert, gewinnen wir ein in seinen Einzelheiten bestimmtes Verhältnis zur Welt. So ist das wirtschaftliche System allerdings auf eine Abstraktion gegründet, auf das Gegenseitigkeitsverhältnis des Tausches, die Balance zwischen Opfer und Gewinn, während es in dem wirklichen Prozeß, in dem es sich vollzieht, mit seinem Fundamente und seinem Ergebnis: den Begehrungen und den Genüssen, untrennbar verschmolzen ist. Aber diese Existenzform unterscheidet es nicht von den sonstigen Gebieten, in die wir die Gesamtheit der Erscheinungen zu den Zwecken unserer Interessen zerlegen.

Das Entscheidende für die Objektivität des wirtschaftlichen Wertes, die das Wirtschaftsgebiet als selbständiges abgrenzt, ist das prinzipielle Hinausgehen seiner Gültigkeit über das Einzelsubjekt. Dadurch, daß für den Gegenstand ein ariderer gegeben werden muß, zeigt sich, daß derselbe nicht nur für mich, sondern auch an sich, d. h. auch für einen anderen etwas wert ist. An der wirtschaftlichen Form der Werte findet die Gleichung: Objektivität = Gültigkeit für Subjekte überhaupt – eine ihrer deutlichsten Rechtfertigungen. Durch die Äquivalenz, die überhaupt erst gelegentlich des Tausches ein Bewußtsein und Interesse erwirbt, wächst dem Wert der spezifische Charakterzug der Objektivität zu. Denn nun mag jedes der Elemente nur personaler Art oder nur subjektiv wertvoll sein – daß sie einander gleich sind, ist ein objektives, in keinem dieser Elemente für sich und doch nicht außerhalb beider liegendes Moment. Der Tausch setzt eine objektive Messung subjektiver Wertschätzungen voraus, aber nicht im Sinne zeitlichen Vorangehens, sondern so, daß beides in einem Akte besteht.

Man muß sich hier klarmachen, daß die Mehrzahl der Beziehungen von Menschen untereinander als Tausch gelten kann; er ist die zugleich reinste und gesteigertste Wechselwirkung, die ihrerseits das menschliche Leben ausmacht, sobald es einen Stoff und Inhalt gewinnen will. Zunächst wird schon oft übersehen, wie vieles, das auf den ersten Blick eine bloß einseitig ausgeübte Wirkung ist, tatsächlich Wechselwirkung einschließt: der Redner scheint der Versammlung, der Lehrer der Klasse, der Journalist seinem Publikum gegenüber der allein Führende und Beeinflussende zu sein; tatsächlich empfindet jeder in solcher Situation die bestimmende und lenkende Rückwirkung der scheinbar bloß passiven Masse; für politische Parteien gilt allenthalben das Wort: »ich bin ihr Führer, also muß ich ihnen folgen«; ja, ein hervorragender Hypnotiseur hat neulich betont, daß bei der hypnotischen Suggestion – offenbar doch dem entschiedensten Falle reiner Aktivität von der einen, unbedingter Beeinflußtheit von der anderen Seite – eine schwer beschreibliche Wirkung des Hypnotisierten auf den Hypnotiseur stattfände, ohne die der Effekt nicht erreicht würde. Jede Wechselwirkung aber ist als ein Tausch zu betrachten: jede Unterhaltung, jede Liebe (auch wo sie mit andersartigen Gefühlen erwidert wird), jedes Spiel, jedes Sichanblicken. Und wenn der Unterschied zu bestehen scheint, daß man in der Wechselwirkung gibt, was man selbst nicht hat, im Tausch aber nur, was man hat – so hält dies doch nicht stand. Denn einmal, was man in der Wechselwirkung ausübt, kann immer nur die eigene Energie, die Hingabe eigener Substanz sein; und umgekehrt, der Tausch geschieht nicht um den Gegenstand, den der andere vorher hatte, sondern um den eigenen Gefühlsreflex, den der andere vorher nicht hatte; denn der Sinn des Tausches: daß die Wertsumme des Nachher größer sei als die des Vorher – bedeutet doch, daß jeder dem anderen mehr gibt, als er selbst besessen hat. Freilich ist Wechselwirkung der weitere, Tausch der engere Begriff; allein in menschlichen Verhältnissen tritt die erstere ganz überwiegend in Formen auf, die sie als Tausch anzusehen gestatten. Unser natürliches Schicksal, das jeden Tag aus einer Kontinuität von Gewinn und Verlust, Zufließen und Abströmen der Lebensinhalte zusammensetzt, wird im Tausch vergeistigt, indem nun das eine für das andere mit Bewußtsein gesetzt wird. Derselbe geistig-synthetische Prozeß, der überhaupt aus dem Nebeneinander der Dinge ein Mit- und Füreinander schafft; dasselbe Ich, das, die sinnlichen Gegebenheiten innerlich durchströmend, ihnen die Form seiner eigenen Einheit einbaut – hat mit dem Tausch jenen naturgegebenen Rhythmus unserer Existenz ergriffen und seine Elemente zu einer sinnvollen Verbundenheit organisiert. Und zwar wird gerade dem Tausch wirtschaftlicher Werte die Färbung des Opfers am wenigsten erspart bleiben. Wo wir Liebe um Liebe tauschen, wüßten wir mit der darin offenbarten inneren Energie sonst nichts anzufangen; indem wir sie hingeben, opfern wir – von äußeren Betätigungsfolgen abgesehen – keinerlei Nutzen auf; wenn wir in der Wechselrede geistige Inhalte mitteilen, so nehmen diese darum nicht ab; wenn wir unserer Umgebung das Bild unserer Persönlichkeit darbieten, indem wir das der anderen in uns aufnehmen, so vermindert dieser Austausch unseren Besitz unser selbst in keiner Weise. Bei all diesen Tauschen geschieht die Wertvermehrung nicht durch Aufrechnung von Gewinn und Verlust, sondern der Beitrag jeder Partei steht entweder ganz jenseits dieses Gegensatzes, oder es ist an sich schon ein Gewinn, ihn nur hingeben zu dürfen, so daß wir die Erwiderung als ein, trotz unserer eigenen Gabe, unverdientes Geschenk empfinden; wogegen der wirtschaftliche Tausch – mag er Substanzen oder Arbeit oder in Substanzen investierte Arbeitskraft betreffen – immer das Opfer eines auch anderweitig nutzbaren Gutes bedeutet, so sehr auch im Endresultat die eudämonistische Mehrung überwiege.

