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Sechstes Kapitel.

Nach einer eingehenden Untersuchung der Wunden Zbyszkos stellte der Pater Wyszoniek zwar fest, daß sich jener nur eine Rippe gebrochen habe, allein er erklärte trotzdem, er vermöge sich in den ersten Tagen nicht für dessen Wiederherstellung zu verbürgen, weil er nicht wissen könne, ob sich das Herz des Kranken nicht gedreht habe, ob dessen Leber nicht völlig weggerissen sei. Auch Fulk de Lorche mußte sich gegen Abend infolge eines großen Schwächeanfalles niederlegen, ja, des andern Tages verursachte ihm sogar die geringste Bewegung heftige Schmerzen. Gemeinsam mit den andern Hoffräulein wartete die Fürstin und Danusia der Kranken und bereitete ihnen nach der Vorschrift des Paters Wyszoniek allerlei Salben und Tränklein. In Zbyszkos Befinden trat keine Besserung ein, und besonders die Blutspuren, die sich immer wieder auf seinen Lippen zeigten, beunruhigten den Pater Wyszoniek aufs höchste. Der Kranke blieb indessen vollständig bei Besinnung. Als er im Laufe des Tages von Danusia vernahm, wer ihm das Leben gerettet habe, ließ er trotz seiner großen Entkräftung den Böhmen zu sich entbieten, um diesem zu danken und ihn zu belohnen. Unwillkürlich gedachte er dabei Jagienkas, die ihm den getreuen Mann zugeschickt hatte, ohne deren liebevolle Fürsorge er wohl elend zu Grunde gegangen wäre. Dieser Gedanke lastete schwer auf ihm, weil er fühlte, daß er all das Gute, welches ihm durch das Mägdlein zu teil geworden, niemals mit Gleichem vergelten, nein, daß er ihm nur Kummer und Schmerz bereiten werde. Was half es, wenn er sich auch stets sagte: »Ich kann mich doch nicht in zwei Hälften teilen,« sein Gewissen regte sich immer wieder, und die Antwort des Böhmen vermehrte noch die innere Unruhe.

»Ich schwur meiner jungfräulichen Gebieterin bei meiner Ehre als Edelmann, daß ich über Euch wachen werde!« erklärte Hlawa. »So that ich denn auch nur meine Pflicht, ohne auf eine Belohnung zu rechnen. Meiner Herrin, nicht mir, müßt Ihr, o Herr, für Euere Rettung danken.«

Schwer atmend, entgegnete Zbyszko nichts. Nach kurzem Schweigen hub jedoch der Böhme abermals an: »So Ihr wünscht, daß ich nach Bogdaniec eile, trete ich sofort den Weg dahin an. Vielleicht möchtet Ihr gern den alten Herrn sehen, denn Gott allein weiß, wie es mit Euch gehen wird.«

»Wie hat sich Pater Wyszoniek ausgesprochen?« fragte Zbyszko.

»Pater Wyszoniek glaubt, er könne sich erst zur Zeit des Neumondes bestimmt über Euern Zustand äußern. Bis zum Neumond aber sind es noch vier Tage.«

»Hei! Weshalb willst Du dann nach Bogdaniec? Entweder sterbe ich, ehe der Ohm hier sein kann, oder ich werde genesen.«

»Wollt Ihr vielleicht ein Schreiben nach Bogdaniec senden? Sanderus ist der Schrift kundig. Dann wird man dort wenigstens etwas von Euch wissen und eine Messe für Euch lesen lassen.«

»Laß mich in Frieden, denn ich fühle mich sehr schwach. Sollte ich sterben, kehrst Du nach Zgorzelic zurück und meldest dort, was geschehen ist. An einer Messe für mich, wird es dann nicht fehlen. Werde ich wohl hier oder in Ciechanow begraben werden?«

»Entweder in Ciechanow oder in Przasnysz. Im Walde lassen sich nur die Kurpen begraben, über deren Gräber die Wölfe heulen. Ich hörte indessen von dem Gefolge, der Fürst beabsichtige, in längstens zwei Tagen mit dem ganzen Hofe nach Ciechanow zurückzukehren, um sich später von dort nach Warschau zu begeben.«

»Man wird mich aber sicherlich nicht allein hier zurücklassen!« rief der Kranke.

