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Elftes Kapitel

Bubele und Babele kommen zur Affengroßmutter.

»Ach nee, und kein Bäckerjunge bringt frische Semmeln!« Mit diesem Seufzer hatte Lina den ersten Morgen im Urwald begrüßt. Sie schaute ganz traurig drein. Dietrich und Lieselinchen, die das hörten, lachten: der Gedanke, es könnte ein Bäckerjunge durch den Urwald laufen und den oft eine halbe Tagereise und weiter von einander entfernten Ansiedlern frische Semmeln bringen, kam ihnen doch sehr komisch vor. Aber Lina seufzte weiter, sie seufzte über dies und das. Daß Bimbo auf ihrem Tuch gelegen, hatte ihr die Laune verdorben. Sie vermißte Dinge, die sie in dem kleinen Feldburg auch nicht hätte kaufen können, und tat, als hätte sie im Urwald eine Straße mit den allerschönsten Läden erwartet. Einmal seufzte sie um eine Tortenschüssel, dann um elektrisches Licht und um ein Klavier, darauf sie nicht spielen konnte; sie klagte, daß kein Schaukelstuhl da sei, obgleich sie noch nie in ihrem Leben darin gesessen hatte, und jammerte so um Babeles große Puppenstube, daß Babele mit zu klagen anfing.

Es war nur gut, daß Lina über allem Gestöhne nicht die Arbeit vergaß, denn es gab sehr viel zu tun am ersten Tag im kleinen Waldhaus. Die mitgebrachten Sachen mußten ausgepackt und gut verwahrt werden. Gar manches Ding, das in der Heimat als recht geringfügig angeschaut worden war, hatte hier großen Wert, weil es schwer war, es herbeizuschaffen.

Als Lina so gar nicht aufhörte zu klagen, sagte Dietrich endlich: »Na weißt du, Robinson hat es viel schwerer gehabt, der hat sich sogar seine Kochtöpfe selbst brennen müssen.«

»Na, dann ist der Herr Robinson schön dumm,« rief Lina, die in ihrem ganzen Leben noch nichts von dem Buch gehört hatte. »Die Töpfe werden wohl ordentlich schief geworden sein. Wo wohnt denn der Herr Robinson? Hat er euch mal besucht?«

Dietrich lachte, Lieselinchen lachte, Fabian grinste, und selbst Bubele und Babele lachten mit, sie wußten doch wenigstens schon, daß Robinson ein Mann aus einem Buche war.

Lina aber wurde fuchswild, als sie das hörte. »Nun hört's auf!« schalt sie. »Ich soll mich wohl noch um 'nen Mann aus einem Buche kümmern? Was geht mich das an, wie der seine Kochtöpfe macht!« Sie schnitt dabei ein so bitterböses Gesicht, daß Bimbo in seinem Winkel wieder alle Bravheit vergaß, die er sich vorgenommen hatte, und dachte: »Schade, daß die keinen Schwanz hat, eia, die würde ich ordentlich daran ziehen.« Er wußte eben nicht, daß es Lina gar nicht so böse meinte, aber die Kinder wußten es, und sie halfen unbekümmert um alle Klagen fröhlich beim Einrichten.

Bubele und Babele halfen auf ihre Weise auch mit. Ihre Hilfe bestand darin, daß sie immer gerade da waren, wo sie niemand brauchen konnte. Sie steckten ihre kleinen Nasen überall hin, wollten alles anschauen, alles anfassen und fragten dies und das. Auch in den Wald wollten sie laufen, und sie konnten es gar nicht begreifen, daß man darin nicht einfach spazieren gehen und Blumen suchen konnte wie im Stadtwäldchen in Feldburg.

»Ihr dürft nur dicht am Haus spielen,« gebot der Vater.

»Geht ja nicht fort!« warnte die Mutter, und Fabian drohte: »Im Wald sind wilde Tiere.«

Auch Dietrich und Lieselinchen sagten es, aber Bubele und Babele waren gerade solche neugierige Schelme wie Bimbo einer gewesen war; sie schauten verlangend nach dem Wald hinüber. Sicher war es wundervoll drin. Wenn man nur einmal hineinschauen könnte!