Daß alle Wirtschaft Wechselwirkung, und zwar in dem spezifischen Sinne des aufopfernden Tausches ist, hat einem Einwand zu begegnen, den man gegen die Gleichsetzung des wirtschaftlichen Wertes überhaupt mit dem Tauschwert erhoben hat. Auch der ganz isolierte Wirt, so hat man gesagt – der also weder kaufe noch verkaufe – müsse doch seine Produkte und Produktionsmittel abschätzen, also einen von allem Tausche unabhängigen Wertbegriff bilden, wenn seine Aufwendungen und seine Ergebnisse im richtigen Verhältnis zueinander stehen sollen. Allein diese Tatsache beweist gerade, was sie widerlegen soll. Denn alle Abwägung, ob ein bestimmtes Produkt einen bestimmten Aufwand an Arbeit oder sonstigen Gütern rechtfertigt, ist für das wirtschaftende Subjekt genau dieselbe, wie die beim Tausche vor sich gehende Wertung dessen, was man hingibt, gegen das, was man erhält. Es wird nämlich gegenüber dem Begriffe des Tausches oft jene Denkunklarheit begangen, infolge deren man von einer Beziehung, einem Verhältnis so spricht, als wäre es etwas außerhalb der Elemente, zwischen denen es spielt. Es bedeutet doch nur einen Zustand oder eine Veränderung innerhalb jedes derselben, aber nichts, was zwischen denselben, im Sinne der räumlichen Besonderung eines zwischen zwei anderen befindlichen Objekts, existierte. Indem man die beiden Akte oder Zustandsänderungen, die in Wirklichkeit vor sich gehen, in den Begriff »Tausch« zusammenfaßt, liegt die Vorstellung verlockend nahe, als wäre mit dem Tausch etwas neben oder über demjenigen geschehen, was in dem einen und in dem anderen Kontrahenten geschieht – wie wenn die begriffliche Substantialisierung im Begriff des »Kusses«, den man ja auch »tauscht«, verführen wollte, den Kuß für etwas zu halten, was irgendwo außerhalb der beiden Lippenpaare, außerhalb ihrer Bewegungen und Empfindungen läge. Auf seinen unmittelbaren Inhalt angesehen, ist der Tausch nur die kausal verknüpfte Zweimaligkeit der Tatsache, daß ein Subjekt jetzt etwas hat, was es vorher nicht hatte, und dafür etwas nicht hat, was es vorher hatte. Dann aber verhält sich jener isolierte Wirt, der gewisse Opfer zur Erzielung gewisser Früchte bringen muß, genau so, wie der Tauschende: nur daß sein Kontrahent nicht ein zweites wollendes Subjekt ist, sondern die natürliche Ordnung und Gesetzmäßigkeit der Dinge, die unsere Begehrungen so wenig ohne ein Opfer unsrerseits zu erfüllen pflegt, wie ein anderer Mensch es tut. Seine Wertberechnungen, nach denen er seine Handlungen bestimmt, sind generell genau dieselben, wie beim Tausch. Für das wirtschaftende Subjekt als solches ist es sicherlich vollkommen gleichgültig, ob es in seinem Besitz befindliche Substanzen oder Arbeitskräfte in den Boden versenkt oder einem anderen Menschen hingibt, wenn nur das Resultat der Hingabe für ihn das gleiche ist. Dieser subjektive Prozeß von Opfer und Gewinn in der Einzelseele ist keineswegs nur etwas Sekundäres oder Nachgebildetes gegenüber dem interindividuellen Tausch, sondern umgekehrt: der Austausch zwischen Hingabe und Errungenschaft innerhalb des Individuums ist die grundlegende Voraussetzung und gleichsam die wesentliche Substanz jedes zweiseitigen Tausches. Dieser ist eine bloße Unterart jenes, nämlich diejenige, bei der die Hingabe durch die Forderung eines anderen Individuums veranlaßt ist, während sie, mit dem gleichen Erfolg für das Subjekt, von Dingen und ihrer technisch-natürlichen Beschaffenheit veranlaßt sein kann. Es ist außerordentlich wichtig, diese Reduktion des Wirtschaftsprozesses auf dasjenige, was wirklich, d. h. in der Seele jedes Wirtschaftenden, geschieht, zu vollziehen. Man darf sich dadurch, daß beim Tausch dieser Vorgang ein wechselseitiger, durch den gleichen Vorgang in einem anderen bedingter ist, nicht darüber täuschen lassen, daß die naturale und sozusagen solipsistische Wirtschaft auf dieselbe Grundform zurückgeht wie der zweiseitige Tausch: auf den Ausgleichungsprozeß zwischen zwei subjektiven Vorgängen innerhalb des Individuums; dieser wird an und für sich von der sekundären Frage nicht berührt, ob die Anregung zu ihm von der Natur der Dinge oder der Natur des Menschen ausgeht, rein naturalwirtschaftlich oder tauschwirtschaftlich ist. Alle Wertgefühle also, die durch beschaffbare Objekte ausgelöst werden, sind im allgemeinen nur durch den Verzicht auf andere Werte zu erreichen, wie ein solcher Verzicht nicht nur in jener mittelbaren Arbeit für uns selbst, die als Arbeit für andere auftritt, sondern oft genug in der ganz unmittelbaren Arbeit für unsere eigenen Zwecke liegt. Hiermit wird besonders klar, daß der Tausch genau so produktiv und wertbildend ist, wie die eigentlich so genannte Produktion. In beiden Fällen handelt es sich darum, Güter um den Preis anderer, die man hingibt, zu empfangen, und zwar derart, daß der Endzustand einen Überschuß von Befriedigungsgefühlen gegenüber dem Zustand vor der Aktion ergibt. Wir können weder Stoffe noch Kräfte neu schaffen, sondern nur die gegebenen so umlagern, daß möglichst viele in der Wirklichkeitsreihe stehende zugleich in die Wertreihe aufsteigen. Diese formale Verschiebung innerhalb des gegebenen Materials aber vollbringt der Tausch zwischen Menschen genau so wie der mit der Natur, den wir Produktion nennen, die also beide unter den gleichen Wertbegriff gehören: bei beiden handelt es sich darum, die leergewordene Stelle des Hingegebenen durch ein Objekt größeren Wertes auszufüllen, und erst in dieser Bewegung löst sich das vorher mit dem bedürfenden und genießenden Ich verschmolzene Objekt von diesem und wird zu einem Wert. Auf den tiefen Zusammenhang zwischen dem Wert und dem Tausch, der nicht nur diesen durch jenen, sondern auch jenen durch diesen bedingt sein läßt, weist schon die Gleichheit des Umfanges hin, in dem sie beide das praktische Leben fundamentieren. So sehr unser Leben durch den Mechanismus und die Sachlichkeit der Dinge bestimmt scheint, so können wir in Wirklichkeit keinen Schritt machen und keinen Gedanken denken, ohne daß unser Fühlen die Dinge mit Werten ausstattete und ihnen gemäß unser Tun dirigierte. Dieses Tun selbst aber vollzieht sich nach dem Schema des Tausches: von der niedrigsten Bedürfnisbefriedigung bis zum Erwerbe der höchsten intellektuellen und religiösen Güter muß immer ein Wert eingesetzt werden, um einen Wert zu gewinnen. Was hier Ausgangspunkt und was Folge ist, kann vielleicht nicht bestimmt werden. Denn entweder ist in den Fundamentalvorgängen beides nicht zu trennen, sondern bildet die Einheit des praktischen Lebens, die wir freilich, da wir sie als solche nicht unmittelbar ergreifen können, in jene Momente auseinanderlegen; oder zwischen beiden spielt ein unendlicher Prozeß, derart, daß zwar jeder Tausch auf einen Wert, dieser Wert aber seinerseits auf einen Tausch zurückgeht. Das Fruchtbarere und eigentlich Aufklärende aber ist, mindestens für unsere Betrachtung, der Weg vom Tausche zum Werte, da das Umgekehrte uns bekannter und selbstverständlicher erscheint. – Daß der Wert sich uns als Ergebnis eines Opferprozesses darbietet, das offenbart den unendlichen Reichtum, den unser Leben dieser Grundform verdankt. Das Streben nach möglichster Verkleinerung des Opfers und die schmerzliche Empfindung seiner lassen uns glauben, daß erst sein vollständiger Fortfall das Leben auf seine äußerste Werthöhe heben würde. Aber hierbei übersehen wir, daß das Opfer keineswegs immer eine äußere Barriere ist, sondern die innere Bedingung des Zieles selbst und des Weges zu ihm. Die rätselhafte Einheit unseres praktischen Verhältnisses zu den Dingen zerlegen wir in Opfer und Gewinn, Hemmung und Erreichen, und indem das Leben in seinen differenzierten Stadien oft beides zeitlich trennt, vergessen wir, daß, wenn das Ziel sich uns ohne solche zu überwindende Hinderung verliehe, es gar nicht mehr ebendasselbe Ziel sein würde. Der Widerstand, den unsere Kraft zu vernichten hat, gibt ihr doch erst die Möglichkeit, sich zu bewähren; die Sünde, nach deren Überwindung die Seele zum Heile aufsteigt, sichert ihr erst jene »Freude im Himmel«, die dort an den von vornherein Gerechten nicht geknüpft wird; jede Synthese bedarf des gleichzeitig wirksamen analytischen Prinzips, das sie doch eben verneint (weil sie ohne dieses nicht die Synthese mehrerer Elemente, sondern ein absolutes Eins wäre), und ebenso jede Analyse einer Synthese, in deren Aufhebung sie besteht (denn sie fordert noch immer ein gewisses Zusammengehören, ohne das sie bloße Beziehungslosigkeit wäre: auch die bitterste Feindschaft ist noch mehr Zusammenhang als die einfache Gleichgültigkeit, die Gleichgültigkeit noch mehr als das bloße Nicht-von-einander-Wissen). Kurz, die hemmende Gegenbewegung, deren Beseitigung eben das Opfer bedeutet, ist oft (vielleicht, auf die elementaren Vorgänge hin angesehen, sogar immer) die positive Voraussetzung des Zieles selbst. Das Opfer gehört keineswegs, wie Oberflächlichkeit und Habgier vorspiegeln möchten, in die Kategorie des Nicht-sein-Sollenden. Es ist nicht nur die Bedingung einzelner Werte, sondern, innerhalb des Wirtschaftlichen, das uns hier angeht, die Bedingung des Wertes überhaupt: nicht nur der Preis, der für einzelne, bereits festgestellte Werte zu zahlen ist, sondern der, durch den allein es zu Werten kommen kann.

Der Tausch nun vollzieht sich in zwei Formen, die ich hier nur für den Arbeitswert andeuten will. Insoweit der Wunsch nach Muße oder einem bloßen sich selbst genügenden Spiel der Kräfte oder der Vermeidung der an sich lästigen Anstrengung besteht, ist jede Arbeit unbestreitbar eine Aufopferung. Allein neben diesen Antrieben liegt ein Quantum latenter Arbeitsenergie, mit dem wir entweder von ihm aus nichts anzufangen wüßten, oder das sich durch einen Trieb zu freiwilligem, weder durch Not noch durch ethische Motive hervorgerufenem Arbeiten zeigt. Um dieses Quantum Arbeitskraft, dessen Hingabe an und für sich keine Aufopferung ist, konkurrieren eine Mehrzahl von Anforderungen, für deren Gesamtheit es nicht zureicht. Bei jeder Verwendung der Kraft müssen also eine oder mehrere mögliche und wünschenswerte Verwendungen derselben aufgeopfert werden. Könnten wir die Kraft, mit der wir die Arbeit A leisten, nicht auch nützlich auf die Arbeit B verwenden, so würde jene erstere uns gar kein Opfer kosten; dasselbe aber gilt auch für B, falls wir diese etwa statt A vollbrächten. Was also, unter eudämonistischer Minderung, hingegeben wird, ist nicht die Arbeit, sondern gerade die Nichtarbeit; wir zahlen für A nicht das Opfer der Arbeit – denn diese hinzugeben macht uns, wie wir hier voraussetzen, an sich keinerlei Beschwerde –, sondern den Verzicht auf B. Das Opfer also, das wir bei der Arbeit in den Tausch geben, ist einmal sozusagen ein absolutes, ein anderes Mal ein relatives: das Leiden, das wir auf uns nehmen, ist einmal ein unmittelbar mit der Arbeit verbundenes – wo sie uns Mühe und Plage ist –, ein anderes Mal ein indirektes, wo wir das eine Objekt nur unter Verzicht auf das andere, bei eudämonistischer Irrelevanz oder sogar positivem Werte der Arbeit selbst, erlangen können. Damit sind also auch die Fälle der gern geleisteten Arbeit auf die Form des entsagungsvollen Tausches zurückgeführt, durch den die Wirtschaft allenthalben charakterisiert wird.

Daß an den Gegenständen eine bestimmte Höhe des Wertes bestände, mit der sie in die Relation der Wirtschaft eintreten, indem jedes von den je zwei Objekten einer Transaktion für den einen Kontrahenten den erstrebten Gewinn, für den anderen das dargebrachte Opfer bedeutet – das gilt wohl für die ausgebildete Wirtschaft, aber nicht für die Grundprozesse, die sie erst bilden. Die logische Schwierigkeit: daß zwei Dinge doch erst dann gleichen Wert haben könnten, wenn zuerst jedes für sich einen Wert habe, – scheint sich freilich durch die Analogie zu erweisen, daß doch auch zwei Linien nur gleich lang sein könnten, wenn jede von ihnen schon vor der Vergleichung eine bestimmte Länge besäße. Allein sie besitzt diese, genau angesehen, wirklich erst in dem Augenblick der Vergleichung mit einer anderen. Denn die Bestimmung ihrer Länge – da sie doch nicht »lang« schlechthin ist – kann sie nicht durch sich selbst erhalten, sondern nur durch eine andere, an der sie sich mißt, und der sie eben damit den gleichen Dienst leistet, obgleich das Resultat der Messung nicht von diesem Aktus selbst, sondern von jeder, wie sie unabhängig von der anderen ist, abhängt. Erinnern wir uns der Kategorie, unter der uns das objektive Werturteil, das ich das metaphysische nannte, begreiflich wurde: eine in der Beziehung zwischen uns und den Dingen sich entwickelnde Aufforderung, ein bestimmtes Urteil zu vollziehen, dessen Inhalt indessen nicht in den Dingen selbst liegt. So verhält sich auch das Längenurteil: von den Dingen her ergeht an uns gleichsam der Anspruch, daß wir es mit einem bestimmten Inhalt vollziehen, aber dieser Inhalt ist in den Dingen nicht vorgezeichnet, sondern nur durch einen Aktus innerhalb unser realisierbar. Daß sich die Länge überhaupt erst in dem Vergleichungsprozeß herstellt und also dem Einzelobjekt als solchem, von dem sie abhängt, vorenthalten ist, verbirgt sich uns nur deshalb leicht, weil wir aus den einzelnen relativen Längen den allgemeinen Begriff der Länge abstrahiert haben – bei dem also die Bestimmtheit, ohne die es keine konkrete Länge geben kann, gerade weggelassen ist – und nun, diesen Begriff in die Dinge hineinprojizierend, meinen: diese müßten doch zunächst einmal überhaupt Länge haben, ehe dieselbe durch Vergleichung singulär bestimmt werden könnte. Es tritt hinzu, daß aus den unzähligen, längenbildenden Vergleichungen feste Maßstäbe auskristallisiert sind, durch Vergleichung mit denen allen einzelnen Raumgebilden ihre Längen bestimmt werden, so daß diese nun, gleichsam die Verkörperungen jenes abstrakten Längenbegriffes, der Relativität entrückt scheinen, weil sich zwar alles an ihnen mißt, sie selbst aber nicht mehr gemessen werden – kein geringerer Irrtum, als wenn man zwar den fallenden Apfel von der Erde, die Erde aber nicht von dem Apfel angezogen glaubt. Endlich wird uns eine der einzelnen Linie für sich zukommende Länge dadurch vorgetäuscht, daß wir an ihren einzelnen Teilen schon die Mehrheit der Elemente haben, in deren Relation die Menge besteht. Denken wir uns, daß es in der ganzen Welt nur eine einzige Linie gäbe, so würde diese überhaupt nicht »lang« sein, da es ihr an der Korrelation mit einer anderen fehlte, – weshalb man denn auch anerkanntermaßen von der Welt als einem Ganzen keine Maßbestimmung aussagen kann, weil sie nichts außer sich hat, in Relation womit sie eine Größe haben könnte. In dieser Lage aber befindet sich tatsächlich jede Linie, solange sie ohne Vergleich mit anderen bzw. ohne Vergleich ihrer Teile untereinander betrachtet wird: sie ist weder kurz noch lang, sondern noch jenseits der ganzen Kategorie. Diese Analogie also, statt die Relativität des wirtschaftlichen Wertes zu widerlegen, verdeutlicht sie vielmehr.

