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Leonatos Garten: Hero, Margareta, Ursula
Hero. Lauf, Margareta, in den Saal hinauf,
Dort findst du meine Muhme Beatrice
Mit Claudio und dem Prinzen im Gespräch:
Raun ihr ins Ohr dass ich und Ursula
Im Garten sind und unsre Unterhaltung
Nur sie betrifft. Sag dass du uns behorcht.
Dann heiss sie schleichen in die dichte Laube,
Wo Geissblattranken, an der Sonn erblüht,
Der Sonne Zutritt wehren: wie Günstlinge,
Von Fürsten stolz gemacht, mit Stolz verschatten
Die Kraft die sie erschaffen. Dort versteckt,
Soll sie uns reden hören. Dies besorge,
Mach deine Sachen gut und lass uns jetzt.
Mar. Ich schaffe gleich sie her, verlasst euch drauf. Ab.
Hero. Nun, Ursula, wenn Beatrice kommt,
Und wir im Baumgang auf und nieder wandeln,
Sei einzig nur vom Benedikt die Rede.
Wenn ich ihn nenne, spiele du die Rolle
Und preis ihn mehr als je ein Mann verdient.
Darauf erzähl ich dir wie Benedikt
In Beatricen sterblich sei verliebt.
So schnitzt der kleine Gott die schlauen Pfeile
Die schon durch Hören treffen. Jetzt fang an:
Denn sieh nur, Beatrice, wie ein Kiebitz,
Schlüpft dicht am Boden hin, uns zu belauschen.
Beatrice schleicht in die Laube
Urs. Die Lust beim Angeln ist, sehn wie der Fisch
Den Silberstrom mit goldnen Rudern teilt,
Den tückischen Haken gierig zu verschlingen.
So angeln wir nach jener die sich eben
Geduckt dort in die Geissblatthülle birgt.
Sorgt nicht um meinen Anteil am Gespräch.
Hero. Komm näher nun, dass nichts ihr Ohr verliere
Vom süssen Köder den wir trüglich legen . . .
Nein wahrlich, Ursula, sie ist zu stolz.
Ich kenn ihr Herz, es ist so spröd und wild
Wie ungezähmte Falken.
Urs. Ists denn wahr?
Liebt Benedikt so einzig Beatricen?
Hero. So sagt der Prinz und auch mein Bräutigam.
Urs. Und trugen sie euch auf es ihr zu sagen?
Hero. Sie baten mich, ich mög es ihr entdecken.
Ich sprach, da Benedikt ihr Freund, sie möchten
Ihm raten diese Neigung zu besiegen,
Dass Beatrice nie davon erfahre.
Urs. Warum, mein Fräulein? Sagt, verdienet er
So reiche, vollbeglückte Ehe nicht
Als Beatrice je gewähren kann?
Hero. Beim Liebesgott! Ich weiss es, er verdient
So viel als man dem Manne nur vergönnt.
Doch schuf Natur noch nie ein weiblich Herz
Von spröderm Stoff als das der Beatrice:
Hohn und Verachtung sprüht ihr funkelnd Auge
Und schmäht worauf es blickt. So hoch im Preise
Stellt sie den eignen Witz, dass alles andre
Ihr nur gering erscheint: sie kann nicht lieben,
Noch Bild und Form der Neigung in sich prägen,
So ist sie in sich selbst vergafft.
Urs. Gewiss,
Und darum wärs nicht gut, erführe sies
Wie er sie liebt: sie würd ihn nur verspotten.
Hero. Da sagst du wahr. Ich sah noch keinen Mann,
Wie klug, wie jung und brav, wie schön gebildet,
Sie münzt ihn um ins Gegenteil. Wenn blond,
So schwur sie, sollt er ihre Schwester heissen.
Wenn schwarz, hatt einen Harlekin Natur
Sich zeichnend einen Tintenfleck gemacht . . .
Schlank, wars ein Lanzenschaft mit schlechtem Kopf,
Klein, ein Agatbild ungeschickt geschnitzt . . .
Sprach er, ein Wetterhahn für alle Winde . . .
Schwieg er, ein Block den keiner je bewegt.
So kehrt sie stets die falsche Seit hervor
Und gibt der Tugend und der Wahrheit nie
Was Einfalt und Verdienst erwarten dürfen.
Urs. Ja, ja, die Nörgelei ist nicht empfehlend.
Hero. O nein! So schroff, so ausser aller Form,
Wie's Beatrice liebt, empfiehlt wohl nie.
Wer aber darf ihrs sagen? Wollt ich reden,
Ich müsst an ihrem Spott vergehn: sie lachte
Mich aus mir selbst, erdrückte mich mit Witz.
