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Zweiter Aufzug

Erste Szene

Halle in Leonatos Hause

Leonato, Antonio, Hero und Beatrice treten auf

Leonato.
War Graf Juan nicht zum Abendessen hier?

Antonio.
Ich sah ihn nicht.

Beatrice.
Wie herbe dieser Mann aussieht! Ich kann ihn niemals ansehn, daß ich nicht eine volle Stunde Sodbrennen bekäme.

Hero.
Er hat eine sehr melancholische Gemütsart.

Beatrice.
Das müßte ein vortrefflicher Mann sein, der gerade das Mittel zwischen ihm und Benedikt hielte: der eine ist wie ein Bild und sagt gar nichts, und der andre wie der «gnädigen Frau» ältester Sohn und plappert immer fort.

Leonato.
Also die Hälfte von Signor Benedikts Zunge in Don Juans Mund, und die Hälfte von Don Juans Schwermut in Benedikts Gesicht. –

Beatrice.
Und dazu ein hübsches Bein und ein feiner Fuß, Onkel, und Geld genug in der Tasche, solch ein Mann müßte jedes Mädchen in der Welt erobern, wenn er's verstände, ihre Gunst zu gewinnen.

Leonato.
Auf mein Wort, Nichte, du wirst dir in deinem Leben keinen Mann gewinnen, wenn du eine so böse Zunge hast.

Antonio.
Ja wahrhaftig, sie ist zu böse.

Beatrice.
Zu böse ist mehr als böse: auf die Weise entgeht mir eine Gabe Gottes, denn es heißt: «Gott gibt einer bösen Kuh kurze Hörner, aber einer zu bösen Kuh gibt er gar keine.»

Leonato.
Weil du also zu böse bist, wird Gott dir gar keine Hörner geben.

Beatrice.
Richtig, wenn er mir keinen Mann gibt, und das ist ein Segen, um den ich jeden Morgen und jeden Abend auf den Knien bitte. Himmel! Wie sollte ich wohl einen Mann mit einem Bart im Gesicht aushalten: lieber schlief ich auf Wolle.

Leonato.
Du kannst dir ja einen Mann aussuchen, der keinen Bart hat.

Beatrice.
Was sollte ich mit dem anfangen? Ihm meine Kleider anziehn und ihn zum Kammermädchen machen? Wer einen Bart hat, ist mehr als ein Jüngling, und wer keinen hat, weniger als ein Mann: wer mehr als ein Jüngling ist, taugt nicht für mich, und wer weniger als ein Mann ist, für den tauge ich nicht. Deshalb will ich lieber sechs Batzen Handgeld vom Bärenführer als Lohn nehmen und seine Affen zur Hölle führen.

Leonato.
Du gehst also zur Hölle?

Beatrice.
Nein, nur an die Pforte. Da wird mir der Teufel entgegenkommen, mit Hörnern auf dem Kopf, wie ein alter Hahnrei, und sagen: «Mach dich fort und geh zum Himmel, Beatrice, geh zum Himmel! Hier ist kein Platz für euch Mädchen»; darauf liefre ich ihm denn meine Affen ab, und nun flugs hinauf zu Sankt Peter am Himmelstor, der zeigt mir, wo die Junggesellen sitzen, und da leben wir so lustig, als der Tag lang ist.

Antonio (zu Hero).
Nun, liebe Nichte, ich hoffe doch, Ihr werdet Euch von Euerm Vater regieren lassen?

Beatrice.
Ei, das versteht sich. Es ist meiner Muhme Schuldigkeit, einen Knicks zu machen und zu sagen: «Wie es euch gefällt, mein Vater.» Aber mit alledem, liebes Mühmchen, muß es ein hübscher junger Mensch sein, sonst mach einen zweiten Knicks und sage: «Wie es mir gefällt, mein Vater.» –

Leonato.
Nun, Nichte, ich hoffe noch den Tag zu erleben, wo du mit einem Manne versehn bist.

Beatrice.
Nicht eher, bis der liebe Gott die Männer aus einem andern Stoff macht als aus Erde. Soll es ein armes Mädchen nicht verdrießen, sich von einem Stück gewaltigen Staubes meistern zu lassen? Einem nichtsnutzigen Lehmkloß Rechenschaft von ihrem Tun und Lassen abzulegen? Nein, Onkel, ich nehme keinen. Adams Söhne sind meine Brüder, und im Ernst, ich halte es für eine Sünde, so nah in meine Verwandtschaft zu heiraten.