Wenn wir die Wirtschaft als einen Spezialfall der allgemeinen Lebensform des Tausches, der Hingabe gegen einen Gewinn ansehen müssen, so werden wir schon von vornherein auch innerhalb ihrer das Vorkommnis vermuten: daß der Wert des Gewinnes nicht sozusagen fertig mitgebracht wird, sondern dem begehrten Objekt teilweise oder sogar ganz erst durch das Maß des dafür erforderlichen Opfers zuwächst. Diese ebenso häufigen wie für die Wertlehre wichtigen Fälle scheinen freilich einen inneren Widerspruch zu beherbergen: als ließen sie uns das Opfer eines Wertes für Dinge bringen, die uns an sich wertlos sind. Vernünftigerweise gebe doch niemand einen Wert dahin, ohne einen mindestens gleich hohen dafür zu erhalten, und daß umgekehrt das Ziel seinen Wert erst durch den Preis, den wir dafür geben müssen, erhalte, könne nur in der verkehrten Welt vorkommen. Nun ist das für das unmittelbare Bewußtsein schon zutreffend, ja zutreffender, als jener populäre Standpunkt in anderen Fällen meint. Tatsächlich kann der Wert, den ein Subjekt für einen anderen aufgibt, für dieses Subjekt selbst, unter den tatsächlichen Umständen des Augenblicks, niemals größer sein als der, den es eintauscht. Aller entgegengesetzte Schein beruht auf der Verwechslung des wirklich vom Subjekt empfundenen Wertes mit demjenigen, der dem betreffenden Tauschgegenstand nach der sonstigen durchschnittlichen oder als objektiv erscheinenden Taxierung zukommt. So gibt jemand in Hungersnot ein Kleinod für ein Stück Brot fort, weil ihm das letztere unter den gegebenen Umständen mehr wert ist als das erstere. Bestimmte Umstände aber gehören immer dazu, um an ein Objekt ein Wertgefühl zu knüpfen, da jedes solche von dem ganzen vielgliedrigen, in stetem Fluß, Anpassung und Umbildung begriffenen Komplex unseres Fühlens getragen wird; ob diese Umstände einmalige oder relativ beständige sind, ist offenbar prinzipiell gleichgültig. Durch die Tatsache, daß der Hungernde das Kleinod fortgibt, beweist er unzweideutig, daß ihm das Brot mehr wert ist. Das also ist kein Zweifel, daß im Moment des Tausches, der Darbringung des Opfers, der Wert des eingetauschten Gegenstandes die Grenze bildet, bis zu der der Wert des weggegebenen höchstens steigen kann. Ganz unabhängig davon besteht die Frage, woher jenes erstere Objekt denn seinen so erforderlichen Wert bezieht, und ob nicht etwa aus den dafür zu bringenden Opfern, so daß die Äquivalenz zwischen Gewinn und Preis gleichsam a posteriori und von dem letzteren aus hergestellt würde. Wir werden gleich sehen, wie häufig der Wert auf diese unlogisch erscheinende Weise psychologisch entspringt. Ist er aber einmal zustande gekommen, so besteht freilich auch für ihn nicht weniger als für den auf jede andere Weise konstituierten die psychologische Notwendigkeit, ihn für ein mindestens ebenso großes positives Gut zu halten, wie die Aufopferung für ihn ein negatives ist. Tatsächlich kennt schon die oberflächliche psychologische Betrachtung eine Reihe von Fällen, in denen das Opfer den Wert des Zieles nicht nur steigert, sondern sogar allein hervorbringt. Es ist zunächst die Lust der Kraftbewährung, der Überwindung von Schwierigkeiten, ja oft die des Widerspruchs, die sich in diesem Prozeß ausspricht. Der notwendige Umweg zur Erlangung gewisser Dinge ist oft die Gelegenheit, oft aber auch die Ursache, sie als Werte zu fühlen. In den Beziehungen der Menschen untereinander, am häufigsten und deutlichsten in erotischen, bemerken wir, wie Reserviertheit, Gleichgültigkeit oder Abweisung gerade den leidenschaftlichsten Wunsch, über diese Hindernisse zu siegen, entflammen und uns zu Bemühungen und Opfern veranlassen, deren uns das Ziel ohne diese Widerstände sicher oft nicht würdig erschienen wäre. Für viele Menschen würde die ästhetische Ausbeute der großen Alpenbesteigungen nicht weiter beachtenswert sein, wenn sie nicht den Preis außerordentlicher Mühen und Gefahren forderte und erst dadurch Betonung, Anziehungskraft und Weihe erhielte. Der Reiz der Antiquitäten und Kuriositäten ist oft kein anderer; wenn keinerlei ästhetisches oder historisches Interesse an ihnen haftet, so wird dieses durch die bloße Schwierigkeit ihrer Erlangung ersetzt: sie sind so viel wert, wie sie kosten, was dann erst sekundär so erscheint, daß sie so viel kosten, wie sie wert sind. Weiter: alles sittliche Verdienst bedeutet, daß um der sittlich wünschenswerten Tat willen erst entgegengerichtete Triebe und Wünsche niedergekämpft und geopfert werden mußten. Wenn sie ohne jede Überwindung geschieht, als der selbstverständliche Erfolg ungehemmter Impulse, so wird ihr, so objektiv erwünscht ihr Inhalt sei, dennoch nicht in demselben Sinn ein subjektiv sittlicher Wert zugesprochen. Nur durch das Opfer vielmehr der niedrigeren und doch so versucherischen Güter wird die Höhe des sittlichen Verdienstes erreicht, und eine um so höhere, je lockender die Versuchungen und je tiefer und umfassender ihr Opfer war. Sehen wir zu, welche menschlichen Leistungen die höchsten Ehren und Schätzungen erfahren, so sind es immer die, die ein Maximum von Vertiefung, Kraftaufwand, beharrlicher Konzentration des ganzen Wesens verraten oder wenigstens zu verraten scheinen – damit also auch von Entsagung, von Aufopferung alles abseits Liegenden, von Hingabe des Subjektiven an die objektive Idee. Und wenn im Gegensatz dazu die ästhetische Produktion und alles Leichte, Anmutige, aus der Selbstverständlichkeit des Triebes Quellende einen unvergleichlichen Reiz entfaltet, so verdankt dieser seine Besonderheit doch auch dem mitschwebenden Gefühle von den Lasten und Opfern, die sonst die Bedingung des gleichen Gewinnes sind. Die Beweglichkeit und unerschöpfliche Kombinationsfähigkeit unserer seelischen Inhalte bewirkt es häufig, daß die Bedeutsamkeit eines Zusammenhanges auf seine direkte Umkehrung übertragen wird, ungefähr, wie die Assoziation zwischen zwei Vorstellungen ebenso dadurch zustande kommt, daß sie einander zugesprochen, wie daß sie einander abgesprochen werden. Den ganz spezifischen Wert dessen, was wir ohne überwundene Schwierigkeit und wie ein Geschenk glücklichen Zufalls gewinnen, empfinden wir doch nur auf Grund der Bedeutung, die gerade das schwer Errungene, an Opfern Gemessene für uns hat – es ist derselbe Wert, aber mit negativem Vorzeichen, und dieser ist der primäre, aus dem jener – aber nicht umgekehrt! – sich ableiten läßt.

Dies mögen freilich exaggerierte oder Ausnahmefälle sein. Um ihren Typus in der ganzen Breite des wirtschaftlichen Wertgebietes zu finden, scheint es zunächst erforderlich, die Wirtschaftlichkeit, als eine spezifische Differenz oder Form, von der Tatsache der Werte als dem Allgemeinen oder der Substanz derselben begrifflich zu trennen. Nehmen wir den Wert als etwas Gegebenes und jetzt nicht zu Diskutierendes hin, so ist nach allem Vorangegangenen wenigstens dies nicht zweifelhaft, daß der wirtschaftliche Wert als solcher einem Gegenstand nicht in seinem isolierten Fürsichsein, sondern nur durch die Aufwendung eines anderen Gegenstandes zukommt, der für ihn hingegeben wird. Die wildwachsende Frucht, die ohne Mühe gepflückt und nicht in Tausch gegeben, sondern unmittelbar genossen wird, ist kein wirtschaftliches Gut; sie kann als solches höchstens dann gelten, wenn ihre Konsumtion etwa einen anderweitigen wirtschaftlichen Aufwand erspart; wenn aber sämtliche Erfordernisse der Lebenshaltung auf diese Weise zu befriedigen wären, daß sich an keinen Punkt ein Opfer knüpfte, so würden die Menschen eben nicht wirtschaften, so wenig wie die Vögel oder die Fische oder die Bevölkerung des Schlaraffenlandes. Auf welchem Wege auch die beiden Objekte A und B zu Werten geworden seien: zu einem wirtschaftlichen Werte wird A erst dadurch, daß ich B dafür geben muß, B erst dadurch, daß ich A dafür erhalten kann – wobei es, wie erwähnt, prinzipiell gleichgültig ist, ob das Opfer sich durch die Hingabe eines Wertes an einen anderen Menschen, also durch interindividuellen Tausch – oder innerhalb des Interessenkreises des Individuums, durch die Aufrechnung von Bemühungen und Resultaten, vollzieht. An den Objekten der Wirtschaft ist schlechthin nichts zu finden, außer der Bedeutung, die jedes direkt oder indirekt für unsere Konsumtion hat, und dem Austausch, der zwischen ihnen vorgeht. Da nun anerkanntermaßen die erstere für sich allein noch nicht ausreicht, den Gegenstand zu einem wirtschaftlichen zu machen, so kann ganz allein der letztere ihm die spezifische Differenz, die wir wirtschaftlich nennen, zusetzen. Allein diese Trennung zwischen dem Werte und seiner wirtschaftlichen Bewegungsform ist eine künstliche. Wenn zunächst die Wirtschaft eine bloße Form in dem Sinne zu sein scheint, daß sie schon Werte als ihre Inhalte voraussetzt, um sie in die Ausgleichungsbewegung zwischen Opfer und Gewinn hineinziehen zu können, so läßt sich doch in Wirklichkeit derselbe Prozeß, der die vorausgesetzten Werte zu einer Wirtschaft bildet, als Erzeuger der wirtschaftlichen Werte selbst folgendermaßen darlegen.