Und er täuschte sich nicht. Da Pater Wyszoniek gegen die Ueberbringung Zbyszkos nach Przasnysz Einsprache erhob, bat Anna Danuta noch im Laufe des gleichen Tages den Fürsten, er möge ihr erlauben, mit Danusia und den andern Hoffräulein den Arzt bei der Pflege des Verletzten zu unterstützen und daher noch länger in dem Jagdhofe zu verweilen. Kaum hatte indessen Herr de Lorche, der sich schon nach zwei Tagen bedeutend besser fühlte, in Erfahrung gebracht, daß die »Damen« blieben, so erklärte er sofort, er werde ihnen Gesellschaft leisten, um sie auf dem Rückwege, oder bei einem Ueberfalle der »Sarazenen« vor Gefahr zu schützen. Woher diese »Sarazenen« kommen sollten, diese Frage legte sich freilich der tapfere Lothringer nicht vor. Im fernen Westen wurden zwar auch die Litauer so genannt. Von diesen konnte aber doch der Tochter Kiejstuts, der Schwester Witolds und der Base des mächtigen »Krakauer Königs« Jagiello keine Gefahr drohen! Trotz allem aber, was Fulk de Lorche in Masovien über die getauften Litauer und über die Vereinigung der zwei Kronen auf dem Haupte eines Herrschers zu Ohren gekommen war, hatte er schon viel zu lange unter den Kreuzrittern verweilt, schenkte er deren Worten noch zu viel Glauben, um nicht den Litauern das Schlimmste zuzutrauen.

Inzwischen trat ein Ereignis ein, welches auf das Verhältnis des Fürsten Janusz zu den bei ihm als Gäste weilenden Kreuzrittern seinen Schatten warf. Am Tage vor dem Aufbruche aus dem Jagdhofe trafen die Brüder Gottfried und Rotgier ein, die bis jetzt in Ciechanow zurückgeblieben waren, und mit ihnen kam ein gewisser Herr de Fourey, als Ueberbringer schlimmer Nachrichten für die Kreuzritter. Es war nämlich gar mancherlei geschehen. Bei dem kreuzritterlichen Starosten in Lubow hielten sich verschiedene fremde Gäste auf. Zu diesen gehörten, außer dem Herrn de Fourey selbst, Herr de Bergow und Herr Majneger, beide Geschlechtern entstammend, die sich hohe Verdienste um den Orden erworben hatten. Sie alle hörten fortwährend von den Kämpfen mit Jurand aus Spychow. Anstatt sich aber dadurch abschrecken zu lassen, beschlossen sie, den berühmten Helden an den Kampfplatz zu locken, wollten sie sich doch selbst davon überzeugen, ob er in der That so Grausen erregend sei, wie von ihm die Rede ging. Der Starost widersetzte sich freilich anfänglich diesem Vorhaben, indem er auf den zwischen dem Orden und dem masovischen Fürstenpaare herrschenden Frieden hinwies. Schließlich ließ er jedoch, wohl von der Hoffnung getragen, auf solche Weise von dem gefürchteten Nachbarn befreit zu werden, nicht nur alles geschehen, sondern gestattete ihnen auch, bewaffnete Kriegsknechte mitzuführen. Unverweilt sandten nun die Ritter eine Herausforderung an Jurand, der sich auch sofort bereit erklärte, unweit Spychows, an der Grenze Preußens, mit zwei seiner Gefährten gegen die drei Ritter unter dem Vorbehalte kämpfen zu wollen, daß letztere die Reisigen entlassen würden. Da nun aber die Ritter weder auf diese Bedingung eingehen, noch sich aus der Nähe Spychows entfernen wollten, überfiel sie Jurand, schlug die Knechte in die Flucht, brachte dem Herrn Majneger einen tödlichen Lanzenstich bei und nahm den Herrn de Bergow nicht nur gefangen, sondern ließ ihn in einen der unterirdischen Kerker in Spychow werfen. De Fourcy allein rettete sich. Drei Tage irrte er in den masovischen Wäldern umher. Zufällig erfuhr er dann von Pechsiedern, daß in Ciechanow Ordensbrüder weilten, und er beschloß, sich zu diesen zu begeben. Gemeinsam mit ihnen wollte er Klage bei dem erlauchten Fürsten erheben, gemeinsam mit ihnen gedachte er dessen Schutz zu erflehen, um die Befreiung des Herrn de Bergow zu erwirken.