Leonato.
Tochter, denk an das, was ich dir sagte. Wenn der Prinz auf eine solche Art um dich wirbt, so weißt du deine Antwort.

Beatrice.
Die Schuld wird an der Musik liegen, Muhme, wenn er nicht zur rechten Zeit um dich anhält. Wenn der Prinz zu ungestüm wird, so sag ihm, man müsse in jedem Dinge Maß halten; und so vertanze die Antwort. Denn siehst du, Hero, freien, heiraten und bereuen sind wie eine Kurante, ein Menuett und eine Pavana; der erste Antrag ist heiß und rasch wie eine Kurante, und ebenso phantastisch; die Hochzeit manierlich, sittsam wie ein Menuett, voll altfränkischer Feierlichkeit; und dann kommt die Reue und fällt mit ihren lahmen Beinen in die Pavana immer schwerer und schwerer, bis sie in ihr Grab sinkt.

Leonato.
Muhme, du betrachtest alle Dinge sehr scharf und bitter.

Beatrice.
Ich habe gesegnete Augen, Oheim, ich kann eine Kirche bei hellem Tage sehn.

Leonato.
Da kommen die Masken; Bruder, macht Platz.

(Leonato, Beatrice, Antonio gehn ab.)
Don Pedro kommt maskiert.

Don Pedro.
Gefällt es Euch, mein Fräulein, mit Eurem Freunde umherzugehn?

Hero.
Wenn Ihr langsam geht und freundlich ausseht und nichts sagt, so will ich Euch das Gehn zusagen; auf jeden Fall, wenn ich davongehe.

Don Pedro.
Mit mir, in meiner Gesellschaft?

Hero.
Das kann ich sagen, wenn mir's gefällt.

Don Pedro.
Und wann gefällt's Euch, das zu sagen?

Hero.
Wenn ich Euer Gesicht werde leiden mögen; denn es wäre ein Leiden, wenn die Laute dem Futteral gliche.

Don Pedro.
Deine Maske ist wie Philemons Dach, drinnen in der Hütte ist Jupiter.

Hero.
Auf diese Weise müßte Eure Maske mit Stroh gedeckt sein. (Gehn vorbei.)

Margareta und Balthasar maskiert.

Margareta.
Redet leise, wenn Ihr von Liebe redet.

Balthasar.
Nun, ich wollte, Ihr liebtet mich.

Margareta.
Das wollte ich nicht, um Eurer selbst willen. Denn ich habe eine Menge schlimmer Eigenschaften.

Balthasar.
Zum Beispiel?

Margareta.
Ich bete laut.

Balthasar.
Um so lieber seid Ihr mir: da können die Euch hören, Amen sagen.

Margareta.
Der Himmel verhelfe mir zu einem guten Tänzer.

Balthasar.
Amen.

Margareta.
Und schaffe mir ihn aus den Augen, sobald der Tanz aus ist. – Nun, Küster, antwortet.

Balthasar.
Schon gut, der Küster hat seine Antwort.

(Gehn vorbei.)
Ursula und Antonio treten maskiert ein.

Ursula.
Ich kenne Euch gar zu gut, Ihr seid Signor Antonio.

Antonio.
Auf mein Wort, ich bin's nicht.

Ursula.
Ich kenne Euch an Eurem wackelnden Kopf.

Antonio.
Die Wahrheit zu sagen, das mache ich ihm nach.

Ursula.
Ihr könntet ihn unmöglich so vortrefflich schlecht nachmachen, wenn Ihr nicht der Mann selber wärt. Hier ist ja seine trockne Hand ganz und gar; Ihr seid's, Ihr seid's.

Antonio.
Auf mein Wort, ich bin's nicht.

Ursula.
Geht mir doch! Denkt Ihr denn, ich kenne Euch nicht an Eurem lebhaften Witz? Kann sich Tugend verbergen? Ei, ei, Ihr seid's. Die Anmut läßt sich nicht verhüllen, und damit gut. (Gehn vorüber.)

Benedikt und Beatrice maskiert.

Beatrice.
Wollt Ihr mir nicht sagen, wer Euch das gesagt hat?

Benedikt.
Nein, das bitte ich mir aus.