Die Wirtschaftsform des Wertes steht zwischen zwei Grenzen: einerseits der Begehrung des Objekts, die sich an das antizipierte Befriedigungsgefühl aus seinem Besitz und Genuß anschließt, andrerseits diesem Genuß selbst, der, genau angesehen, kein wirtschaftlicher Akt ist. Sobald man nämlich das eben Behandelte zugibt – was wohl allgemein geschieht –, daß die unmittelbare Konsumtion der wildwachsenden Frucht kein wirtschaftliches Tun und diese selbst also kein wirtschaftlicher Wert ist (außer soweit sie eben die Produktion wirtschaftlicher Werte erspart) – so ist auch die Konsumtion eigentlich wirtschaftlicher Werte selbst nicht mehr wirtschaftlich: denn der Konsumtionsakt in diesem letzteren Falle unterscheidet sich absolut nicht von dem im ersteren Falle: ob jemand die Frucht, die er ißt, zufällig gefunden, gestohlen, selbst gezogen oder gekauft hat, macht in dem Eßakt selber und seinen direkten Folgen für ihn nicht den geringsten Unterschied. Nun ist, wie wir gesehen haben, der Gegenstand überhaupt noch kein Wert, solange er noch als unmittelbarer Erreger von Gefühlen in den subjektiven Vorgang eingeschmolzen ist, gleichsam eine selbstverständliche Kompetenz unseres Gefühlsvermögens bildet. Er muß von diesem erst getrennt sein, um die eigentliche Bedeutung, die wir Wert nennen, für uns zu gewinnen. Denn es ist nicht nur sicher, daß das Begehren an und für sich überhaupt keinen Wert begründen könnte, wenn es nicht auf Hindernisse stieße: wenn jedes Begehren seine Befriedigung kampflos und restlos fände, so würde nicht nur ein wirtschaftlicher Wertverkehr nie entstanden sein, – sondern das Begehren selbst wäre nie zu einer erheblichen Höhe gestiegen, wenn es sich ohne weiteres befriedigen könnte. Erst der Aufschub der Befriedigung durch das Hindernis, die Besorgnis, das Objekt könne einem entgehen, die Spannung des Ringens darum, bringt die Summierung der Begehrungsmomente zustande: die Intensität des Wollens und die Kontinuität des Erwerbens. Wenn aber selbst die höchste Kraft des Begehrens rein von innen her entstanden wäre, so würde man – wie unzähligemal hervorgehoben ist – dem Objekt, das es befriedigt, doch keinen Wert zusprechen, wenn es uns in unbegrenzter Fülle zuflösse. Wichtig wäre für uns dann freilich das ganze Genus, dessen Dasein uns die Befriedigung unserer Wünsche verbürgt, nicht aber dasjenige Teilquantum, dessen wir uns tatsächlich bemächtigen, weil dieses ebenso mühelos durch ein anderes ersetzt werden könnte; wobei aber auch jene Gesamtheit ein Wertbewußtsein nur von dem Gedanken ihres möglichen Fehlens aus gewänne. Unser Bewußtsein würde in diesem Falle einfach von dem Rhythmus der subjektiven Begehrungen und Befriedigungen erfüllt sein, ohne an das vermittelnde Objekt eine Aufmerksamkeit zu knüpfen. Das Bedürfen einerseits, der Genuß andrerseits für sich allein enthalten weder den Wert noch die Wirtschaft in sich. Beides verwirklicht sich gleichzeitig erst durch den Tausch zwischen zwei Subjekten, von denen jedes dem anderen einen Verzicht zur Bedingung des Befriedigungsgefühles macht, bzw. durch dessen Seitenstück in der solipsistischen Wirtschaft. Durch den Austausch, also die Wirtschaft, entstehen zugleich die Werte der Wirtschaft, weil er der Träger oder Produzent der Distanz zwischen dem Subjekt und dem Objekt ist, die den subjektiven Gefühlszustand in die objektive Wertung überführt. Ich führte schon oben Kants Zusammenfassung seiner Erkenntnislehre an: die Bedingungen der Erfahrung seien zugleich die Bedingungen der Gegenstände der Erfahrung – womit er meinte, daß der Prozeß, den wir Erfahrung nennen, und die Vorstellungen, die dessen Inhalte oder Gegenstände bilden, ebendenselben Gesetzen des Verstandes unterliegen. Die Gegenstände können deshalb in unsere Erfahrung eingehen, von uns erfahren werden, weil sie Vorstellungen in uns sind, und die gleiche Kraft, die die Erfahrung bildet und bestimmt, sich in der Bildung jener äußert. In demselben Sinne können wir hier sagen: die Möglichkeit der Wirtschaft ist zugleich die Möglichkeit der Gegenstände der Wirtschaft. Eben der Vorgang zwischen zwei Eigentümern von Objekten (Substanzen, Arbeitskräften, Rechten, Mitteilbarkeiten jeder Art), der sie in die »Wirtschaft« genannte Beziehung bringt, nämlich die – wechselseitige – Hingabe, hebt zugleich jedes dieser Objekte erst in die Kategorie des Wertes. Der Schwierigkeit, die von seiten der Logik drohte: daß die Werte doch erst dasein, als Werte dasein müßten, um in die Form und Bewegung der Wirtschaft einzutreten, ist nun abgeholfen, und zwar durch die eingesehene Bedeutung jenes psychischen Verhältnisses, das wir als die Distanz zwischen uns und den Dingen bezeichneten; denn dieses differenziert den ursprünglichen subjektiven Gefühlszustand in das die Gefühle erst antizipierende, begehrende Subjekt und das ihm gegenüberstehende, nun in sich den Wert enthaltende Objekt – während die Distanz ihrerseits auf dem Gebiete der Wirtschaft durch den Tausch, d. h. durch die zweiseitige Bewirkung von Schranken, Hemmung, Verzicht hergestellt wird. Die Werte der Wirtschaft erzeugen sich also in derselben Gegenseitigkeit und Relativität, in der die Wirtschaftlichkeit der Werte besteht. –

Der Tausch ist nicht die Addition zweier Prozesse des Gebens und Empfangens, sondern ein neues Drittes, das entsteht, indem jeder von beiden Prozessen in absolutem Zugleich Ursache und Wirkung des anderen ist. Dadurch wird aus dem Wert, den die Notwendigkeit des Verzichtes dem Objekt verleiht, der wirtschaftliche Wert. Erwächst der Wert im allgemeinen in dem Intervall, das Hemmnisse, Verzichte, Opfer zwischen den Willen und seine Befriedigung schieben, so braucht, wenn der Tauschprozeß in jener wechselseitigen Bedingtheit des Nehmens und des Gebens besteht, kein Wertungsprozeß vorangegangen zu sein, der dieses Objekt allein für dieses Subjekt allein zu einem Wert machte. Sondern das hierzu Erforderliche vollzieht sich eo ipso in dem Tauschakt. In der empirischen Wirtschaft pflegen die Dinge natürlich längst mit dem Wertzeichen versehen zu sein, wenn sie in den Tausch eintreten. Was hier gemeint ist, ist nur der innere, sozusagen systematische Sinn des Wert- und Tauschbegriffes, der in den historischen Erscheinungen nur rudimentär lebt oder als ihre ideelle Bedeutung, nicht die Form, in der sie als wirkliche leben, sondern die sie in der Projektion auf die Ebene des sachlich-logischen, nicht des historisch-genetischen Verständnisses zeigen.

Diese Überführung des wirtschaftlichen Wertbegriffes aus dem Charakter isolierender Substantialität in den lebendigen Prozeß der Relation läßt sich weiterhin auf Grund derjenigen Momente erläutern, die man als die Konstituenten des Wertes anzusehen pflegt: Brauchbarkeit und Seltenheit. Die Brauchbarkeit erscheint hier als die erste, in der Verfassung der wirtschaftenden Subjekte begründete Bedingung, unter der allein ein Objekt für die Wirtschaft überhaupt in Frage stehen kann. Damit es zu einer konkreten Höhe des einzelnen Wertes komme, muß zu ihr die Seltenheit treten, als eine Bestimmtheit der Objektreihe selbst. Will man die Wirtschaftswerte durch Nachfrage und Angebot fixieren lassen, so entspräche die Nachfrage der Brauchbarkeit, das Angebot dem Seltenheitsmoment. Denn die Brauchbarkeit würde entscheiden, ob wir dem Gegenstande überhaupt nachfragen, die Seltenheit, welchen Preis wir dafür zu bewilligen gezwungen sind. Die Brauchbarkeit tritt als der absolute Bestandteil der wirtschaftlichen Werte auf, als derjenige, dessen Größe bestimmt sein muß, damit er nun mit dieser in die Bewegung des wirtschaftlichen Austausches eintrete. Die Seltenheit muß man zwar von vornherein als ein bloß relatives Moment zugeben, da sie ausschließlich das – quantitative – Verhältnis bedeute, in dem das fragliche Objekt zu der vorhandenen Gesamtheit von seinesgleichen steht, das qualitative Wesen des Objekts also überhaupt nicht berühre. Die Brauchbarkeit aber scheint vor aller Wirtschaft, allem Vergleiche, aller Beziehung zu anderen Objekten zu bestehen und, als das substantielle Moment der Wirtschaft, deren Bewegungen von sich abhängig zu machen.