Diese Kunde trübte das gute Einvernehmen zwischen dem Fürsten und den Gästen. Nicht allein die beiden neu angelangten Brüder, sondern auch Hugo de Danveld und Zygfryd de Löwe forderten ungestüm von dem Fürsten, daß er dem Orden sofort Genugthuung verschaffe, das Grenzgebiet vor den gewaltthätigen Ueberfällen Jurands schütze und diesen für alle begangenen Unthaten gehörig bestrafe. Vornehmlich Hugo de Danveld verlangte in fast drohendem Tone blutige Rache, erregte doch stets die Erinnerung an die Abrechnung, die er selbst noch mit Jurand zu halten hatte, Scham und Schmerz in ihm.

»Laßt uns die Klage vor den Großmeister bringen!« rief er. »Und wenn Eure fürstliche Durchlaucht uns keine Genugthuung verschafft, werden wir sie durch jenen selbst auch dann erringen, wenn sich sogar ganz Masovien auf seiten des verruchten Räubers stellen sollte.«

Nun aber geriet der von Natur so milde Fürst in gewaltigen Zorn.

»Wofür begehrt Ihr Genugthuung?« rief er. »Wenn Jurand Euch zuerst überfallen, Dörfer verbrannt, Herden hinweggetrieben und Leute getötet hätte, würde ich ihn sicherlich sofort vor Gericht laden und ihm Strafe zuerkennen. Ihr habt ihn aber selbst herausgefordert. Und Euer Starost hat ein Gefolge bewaffneter Kriegsknechte zugelassen. Was that aber Jurand? Wohl nahm er die Herausforderung an, er verlangte jedoch gleichzeitig die Entlassung der Mannen. Soll ich ihn etwa dafür strafen oder vor Gericht fordern? Ihr selbst habt mit dem gefürchteten Kämpen angebunden, vor dem alle zittern, Ihr selbst habt mutwillig die Gefahr auf Euer Haupt herabbeschworen – was wollt Ihr daher von mir? Kann ich ihm vielleicht die Abwehr verbieten, wenn es Euch beliebt, ihn mit bewaffneter Hand zu bedrohen?«

»Nicht der Orden band mit ihm an, nur die Gäste, die fremden Ritter haben ihn gefordert!« warf Hugo ein.

»Für die Gäste ist der Orden verantwortlich, ganz abgesehen davon, daß jenen Gästen Kriegsknechte aus der Lubaner Besatzung zuerteilt worden waren.«

»Sollte der Starost vielleicht seine Gäste einfach hinschlachten lassen?«

Jetzt wandte sich der Fürst zu Zygfryd und sagte: »Hütet Euch davor, Ungerechtes zu fordern und Gott durch Eure Winkelzüge zu erzürnen.«

Aber Zygfryd antwortete streng: »Der Herr de Bergow muß aus seinem Kerker befreit werden, denn seit undenklichen Zeiten gehören Männer aus seinem Geschlechte dem Orden an und große Verdienste haben sie sich um die Kreuzritter erworben.«

»Majnegers Tod muß gerächt werden!« fügte Hugo de Danveld hinzu.