Doch die großen Geschwister paßten auf die beiden Kleinen auf, sie hatten ihnen auch so viel zu zeigen und zu erzählen, daß die das Waldlaufen darüber vergaßen. Es war erstaunlich, wie viel Arbeit es gab. Lina hatte gedacht, im Urwald könnte man sich einfach die allerschönsten Früchte von den Bäumen pflücken, nun war sie sehr verwundert, als Herr Hesse davon sprach, daß er pflanzen und säen und ein Stuck Wald urbar machen müßte. Eine Rossa machen, nennen das die deutschen Ansiedler. Ehe es dazu kam, mußte aber noch viel in Haus und Hof geschafft werden. Für die Ziegen mußte ein festerer Stall gebaut und für die Hühner, die Herr Johnson senden wollte, mußte ein Hof hoch umzäunt werden. Wohl stand ein kleiner Stall da, aber Rieke und Sophie, so hatten die Kinder die ersten Ziegen getauft, waren gleich am ersten Morgen mit dem Kopf durch die Wand gefahren.

Ein Wunder war das nicht, denn der Stall war nur leicht aus Palmiten aufgebaut, aber Lina sagte doch mißbilligend: »Bei uns hätte das keine Ziege getan. Das wird wohl so 'ne Mode sein, die hier die Tiere von den Affen lernen!« Sie sah dabei Bimbo strafend an, als wäre der mit dem Kopf irgendwo durchgefahren; nicht Joli, denn Joli war jetzt in ihren Augen das klügste und artigste Tier, das es nur geben konnte. Zu artig war er fast; er saß am ersten Tage im Urwald immer still vor dem Hause und kletterte und sprang nicht wie sonst.

»Joli ist krank,« sagten die Kinder.

»Ihm gefällt's hier nicht,« meinte Lina, »und da zeigt er, wie klug er ist. Je ja, was wahr ist, muß wahr bleiben, in Deutschland gefällt's mir auch besser als in dem gräßlichen Urwald.«

Joli war weder krank, noch sehnte er sich nach Deutschland, nur traurig war er, unendlich traurig. So nahe war er der Heimat und konnte nicht hinlaufen. Immer wieder schaute er sehnsüchtig nach dem Wald hinüber, und etliche Male war er nahe daran, auszureißen. Doch dann dachte er an alle Güte, die er erfahren hatte, und blieb. Bimbo hätte seinem Kameraden himmelgern etwas von Herrn Rossos Besuch erzählt, es war aber nicht möglich, immer kam gerade jemand auf die Veranda, wenn er davon anfangen wollte. Er wurde zuletzt ganz wütend darüber, und ungeduldig sehnte er den Abend herbei. Dann würde sicher Joli-Tohubohu zu ihm hinauskommen, und sie könnten miteinander schwatzen, und vielleicht kam auch Herr Rosso wieder, und – – –

So dachte Bimbo gerade, als Lina auf die Veranda kam. Diese, die müde von der schweren Arbeit war, die dieser erste Tag gebracht hatte, wollte zu Bett gehen. Sie war schon halb ausgezogen, da war ihr eingefallen, daß Fabian ihr gesagt hatte, sie möchte doch dem kranken Affen etwas Wasser hinstellen.

»Wenn's auch 'n Affe ist, Durst ist nichts Gutes,« dachte Lina und ging noch rasch mit dem Wassernapf hinaus. Lina war ein ganz hübsches Mädchen mit sehr schönen, blonden Haaren; sie hatte sich diese, die sie sonst hochgesteckt trug, in einen Zopf geflochten, der ihr nun lang über den Rücken hing. Weil sie rasch ging, pendelte der dicke, blonde Zopf wie ein Perpendikel hin und her. Schwipp schwapp, schwipp schwapp ging es.

Bimbo hob den Kopf, als Lina kam.