Der Umstand, dessen Wirksamkeit hiermit umschrieben ist, wird nun vor allen Dingen durch den Begriff der Brauchbarkeit (oder Nützlichkeit) nicht richtig bezeichnet. Was man in Wirklichkeit meint, ist die Begehrtheit des Objekts. Alle Brauchbarkeit ist nämlich nicht imstande, zu wirtschaftlichen Operationen mit dem Gegenstande zu veranlassen, wenn sie nicht Begehrtheit desselben zur Folge hat. Und tatsächlich hat sie das nicht immer. Irgendein »Wünschen« mag mit jeder Vorstellung uns nützlicher Dinge mitklingen, das wirkliche Begehren aber, das wirtschaftliche Bedeutung hat und unsere Praxis einleitet, bleibt auch solchen gegenüber aus, wenn lange Armut, konstitutionelle Trägheit, Ableitung auf andere Interessengebiete, Gleichgültigkeit des Gefühls gegen den theoretisch anerkannten Nutzen, eingesehene Unmöglichkeit des Erlangens und andere positive und negative Momente dem entgegenwirken. Andrerseits werden mancherlei Dinge von uns begehrt und also wirtschaftlich gewertet, die man ohne willkürliche Dehnung des Sprachgebrauchs nicht als nützlich oder brauchbar bezeichnen kann: will man aber diese zulassend alles wirtschaftlich Begehrte unter den Begriff der Brauchbarkeit bringen, so ist es dennoch logisch erforderlich – da andrerseits nicht alles Brauchbare auch begehrt wird –, als das definitiv entscheidende Moment für die wirtschaftliche Bewegung die Begehrtheit der Objekte anzusetzen. Aber dasselbe ist selbst nach dieser Korrektur keineswegs ein absolutes, der Relativität der Wertung sich entziehendes. Es kommt nämlich erstens, wie wir früher gesehen haben, das Begehren selbst nicht zu bewußter Bestimmtheit, wenn sich nicht Hemmnisse, Schwierigkeiten, Opfer zwischen das Objekt und das Subjekt stellen: wir begehren erst wirklich, wo der Genuß des Gegenstandes sich an Zwischeninstanzen mißt, wo mindestens der Preis der Geduld, des Aufgebens anderen Strebens oder Genießens uns den Gegenstand in die Distanz rücken, deren Überwindenwollen das Begehren seiner ist. Sein wirtschaftlicher Wert nun, zweitens, der sich auf Grund seiner Begehrtheit erhebt, kann als Steigerung oder Sublimierung der schon im Begehren gelegenen Relativität gelten. Denn zum praktischen, d.h. in die Bewegung der Wirtschaft eingehenden Werte wird der begehrte Gegenstand nur dadurch, daß seine Begehrtheit mit der eines anderen verglichen wird und dadurch überhaupt ein Maß gewinnt. Erst wenn ein zweites Objekt da ist, von dem ich mir klar bin, daß ich es für das erste oder das erste für jenes hingeben will, hat jedes von beiden einen angebbaren wirtschaftlichen Wert. Es gibt für die Praxis so wenig ursprünglich einen Einzelwert, wie es für das Bewußtsein ursprünglich die Eins gibt. Von verschiedenen Seiten ist hervorgehoben worden, daß die Zwei älter ist als die Eins. Die Stücke eines zerbrochenen Stockes fordern ein Wort für Mehrzahl, der ganze ist »Stock« schlechthin, und ihn als »einen« Stock zu bezeichnen, liegt erst Veranlassung vor, wenn etwa zwei Stöcke in irgendeiner Beziehung in Frage kommen. So führt das bloße Begehren eines Objektes noch nicht dazu, daß dieses einen wirtschaftlichen Wert hat – denn es findet in sich allein nicht das hierfür erforderliche Maß: erst die Vergleichung der Begehrungen, d. h. die Tauschbarkeit ihrer Objekte, fixiert jedes derselben als einen seiner Höhe nach bestimmten, also wirtschaftlichen Wert. Hätten wir nicht die Kategorie der Gleichheit zur Verfügung – eine jener fundamentalen, aus den unmittelbaren Einzelheiten das Weltbild gestaltenden, die sich aber zu psychologischer Wirklichkeit erst allmählich entwickeln – so würde keine noch so große »Brauchbarkeit« und »Seltenheit« einen wirtschaftlichen Verkehr erzeugt haben. Daß zwei Objekte gleich begehrenswert oder wertvoll sind, kann man mangels eines äußeren Maßstabes doch nur so feststellen, daß man beide in Wirklichkeit oder in Gedanken gegeneinander auswechselt, ohne einen Unterschied des – sozusagen abstrakten – Wertgefühles zu bemerken. Ja, ursprünglich dürfte diese Austauschbarkeit nicht die Wertgleichheit als eine irgendwie objektive Bestimmtheit der Dinge selbst angezeigt haben, sondern die Gleichheit nichts als der Name für die Austauschbarkeit sein. – Die Intensität des Begehrens braucht an und für sich noch keine steigernde Wirkung auf den wirtschaftlichen Wert des Objekts zu haben; denn da dieser nur im Tausch zum Ausdruck kommt, so kann das Begehren ihn nur insoweit bestimmen, als es den Tausch modifiziert. Wenn ich auch einen Gegenstand sehr heftig begehre, so ist damit sein Gegenwert im Tausche noch nicht bestimmt. Denn entweder habe ich den Gegenstand noch nicht: so wird mein Begehren, wenn ich es nicht äußere, auf die Forderung des jetzigen Inhabers keinen Einfluß üben, er wird vielmehr nur nach dem Maße seines eigenen Interesses an dem Gegenstand oder des durchschnittlichen fordern; oder, ich selbst habe den Gegenstand – so wird meine Forderung entweder so hoch werden, daß der Gegenstand überhaupt aus dem Tauschverkehr ausscheidet, also insoweit kein wirtschaftlicher Wert mehr ist, oder sie wird sich auf das Maß des Interesses herabstimmen müssen, das ein Reflektant an dem Gegenstande nimmt. Das Entscheidende ist also dies: daß der wirtschaftliche, praktisch wirksame Wert niemals ein Wert überhaupt, sondern seinem Wesen und Begriff nach eine bestimmte Wertquantität ist; daß diese Quantität überhaupt nur durch die Messung zweier Begehrungsintensitäten aneinander zustande kommen kann; daß die Form, in der diese Messung innerhalb der Wirtschaft geschieht, die des Austausches von Opfer und Gewinn ist; daß mithin der wirtschaftliche Gegenstand nicht, wie es oberflächlich scheint, an seiner Begehrtheit ein absolutes Wertmoment besitzt, sondern daß diese Begehrtheit ausschließlich als Fundament oder Material eines – wirklichen oder gedachten – Austausches dem Gegenstand einen Wert auswirkt.

Die Relativität des Wertes – derzufolge die gegebenen gefühlserregenden, begehrten Dinge erst in der Gegenseitigkeit des Hingabe und Tauschprozesses zu Werten werden – scheint zu der Konsequenz zu drängen, daß der Wert nichts anderes sei als der Preis, und daß zwischen beiden keine Höhenunterschiede bestehen können, so daß das häufige Auseinanderfallen beider die Theorie widerlegen würde Diese behauptet allerdings: daß es zunächst zu einem Werte überhaupt niemals gekommen wäre, wenn sich nicht die allgemeine Erscheinung, die wir Preis nennen, eingestellt hätte. Daß eine Sache rein ökonomisch etwas wert ist, bedeutet, daß sie mir etwas wert ist, d. h. daß ich bereit bin, etwas für sie hinzugeben. Alle seine praktischen Wirksamkeiten kann ein Wert als solcher nur entfalten, indem er anderen äquivalent, d. h. indem er tauschbar ist. Äquivalenz und Tauschbarkeit sind Wechselbegriffe, beide drücken denselben Sachverhalt in verschiedenen Formen, gleichsam in der Ruhelage und in der Bewegung; aus. Was in aller Welt kann uns bewegen, über das naiv subjektive Genießen der Dinge hinaus ihnen noch die eigentümliche Bedeutsamkeit, die wir ihren Wert nennen, zuzusprechen? Ihrer Seltenheit an und für sich kann das nicht gelingen. Denn wenn diese einfach als Tatsache bestünde und nicht in irgendeiner Weise durch uns modifizierbar wäre – was sie doch nicht nur durch die produktive Arbeit, sondern auch durch den Besitzwechsel ist –, so würden wir sie als eine natürliche und wegen der mangelnden Unterschiede vielleicht gar nicht bewußte Bestimmtheit des äußeren Kosmos hinnehmen, die den Dingen keine Betonung über ihre inhaltlichen Qualitäten hinaus verschafft. Diese quillt erst daraus, daß für die Dinge etwas bezahlt werden muß: die Geduld des Wartens, die Mühe des Suchens, die Aufwendung der Arbeitskraft, der Verzicht auf anderweitig Begehrenswürdiges. Ohne Preis also – Preis zunächst in dieser weiteren Bedeutung – kommt es zu keinem Wert. In sehr naiver Weise drückt ein Glaube gewisser Südseeinsulaner dieses Gefühl aus: wenn man den Arzt nicht bezahle, so schlage die Kur nicht an, die er verordnet hat. Daß von zwei Objekten das eine wertvoller ist als das andere, stellt sich sowohl innerlich wie äußerlich nur so dar, daß ein Subjekt wohl dieses für jenes, aber nicht umgekehrt hinzugeben bereit ist. In der noch nicht vielgliedrig komplizierten Praxis kann der höhere oder geringere Wert nur Folge oder Ausdruck dieses unmittelbaren praktischen Willens zum Tausche sein. Und wenn wir sagen, wir tauschten die Dinge gegeneinander aus, weil sie gleich wertvoll sind, so ist das nur jene häufige begrifflich-sprachliche Umkehrung, mit der wir so oft jemanden zu lieben glauben, weil er bestimmte Eigenschaften besäße – während wir ihm diese Eigenschaft nur geliehen haben, weil wir ihn lieben, oder mit der wir sittliche Imperative aus religiösen Dogmen herleiten, während wir in Wirklichkeit an diese glauben, weil jene in uns lebendig sind.