Mag Benedikt drum wie verdecktes Feuer
In Seufzern sterben, innen sich verzehren:
Das ist ein bessrer Tod als totgespottet,
Was schlimmer ist denn totgekitzelt werden.
Urs. Erzählts ihr doch, hört was sie dazu sagt.
Hero. Nein, lieber geh ich selbst zu Benedikt
Und rat ihm seine Leidenschaft zu zähmen.
Und wahrlich, einige ehrliche Verleumdung
Auf meine Muhm ersinn ich. Niemand glaubt
Wie leicht ein böses Wort die Gunst vergiftet.
Urs. Tut eurer Muhme nicht so grosses Unrecht.
Sie kann nicht alles Urteil so verleugnen,
Mit soviel schnellem, scharfem Witz begabt
Als man sie dessen rühmt, zurückzuweisen
Solch seltnen Kavalier als Signor Benedikt.
Hero. In ganz Italien sucht er seinesgleichen –
Versteht sich, meinen Claudio ausgenommen.
Urs. Ich bitt euch, zürnt mir deshalb nicht, mein Fräulein –
Ich sage meine Ansicht: Signor Benedikt
Zählt an Gestalt und Haltung, Geist und Mut
In unserm Welschland zu den ersten Männern.
Hero. Gewiss, er ist von hochbewährtem Ruf.
Urs. Den ihm sein Wert verdient, eh er ihn hatte . . .
Wann macht ihr Hochzeit, Fräulein?
Hero. Nun, allernächstens . . . morgen wohl. Jetzt komm,
Ich will dir Kleider zeigen, rate mir
Was morgen mich am besten schmücken wird.
Urs. Die klebt am Leim: ihr fingt sie, dafür steh ich.
Hero. So bringt ein Zufall Amorn oft Gelingen:
Den trifft sein Pfeil, den fängt er sich mit Schlingen. Ab.
Bea. kommt hervor:
Welch Feuer durchströmt mein Ohr! Ists wirklich wahr?
Wollt ihr mir Spott und Hohn so scharf verweisen?
Leb wohl denn, Mädchenstolz, auf immerdar,
Mich lüstet nimmermehr nach solchem Preisen.
Und, Benedikt, lieb immer: so gewöhn ich
Mein wildes Herz an deine teure Hand:
Sei treu, und, Liebster, deine Treue krön ich,
Und unsre Herzen bind ein heiliges Band.
Man sagt, du bist es wert, und ich kann schwören,
Ich wusst es schon, und besser als vom Hören. Ab.
Zimmer in Leonatos Hause: Don Pedro, Claudio, Benedikt und Leonato
Ped. Ich bleibe nur noch, bis eure Hochzeit vorüber ist und gehe dann nach Arragon zurück.
Clau. Ich will euch dahin begleiten, mein Fürst, wenn ihr mirs vergönnen wollt.
Ped. Nein, das hiesse den neuen Glanz eures Ehestands ebenso verderben als einem Kinde sein neues Kleid zeigen und ihm verbieten es zu tragen. Ich will mir nur Benedikts Gesellschaft erbitten, denn der ist von der Spitze seines Scheitels bis zur Sohle seines Fusses lauter Fröhlichkeit. Er hat Kupidos Bogensehne zwei- oder dreimal durchgeschnitten, und der kleine Henker wagt seitdem nicht mehr auf ihn zu schiessen. Er hat ein Herz, so gesund und ganz wie eine Glocke, und seine Zunge ist der Klöpfel: denn was sein Herz denkt spricht seine Zunge aus.
Ben. Ihr Herren, ich bin nicht mehr der ich war.
Leo. Das sag ich auch, mir scheint, ihr seid ernster.
Clau. Ich hoffe, er ist verliebt.
Ped. Fort mit dem unnützen Menschen! Es ist kein so wahrer Blutstropfen in ihm, dass er durch eine Liebe wahrhaft gerührt werden könnte. Ist er ernst, so fehlts ihm an Geld.
Ben. Mich schmerzt der Zahn.
Ped. Zieht ihn.
Ben. Zum Henker!
Clau. Erst gehenkt und dann gezogen!
Ped. Was! um Zahnweh seufzen?
Leo. Was doch nur ein Fluss oder ein Wurm ist?
Ben. Gut, jeder kann den Schmerz bemeistern, nur der nicht der ihn fühlt.
Clau. Ich bleibe doch dabei, er ist verliebt.