Beatrice.
Und wollt Ihr mir auch nicht sagen, wer Ihr seid?

Benedikt.
Jetzt nicht.

Beatrice.
Daß ich voller Hochmut sei – und daß ich meinen besten Witz aus den hundert lustigen Erzählungen hernehme. – Nun seht, das sagte mir Signor Benedikt.

Benedikt.
Wer ist das?

Beatrice.
Ich bin gewiß, Ihr kennt ihn mehr als zuviel.

Benedikt.
Nein, gewiß nicht.

Beatrice.
Hat er Euch nie lachen gemacht?

Benedikt.
Sagt mir doch, wer ist er denn?

Beatrice.
Nun, er ist des Prinzen Hofnarr: ein sehr schaler Spaßmacher, der nur das Talent hat, unmögliche Lästerungen zu ersinnen. Niemand findet Gefallen an ihm als Wüstlinge, und was ihn diesen empfiehlt, ist nicht sein Witz, sondern seine Schlechtigkeit: denn er unterhält sie und ärgert sie zugleich, und dann lachen sie einmal über ihn, und ein andermal schlagen sie ihn. Ich weiß gewiß, er ist hier in diesem Geschwader: ich wollte, unsre Fahrzeuge begegneten sich.

Benedikt.
Sollte ich diesen Kavalier finden, so will ich ihm erzählen, was Ihr von ihm sagt.

Beatrice.
Ja, ja, tut das immer. Er wird dann allenfalls ein paar Gleichnisse an mir zerbrechen, und wenn sich's etwa fügt, daß niemand drauf achtgibt oder drüber lacht, so verfällt er in Schwermut, und dann ist ein Rebhuhnflügel gerettet, denn der Narr wird den Abend gewiß nicht essen. (Musik drinnen.) Wir müssen den Anführern folgen.

Benedikt.
In allem, was gut ist.

Beatrice.
Freilich, wenn sie zu etwas Bösem führen, so fall ich bei der nächsten Tour von ihnen ab.

(Beide ab.)
Tanz drinnen. Es kommen Don Juan, Borachio, Claudio.

Don Juan.
Es ist richtig, mein Bruder ist in Hero verliebt und hat ihren Vater auf die Seite genommen, um ihm den Antrag zu machen: die Damen folgen ihr, und nur eine Maske bleibt zurück.

Borachio.
Und das ist Claudio, ich kenne ihn an seiner Haltung.

Don Juan.
Seid Ihr nicht Signor Benedikt?

Claudio.
Ihr habt's getroffen, ich bin's.

Don Juan.
Signor, Ihr steht sehr hoch in meines Bruders Freundschaft. Er ist in Hero verliebt: redet ihm das aus, ich bitte Euch. Sie ist ihm an Geburt nicht gleich; Ihr würdet darin als ein rechtschaffner Mann handeln.

Claudio.
Wie wißt Ihr's denn, daß er sie liebt? –

Don Juan.
Ich hörte ihn seine Zuneigung beteuern.

Borachio.
Ich auch. Er schwur, er wolle sie noch diesen Abend heiraten.

Don Juan.
Kommt, wir wollen zum Bankett. –

(Don Juan und Borachio ab.)

Claudio.
So gab ich Antwort ihm als Benedikt,
Doch Claudios Ohr vernahm die schlimme Zeitung.
Es ist gewiß, der Prinz warb für sich selbst;
Freundschaft hält stand in allen andern Dingen,
Nur in der Liebe Dienst und Werbung nicht.
Drum brauch ein Liebender die eigne Zunge,
Es rede jeglich Auge für sich selbst,
Und keiner trau dem Anwalt: Schönheit weiß
Durch Zauberkünste Treu in Blut zu wandeln,
Das ist ein Fall, der stündlich zu erproben,
Und dem ich doch vertraut: Hero, fahr hin.

Benedikt kommt wieder.

Benedikt.
Graf Claudio?

Claudio.
Ja, der bin ich.

Benedikt.
Kommt, wollt Ihr mit?

Claudio.
Wohin?

Benedikt.
Nun, zum nächsten Weidenbaum, in Euren eignen Angelegenheiten, Graf. Auf welche Manier wollt Ihr Euern Kranz tragen; um den Hals, wie eines Wucherers Kette? oder unterm Arm, wie eines Hauptmanns Schärpe? Tragen müßt Ihr ihn, auf eine oder die andre Weise, denn der Prinz hat Eure Hero weggefangen.