Der Preis fällt seinem begrifflichen Wesen nach mit dem ökonomisch objektiven Werte zusammen; ohne ihn würde es überhaupt nicht gelingen, die Grenzlinie, die den letzteren von dem subjektiven Genuß des Gegenstandes scheidet, zu ziehen. Der Ausdruck nämlich, daß der Tausch Wertgleichheit voraussetze, ist vom Standpunkt der kontrahierenden Subjekte aus nicht zutreffend. A und B mögen ihre Besitztümer α und β untereinander eintauschen, da die beiden gleich viel wert sind. Allein A hätte keine Veranlassung, sein α fortzugeben, wenn er wirklich nur den für ihn gleich großen Wert β dafür erhielte. β muß für ihn ein größeres Wertquantum als das, was er bisher an α besessen hat, bedeuten; und ebenso muß B bei dem Tausche mehr gewinnen als einbüßen, um auf ihn einzutreten. Wenn für A also β wertvoller ist als α, für B dagegen α wertvoller als β, so gleicht sich dies objektiv, vom Standpunkt eines Beobachters, freilich aus. Allein diese Wertgleichheit besteht nicht für den Kontrahenten, der mehr empfängt, als er fortgibt. Wenn dieser dennoch überzeugt ist, mit dem anderen nach Recht und Billigkeit gehandelt und Gleichwertiges ausgetauscht zu haben, so ist dies für A so auszudrücken: objektiv zwar habe er an B Gleiches für Gleiches geliefert, der Preis (α) sei das Äquivalent für den Gegenstand (β), aber subjektiv sei der Wert von β freilich für ihn größer als der von α. Nun ist aber das Wertgefühl, das A an β knüpft, doch in sich eine Einheit und in ihm selbst der Teilstrich nicht mehr wahrnehmbar, der das objektive Wertquantum gegen seine subjektive Zugabe abgrenzte. Ausschließlich also die Tatsache, daß das Objekt ausgetauscht wird, d.h. ein Preis ist und einen Preis kostet, zieht diese Grenze, bestimmt innerhalb seines subjektiven Wertquantums den Teil, mit dem es als objektiver Gegenwert in den Verkehr eintritt.

Eine andere Beobachtung belehrt uns nicht weniger, daß der Tausch keineswegs von einer vorangehenden Vorstellung objektiver Wertgleichheit bedingt ist. Sieht man nämlich zu, wie das Kind, der impulsive, und, allem Anschein nach, auch der primitive Mensch tauscht – so geben diese irgendein beliebiges Besitztum für einen Gegenstand hin, den sie gerade augenblicklich heftig begehren, gleichviel, ob die allgemeine Schätzung oder sie selbst bei ruhigem Überlegen den Preis viel zu hoch finden. Dies widerspricht der Ausmachung, daß jeder Tausch für das Bewußtsein des Subjekts ein vorteilhafter sein müsse, eben deshalb nicht, weil diese ganze Aktion subjektiv noch jenseits der Frage nach Gleichheit oder Ungleichheit der Tauschobjekte steht. Es ist eine jener rationalistischen Selbstverständlichkeiten, die so ganz unpsychologisch sind: daß jedem Tausch eine Abwägung zwischen Opfer und Gewinn vorausgegangen sei und mindestens zu einer Gleichsetzung beider geführt haben müsse. Dazu gehört eine Objektivität gegenüber dem eigenen Begehren, die jene angedeuteten Seelenverfassungen gar nicht aufbringen. Der unausgebildete oder befangene Geist tritt von der momentanen Aufgipfelung seiner Interessen nicht so weit zurück, um einen Vergleich anzustellen, er will eben im Augenblick nur das eine, und die Hingabe des anderen wirkt deshalb gar nicht als Abzug von der ersehnten Befriedigung, also gar nicht als Preis. Angesichts der Besinnungslosigkeit, mit der kindliche, unerfahrene, ungestüme Wesen das gerade Begehrte »um jeden Preis« sich aneignen, scheint es mir vielmehr wahrscheinlich, daß das Gleichheitsurteil erst der Erfahrungserfolg soundso vieler, ohne jede Abwägung vollbrachter Besitzwechsel ist. Das ganz einseitige, den Geist ganz okkupierende Begehren muß sich erst durch den Besitz beruhigt haben, um überhaupt andere Objekte zur Vergleichung mit diesem zuzulassen. Der ungeheure Abstand der Betonung, der in dem ungeschulten und unbeherrschten Geist zwischen seinem momentanen Interesse und allen anderen Vorstellungen und Schätzungen besteht, veranlaßt den Tausch, bevor es noch zu einem Urteil über den Wert – d.h. über das Verhältnis verschiedener Begehrungsquanten zueinander – gekommen ist. Daß bei ausgebildeten Wertbegriffen und leidlicher Selbstbeherrschung das Urteil über Wertgleichheit dem Tausch vorangeht, darf über die Wahrscheinlichkeit nicht täuschen, daß hier wie so oft das rationale Verhältnis sich erst aus dem psychologisch umgekehrt verlaufenden entwickelt hat (auch innerhalb der Provinz der Seele ist πρὃς ἡμᾶς das letzte, was φύσει das erste ist), und daß der aus rein subjektiven Impulsen entstandene Besitzwechsel uns dann erst über den relativen Wert der Dinge belehrt hat.

Ist so der Wert gleichsam der Epigone des Preises, so scheint es ein identischer Satz, daß ihre Höhen die gleichen sein müssen. Ich beziehe mich hier auf die obige Feststellung: daß in jedem individuellen Falle kein Kontrahent einen Preis zahlt, der ihm unter den gegebenen Umständen für das Erworbene zu hoch ist. Wenn in dem Chamissoschen Gedichte der Räuber mit vorgehaltener Pistole den Angefallenen zwingt, ihm Uhr und Ringe für drei Batzen zu verkaufen, so ist diesem unter solchen Umständen – da er nämlich nur so sein Leben retten kann – das Eingetauschte wirklich den Preis wert; niemand würde für einen Hungerlohn arbeiten, wenn er nicht in der Lage, in der er sich tatsächlich befindet, diesen Lohn eben dem Nichtarbeiten vorzöge. Der Schein des Paradoxen an der Behauptung von der Äquivalenz von Wert und Preis in jedem individuellen Falle entsteht nur daher, daß in diesen gewisse Vorstellungen von anderweitigen Äquivalenzen von Wert und Preis hineingebracht werden. Die relative Stabilität der Verhältnisse, von denen die Mehrzahl der Tauschhandlungen bestimmt werden, andrerseits die Analogien, die auch das noch schwankende Wertverhältnis nach der Norm bereits bestehender fixieren, bewirken die Vorstellungen: für ein bestimmtes Objekt gehöre sich eben dies und jenes bestimmte andere Objekt seinem Wert nach als Tauschäquivalent, diese beiden bzw. diese Kreise von Objekten hätten gleiche Wertgröße, und wenn innormale Umstände uns dies Objekt mit darüber oder darunter gelegenen Gegenwerten austauschen ließen, so fielen eben Wert und Preis auseinander – obgleich sie tatsächlich in jedem einzelnen Falle unter Berücksichtigung seiner Umstände zusammenfallen. Man vergesse doch nicht, daß die objektive und gerechte Äquivalenz von Wert und Preis, die wir zur Norm der tatsächlichen und singulären machen, auch nur unter ganz bestimmten historischen und technischen Bedingungen gilt und mit der Änderung derselben sofort auseinanderfällt. Zwischen der Norm selbst und den Fällen, die sie als abweichende oder als adäquate charakterisiert, besteht hier also gar kein genereller, sondern sozusagen nur ein numerischer Unterschied – ungefähr wie man von einem außergewöhnlich hoch- oder außergewöhnlich tiefstehenden Individuum sagt, es sei eigentlich gar kein Mensch mehr; während doch dieser Begriff des Menschen nur ein Durchschnitt ist, der seinen normativen Charakter in dem Augenblick verlieren würde, in dem die Majorität der Menschen zu der einen oder der anderen jener Verfassungen herauf- oder herunterstiege, welche dann als die allein »menschliche« gälte. Dies einzusehen fordert freilich eine energische Befreiung von eingewurzelten und praktisch durchaus berechtigten Wertvorstellungen. Diese nämlich liegen bei irgend entwickelteren Verhältnissen in zwei Schichten übereinander: die eine gebildet aus den Traditionen des Gesellschaftskreises, der Majorität der Erfahrungen, den als rein logisch erscheinenden Forderungen; die andere aus den individuellen Konstellationen, den Ansprüchen des Augenblicks, dem Zwange der zufälligen Umgebung. Gegenüber dem schnellen Wechsel innerhalb der letzteren Schicht verbirgt sich unserer Wahrnehmung die langsame Evolution der ersteren und ihre Bildung aus der Sublimierung jener, und sie erscheint als das sachlich Gerechtfertigte, als der Ausdruck einer objektiven Proportion. Wo nun bei einem Tausch zwar unter den gegebenen Umständen die Wertgefühle von Opfer und Gewinn sich mindestens gleichstehen – denn sonst würde kein Subjekt, das überhaupt vergleicht, ihn vollziehen – dieselben aber, an jenen generellen Festsetzungen gemessen, eine Diskrepanz ergeben, da spricht man von einem Auseinanderfallen von Wert und Preis. Am entschiedensten tritt dies unter den beiden – übrigens fast immer vereinigten – Voraussetzungen auf, daß eine einzige Wertqualität als der wirtschaftliche Wert schlechthin gilt und zwei Objekte also nur insofern als wertgleich anerkannt werden, als das gleiche Quantum jenes Fundamentalwertes in ihnen steckt; und daß zweitens eine bestimmte Proportion zwischen zwei Werten als die sein- sollende mit dem Akzente einer nicht nur objektiven, sondern auch moralischen Forderung auftritt. Die Vorstellung z.B., daß das eigentliche Wertmoment in allen Werten die in ihnen vergegenständlichte, gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit sei, ist nach beiden Richtungen hin benutzt worden und gibt so einen – direkter oder indirekter anwendbaren – Maßstab, der den Wert in wechselnden Plus- und Minusdifferenzen gegen den Preis pendeln macht. Allein zunächst läßt die Tatsache jenes einheitlichen Wertmaßstabes ganz dahingestellt, wieso denn die Arbeitskraft zu einem Werte geworden sei. Sie wäre es schwerlich, wenn sie nicht, an verschiedenem Materiale sich betätigend und verschiedene Produkte schaffend, dadurch die Möglichkeit des Tausches ergeben hätte, oder wenn ihre Ausübung nicht als ein Opfer empfunden worden wäre, das man für den Gewinn ihres Ergebnisses bringt. Auch die Arbeitskraft wird erst durch die Möglichkeit und Wirklichkeit des Tausches in die Wertkategorie eingestellt, ganz unbeschadet des Umstandes, daß sie nachher innerhalb dieser den Maßstab für deren übrige Inhalte abgeben mag. Sei die Arbeitskraft also auch der Inhalt jedes Wertes, seine Form als Wert erhält er erst dadurch, daß sie in die Relation von Opfer und Gewinn oder Preis und Wert (hier im engeren Sinne) eingeht. In den Fällen des Auseinandertretens von Preis und Wert gäbe nach dieser Theorie der eine Kontrahent ein Quantum unmittelbarer vergegenständlichter Arbeitskraft gegen ein geringeres Quantum ebenderselben hin, mit welchem indes andere – keine Arbeitskraft darstellenden – Umstände derart verbunden sind, daß er dennoch den Tausch vollzieht, z. B. Befriedigung eines unaufschieblichen Bedürfnisses, Liebhaberei, Betrug, Monopole und ähnliches. Im weiteren und subjektiven Sinne bleibt also auch hier die Äquivalenz von Wert und Gegenwert bestehen, während die einheitliche Norm Arbeitskraft, die ihre Diskrepanz ermöglicht, sich auch ihrerseits nicht der Genesis ihres Wertcharakters aus dem Tausch entzieht.