Ped. Es ist kein Zeichen verliebter Grillen an ihm, es müsste denn die Grille sein mit der er in fremde Moden verliebt ist: als z. B. heut ein Holländer, morgen ein Franzos, oder in der Tracht zweier Länder zugleich, ein Deutscher vom Gürtel abwärts, lauter Falten und Pluderhosen, und ein Spanier von der Hüfte aufwärts, ohne Wams. Hätte er also nicht eine verliebte Grille für diese Narrheit (wie er sie denn wirklich hat) so wäre er kein Narr aus Liebe, wie ihr ihn dazu machen wollt.
Clau. Wenn er nicht in irgendein Frauenzimmer verliebt ist, so traut keinem Wahrzeichen mehr. Er bürstet alle Morgen seinen Hut: was kann das sonst bedeuten?
Ped. Hat ihn jemand beim Barbier gesehn?
Clau. Nein, aber wohl den Barbiers-diener bei ihm, und die alte Zier seiner Wangen ist schon gebraucht, Bälle damit zu stopfen.
Leo. In der Tat, er sieht jünger aus als bisher, durch den Verlust eines Barts.
Ped. Und was mehr ist, er reibt sich mit Bisam: wittert ihr nun wo's ihm fehlt?
Clau. Das heisst mit andern Worten, der holde Knabe liebt.
Ped. Der grösste Beweis ist seine Schwermut.
Clau. Und wann pflegte er sonst sein Gesicht zu waschen?
Ped. Ja, oder sich zu schminken? ich höre aber wohl was man deswegen von ihm sagt.
Clau. Und sein sprudelnder Geist! der jetzt in eine Lautensaite gekrochen ist und durch Griffe regiert wird.
Ped. Freilich, das alles kündigt eine tragische Geschichte an. Summa Summarum, er ist verliebt.
Clau. Ja, und ich weiss auch wer in ihn verliebt ist.
Ped. Nun, das möchte ich auch wissen. Ich wette, es ist eine die ihn nicht kennt.
Clau. O freilich! Ihn und alle seine Fehler, und die demungeachtet für ihn stirbt.
Ped. Die muss mit dem Gesicht aufwärts begraben werden.
Ben. Das alles hilft aber nicht für mein Zahnweh. Alter Herr, kommt ein wenig mit mir auf die Seite: ich habe acht oder neun vernünftige Worte ausstudiert die ich euch sagen möchte und die diese Steckenpferde nicht zu hören brauchen.
Benedikt mit Leonato ab
Ped. Ich wette mein Leben, er hält bei ihm um Beatricen an.
Clau. Ganz gewiss. Hero und Margareta haben unterdes ihre Rolle mit Beatricen gespielt, und nun werden wohl diese Bären einander nicht beissen, wenn sie sich begegnen.
Don Juan tritt auf
Juan. Mein Fürst und Bruder, grüss euch Gott!
Ped. Guten Tag, Bruder.
Juan. Wenn es euch gelegen wäre, hätte ich mit euch zu reden.
Ped. Allein?
Juan. Wenn es euch gefällt, doch Graf Claudio mags immer hören . . . denn was ich zu sagen habe betrifft ihn.
Ped. Wovon ist die Rede?
Juan. Gedenkt ihr euch morgen zu vermählen, edler Herr?
Ped. Das wisst ihr ja.
Juan. Das weiss ich nicht, wenn er erst wissen wird was ich weiss.
Clau. Wenn irgendein Hindernis stattfindet, so bitte ich euch, entdeckt es.
Juan. Ihr denkt vielleicht, ich sei euer Freund nicht: das wird sich hernach ausweisen, und ihr werdet mich besser würdigen, erfahrt ihr was ich euch entdecken werde. Von meinem Bruder glaube ich dass er euch wohl will und aus Herzensliebe euch dazu verholfen hat eure baldige Heirat ins Werk zu richten. In Wahrheit, eine schlimm angebrachte Werbung! Eine schlimm verwandte Mühe!
Ped. Nun? was wollt ihr damit sagen?
Juan. Ich kam hierher es euch mitzuteilen, und um die Sache kurz zu fassen – denn es ist schon zu lange die Rede davon gewesen: das Fräulein ist treulos.
Clau. Wer? Hero?
Juan. Eben sie . . . Leonatos Hero, eure Hero – jedermanns Hero.
Clau. Treulos?
Juan. Das Wort ist zu gut, ihre Verderbtheit zu malen: ich könnte sie leicht schlimmer nennen. Denkt nur auf die schlimmste Benennung, ich werde sie rechtfertigen. Wundert euch nicht, bis wir mehr Beweis haben: geht nur heut abend mit mir, dann sollt ihr sehn wie ihr Kammerfenster erstiegen wird, und zwar noch in der Nacht vor ihrem Hochzeitstage. Wenn ihr sie dann noch liebt, so heiratet sie morgen . . . aber eurer Ehre wird es freilich besser stehn, wenn ihr eure Gedanken ändert.