Als der Fürst dies vernahm, strich er die Haare auf beiden Seiten zurück, erhob sich von seinem Sitze und schritt mit unheilverkündendem Antlitz auf den Deutschen zu. Doch augenscheinlich von dem Gedanken ausgehend, daß er mit seinen Gästen spreche, bezwang er sich nochmals und sagte, die Hand auf Zygfryds Schulter legend, in maßvollem Tone: »Hört mich aufmerksam an, mein Starost! Ihr tragt das Kreuz auf dem Mantel, so antwortet mir denn auf Euer Gewissen, bei diesem Kreuze! War Jurand im Recht oder war er nicht im Recht?«

»Herr de Bergow muß aus dem Kerker befreit werden!« entgegnete Zygfryd de Löwe.

Während einiger Minuten herrschte tiefes Schweigen, dann rief der Fürst: »Gott verleihe mir Langmut und Geduld.«

Zygfryd aber fuhr mit einer harten, einem schneidenden Schwerte ähnlichen Stimme fort: »Diese Beschimpfung, welche uns, als unsern Gästen zugefügt, betroffen hat, giebt uns nur einen neuen Anlaß zur Klage. Nirgendwo, seit dem Bestehen des Ordens, weder in Palästina noch in Siebenbürgen, noch inmitten der bis jetzt heidnisch gebliebenen Litauer, ist uns von irgend einem namhaften Helden so viel Schlimmes zugefügt worden, wie von diesem Räuber aus Spychow. Eure fürstliche Durchlaucht! Nicht für eine Schandthat fordern wir Genugthuung und Strafe, sondern für tausende, nicht für einen Ueberfall, sondern für fünfzig, nicht für das Blut, das einmal, nein, das Jahre hindurch vergossen ward. Eine Flamme vom Himmel sollte dafür das verruchte Nest der Bosheit und Grausamkeit verzehren! Wessen Klagen schreien um Rache zu Gott? Die unseren! Wessen Thränen? Die unseren! Umsonst verlangen wir Gerechtigkeit, umsonst fordern wir strenges Gericht. Ungehört verhallen unsere Worte!«

Auf diese Rede hin antwortete Fürst Janusz kopfschüttelnd: »Hei! Gar häufig sind die Kreuzritter früher in Spychow zu Gast gewesen, und erst dann zeigte sich Jurand Euch feindlich, als durch Eure Grausamkeit ihm das geliebte Weib durch den Tod entrissen ward. Zudem aber, wie viele Male habt Ihr schon selbst mit ihm angebunden, um ihn, wie auch jetzt, dafür zu züchtigen, daß er Eure Ritter siegreich bekämpfte? Wie viele Male überfielt Ihr ihn wie Räuber, wie viele Male habt Ihr die Armbrust im Walde auf ihn abgeschossen? Freilich überfiel er Euch dann auch, von Rache getrieben – doch habt Ihr es, haben es die Ritter, die in Euern Landen seßhaft sind, jemals anders gemacht? Wer hat das friedfertige Volk in Masovien überfallen, wer hat die Herden hinweggetrieben, die Dörfer niedergebrannt, Männer, Weiber und Kinder gemordet? Und welche Antwort erhielt ich aus Marienburg, als ich mich bei dem Meister darob beschwerte: ›An der Grenze herrscht gewöhnlich Aufruhr!‹ Laßt mich in Frieden! Euch geziemt es wahrlich nicht, Klage zuführen. Euch, die Ihr mich in Friedenszeiten, da ich ohne Waffen und Wehr war, auf meinem eigenen Grund und Boden überfielt. Euch, die Ihr mich jetzt noch in Euern unterirdischen Kerkern schmachten ließet, wenn Ihr nicht den Zorn des Krakauer Königs gefürchtet hättet. So bezahltet Ihr mich, der ich dem Geschlechte Eurer Wohlthäter entstamme. Laßt mich in Frieden, denn Ihr könnt nicht von Genugthuung sprechen!«