Die qualitative Bestimmtheit der Objekte, die subjektiv ihre Begehrtheit bedeutet, kann nach alledem den Anspruch, eine absolute Wertgröße zu erzeugen, nicht aufrecht erhalten: es ist immer erst die im Tausch sich verwirklichende Relation der Begehrungen zueinander, die deren Gegenstände zu wirtschaftlichen Werten macht. Unmittelbarer tritt diese Bestimmung an dem anderen der als konstitutiv geltenden Momente des Wertes hervor, an der Knappheit oder relativen Seltenheit. Der Tausch ist ja nichts anderes als der interindividuelle Versuch, die aus der Knappheit der Güter entspringenden Mißstände zu verbessern, d. h. das subjektive Entbehrungsquantum durch die Verteilungsart des gegebenen Vorrates möglichst herabzusetzen. Schon daraus folgt zunächst eine allgemeine Korrelation zwischen dem, was man – in freilich mit Recht kritisierter Weise – Seltenheitswert, und dem, was man Tauschwert nennt. Hier aber ist der Zusammenhang in umgekehrter Richtung wichtiger. Ich habe bereits hervorgehoben, daß die Knappheit der Güter schwerlich eine Wertung ihrer zur Folge hätte, wenn sie nicht durch uns modifizierbar wäre. Das ist sie eben nur auf zweierlei Weise: entweder durch die Hingabe von Arbeitskraft, die den Gütervorrat objektiv vermehrt, oder durch Hingabe bereits besessener Objekte, die als Besitzwechsel die Seltenheit des je begehrtesten Objektes für das Subjekt aufhebt. So kann man zunächst wohl sagen, daß die Knappheit der Güter im Verhältnis zu den darauf gerichteten Begehrungen objektiv den Tausch bedingt, daß aber der Tausch seinerseits erst die Seltenheit zu einem Wertmoment macht. Es ist ein Fehler in vielen Werttheorien, daß sie, wenn Brauchbarkeit und Seltenheit gegeben sind, den ökonomischen Wert, d. h. die Tauschbewegung als etwas Selbstverständliches, als die begrifflich notwendige Folge jener Prämissen setzen. Damit haben sie aber keineswegs recht. Wenn etwa ein asketisches Sich-Bescheiden neben jenen Voraussetzungen stünde, oder wenn sie nur zu Kampf oder Raub veranlaßten – was ja auch oft genug der Fall ist –, so würde kein ökonomischer Wert und kein ökonomisches Leben entstehen.

Die Ethnologie belehrt uns über die erstaunlichen Willkürlichkeiten, Schwankungen, Unangemessenheiten der Wertbegriffe in primitiven Kulturen, sobald mehr als die dringendste Notdurft des Tages in Frage steht. Nun ist kein Zweifel, daß dies infolge – allenfalls in Wechselwirkung mit – der anderen Erscheinung stattfindet: der Abneigung des primitiven Menschen gegen den Tausch. Für diese sind mehrere Gründe geltend gemacht. Weil es jenem an einem objektiven und allgemeinen Wertmaßstab fehlt, müsse er stets fürchten, im Tausche betrogen zu werden; weil das Arbeitsprodukt immer von ihm selbst und für ihn selbst hergestellt sei, entäußere er sich damit eines Teiles seiner Persönlichkeit und gebe den bösen Mächten Gewalt über sich. Vielleicht stammt die Abneigung des Naturmenschen gegen die Arbeit aus derselben Quelle. Auch hier fehlt ihm der sichere Maßstab für den Tausch zwischen Mühe und Ertrag, er fürchtet auch von der Natur betrogen zu werden, deren Objektivität unberechenbar und schreckhaft vor ihm steht, ehe er in ausgeprobtem und geregeltem Austausch mit ihr auch sein eigenes Tun in die Distanz und Kategorie der Objektivität eingestellt hat. Das Versenktsein also in die Subjektivität des Verhaltens zum Gegenstand läßt ihm den Tausch – naturaler wie interindividueller Art –, der mit Objektivierung der Sache und ihres Wertes zusammengeht, als untunlich erscheinen. Es ist tatsächlich, als ob das erste Bewußtwerden des Objektes als solchen ein Angstgefühl mit sich brächte, als ob man damit ein Stück des Ich als von ihm losgerissen empfände. Daher sogleich die mythologische und fetischistische Deutung, die das Objekt erfährt eine Deutung, die einerseits dieses Angstgefühl hypostasiert, ihm die einzige für den Primitivmenschen mögliche Begreiflichkeit gibt, andrerseits aber es doch mildert und, indem es das Objekt vermenschlicht, es der Versöhnung mit der Subjektivität wieder näher bringt. Aus dieser Sachlage erklären sich vielerlei Erscheinungen. Zunächst die Selbstverständlichkeit und Ehrenhaftigkeit des Raubes, des subjektiven und unnormierten Ansichreißens des gerade Gewünschten. Noch weit über die homerische Zeit hinaus erhielt sich in zurückgebliebenen griechischen Landschaften der Seeraub als legitimer Erwerb, ja, bei manchen primitiven Völkern gilt der gewaltsame Raub sogar für vornehmer als das redliche Bezahlen. Auch dies letztere ist durchaus verständlich: beim Tauschen und Bezahlen ordnet man sich einer objektiven Norm unter, vor der die starke und autonome Persönlichkeit zurückzutreten hat, wozu sie eben oft nicht geneigt ist. Daher überhaupt die Verachtung des Handels durch sehr aristokratisch-eigenwillige Naturen. Daher begünstigt aber auch der Tausch die Friedlichkeit der Beziehungen unter den Menschen, weil sie in ihm eine intersubjektive, ihnen gleichmäßig übergeordnete Sachlichkeit und Normierung anerkennen.