Claudio.
Viel Glück mit ihr!

Benedikt.
Nun, das nenn ich gesprochen wie ein ehrlicher Viehhändler: so endigt man einen Ochsenhandel. Aber hättet Ihr's wohl gedacht, daß der Prinz Euch einen solchen Streich spielen würde?

Claudio.
Ich bitte Euch, laßt mich.

Benedikt.
Oho, Ihr seid ja wie der blinde Mann. Der Junge stahl Euch Euer Essen, und Ihr schlagt den Pfeiler.

Claudio.
Wenn Ihr denn nicht wollt, so gehe ich. (Ab.)

Benedikt.
Ach, das arme angeschoßne Huhn! Jetzt wird sich's in die Binsen verkriechen. – – Aber daß Fräulein Beatrice mich kennt, und doch auch nicht kennt... Des Prinzen Hofnarr? Ha! Mag sein, daß man mir diesen Titel gibt, weil ich lustig bin. – Aber nein! tue ich mir denn nicht selbst Unrecht? Halten mich denn die Leute für so etwas? Ist's denn nicht die boshafte, bittre Gemütsart Beatricens, welche die Rolle der Welt übernimmt und mich dafür ausgibt? Gut, ich will mich rächen, wie ich kann.

Don Pedro, Hero und Leonato kommen.

Don Pedro.
Sagt, Signor, wo ist der Graf? Habt Ihr ihn nicht gesehn?

Benedikt.
Wahrhaftig, gnädigster Herr, ich habe eben die Rolle der Frau Fama gespielt. Ich fand ihn hier so melancholisch wie ein Jagdhaus im Forst: darauf erzählte ich ihm – und ich glaube, ich erzählte die Wahrheit – Euer Gnaden habe die Gunst dieses jungen Fräuleins gewonnen, und bot ihm meine Begleitung zum nächsten Weidenbaum an, entweder ihm einen Kranz zu flechten, weil man ihm untreu geworden, oder ihm eine Rute zu binden, weil er nichts Besseres verdiene als Streiche.

Don Pedro.
Streiche? Was hat er denn begangen?

Benedikt.
Die alberne Sünde eines Schulknaben, der, voller Freuden über ein gefundenes Vogelnest, es seinem Kameraden zeigt, und dieser stiehlt's ihm weg.

Don Pedro.
Willst du denn das Zutrauen zur Sünde machen? Die Sünde ist beim Stehler.

Benedikt.
Nun, es wäre doch nicht umsonst gewesen, wenn wir die Rute gebunden hätten und den Kranz dazu; den Kranz hätte er selbst tragen können, und die Rute wäre für Euch gewesen, denn Ihr habt ihm, wie mir's vorkommt, sein Vogelnest gestohlen.

Don Pedro.
Ich will ihm seine Vögel nur singen lehren und sie dann dem Eigentümer wieder zustellen.

Benedikt.
Wenn ihr Gesang zu Euren Worten stimmt, so war es bei meiner Treue ehrlich gesprochen.

Don Pedro.
Fräulein Beatrice hat einen Handel mit Euch; der Kavalier, mit dem sie tanzte, hat ihr gesagt, Ihr hättet sehr übel von ihr gesprochen.

Benedikt.
Oh! Sie ist vielmehr mit mir umgegangen, daß kein Klotz es ausgehalten hätte; eine Eiche, an der nur noch ein einziges grünes Laub gewesen wäre, hätte ihr geantwortet; ja, selbst meine Maske fing an lebendig zu werden und mit ihr zu zanken. Sie sagte mir, indem sie mich für einen andern hielt, ich sei des Prinzen Hofnarr; ich sei langweiliger als ein starkes Tauwetter; das ging, Schlag auf Schlag, mit einer so unglaublichen Geschwindigkeit, daß ich nicht anders dastand als ein Mann an einer Scheibe, nach welcher eine ganze Armee schießt. Sie spricht lauter Dolche, und jedes Wort durchbohrt; wenn ihr Atem so fürchterlich wäre als ihre Ausdrücke, so könnte niemand in ihrer Nähe leben, sie würde alles bis an den Nordpol vergiften. Ich möchte sie nicht heiraten, und bekäme sie alles zur Mitgift, was Adam vor dem Sündenfall besaß. Sie hätte den Herkules gezwungen, ihr den Braten zu wenden, ja, er hätte seine Keule spalten müssen, um das Feuer anzumachen. Nein, reden wir nicht von der; an der werdet Ihr die höllische Ate finden, nur in schmucken Kleidern. Wollte doch Gott, wir hätten einen Gelehrten, der sie beschwören könnte; denn wahrhaftig, solange sie hier ist, lebt sich's in der Hölle so ruhig, als auf geweihter Stätte, und die Leute sündigen mit Fleiß, um nur hinzukommen: so sehr folgen ihr alle Zwietracht, Grausen und Verwirrung.