»Die Menschenfrau hat einen Schwanz,« dachte er, »oh was für einen dicken Schwanz, na warte!« Seine guten Vorsätze, den Gedanken, daß er den Menschen dankbar sein müßte, alles, alles hatte er in diesem Augenblick vergessen. Er sah nur Linas Zopf und – – –

»Alle guten Geister! Der Affe, der Affe, das Untier! Hilfe, Hilfe!« kreischte Lina auf. Bimbo hing an ihrem Zopf und schwenkte den wie wild.

Fabian stürzte aus dem Haus, Dietrich und Lieselinchen kamen ihm nach, und schwapp hatte Bimbo eine solche Ohrfeige weg, daß er erschrocken den Zopf fahren ließ und hinunterpurzelte.

»Na warte,« brummte Fabian, packte den kleinen Missetäter fest am Genick, trug ihn in den neugebauten, noch leeren Stall und schloß ihn da ein.

Da war nun Bimbo gefangen und konnte über seine Missetat nachdenken. Er schrie laut, aber niemand kam. Er weinte, er jammerte, er bettelte in seiner Affensprache, alles blieb still. Er versprach, gut zu sein, er wollte nie, nie wieder jemand ärgern, er wollte, – ach, was wollte er nicht alles, aber nichts half, man ließ ihn allein. Und er hatte kein Wasser, kein Futter, kein weiches Lager, nichts. Das war wieder eine böse Nacht! Es dauerte sehr, sehr lange, bis Bimbo unter Tränen und Schmerzen einschlief.

Joli dachte in dieser Nacht viel an den armen, eingesperrten Genossen; er hätte ihm gern geholfen, aber er konnte nicht die Tür aufmachen, und so konnte er ihn auch nicht einmal trösten. Ja am andern Morgen hörte er, wie Fabian streng sagte: »Der Affe bleibt eingesperrt.«

Da gab es keine Widerrede. Bimbo blieb im Stall, und Joli vernahm draußen nur sein jämmerliches Klagen. Das tat ihm bitter leid, und um es nicht mehr zu hören, verließ er seinen Platz vor dem Hause und lief zu Fabian, der Holz zu Brettern hobelte.

Bubele und Babele hatten an diesem Morgen erst überall zugesehen, mal da, mal dort, und wieder hatte der Vater gesagt! »Ihr müßt ganz nahe beim Hause bleiben.« Und die Mutter hatte gewarnt. »Bleibt hier, geht ja nicht fort!«

.

Aber Bubele und Babele dachten, wie kleine, unnütze Leute eben denken: »Ach was, so schlimm wird's doch nicht sein. Einmal ist keinmal. Bis an den Waldrand können wir schon gehen.« Und ganz heimlich Hand in Hand trabten die beiden kleinen Schelme davon. Niemand sah es, denn alle waren mit ihrer Arbeit beschäftigt, und Joli hatte gerade seinen Platz vor dem Hause verlassen. Es merkte auch nicht gleich jemand Bubeles und Babeles Abwesenheit, und so kamen die ungehindert bis zum Waldrand. Schön war der Weg nicht, denn einen richtigen Pfad gab es gar nicht; die beiden Kinder mußten über umgestürzte Bäume, über riesige Wurzeln klettern und sich durch Gestrüpp den Weg bahnen. Aber das gefiel ihnen gerade besonders, das war so lustig. Ritsch, ratsch, riß es an den Kleidchen, hopsassa ging es hinauf, hinunter; sie kicherten beide sehr vergnügt mitsammen darüber.

An der grünen, blühenden Mauer des Waldrandes wollte das Babele aber brav umkehren. »Wir soll'n nich in 'n Wald!«

»Nur mal gucken,« bettelte das Bubele, »nur 'n bißchen.«

Das Hineingucken ging aber nicht so leicht, denn alles war zu dicht verwachsen, und so kletterten die Kinder eine Weile am Waldrand entlang, bis das Bubele rief: »Da is'n Loch!«