Ped. Ich will es nicht glauben.
Juan. Habt ihr nicht Mut zu glauben was ihr seht, so bekennt auch nicht was ihr wisst. Wollt ihr mir folgen, so will ich euch genug zeigen. Wenn ihr erst mehr gehört und gesehn habt, so verfahrt entsprechend.
Clau. Sehe ich diese Nacht irgend etwas weshalb ich sie morgen nicht heiraten könnte, so will ich sie vor der ganzen Versammlung wo ich getraut werden sollte beschimpfen.
Ped. Und so wie ich für dich warb, sie zu erlangen, so will ich mich nun mit dir vereinigen, sie zu beschämen.
Juan. Ich will sie nicht weiter verunglimpfen, bis ihr meine Zeugen seid. Seid nur ruhig bis Mitternacht, dann mag der Ausgang sich offenbaren.
Ped. O Tag, verkehrt und leidig!
Clau. O Unglück, fremd und seltsam!
Juan. O Schmach mit Glück verhütet! So sollt ihr sagen, saht ihr erst den Ausgang. Ab.
Strasse: Holzapfel, Schlehwein, erste und zweite Wache
Holz. Seid ihr fromme, ehrliche Leute, und getreu?
Schl. Ja, sonst wärs schade drum, wenn sie nicht die ewige Salvation litten, an Leib und Seele.
Holz. Nein, das wäre noch viel zu wenig Strafe für sie, wenn sie nur irgendeine Legitimität an sich hätten, da sie doch zu des Prinzen Wache inkommodiert sind.
Schl. Richtig. Teilt ihnen jetzt ihr Kommando aus, Nachbar Holzapfel.
Holz. Erstens also. Wer meint ihr der die meiste Unkapazität hätte Konstabel zu sein?
1. Wa. Veit Haberkuchen, Herr, oder Görge Steinkohle, denn sie können lesen und schreiben.
Holz. Kommt her, Nachbar Steinkohle. Gott hat euch mit einem guten Namen gesegnet. Ein Mann von guter Physiognomik sein, ist ein Geschenk des Glücks . . . aber die Schreibe- und Lesekunst kommt von der Natur.
2. Wa. Und beides, Herr Konstabel –
Holz. Habt ihr, ich weiss dass ihr das sagen wolltet. Also dann, was eure Physiognomik betrifft, seht, da gebt Gott die Ehre und macht nicht viel Rühmens davon, und eure Schreibe- und Lesekunst, damit könnt ihr euch sehn lassen, wo kein Mensch solche Dummheiten nötig hat. Man hält euch für den allerstupidesten Menschen, um Konstabel bei unsrer Wache zu sein: darum sollt ihr die Laterne halten. So lautet eure Vorschrift: ihr sollt alle Fragebunten irritieren . . . ihr seid dazu da dass ihr allen und jeden zuruft: Halt! in des Prinzen Namen.
2. Wa. Aber wenn nun einer nicht halten will?
Holz. Nun, seht ihr, da kümmert euch nicht um ihn, lasst ihn laufen, ruft sogleich die übrige Wache zusammen und dankt Gott dass ihr den Schelm los seid.
Schl. Wenn man ihn angerufen hat, und er will nicht stehn, so ist er keiner von des Prinzen Untertanen.
Holz. Richtig. Und mit solchen die nicht des Prinzen Untertanen sind sollen sie sich gar nicht abgeben. Dann sollt ihr auch keinen Lärm auf der Strasse machen, denn dass eine Wache auf dem Posten Toleranz und Spektakel treibt kann gar nicht geduldet werden.
2. Wa. Wir wollen lieber schlafen als schwatzen . . . wir wissen schon was sich für eine Wache gehört.
Holz. Recht. Ihr sprecht wie ein alter und tranquiler Wächter. Denn ich sehe auch nicht was im Schlafen für Sünde sein sollte. Nur nehmt euch in acht dass sie euch eure Piken nicht stehlen. Ferner! Ihr sollt in allen Bierschenken einkehren, und den Besoffenen sollt ihr befehlen zu Bett zu gehn.
2. Wa. Aber wenn sie nun nicht wollen?
Holz. Nun, seht ihr, da lasst sie sitzen, bis sie wieder nüchtern sind. Und wenn sie euch dann keine bessere Antwort geben, da könnt ihr ihnen sagen, sie wären nicht die Leute für die ihr sie gehalten habt.