Claudio und Beatrice kommen.

Don Pedro.
Seht, da kommt sie.

Benedikt.
Hat Eure Hoheit nicht eine Bestellung für mich an das Ende der Welt? Ich wäre jetzt bereit, um des geringsten Auftrags willen, der Euch in den Sinn käme, zu den Antipoden zu gehn. Ich wollte Euch vom äußersten Rande von Asien einen Zahnstocher holen; Euch das Maß vom Fuß des Priesters Johannes bringen; Euch ein Haar aus dem Bart des großen Khans holen; eine Gesandtschaft zu den Pygmäen übernehmen – ehe ich nur drei Worte mit dieser Harpye wechseln sollte. Habt Ihr kein Geschäft für mich?

Don Pedro.
Keines, als daß ich um Eure angenehme Gesellschaft bitte.

Benedikt.
O Himmel, mein Fürst, hier habt Ihr ein Gericht, das nicht für mich ist; ich kann diese gnädige Frau Zunge nicht vertragen. (Ab.)

Don Pedro.
Seht Ihr wohl, Fräulein, Ihr habt Signor Benedikts Herz verloren.

Beatrice.
Es ist wahr, gnädiger Herr, er hat es mir eine Zeitlang versetzt, und ich gab ihm seinen Zins dafür, ein doppeltes Herz für sein einfaches. Seitdem hatte er mir's aber mit falschen Würfeln wieder abgenommen, so daß Euer Gnaden wohl sagen mag, ich habe es verloren.

Don Pedro.
Ihr habt ihn untergekriegt, mein Fräulein, Ihr habt ihn untergekriegt.

Beatrice.
Ich wollte nicht, daß er mir das täte, gnädiger Herr, ich möchte sonst Narren zu Kindern bekommen. Hier bringe ich Euch den Grafen Claudio, den Ihr mir zu suchen auftrugt.

Don Pedro.
Nun, wie steht's, Graf, warum seid Ihr so traurig?

Claudio.
Nicht traurig, mein Fürst.

Don Pedro.
Was denn? krank?

Claudio.
Auch das nicht.

Beatrice.
Der Graf ist weder traurig, noch krank, noch lustig, noch wohl; aber höflich, Graf, höflich wie eine Apfelsine, und ein wenig von ebenso eifersüchtiger Farbe.

Don Pedro.
In Wahrheit, Fräulein, ich glaube, Eure Beschreibung trifft zu; obgleich ich schwören kann, daß, wenn dies der Fall ist, sein Argwohn im Irrtum sei. Sieh, Claudio, ich warb in deinem Namen, und die schöne Hero ist gewonnen; ich hielt bei ihrem Vater an und habe seine Einwilligung erhalten. Bestimme jetzt deinen Hochzeitstag, und Gott schenke dir seinen Segen.

Leonato.
Graf, empfangt von mir meine Tochter und mit ihr mein Vermögen. Seine Gnaden haben die Heirat gemacht, und die ewige Gnade sage Amen dazu.

Beatrice.
Redet doch, Graf, das war eben Euer Stichwort.

Claudio.
Schweigen ist der beste Herold der Freude. Ich wäre nur wenig glücklich, wenn ich sagen könnte, wie sehr ich's bin. Fräulein, wie Ihr die Meine seid, bin ich nun der Eure; ich gebe mich selbst für Euch hin und bin selig über die Auswechslung.

Beatrice.
Redet doch, Muhme, oder wenn Ihr nichts wißt, so schließt ihm den Mund mit einem Kuß und laßt ihn auch nicht zu Wort kommen.

Don Pedro.
In der Tat, mein Fräulein, Ihr habt ein fröhliches Herz.