An einer Stelle war die dichte grüne Wand durchbrochen, jemand mußte sich gewaltsam hindurchgedrängt haben; daß es der Jaguar gewesen war, den der Urwaldjäger erschossen hatte, ahnten die Kleinen nicht. Durch das Loch kamen sie nun freilich in das Waldinnere hinein, aber wie sahen sie aus! Ihre Kittel hatten mehr Löcher als ein Teesieb, ihre Gesichter und Arme waren zerkratzt. Doch das Bubele marschierte kühn immer weiter darauf los. Innen aber blieb auch er erschrocken stehen. Eine tiefe Dämmerung herrschte, der Boden war fast kahl, denn die riesenhohen Bäume bildeten mit ihren Wipfeln ein so dichtes Dach, daß die Sonne gar nicht hindurchscheinen konnte.

»Komm heim!« bettelte Babele ängstlich.

»Sieh doch da!« schrie Bubele und deutete in die Höhe. Da saßen drei rosenfarbene, wunderschöne Papageien dicht nebeneinander auf einem Ast und fingen an zu schreien, als sie die Kinder erblickten. Sie nickten mit den Köpfen, schlugen mit den Flügeln und sagten immerzu etwas, aber leider verstanden Bubele und Babele nicht, daß ihnen Ko, Ho und Lo zuriefen, sie sollten geschwind wieder heimgehen.

»Da ist ein Affe wie unser Joli,« rief Babele und schaute einem eilig davonspringenden schwarzbraunen Äffchen nach.

»Komm noch'n Stückchen,« bat Bubele und zog das Schwesterlein mit sich. Zögernd folgte die Kleine, aber da, da huschte plötzlich eine wunderschöne, buntschillernde Eidechse an ihnen vorbei, wie die verwunschene Prinzessin im Märchen sah das Tierchen aus. Vergebens warnten die rosenfarbenen Papageien, diese uralten, klugen Wächter des Waldes:

»Oh, oh, oh,
Wo, wo, wo
Wollt ihr hin?
Ko, Ho, Lo,
Sagen so:
Kehret um
Schnell, schnell,
Auf der Stell.
Mit Haut und Haar
Der Jaguar,
Ganz und gar.
Frißt euch auf.«

Bubele und Babele verstanden das Rufen nicht. Neugierig kletterten sie weiter. Einmal purzelte das Bubele hin, ein anderes Mal das Babele, aber die Neugier trieb die kleinen Schelme doch immer vorwärts. Erst als ein langgezogenes, tiefes Brummen ertönte, blieben sie erschrocken stehen und schauten nun furchtsam in die Dämmerung hinein. Was war das gewesen?

»Wir wollen heim,« rief Babele ängstlich.

»Ja, heim,« stammelte Bubele und faßte das Schwesterchen fester an der Hand. Sie drehten eilig um, um geschwind zurückzulaufen. Sie merkten dabei nicht, daß sie nach einer verkehrten Seite gingen, aber das merkten sie, daß sie recht, recht langsam vorwärts kamen. Sie stolperten über Wurzeln und über riesige umgestürzte Bäume, die schon halb vermodert waren. Und dabei bekamen nicht allein ihre Kittel Risse, auch ihre Beinchen, Arme und ihre Näslein bekamen blaue Flecke und Schrammen; Bubeles beide Knie waren schon wund, und aus Babeles Naschen tropfte das Blut.

Und immer noch wollte das Loch nicht kommen, durch das sie vorher geschlüpft waren. Stärker und grollender ertönte das Brummen, und dann wurden auch andere Stimmen laut; es kreischte und schrie in den Wipfeln der Bäume, und die Kinder sahen dunkle Schatten huschen und hörten den Flügelschlag großer Vögel. Dabei war es ihnen, als würde es immer dunkler und dunkler. Sie heulten vor Angst, schrieen nach Vater und Mutter, aber niemand gab ihnen Antwort. Keine Menschenstimme war zu hören.