Es gibt, wie man von vornherein vermuten muß, eine Reihe vermittelnder Erscheinungen zwischen der reinen Subjektivität des Besitzwechsels, die der Raub und das Geschenk darstellen, zu seiner Objektivität in der Form des Tausches, in dem die Dinge gemäß dem gleichen, in ihnen enthaltenen Wertquantum getauscht werden. Dahin gehört die traditionelle Gegenseitigkeit des Schenkens. Bei vielen Völkern besteht die Vorstellung, daß man ein Geschenk nur dann annehmen dürfe, wenn man es durch ein Gegengeschenk erwidern, sozusagen nachträglich erwerben könne. Dies geht direkt in den regulären Tausch über, wenn dieser, wie oft im Orient, so vor sich geht, daß der Verkäufer das Objekt dem Käufer »schenkt« – aber wehe diesem, wenn er nicht das entsprechende »Gegengeschenk« macht. Dahin gehört die sogenannte Bittarbeit, die sich in der ganzen Welt findet: das Zusammentreten von Nachbarn oder Freunden zur Beihilfe bei dringenden Arbeiten, ohne daß dafür ein Lohn gezahlt würde. Aber es ist wenigstens durchgehends üblich, die Bittarbeiter reichlich zu bewirten und ihnen möglichst ein kleines Fest zu geben, so daß z. B. von den Serben berichtet wird, nur Wohlhabende könnten es sich leisten, eine solche freiwillige Arbeitsgenossenschaft zusammenzurufen. Freilich existiert noch heute im Orient und vielfach sogar in Italien der Begriff des angemessenen Preises nicht, der für Käufer wie Verkäufer eine Schranke und Fixierung der subjektiven Vorteile bilde. Jeder verkauft so teuer und kauft so billig, wie er es vom Gegenpart durchsetzen kann, der Tausch ist ausschließlich subjektive Aktion zwischen zwei Personen, deren Ausgang nur von der Schlauheit, der Begierde, der Beharrlichkeit der Parteien, aber nicht von der Sache und ihrem überindividuell begründeten Verhältnis zum Preise abhängt. Darin eben bestünde ein Geschäft – so setzte mir ein römischer Antiquitätenhändler auseinander – daß der Kaufmann zu viel forderte und der Käufer zu wenig böte und man sich so allmählich bis zu einem akzeptabeln Punkt einander näherte. Hier sieht man also deutlich, wie sich das objektiv Angemessene aus dem Gegeneinander der Subjekte herausstellt – das Ganze ein Hineinragen der vortauschlichen Verhältnisse in eine schon durchgängige, aber noch nicht zu ihrer Konsequenz gelangte Tauschwirtschaft. Der Tausch ist schon da, es ist schon ein objektives Geschehen zwischen den Werten – aber seine Ausführung ist durchaus subjektiv, sein Modus und seine Quanten hängen ausschließlich an der Relation der personalen Qualitäten. – Hier liegt wohl auch das letzte Motiv für die sakralen Formen, die gesetzliche Fixiertheit, die Sicherung durch Öffentlichkeit und Tradition, mit der das Kaufgeschäft wohl in allen frühen Kulturen ausgestattet ist. Damit erreichte man die aus dem Wesen des Tausches geforderte Über-Subjektivität, die man noch nicht durch das sachliche Verhältnis der Objekte selbst herzustellen wußte. Solange der Tausch und die Idee, daß es zwischen den Dingen so etwas wie Wertgleichheit gebe, noch etwas Neues war, wäre es zu einer Verständigung überhaupt nicht gekommen, wenn je zwei Individuen untereinander sie hätten treffen müssen. Deshalb finden wir überall und bis tief in das Mittelalter hinein nicht nur Öffentlichkeit der Tauschgeschäfte, sondern vor allem genaue Festsetzungen über die Austauschquanten der gebräuchlichen Waren, denen kein Kontrahentenpaar sich durch private Abmachungen entziehen durfte. Freilich ist diese Objektivität eine mechanische und äußerliche, die sich auf Motive und Mächte außerhalb des einzelnen Tauschaktes stützt. Die sachlich angemessene enthebt sich solcher apriorischen Festlegung und bezieht in die Berechnung die Gesamtheit der besonderen Umstände ein, die durch jene Form vergewaltigt wurden. Aber Absicht und Prinzip sind die gleichen: die übersubjektive Wertfixierung im Tausche, die eben später nur einen sachlicheren, immanenteren Weg fand. Der von Individuen frei und selbständig vollzogene Tausch setzt eine Taxierung nach in der Sache gelegenen Maßstäben voraus, und darum muß in dem vorhergehenden Stadium der Tausch inhaltlich fixiert und diese Fixierung sozial garantiert sein, weil sonst dem Individuum jeder Anhaltspunkt für die Schätzung der Gegenstände gefehlt hätte; wie das gleiche Motiv wohl auch der primitiven Arbeit' allenthalben eine sozial geregelte Richtung und Vollzugsweise verliehen hat, auch hier die Wesensgleichheit zwischen Tausch und Arbeit, richtiger: die Zugehörigkeit der letzteren zu dem ersteren als höherem Begriff, erweisend. Die mannigfaltigen Beziehungen zwischen dem objektiv Gültigen – in praktischer wie in theoretischer Hinsicht – und seiner sozialen Bedeutung und Anerkennung stellen sich auch sonst vielfach in dieser Weise historisch dar: daß die soziale Wechselwirkung, Verbreitung, Normierung dem Individuum diejenige Dignität und Festigkeit eines Lebensinhaltes gewährt, die es später aus dessen sachlichem Recht und Beweisbarkeit gewinnt. So glaubt das Kind jeden beliebigen Sachverhalt nicht aus inneren Gründen, sondern weil es den mitteilenden Personen vertraut; nicht etwas, sondern jemandem wird geglaubt. So sind wir in unserem Geschmack von der Mode, d. h. von der sozialen Verbreitung eines Tuns und Schätzens abhängig, bis wir, spät genug, die Sache selbst ästhetisch zu beurteilen wissen. So stellt sich die Notwendigkeit für das Individuum, sich über sich selbst zu erweitern und zugleich in dieser Erweiterung einen überpersönlichen Halt und Festigkeit zu gewinnen: im Recht, in der Erkenntnis, in der Sittlichkeit – als die Macht der Tradition dar; an Stelle dieser zuerst unentbehrlichen Normierung, die zwar über das Einzelsubjekt, aber noch nicht über Subjekte überhaupt hinausgeht, wächst allmählich die aus der Kenntnis der Dinge und dem Ergreifen der idealen Normen hervorgehende auf. Das Außer-Uns, dessen wir zu unserer Orientierung bedürfen, nimmt die leichter zugängliche Form der sozialen Allgemeinheit an, ehe es uns als objektive Bestimmtheit der Realitäten und der Ideen entgegentritt. In diesem die Kulturentwicklung durchgängig charakterisierenden Sinne also ist der Tausch ursprünglich Sache der sozialen Festsetzung, bis die Individuen die Objekte und ihre eigenen Wertungen hinreichend kennen, um die Tauschraten selbst von Fall zu Fall zu fixieren. Hier liegt das Bedenken nahe, daß diese gesellschaftlich-gesetzlichen Preistaxen, nach denen der Verkehr in allen Halbkulturen vor sich zu gehen pflegt, doch nur das Resultat vieler vorangegangener Tauschaktionen sein könnten, die zuerst in singulärer und noch unfixierter Form unter Individuen stattgefunden hätten. Allein dieser Einwand trägt nicht weiter als gegenüber der Sprache, Sitte, Recht, Religion, kurz allen grundlegenden Lebensformen, die in der Gruppe als ganzer entstehen und herrschen, und die man sich lange nur durch die Erfindung Einzelner zu erklären wußte; während sie sicher von vornherein als interindividuelle Gebilde entstanden sind, als Wechselwirkung zwischen den Einzelnen und den Vielen, so daß keinem Individuum für sich ihr Ursprung zuzuschieben ist. Ich halte es durchaus für möglich, daß der Vorgänger des sozial fixierten Tausches nicht der individuelle Tausch gewesen ist, sondern eine Art des Besitzwechsels, die überhaupt nicht Tausch war, etwa der Raub. Dann wäre der interindividuelle Tausch nichts anderes als ein Friedensvertrag gewesen, und Tausch und fixierter Tausch wären als eine einheitliche Tatsache entsprungen. Eine Analogie hierzu würden die Fälle bieten, wo der primitive Frauenraub dem exogamischen Friedensvertrag mit Nachbarn – der den Kauf und Austausch der Weiber gründet und regelt – vorangegangen ist. Die hiermit eingeführte, prinzipiell neue Eheform wird also sogleich in ihrer, das Individuum präjudizierenden Fixiertheit gesetzt. Freie Sonderverträge der gleichen Art zwischen Einzelnen brauchen dabei keineswegs vorausgegangen zu sein, sondern zugleich mit dem Typus ist auch eine soziale Regelung gegeben. Es ist ein Vorurteil, daß jede sozial geregelte Beziehung sich aus der inhaltlich gleichen, aber in nur individueller, sozial ungeregelter Form stattfindenden, historisch entwickelt haben müsse. Was ihr vorangegangen ist, kann vielmehr derselbe Inhalt in einer der Art nach ganz anderen Beziehungsform gewesen sein. Der Tausch geht über die subjektiven Aneignungsformen fremden Besitzes, den Raub und das Geschenk, hinaus – ganz dem entsprechend, daß die Geschenke an den Häuptling und die von ihm erhobenen Strafgelder die Vorstufen der Steuer sind – und findet auf diesem Wege als erste übersubjektive Möglichkeit die soziale Regelung vor, welche ihrerseits erst die Objektivität im sachlichen Sinne vorbereitet; zuerst mit dieser gesellschaftlichen Normierung wächst in jene freien Besitzwechsel zwischen Individuen die Objektivität ein, die das Wesen des Tausches ist.

Aus alledem ergibt sich: der Tausch ist ein soziologisches Gebilde sui generis, eine originäre Form und Funktion des interindividuellen Lebens, die sich keineswegs aus jener qualitativen und quantitativen Beschaffenheit der Dinge, die man als Brauchbarkeit und Seltenheit bezeichnet, durch logische Konsequenz ergibt. Umgekehrt vielmehr entwickeln beide ihre wertbildende Bedeutung erst unter der Voraussetzung des Tausches. Wo der Tausch, das Einsetzen von Opfern zum Zwecke des Gewinnes, aus irgendeinem Grunde ausgeschlossen ist, da kann alle Seltenheit des begehrten Objektes es nicht zu einem wirtschaftlichen Wert machen; bis die Möglichkeit jener Relation wieder eintritt. – Die Bedeutung des Gegenstandes für das Individuum liegt immer nur in seiner Begehrtheit; für das, was er uns leisten soll, ist seine qualitative Bestimmtheit entscheidend, und wenn wir ihn haben, in dem positiven Verhältnis zu ihm, ist es für diese Bedeutung seiner völlig einerlei, ob außer ihm noch viele, wenige oder keine Exemplare seiner Art existieren. (Ich behandle hier die Fälle nicht gesondert, in denen die Seltenheit selbst wieder eine Art qualitativer Bestimmtheit wird, die uns den Gegenstand begehrungswürdig macht, wie bei alten Briefmarken, Kuriositäten, Antiquitäten ohne ästhetischen oder historischen Wert u. ähnl.) Übrigens mag die Unterschiedsempfindung, deren es für den Genuß im engeren Sinne des Wortes bedarf, allenthalben durch eine Seltenheit des Objekts, d. h. dadurch, daß es eben nicht überall und jederzeit genossen wird, bedingt sein. Allein diese innere psychologische Bedingung des Genusses wird nicht praktisch, schon weil sie nicht zur Überwindung, sondern gerade zur Konservierung, ja zur Steigerung der Seltenheit führen müßte, was erfahrungsgemäß nicht geschieht. Um was es sich praktisch außer dem direkten, von der Qualität der Dinge abhängigen Genuß ihrer nur handeln kann, ist der Weg zu demselben. Sobald dieser Weg ein langer und schwieriger ist, über Opfer an Geduld, Enttäuschungen, Arbeit, Unbequemlichkeiten, Verzichtleistungen usw. hinwegführt, nennen wir den Gegenstand »selten«. Man kann dies unmittelbar so ausdrücken: die Dinge sind nicht schwer zu erlangen, weil sie selten sind, sondern sie sind selten, weil sie schwer zu erlangen sind. Die starre äußerliche Tatsache, daß es einen zu geringen Vorrat an gewissen Gütern gibt, um all unser Begehren nach ihnen zu befriedigen, wäre an sich bedeutungslos. Es gibt viele objektiv seltene Dinge, die nicht im wirtschaftlichen Sinne selten sind; ob sie dies letztere sind, darüber entscheidet allein der Umstand, welches Maß von Kraft, Geduld, Hingabe zu ihrem Tauscherwerbe nötig ist – Opfer, die natürlich das Begehrtwerden des Objekts voraussetzen. Die Schwierigkeit des Erlangens, d. h. die Größe des in den Tausch einzusetzenden Opfers ist das eigentümliche konstitutive Wertmoment, von dem die Seltenheit nur die äußere Erscheinung, nur die Objektivierung in der Form der Quantität ausmacht. Man übersieht oft, daß die Seltenheit rein als solche doch nur eine negative Bestimmung ist, ein Seiendes durch ein Nichtseiendes charakterisiert. Das Nichtseiende aber kann nicht wirksam sein, jede positive Folge muß von einer positiven Bestimmung und Kraft ausgehen, von der jene negative gleichsam nur der Schatten ist. Diese konkreten Kräfte sind aber ersichtlich nur die in den Tausch eingesetzten. Nur darf man den Charakter der Konkretheit dadurch nicht herabgesetzt glauben, daß er hier nicht an dem Einzelwesen als solchem haftet. Die Relativität zwischen den Dingen hat die einzigartige Stellung: über das Einzelne hinauszureichen, nur an der Mehrheit als solcher zu subsistieren und doch keine bloß begriffliche Verallgemeinerung und Abstraktion zu sein.

Auch hierin drückt sich die tiefe Beziehung der Relativität zur Vergesellschaftung aus, die die unmittelbarste Veranschaulichung der Relativität an dem Material der Menschheit ist: die Gesellschaft ist das übersinguläre Gebilde, das doch nicht abstrakt ist. Durch sie wird das geschichtliche Leben der Alternative enthoben, entweder an bloßen Individuen oder in abstrakten Allgemeinheiten zu verlaufen; sie ist das Allgemeine, das zugleich konkrete Lebendigkeit hat. Daher die einzigartige Bedeutung, die der Tausch, als die wirtschaftsgeschichtliche Verwirklichung der Relativität der Dinge, für die Gesellschaft hat: er erhebt das einzelne Ding und seine Bedeutung für den einzelnen Menschen aus ihrer Singularität, aber nicht in die Sphäre des Abstrakten hinein, sondern in die Lebendigkeit der Wechselwirkung, die gleichsam der Körper des wirtschaftlichen Wertes ist. Man mag den einen Gegenstand noch so genau auf seine für sich seienden Bestimmungen untersuchen: den wirtschaftlichen Wert wird man nicht finden, da dieser ausschließlich in dem Wechselverhältnis besteht; das sich auf Grund dieser Bestimmungen zwischen mehreren Gegenständen herstellt, jedes das andere bedingend und ihm die Bedeutung zurückgebend, die es von ihm empfängt.


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