Voll sichtlicher Ungeduld lauschten die Kreuzritter diesen Worten, war es ihnen doch höchst peinlich, daß der Fürst in Gegenwart des Herrn de Fourcy die Vorfälle bei Zlotorja berührte. Vornehmlich Hugo de Danveld schien darauf bedacht zu sein, dem Gespräche eine andere Wendung zu geben, und begann folgendermaßen: »Eure fürstliche Durchlaucht hat sich einen Irrtum zu schulden kommen lassen. Nicht um die Furcht vor dem Krakauer König handelt es sich hier, sondern um eine Genugthuung. Unser Meister aber kann für gesetzlose Zustände an den Grenzen nicht verantwortlich gemacht werden, denn soviele Königreiche es auch auf der Welt giebt, überall an den Grenzen stiften unruhige Geister Aufruhr.«

»Auf diese Weise sprichst Du und verlangst doch, daß Gericht über Jurand gehalten werde. Was wollt Ihr denn eigentlich?«

»Genugthuung und Bestrafung.«

Seine knöchernen Hände faltend sagte der Fürst nun abermals: »Der Herr verleihe mir Langmut und Geduld!«

»Möge Eure fürstliche Durchlaucht bedenken,« ergriff Danveld von neuem das Wort, »daß unsere kampflustigen Ritter nur weltliche und nicht dem deutschen Stamme entsprossene Mannen bedrängen. Eure jedoch heben die Hand gegen den Deutschen Orden auf, wodurch sie sich gegen den Heiland schwer vergehen. Welche Strafen, welche Marter sind aber groß genug für solche, die gegen den Gekreuzigten sündigen?«

»Höre!« rief der Fürst. »Führe den Namen Gottes nicht beständig im Munde, denn Ihn täuschest Du nicht.«

So sprechend, ergriff er den Kreuzritter an den Schultern und schüttelte ihn dermaßen, daß dieser, erschreckt, mit viel sanfterer Stimme fortfuhr: »Wenn unsere Gäste zuerst in Jurands Gebiet eingedrungen sind, wenn sie die Reisigen nicht entlassen haben, so lobe ich sie nicht darob. Dies fragt sich aber noch, wie es sich auch fragt, ob Jurand die Forderung angenommen hat.«

So sprechend, warf er dem Herrn de Fourcy, unmerklich mit den Augen blinzelnd, einen bedeutsamen Blick zu, wohl um diesen zur Verneinung der Frage zu veranlassen.

Allein de Fourcy entgegnete rasch, ohne das Zeichen zu bemerken oder bemerken zu wollen: »Jurand erklärte sich bereit, mit zwei seiner Gefährten gegen uns drei zu kämpfen, sobald wir die Kriegsknechte entlassen haben würden.«

»Seid Ihr dessen gewiß?«

»Auf meine Ehre! Ich und de Bergow wären auf die Bedingungen eingegangen, Majneger aber widersetzte sich unserm Vorhaben.«

»Starost aus Szezytno!« ließ sich jetzt der Fürst vernehmen, »Ihr wißt besser als die andern, daß Jurand die Forderung nicht abgewiesen hat. Wer aber von Euch diesen zu einem Kampfe zu Fuß oder zu Pferd fordern will,« wandte er sich hierauf an alle, »dem erteile ich die Erlaubnis dazu. Wenn es Euch gelingen würde, Jurand zu töten oder in Eure Gewalt zu bringen, käme Herr de Bergow ohne Lösegeld aus der Gefangenschaft. Mehr verlangt jedoch nicht von mir, denn mehr gestehe ich Euch nicht zu.«

Nach diesen Worten trat tiefes Schweigen ein. Weder Hugo de Danveld, noch Zygfryd de Löwe, weder Rotgier noch Godfryd waren trotz ihrer anerkannten Tapferkeit geneigt, mit dem gefürchteten Gebieter von Spychow einen Kampf auf Tod und Leben zu wagen. Dazu hätte sich vielleicht ein fremder, aus fernen Landen stammender Kämpe wie de Lorche oder de Fourcy verstanden, ersterer war jedoch nicht anwesend, und letzterer stand noch zu sehr unter dem Eindrucke der jüngsten Erlebnisse.