Beatrice.
O ja, gnädiger Herr, ich weiß es ihm Dank, dem närrischen Dinge, es hält sich immer an der Windseite des Kummers. Meine Muhme sagt ihm da ins Ohr, er sei in ihrem Herzen.

Claudio.
Ja, das tut sie, Muhme.

Beatrice.
Lieber Gott, über das Heiraten! So kommt alle Welt unter die Haube, nur ich nicht, und mich brennt die Sonne braun; ich muß schon im Winkel sitzen und mit Ach und Weh nach einem Mann weinen.

Don Pedro.
Fräulein Beatrice, ich will Euch einen schaffen.

Beatrice.
Ich wollte, Euer Vater hätte diese Mühe übernommen. Haben Euer Gnaden nicht vielleicht einen Bruder, der Euch gleicht? Euer Vater verstand sich auf herrliche Ehemänner, wenn ein armes Mädchen nur dazu kommen könnte!

Don Pedro.
Wollt Ihr mich haben, mein Fräulein?

Beatrice.
Nein, mein Prinz, ich müßte denn einen andern daneben für die Werkeltage haben können. Eure Hoheit ist zu kostbar, um Euch für alle Tage zu tragen. – Aber ich bitte, verzeiht mir, mein Prinz; ich bin einmal dazu geboren, lauter Torheiten und nichts Ernsthaftes zu sprechen.

Don Pedro.
Euer Schweigen verdrießt mich am meisten; nichts kleidet Euch besser als Munterkeit, denn Ihr seid ohne Frage in einer lustigen Stunde geboren.

Beatrice.
O nein, gnädigster Herr, denn meine Mutter weinte. Aber es tanzte eben ein Stern, und unter dem bin ich zur Welt gekommen. Glück zu, Vetter und Muhme! –

Leonato.
Nichte, wollt Ihr das besorgen, wovon ich Euch sagte?

Beatrice.
O ich bitte tausendmal um Vergebung, Oheim; mit Eurer Hoheit Erlaubnis. (Ab.)

Don Pedro.
Wahrhaftig, ein angenehmes, muntres Mädchen! –

Leonato.
Melancholisches Element hat sie nicht viel, gnädiger Herr. Sie ist nie ernsthaft, als wenn sie schläft: und auch dann ist sie's nicht immer. Denn, wie meine Tochter mir erzählt, träumt ihr zuweilen tolles Zeug, und vom Lachen wacht sie auf.

Don Pedro.
Sie kann's nicht leiden, daß man ihr von einem Manne sagt.

Leonato.
O um alles in der Welt nicht; sie spottet alle ihre Freier von sich weg.

Don Pedro.
Das wäre eine vortreffliche Frau für Benedikt! –

Leonato.
O behüte Gott, mein Fürst; wenn die eine Woche verheiratet wären, sie hätten einander toll geschwatzt.

Don Pedro.
Graf Claudio, wann gedenkt Ihr Eure Braut zur Kirche zu führen?

Claudio.
Morgen, gnädiger Herr. Die Zeit geht auf Krücken, bis die Liebe im Besitz aller ihrer Rechte ist.

Leonato.
Nicht vor dem nächsten Montag, mein lieber Sohn, welches gerade heute über acht Tage wäre; und auch das ist noch immer eine zu kurze Zeit, um alles nach meinem Sinn zu veranstalten.

Don Pedro.
Ich sehe, ihr schüttelt den Kopf über einen so langen Aufschub, aber ich verspreche dir's, Claudio, diese Woche soll uns nicht langweilig werden. Ich will während dieser Zwischenzeit eine von Herkules' Arbeiten vollbringen, und zwar die, den Signor Benedikt und das Fräulein Beatrice sterblich ineinander verliebt zu machen. Ich sähe die beiden gar zu gern als ein Paar und zweifle nicht, damit zustande zu kommen, wenn ihr drei mir solchen Beistand versprechen wollt, wie ich's jedem von euch anweisen werde.

Leonato.
Ich bin zu Euren Diensten, mein Fürst, und sollte mich's zehn schlaflose Nächte kosten.

Claudio.
Ich auch, gnädiger Herr.

Don Pedro.
Und Ihr auch, schöne Hero?

Hero.
Ich will alles tun, was nicht unziemlich ist, um meiner Muhme zu einem guten Mann zu verhelfen.