In seiner Herzensangst fing das Bubele an zu beten: »Ich bin klein, mein Herz ist rein« – da stockte er, sah das Schwesterchen an, und beide schluchzten laut: »Wir wollen's nicht wieder tun, wollen nicht mehr fortlaufen, huhuhu, huhuhuhu!« Nun bereuten sie bitter ihren Ungehorsam. Ach, wären sie doch nicht fortgelaufen! Hilflos standen sie in dem ungeheuren Wald. Kein Weg, kein Steg war zu sehen, das Dickicht wurde immer undurchdringlicher, und immer lauter und kreischender ertönten die Stimmen der Tiere. Affen schwangen sich von Baum zu Baum, und das flatterte und huschte, schrie und lief um die beiden herum, die sich zitternd umschlungen hielten. Babele konnte nicht mehr laufen, und Bubeles Beinchen taten so weh, ach so weh!

»Da!« schrie Bubele plötzlich und »Da!« schluchzte Babele, und beide starrten entsetzt auf ein ziemlich großes Tier, das einen mächtigen, buschigen Schwanz hatte und einen ganz, ganz langen, spitzen Kopf. Das Tier war furchtbar häßlich und brummte grollend, während es sich den Kindern näherte.

Die brachen in ein wildes, gellendes Angstgeschrei aus. Sie wollten davonlaufen, aber da kletterten plötzlich von allen Bäumen viele, viele schwarzbraune Affen herunter und umdrängten sie beide, faßten nach ihren Händen, zerrten sie an den Kitteln und zogen und schoben sie sacht vorwärts. Von einem Baum herab sahen die drei rosenfarbenen Papageien zu, und Tamandu, der alte Ameisenbär, brummte zu diesen herauf: »Ich fand sie, ich fand sie.«

»Koko, koko,
Wir sind froh!«

kreischten die Papageien zurück und nickten ernsthaft und feierlich mit den Köpfen. Die Affen aber schrieen:

.

»Wir sollen euch holen,
Itohu hat's befohlen,
Herr Rosso dazu
Und Tamandu.«

Bubele und Babele aber verstanden nichts von all dem Gekreisch und Gebrüll, sie merkten es in ihrer gräßlichen Angst gar nicht, daß die Tiere sie alle ganz freundlich ansahen und sie trösten wollten. Ihr Schreien gellte durch den Wald, und manches Tier verwunderte sich sehr darüber, daß die hübschen, kleinen Menschenkinder gar so arg brüllten. Die Affen aber zogen Bubele und Babele immer weiter, da gab es kein Aufhalten, kein Stillstehen, sacht, ganz sacht ging es weiter. Wollte das Bubele straucheln oder das Babele fallen, geschwind sprangen ein paar Affchen zu und hielten sie fest.

Auf einmal wurde es heller. Husch kamen ein paar Sonnenstrahlen und guckten in den Wald hinein, da mußte doch irgendwo eine Lücke sein, durch die sie hindurch konnten. Je heller es wurde, desto deutlicher hörten die Kinder auch ein lautes Rauschen und Brausen, und dann drängten die Affen sie durch ein aus lauter feuerfarbenen Blüten gebildetes Tor, und nun standen sie draußen in der hellen Mittagssonne. Die beiden Kleinen waren so zerrissen, zerschunden, verheult und müde, sie zitterten so vor Angst, daß sie sich gar nicht umsahen. Und doch war es ein wunderschönes Plätzchen am Flußufer. Dietrich und Lieselinchen hätten es wohl erkannt, denn hier waren sie unter Herrn Johnsons Führung vorbeigezogen, und wieder wie damals saß auch die Urgroßmutter Itohu in ihrer Lianenlaube.

.

»Da sind sie, da sind sie,« jubelten die Äfflein und vollführten die drolligsten Sprünge. Doch Bubele und Babele konnten nicht mehr darüber lachen, sie purzelten über ihre eigenen Beinchen und sanken erschöpft unter der Lianenlaube nieder.

»Laßt sie ruhen, laßt sie ruhen,« rief Itohu, »und holt Schlafkraut herbei. Ich will meinen Spruch sagen, und wenn sie dann einschlafen, verstehen sie unsere Sprache im Traum.«

»Sag ihnen, daß sie Tohubohu freilassen, sag es ihnen!« flehten die Affen eifrig. »Vergiß es nicht!« bat noch Juju, ein rechter kleiner Ich-weiß-alles.