»Einmal habe ich ihn gesehen,« murmelte er vor sich hin, »aber niemals möchte ich ihm wieder gegenüberstehen.«

Zygfryd de Löwe aber ließ sich also vernehmen: »Die Ordensbrüder dürfen sich nur dann zum Zweikampfe stellen, wenn sie die besondere Erlaubnis des Meisters und des Großmarschalls dazu erhalten haben. Uns ist es aber nicht um die Erlaubnis zum Kampfe zu thun, uns liegt vor allem daran, daß de Bergow aus der Haft entlassen werde, daß Jurand mit dem Kopfe für seine Thaten büße.«

»Nicht Euch gebührt es, in diesen Landen Recht zu sprechen!«

»Schon viel zu lange haben wir die schlimme Nachbarschaft geduldig ertragen. Doch unser Meister wird uns Gerechtigkeit verschaffen.«

»Wohl steht er über Euch, aber nicht über Masovien.«

»Hinter dem Meister stehen die Deutschen und der römische Kaiser.«

»Und hinter mir steht der polnische König, dem noch weit mehr Länder und Völker unterthan sind.«

»Will Eure fürstliche Durchlaucht dem Orden den Krieg erklären?«

»Wollte ich Krieg führen, so würde ich Euch nicht in Masovien erwarten, sondern gegen Euch ziehen. Doch unterlaß Deine Drohungen, denn ich hege keine Furcht.«

»Was soll ich dem Meister melden?«

»Euer Meister hat mir keine Frage vorgelegt. Sage ihm, was Du willst.«

»So werden wir uns denn selbst Gerechtigkeit verschaffen müssen!«

»Nimm Dich in acht!« rief nun der Fürst mit einer vor Wut entstellten Stimme, indem er dem Kreuzritter mit der geballten Hand drohte, »nimm Dich in acht! Wohl gestattete ich Dir, Jurand zum Zweikampfe zu fordern, doch planst Du, mit dem Kriegsheere des Ordens in das Land zu fallen, dann schlage ich los, und als Gefangener, nicht als Gast wirst Du hier weilen.«

Seine Geduld war offenbar erschöpft. Mit aller Gewalt schleuderte er seine Kopfbedeckung auf den Tisch und warf, aus der Stube eilend, die Thüre krachend hinter sich zu.

Bleich vor Zorn blieben die Kreuzritter zurück, und Herr de Fourcy blickte verstört von einem zum andern.

Hugo de Danveld aber sprang fast mit Fäusten auf Herrn de Fourcy zu.

»Was soll das Zugeständnis bedeuten,« schrie er, »daß Ihr Jurand zuerst gefordert habt?«

»Ich habe die Wahrheit gesprochen.«

»Ihr hättet alles leugnen sollen.«

»Zum Kampfe zog ich aus und jede Lüge liegt mir fern.«

»Brav habt Ihr gekämpft, das muß ich sagen.«

»Und Ihr? Seid Ihr denn nicht vor Jurand nach Szezytno geflohen?«

» Pax!« rief nun de Löwe. »Dieser Ritter ist der Gast des Ordens.«

»Seine Aussage fällt ja gar nicht ins Gewicht,« warf nun auch Godfryd ein. »Ohne Gericht kann Jurand nicht gestraft werden, und vor Gericht würde ja doch alles an den Tag kommen.«

»Was ist jetzt zu thun?« warf Rotgier ein.

Ein kurzes Schweigen trat ein, dann ergriff der strenge und halsstarrige Zygfryd de Löwe das Wort.