2. Wa. Gut, Herr.
Holz. Wenn ihr einem Diebe begegnet, so könnt ihr ihn kraft eures Amts in Verdacht haben dass er kein ehrlicher Mann sei. Und was dergleichen Leute betrifft, seht ihr, je weniger ihr mit ihnen zu verkehren oder zu schaffen habt, je besser ists für eure Repetition.
2. Wa. Wenn wirs aber von ihm wissen dass er ein Dieb ist, sollen wir ihn da nicht festhalten?
Holz. Freilich, kraft eures Amts könnt ihrs tun. Aber ich denke, wer Pech angreift besudelt sich. Der friedfertigste Weg ist immer, wenn ihr einen Dieb fangt, lasst ihn zeigen was er kann und sich aus eurer Gesellschaft wegstehlen.
Schl. Ihr habt doch immer für einen sanftmütigen Mann gegolten, Kamerad.
Holz. Das ist wahr, mit meinem Willen möcht ich keinen Hund hängen, wieviel mehr denn einen Menschen der nur einige Redlichkeit im Leibe hat.
Schl. Wenn ihr ein Kind in der Nacht weinen hört, so müsst ihr der Amme rufen, dass sies stillt.
2. Wa. Wenn aber die Amme schläft und uns nicht hört?
Holz. Nun, so zieht in Frieden weiter und lasst das Kind sie mit dem Schreien wecken. Denn wenn das Schaf sein Lamm nicht hören will das da bäh schreit, so wirds auch keinem Kalbe antworten, wenns blökt.
Schl. Das ist sehr wahr.
Holz. Dies ist das Ende eurer Destruktion: Ihr, Konstabel, sollt jetzt den Prinzen in eigner Person presentieren. Wenn ihr dem Prinzen in der Nacht begegnet, könnt ihr ihn stehen heissen.
Schl. Nein, mein Seel, das kann er doch wohl nicht.
Holz. Fünf Schillinge gegen einen: jedermann der die Konstipation dieser Bürgerwache kennt muss sagen, er kann ihn stehn heissen: aber zum Henker, versteht sich, wenn der Prinz Lust hat. Denn freilich, die Wache darf niemand beleidigen, und es ist doch eine Beleidigung jemand gegen seinen Willen stehn zu heissen.
Schl. Sapperment, das denk ich auch.
Holz. Ha, ha, ha! Nun, Leute, gute Nacht. Sollte irgendeine Sache von Wichtigkeit passieren, so ruft nach mir. Nehmt euren und eurer Kameraden Verstand zusammen, und so schlaft wohl . . . Kommt, Nachbar.
2. Wa. Nun Leute, wir wissen jetzt was unsres Amtes ist: kommt und setzt euch mit auf die Kirchenbank bis um zwei Uhr, und dann zu Bett.
Holz. Noch ein Wort, ehrliche Nachbarn. Ich bitte euch, wacht doch vor Signor Leonatos Türe, denn weils da morgen eine Hochzeit gibt, so wird heut abend viel Spektakel sein. Gott befohlen! Nun, gute Addition! das bitte ich euch. Holzapfel und Schlehwein ab
Borachio und Konrad treten auf
Bor. He, Konrad.
1. Wa. Still! rührt euch nicht.
Bor. Konrad, sag ich!
Kon. Hier, Mensch! ich bin an deinem Ellbogen.
Bor. Zum Henker, mein Ellbogen juckte mir auch, ich wusste wohl dass das die Krätze bedeuten würde.
Kon. Die Antwort darauf will ich dir schuldig bleiben. Nun nur weiter in deiner Geschichte!
Bor. Stelle dich nur hart unter dieses Vordach, denn es fängt an zu regnen, und nun will ich dir, wie ein redlicher Trunkenbold, alles offenbaren.
1. Wa. Irgendeine Verräterei, Leute! Steht aber stockstill.
Bor. Wisse also, ich habe tausend Dukaten von Don Juan verdient.
Kon. Ists möglich dass eine Schurkerei so teuer sein kann?
Bor. Du solltest lieber fragen obs möglich sei dass ein Schurke so reich sein könne: denn wenn die reichen Schurken der armen bedürfen, so können die armen fordern was sie wollen.
Kon. Das wundert mich.
Bor. Man sieht wohl, du bist noch kein Eingeweihter. Du solltest doch wissen dass die Mode eines Mantels, eines Wamses oder eines Huts für einen Mann soviel als nichts ist.
Kon. Nun ja, es ist die Kleidung.
Bor. Ich meine aber die Mode.
Kon. Ja doch, die Mode ist die Mode.
Bor. Ach was, das heisst eben soviel als ein Narr ist ein Narr. Aber siehst du denn nicht was für ein missgestalter Schelm diese Mode ist?