»Bei meinem Schwanz,« rief die Urgroßmutter lachend, »als ob ich das vergessen würde! Dazu hab' ich euch doch ausgeschickt, die Kinder gerade hierher zu holen. Ihr hättet sie ja ebensogut jenseits aus dem Walde hinausgeleiten können, dorthin, wo das Menschenhaus liegt. Da wären die Kleinen jetzt schon daheim, aber ich mußte es ihnen doch erst sagen, daß sie Tohubohu freilassen sollen.«

»Urgroßmutter ist aber klug,« riefen die Affenkinder, und eines rieb sich die Nase, eines biß sich in den Schwanz, ein drittes fuhr sich mit dem Fuß über den Kopf, alles taten sie vor lauter Erstaunen.

»Lauft doch, lauft doch, holt die Blüten,« rief Itohu ärgerlich, »und starrt mich nicht an, als wärt ihr die Krokodile!«

Da rannten die Affenkinder hierhin und dahin, Krokodile wollten sie nicht sein, die galten für dumm; Bubele und Babele aber saßen unter der Laube und heulten.

»Bu – ube – le!« schluchzte Babele, und Bubele jammerte: »Ba – a – be – bele, ich fürcht' mich so!«

Das Schwesterchen schmiegte sich an das Brüderchen an, und dessen Tränen tropften auf des Schwesterchens Kittel. So saßen sie eng aneinander gehuschelt, als die kleinen Affen zurückkehrten und der Urgroßmutter eine Blüte brachten; Itohu zerpflückte die Blume, streute die Blätter über die Kinder und murmelte etwas dazu, während im Gezweig die rosenfarbenen Papageien kreischten:

»Kokoko
Schlafet froh.
Eia–u
Bei Itohu.«

Die Papageien fanden, ihr Schlafgesang sei wunderschön, aber das Babele sagte noch halb im Schlaf ängstlich: »Die sind gewiß bös', die schreien so!« Bubele gab keine Antwort mehr, er schlief schon, und auch Babele vergaß bald alle Angst, alle Schmerzen und schlief fest ein.

Da stieg Itohu ganz langsam aus der Lianenlaube herab, und vom Schulbaum herunter kam Herr Rosso, und beide setzten sich ganz feierlich neben die schlafenden Kinder, und die Urgroßmutter begann die Geschichte von Tohubohu zu erzählen, wie er ausgezogen war und nun als Joli wiedergekehrt sei.

»Wenn sie dich nun aber doch nicht verstehen?« rief Juju vorwitzig und ein bissel ungläubig.

»Faß den Menschenjungen am rechten Ohr und frage ihn, dann wirst du merken, daß er dich versteht,« sagte die Urgroßmutter und lächelte.

.

Juju tat es geschwind, er griff kräftig zu, und schwapp! schlug ihn das Bubele im Traum mit seiner kleinen Faust so fest auf die platte Nase, daß Juju gleich hinpurzelte.

»Er versteht's, er versteht's!« rief Juju und verkroch sich rasch im Gebüsch. Der Menschenjunge schlug auch zu derb!

»Verstehst du mich?« flüsterte Itohu und strich sacht über Babeles verweintes Gesichtchen.

»Ja,« lallte die Kleine schlaftrunken, »ja, Joli freilassen, Joli freilassen!«

»Willst du es auch sagen?« flüsterte die alte Affenfrau wieder.

»Ja, ja, Joli freilassen, Joli freilassen!« murmelte Babele und reckte und dehnte sich auf dem blumigen Lager.

»Hütet euch, hütet euch! Menschen sind im Wald!« brummte Tamandu plötzlich aus der Tiefe heraus, und erschrocken kletterten alle Affen geschwind auf die schützenden Bäume. Eines hing sich da wohl geschwind an des andern Schwanz, der schrie, jener schalt, einer klagte, der andere weinte, und in den Lärm hinein tönte noch einmal Tamandus Brummen: »Hütet euch, Menschen, Menschen sind im Wald!«

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