»Man muß dem Bluthunde einmal Ernst zeigen,« erklärte er. »De Bergow darf nicht länger in Ketten schmachten. Wir bieten die Besatzung von Szezytno, von Insburk und von Lubow auf, wir rufen den Kulmer Adel zu Hilfe und ziehen gegen Jurand. Es ist an der Zeit, ein Ende mit ihm zu machen.«

Nun aber kreuzte der schlaue Danveld, der es verstand, ein jedes Ding von zwei Seiten zu beleuchten, die Hände über dem Haupte, runzelte sinnend die Stirn und bemerkte: »Ohne Erlaubnis des Meisters ist an ein solches Unternehmen nicht zu denken.«

»Wenn wir unser Ziel erreichen, wird uns der Meister darob loben!« bemerkte Godfryd.

»Und wenn es uns nicht gelingt, wenn der Fürst die Lanzenträger gegen uns schickt? Was dann?«

»Davor wird er sich hüten. Es herrscht Frieden zwischen dem Orden und ihm.«

»Freilich herrscht Frieden. Wir aber brechen ihn dann. Und unsere Besatzungen werden gegen die Masuren nicht aufkommen.«

»Schließlich muß aber der Meister für uns eintreten und damit ist der Krieg erklärt.«

»Nein, nein,« ließ sich hieraus de Danveld nach kurzem Sinnen vernehmen, »dem ist nicht so. Wenn wir Erfolg haben, wird sich der Meister wohl insgeheim freuen, er wird Gesandte an den fürstlichen Hof schicken und die Verhandlungen so führen lassen, daß wir straflos ausgehen. Falls wir jedoch eine Niederlage erleiden, wird der Orden weder für uns einstehen, noch den Krieg erklären. Dazu müßten wir einen andern Meister haben. Hinter dem Fürsten steht der polnische König und mit dem bindet der Meister nicht an.«

»Dessenungeachtet haben wir uns des Gebietes um Dobrzyn bemächtigt, als Beweis dafür, wie wenig wir uns vor Krakau fürchten.«

»Weil wir scheinbar ein Recht dazu hatten ... denkt an Opolczik. Nun, wir nahmen das Land ja nur als Pfand, aber auch das ...« Hier blickte er sich vorsichtig um und fügte dann leise hinzu: »Ich hörte in Marienburg, daß auf dieses Pfand sofort Verzicht geleistet würde, wenn andernfalls ein Krieg drohen sollte.«

»Ach,« meinte Rotgier ungeduldig, »ich wollte, Markward Salzbach wäre hier, oder Szomberg, der die Brut Witolds erwürgt hat, die wüßten uns Rat zu schaffen wegen Jurand. Bedenkt Witold! Der Statthalter Jagiellos! Der mächtige Fürst! Und trotzdem entging Szomberg der Strafe. Er erwürgte Witolds Kinder und ward nicht zur Rechenschaft dafür gezogen! Wahrlich, uns mangelt es an Leuten, die sofort für alles Rat wissen.«

Als Hugo de Danveld diese Worte vernahm, versank er, das Haupt in die Hand stützend, längere Zeit in tiefes Sinnen. Dann, mit einem Male, leuchteten seine Augen und er hub also an: »Gesegnet sei der Augenblick, in dem Ihr den Namen des tapferen Szomberg nanntet.«

»Weshalb? Ist Euch ein guter Gedanke gekommen?« fragte Zygfryd de Lowe.

»Sprecht schnell!« riefen Rotgier und Godfryd.

»So hört denn!« antwortete Hugo. »Jurand hat ein einziges Kind, eine Tochter, die er wie seinen Augapfel liebt.«

»Ja, wir kennen sie. Nicht nur er, sondern auch die Fürstin Anna Danuta ist dem Mädchen zugethan.«

»Gewiß. Hört mich an! Wie wäre es, wenn wir versuchten, das Mädchen in unsere Gewalt zu bekommen? Jurand würde für dessen Auslösung nicht nur de Bergow, sondern sich selbst und Spychow dazu zum Opfer bringen.«

»Bei dem Blute des heiligen Bonifatius, das in Dockum vergossen ward!« rief Godfryd, »ganz so würde es kommen, wie Ihr sagt!«

Dann aber verstummten alle für eine geraume Zeit, wie erschreckt über einen so waghalsigen, gefährlichen Plan. Schließlich wandte sich Rotgier an Zygfryd de Löwe.