1. Wa. Ei! den Herrn Missgestalt kenne ich: der hat nun an die sieben Jahr das Schelmenhandwerk mitgemacht und geht jetzt herum wie ein vornehmer Herr. Ich besinne mich auf seinen Namen.
Bor. Hörtest du nicht eben jemand?
Kon. Nein, es war die Fahne auf dem Hause.
Bor. Siehst du nicht, sag ich, was für ein missgestalter Schelm diese Mode ist? Wie schwindlicht er alle das hitzige junge Blut zwischen vierzehn und fünfunddreissig herumdreht? Bald stutzt er sie dir zu, wie Pharaos Soldaten auf den schwarzgeräucherten Bildern, bald wie die Priester des Bel zu Babel auf den alten Kirchenfenstern, bald wie den kahlgeschornen Herkules auf den braunen wurmstichigen Tapeten, wo sein Hosenlatz so gross ist als seine Keule.
Kon. Kann sein, ich sehe auch dass die Mode mehr Kleider aufträgt als der Mensch. Aber hat sie dich denn nicht auch schwindlicht gemacht, dass du von deiner Erzählung abgekommen bist, um mir von der Mode vorzufaseln?
Bor. Nicht so sehr als du denkst. Wisse also dass ich diese Nacht mit Margareten, Fräulein Heros Kammermädchen, unter Heros Namen ein Liebesgespräch geführt, dass sie sich aus ihres Fräuleins Fenster zu mir heruntergeneigt und mir tausendmal gute Nacht gewünscht hat: o, ich erzähle dir die Geschichte erbärmlich . . . ich hätte vorher sagen sollen wie der Prinz, Claudio und mein Herr, gekörnt, gestellt und geprellt von meinem Herrn Don Juan, von weitem im Garten diese zärtliche Zusammenkunft mit ansahen.
Kon. Hielten sie denn Margareta für Hero?
Bor. Zwei von ihnen tatens, der Prinz und Claudio . . . aber mein Herr, der Teufel, wusste wohl dass es Margareta sei. Teils seine Schwüre, mit denen er sie vorher berückt hatte, teils die dunkle Nacht die sie täuschte, vor allem aber meine künstliche Schelmerei, die alle Verleumdung des Don Juan bekräftigte, brachtens so weit, dass Claudio wütend davonging und schwur, er wolle morgen, wie es verabredet war, in der Kirche mit ihr zusammenkommen, sie dann vor der ganzen Versammlung durch die Entdeckung von dem was er in der Nacht gesehn beschimpfen und sie ohne Gemahl nach Hause schicken.
1. Wa. Wir befehlen euch in des Prinzen Namen, steht.
2. Wa. Ruft den eigentlichen Herrn Konstabel. Wir haben hier das allergefährlichste Stück von liederlicher Wirtschaft decoffriert das jemals im Lande vorgefallen ist.
1. Wa. Und ein Herr Missgestalt ist mit im Spiel, ich kenne ihn, er trägt eine Locke.
Kon. Liebe Herren . . .
2. Wa. Ihr sollt uns den Herrn Missgestalt herbeischaffen, das werden wir euch wohl zeigen.
Kon. Meine Herren . . .
1. Wa. Stillgeschwiegen! Ihr sollt wissen dass wir euch gehorchen mit uns zu gehn.
Bor. Wir werden da in eine recht bequeme Situation kommen, wenn sie uns erst auf ihre Piken genommen haben.
Kon. O ja, eine recht pikante Situation. Kommt, wir wollen mit euch gehn. Ab.
Zimmer in Leonatos Hause: Hero, Margareta, Ursula
Hero. Liebe Ursula, wecke doch meine Muhme Beatrice und bitte sie aufzustehn.
Urs. Sogleich, mein Fräulein.
Hero. Und hieherzukommen.
Urs. Sehr wohl. Ab.
Mar. Ich dächte doch, eure andre Palatine sei noch schöner.
Hero. Nein, liebes Gretchen, ich werde diese tragen.
Mar. Sie ist wahrhaftig nicht so hübsch, und ich stehe euch dafür, eure Muhme wird euch dasselbe sagen.
Hero. Meine Muhme ist eine Närrin, und du bist die zweite . . . ich werde keine andre als diese nehmen.
Mar. Euren neuen Aufsatz finde ich allerliebst, wenn das Haar nur um einen Gedanken brauner wäre. Und euer Kleid ist nach der geschmackvollsten Mode, das ist gewiss. Ich habe das Kleid der Herzogin von Mailand gesehn, von dem man soviel Wesens macht.
Hero. Das soll ja über alles gehn.