Don Pedro.
Und Benedikt ist noch keiner von den hoffnungslosesten Ehemännern, die ich kenne. Soviel kann ich von ihm rühmen: er ist von edler Geburt, von erprobter Tapferkeit und bewährter Rechtschaffenheit. Ich will Euch lehren, wie Ihr Eure Muhme stimmen sollt, daß sie sich in Benedikt verliebe: und ich werde mit eurer beider Hilfe Benedikt so bearbeiten, daß er trotz seinem schnellen Witz und seinem verwöhnten Gaumen in Beatricen verliebt werden soll. Wenn wir das zustande bringen, so ist Cupido kein Bogenschütze mehr; sein Ruhm wird uns zuteil werden, denn dann sind wir die einzigen wahren Liebesgötter. Kommt mit mir hinein, ich will euch meinen Plan sagen. (Ab.)

Zweite Szene

Zimmer in Leonatos Hause

Don Juan und Borachio treten auf

Don Juan.
Es ist richtig; Graf Claudio wird Leonatos Tochter heiraten.

Borachio.
Ja, gnädiger Herr; ich kann aber einen Querstrich machen.

Don Juan.
Jeder Schlagbaum, jeder Querstrich, jedes Hindernis wird mir eine Arznei sein. Ich bin krank vor Verdruß über ihn, und was nur irgend seine Neigung kreuzt, geht gleichen Weges mit der meinigen. Wie willst du denn diese Heirat hindern?

Borachio.
Nicht auf eine redliche Art, gnädiger Herr, aber so versteckt, daß keine Unredlichkeit an mir sichtbar werden soll.

Don Juan.
Wie denn? Mach's kurz.

Borachio.
Ich glaube, ich sagte Euch schon vor einem Jahr, gnädiger Herr, wie weit ich's in Margaretens Gunst gebracht, des Kammermädchens der Hero?

Don Juan.
Ich erinnere mich.

Borachio.
Ich kann sie zu jedem ungewöhnlichen Augenblick in der Nacht so bestellen, daß sie aus dem Kammerfenster ihres Fräuleins heraussieht.

Don Juan.
Und was für Leben ist darin, der Tod dieser Heirat zu werden?

Borachio.
Das Gift hieraus zu mischen ist hernach Eure Sache. Geht zum Prinzen, Eurem Bruder; seid nicht sparsam damit, ihm zu sagen, welchen Schimpf es seiner Ehre bringe, den hochberühmten Claudio (dessen Würdigung Ihr mächtig erheben müßt) mit einer verrufenen Dirne zu vermählen, wie diese Hero.

Don Juan.
Und welchen Beweis soll ich ihm davon geben?

Borachio.
Beweis genug, den Prinzen zu täuschen, Claudio zu quälen, Hero zugrunde zu richten und Leonato zu töten. Wollt Ihr denn noch mehr haben?

Don Juan.
Alles will ich dran setzen, nur um sie zu ärgern.

Borachio.
Nun wohl, so findet mir eine bequeme Stunde, in der Ihr Don Pedro und Graf Claudio beiseite nehmen könnt. Sagt ihnen, Ihr wüßtet, Hero liebe mich; zeigt einen besondern Eifer für den Prinzen wie für Claudio, und wie Ihr aus Besorgnis für Eures Bruders Ehre, der diese Heirat gemacht, und für seines Freundes Ruf, der im Begriff sei, durch die Larve eines Mädchens hintergangen zu werden, dies alles offenbartet. Sie werden Euch schwerlich ohne Untersuchung glauben: dann erbietet Euch, Beweise zu schaffen, und zwar nicht geringere, als daß sie mich an ihrem Kammerfenster sehn sollen; mich hören, wie ich Margareten Hero nenne, wie Margarete mich Borachio ruft: und dies alles laßt sie grade in der Nacht vor dem bestimmten Hochzeitstage sehn. Denn ich will indes die Sache so einrichten, daß Hero abwesend sein soll, und daß, wenn sich so wahrscheinliche Gründe für ihre Treulosigkeit häufen, Argwohn als Überzeugung erscheinen und die ganze Zurüstung unnütz werden soll.

Don Juan.
Mag daraus Unheil kommen, was will, ich unternehme es. Zeige dich gewandt in der Ausführung, und tausend Dukaten sollen deine Belohnung sein.

Borachio.
Bleibt nur standhaft in Eurer Anklage, meine Gewandtheit soll mir keine Schande machen.