»Euer Verstand ist ebenso groß wie Eure Erfahrung. Was haltet Ihr von dem allem?«

»Ich glaube, daß die Sache der Ueberlegung wert ist.«

»Aber die Fürstin hat ja das Mädchen stets um sich,« fuhr Rotgier fort, »liebt sie es doch gleich einer eigenen Tochter. Bedenkt, welch ein Lärm sich erheben wird.«

Hugo de Danveld lachte.

»Ihr habt selbst behauptet,« warf er ein, »daß Szomberg die Brut Witolds vergiftet oder erwürgt habe. Nun, welche Strafe ist ihm dafür geworden? Bei jeder Veranlassung wird Lärm geschlagen. Wenn wir aber Jurand in Ketten unserem Meister zuführen, ernten wir sicher Lob, wartet unsrer keine Strafe.«

»Ei,« ließ sich nun de Löwe vernehmen, »gar günstig ist freilich jetzt die Gelegenheit zu einem Ueberfalle. Der Fürst verläßt den Jagdhof, auf dem nur Anna Danuta mit den Hoffräulein bleibt. Doch wie läßt sich der Ueberfall auf einem fürstlichen Herrenhofe in Friedenszeiten rechtfertigen? Wenn dies noch Spychow wäre! Denkt an Zlotorja! Ganz das Gleiche kann sich abermals ereignen! Bei allen Königen, bei dem Papste werden aufs neue Klagen über die Gewaltthätigkeit des Ordens geführt werden, wieder wird sich der verfluchte Jagiello in wilden Drohungen ergehen, und der Meister, nun, ihr kennt ihn ja! Gern bemächtigt er sich zwar alles dessen, was er bekommen kann, aber einem Kriege mit Jagiello, dem geht er aus dem Wege. Ja, in ganz Masovien, in ganz Polen wird man gegen uns wüten.«

»Inzwischen bleichen aber die Gebeine Jurands am Galgen!« entgegnete Hugo de Danveld. »Und zudem, wer hat Euch denn davon gesprochen, daß das Mägdlein aus dem Jagdhofe entführt, von der Seite der Fürstin hinweggerissen werden soll?«

»Aus Ciechanow könnt Ihr es aber doch nicht entführen, aus Ciechanow, wo sich außer den Edelleuten dreihundert Bogenschützen befinden?«

»Nein! Kann aber Jurand nicht plötzlich erkranken und etliche Boten zu dem Mägdlein entsenden? Daß es die Fürstin unter solchen Umständen ziehen läßt, das unterliegt keinem Zweifel. Und wenn die Maid unterwegs verschwindet, wer wagt es, Euch oder mir zu sagen: ›Du hast sie geraubt‹?«

»Ei,« warf de Löwe ungeduldig dazwischen, »so bewerkstelligt doch, daß Jurand erkrankt und nach dem Mägdlein schickt!«

Mit triumphierendem Lächeln erklärte Hugo de Danveld darauf: »Ich kenne einen Goldschmied, der, wegen Diebstahls aus Marienburg vertrieben, seinen Wohnsitz in Szezytno aufgeschlagen hat und der jedes Siegel täuschend nachzuahmen versteht. Auch gebiete ich über Leute, welche, trotzdem sie uns untergeben sind, aus dem masurischen Volke stammen. Versteht Ihr mich endlich?«

»Ich verstehe alles!« erklärte Godfryd eifrig.

Dann drückte er die Augen zusammen, als ob er etwas in weiter Ferne schauen wolle und fuhr fort: »Ich sehe Jurand mit dem Stricke um den Hals an dem Danziger Thore in Marienburg stehen, ich sehe, wie ihn unsere Knechte mit den Füßen stoßen.«


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