Mar. Auf meine Ehre, es ist nur ein Nachtkleid im Vergleich mit dem eurigen. Das Zeug von Goldstoff und die Aufschnitte mit Silber garniert und mit Perlen gestickt, niederhängende und Seitenärmel, und Garnierungen, rundherum mit einem bläulichen Lahn unterlegt. Was aber die schöne, ausgesuchte, gefällige und ganz besondere Mode betrifft, da ist eures zehnmal mehr wert.
Hero. Gott gebe dass ichs mit Freuden tragen möge, denn mein Herz ist erstaunlich schwer.
Mar. Es wird bald noch schwerer werden, wenn es erst das Gewicht eines Mannes tragen soll.
Hero. Pfui doch, schämst du dich denn nicht?
Mar. Warum denn, mein Fräulein? Dass ich von Dingen in Ehren rede? Ist nicht eine Heirat ein Ding in Ehren, auch bei Bettlern? Ist nicht euer Herr ein Ehrenmann auch ohne Heirat? Ich hätte wohl sagen sollen »mit Respekt zu vermelden, das Gewicht eines Gemahls?« Wenn nicht schlimme Gedanken gute Reden verdrehen, so werde ich niemand Ärgernis geben. Ist wohl irgendein Anstoss darin, wenn ich sage »schwerer durch das Gewicht eines Gemahls?« Nein, gewiss nicht, wenn es nur der rechte Mann und die rechte Frau sind, sonst freilich hiesse das die Sache leicht nehmen und nicht schwer. Fragt nur Fräulein Beatrice . . . hier kommt sie.
Beatrice tritt auf
Hero. Guten Morgen, Muhme.
Bea. Guten Morgen, liebe Hero.
Hero. Nun, was ist dir? Du sprichst ja in einem so kranken Ton?
Bea. Mich dünkt, aus allen andern Tonarten bin ich heraus . . . Es ist gleich fünf Uhr, Muhme, es ist Zeit dass du dich fertigmachst . . . Mir ist ganz krank zumut, wahrhaftig! Ach!
Mar. Nun, wenn ihr nicht eine Renegatin geworden seid, so kann man nicht mehr nach den Sternen segeln.
Bea. Was meint die Närrin damit?
Mar. Ich? O gar nichts, aber Gott schenke jedem was sein Herz wünscht.
Hero. Diese Handschuhe schickte mir der Graf, es ist der lieblichste Wohlgeruch.
Bea. Der Sinn ist mir benommen: ich rieche nichts.
Mar. Benommen? Oder eingenommen? Je nun, man erkältet sich wohl.
Bea. O Gott steh uns bei, Gott steh uns bei! Wie lange ists denn, dass du Jagd auf Witz machst?
Mar. Seitdem ihr es aufgegeben habt, mein Fräulein. Steht mein Witz mir nicht vortrefflich?
Bea. Er scheint noch nicht genug ins Feld, du solltest ihn an deiner Kappe tragen . . . Aber auf mein Wort, ich bin recht krank.
Mar. Euer Gnaden sollten sich abgezogenen Kardobenedikt holen lassen und ihn aufs Herz legen, es gibt kein bessres Mitte! für Beklemmungen.
Hero. Da stichst du sie mit einer Distel.
Bea. Benedikt? Warum Benedikt? Soll vielleicht eine Moral in dem Benedikt stecken?
Mar. Moral? Nein, mein Treu, ich meinte nichts Moralisches damit, ich meinte einfache Kardobenediktendistel. Ihr denkt vielleicht, ich halte euch für verliebt. Nein, beim Himmel, ich bin nicht solch eine Närrin, dass ich alles denken sollte was mir einfällt, und es fällt mir auch nicht ein zu denken was ich könnte. Denn wenn ich mir auch den Kopf ausdächte, so kann ich mirs nicht denken dass ihr, mein Fräulein, verliebt seid oder jemals sein werdet oder jemals sein könnt. Und doch war Benedikt auch so einer und ist jetzt ein Mensch wie andre. Er schwur, er wolle nie heiraten, und jetzt, trotz seinem hohen Sinn, verzehrt er sein Essen ohne Murren. Ob ihr noch zu bekehren seid weiss ich nicht . . . aber mir scheint, ihr seht auch schon aus den Augen wie andre Mädchen.
Bea. Was ist das für eine Art von Gang den deine Zunge nimmt?
Mar. Kein falscher Galopp.
Urs. kommt zurück: Gnädiges Fräulein, macht euch fertig: der Fürst, der Graf, Signor Benedikt, Don Juan und alle jungen Kavaliere aus der Stadt sind da, um euch zur Kirche zu führen.
Hero. Helft mir mich ankleiden, liebe Muhme, liebes Gretchen, liebe Ursula. Ab.
Anderes Zimmer in Leonatos Hause: Leonato, Holzapfel, Schlehwein
Leo. Was habt ihr mir zu sagen, mein ehrlicher Nachbar?
Holz. Ei, gnädiger Herr, ich möchte gern eine Konfidenz mit euch haben die euch sehr introduziert.
Leo. Machts kurz, ich bitt euch: ihr seht, ich habe viel zu tun.
Holz. Ja, gnädiger Herr, so ist es.
Schl. Ja, wahrlich, so ist es.
Leo. Was ist denn, meine guten Freunde?
Holz. Der gute, liebe Schlehwein, mein gnädiger Herr, bleibt nicht recht bei der Sache. Ein alter Mann, gnädiger Herr! Und sein Verstand ist nicht so stumpf, Gott sei Dank, als ichs ihm wünschen wollte. Aber das muss ich sagen, ehrlich! ehrlich! wie die Haut zwischen seinen Augenbraunen!
Schl. Ja, gottlob, ich bin so ehrlich als irgendein Mann auf der Welt der ein alter Mann ist und nicht ehrlicher als ich.
Holz. Komporationen sind odorös: palabras, Nachbar Schlehwein!
Leo. Nachbarn, ihr seid mir nachgerade ennuyant.
Holz. Das sagen euer Gnaden nur so aus Höflichkeit, denn wir sind des armen Herzogs Gerichtsdiener. Aber wär ich auch so ennuyant als ein König, so wollt ichs mich nicht dauern lassen, und alles auf euer Gnaden wenden.
Leo. Dein ganzes Talent zu ennuyieren auf mich?
Holz. Ja, und wenns noch tausendmal mehr wäre als es schon ist . . . denn ich höre eine so gute Exklamation von euer Gnaden als von irgend jemand in der Stadt, und obgleich ich nur ein armer Mann bin, so freuts mich doch es zu hören.
Schl. Und mich auch.
Leo. Wenn ich nur wüsste was ihr mir denn zu sagen habt.
Schl. Seht ihr, Herr, unsre Wache hat diese Nacht, immer mit Exzeption von eurer höchsten Gegenwart, ein Paar so durchtriebne Spitzbuben aufgefangen als nur in Messina zu finden sind.
Holz. Ein guter alter Mann, gnädiger Herr! Er muss immer was zu schwatzen haben wie man zu sagen pflegt. Wenn das Alter eintritt, geht der Verstand zu Ende. Gott steh mir bei! So ist einmal die Bestimmung! Brav, meiner Treu, Nachbar Schlehwein! Seht ihr, der liebe Gott ist ein guter Mann. Wenn ihrer zwei auf einem Pferde reiten, so muss schon einer hinten aufsitzen. Eine ehrliche Seele, meiner Treu! Ja, gnädiger Herr, das ist er, so gut als einer der Brot isst. Aber was Gott tut das ist wohlgetan. Die Menschen können nicht alle gleich sein. Ja, ja! der liebe, gute Nachbar!
Leo. In der Tat, Nachbar, er reicht doch nicht an euch.
Holz. Gaben die von Gott kommen.
Leo. Ich muss gehn.
Holz. Ein einziges Wort, gnädiger Herr: unsre Wache hat wirklich zwei perspektivische Kerls irritiert, und wir möchten dass euer Gnaden sie noch heut morgen exanimierten.
Leo. Übernehmt dieses Examen selbst und bringt mir das Protokoll. Ich bin jetzt sehr eilig, wie ihr wohl seht.
Holz. Das soll aufs komplotteste besorgt werden.
Leo. Trinkt ein Glas Wein, ehe ihr geht, und so lebt wohl!
Ein Diener tritt auf
Diener. Gnädiger Herr, man wartet auf euch, um eure Fräulein Tochter zur Trauung zu führen.
Leo. Ich komme gleich, ich bin fertig. Ab.
Holz. Geht doch, lieber Kamerad, geht doch zum Görge Steinkohle, sagt doch, er soll seine Feder und Tintenfass mit ins Gefängnis nehmen. Wir sollen jetzt hin und diese Kerls exanimieren.
Schl. Und das muss mit Verstand geschehn.
Holz. An Verstand solls nicht fehlen, darauf verlasst euch. Hier sitzt was an die Stirn deutend, das soll einen oder den andern schon zur Konfektion bringen. Holt ihr nur den gelehrten Schreiber, um unsre ganze Exkommunikation zu Papiere zu liefern, und kommt dann wieder zu mir ins Gefängnis. Ab.