Don Juan.
Ich will gleich gehn und hören, welchen Tag sie zur Hochzeit angesetzt haben.

(Beide ab.)

Dritte Szene

Leonatos Garten

Benedikt und ein Page treten auf

Benedikt.
Höre!

Page.
Signor?

Benedikt.
In meinem Kammerfenster liegt ein Buch, bringe mir das hieher in den Garten.

Page.
Ich bin schon hier, gnädiger Herr.

Benedikt.
Das weiß ich, aber ich will dich fort haben und hernach wieder hier. (Page geht.) Ich wundre mich doch außerordentlich, wie ein Mann, der sieht, wie ein anderer zum Narren wird, wenn er seine Gebärden der Liebe widmet, doch, nachdem er solche läppischen Torheiten an jenem verspottet, sich zum Gegenstand seiner eignen Verachtung macht, indem er sich selbst verliebt: und solch ein Mann ist Claudio. Ich weiß die Zeit, da ihm keine Musik recht war, als Trommel und Querpfeife, und nun hörte er lieber Tamburin und Flöte. Ich weiß die Zeit, wo er fünf Stunden zu Fuß gelaufen wäre, um eine gute Rüstung zu sehn, und jetzt könnte er fünf Nächte ohne Schlaf zubringen, um den Schnitt eines neuen Wamses zu ersinnen. Sonst sprach er schlicht vom Munde weg, wie ein ehrlicher Junge und ein guter Soldat; nun ist er ein Wortdrechsler geworden, seine Rede ist wie ein phantastisch besetztes Bankett, ebensoviel kurioses, seltsames Konfekt. – Sollt ich jemals so verwandelt werden können, solange ich noch aus diesen Augen sehe? Wer weiß: – Ich glaube es nicht. Ich will nicht darauf schwören, daß mich die Liebe nicht in eine Auster verwandeln könne; aber darauf möchte ich doch einen Eid ablegen, daß sie mich vorher erst in eine Auster verwandelt haben muß, eh sie einen solchen Narren aus mir machen soll. Dieses Mädchen ist schön, das tut mir noch nichts; ein andres hat Verstand, das tut mir auch nichts; eine dritte ist tugendhaft, das tut mir immer noch nichts: und bis nicht alle Vorzüge sich in einem Mädchen vereinigen, soll kein Mädchen bei mir einen Vorzug haben. Reich muß sie sein, das ist ausgemacht; verständig, oder ich mag sie nicht; tugendhaft, oder ich biete gar nicht auf sie; schön, oder ich sehe sie nicht an; sanft, oder sie soll mir nicht nahe kommen; edel, oder ich nehme sie nicht, und gäbe man mir noch einen Engel zu; angenehm in ihrer Unterhaltung, vollkommen in der Musik: und wenn sie das alles ist, so mag ihr Haar eine Farbe haben, wie es Gott gefällt. Ach! da kommen der Prinz und unser Amoroso. Ich will mich in die Laube verstecken. (Geht beiseite.)

Don Pedro, Leonato und Claudio kommen.

Don Pedro.
Gefällt's Euch jetzt, das Lied zu hören?

Claudio.
Ja, teurer Herr. – Wie still der Abend ist,
Wie schlummernd, daß Musik noch süßer töne! –

Don Pedro.
Seht Ihr, wie Benedikt sich dort versteckt?

Claudio.
Jawohl, mein Fürst. Wenn der Gesang beendigt,
Soll unser Füchslein gleich sein Teil erhalten.

Balthasar mit Musik kommt.

Don Pedro.
Kommt, Balthasar, singt das Gedicht noch einmal.

Balthasar.
Mein Fürst, verlangt nicht von so rauher Stimme,
Zum zweitenmal dies Lied Euch zu verderben.

Don Pedro.
Stets war's ein Merkmal der Vortrefflichkeit,
Durch Larve die Vollendung zu entstellen: –
Ich bitt dich sing, laß mich nicht länger werben.

Balthasar.
Weil Ihr von Werbung sprecht, so will ich singen,
Denn oft beginnt sein Werben ein Galan,
Wo 's ihm der Müh nicht wert scheint: dennoch wirbt er
Und schwört, er sei verliebt.

Don Pedro.
Nun bitt ich, singe,
Und willst du erst noch länger präludieren,
So tu's in Noten.

Balthasar.
Welche Not! die Noten
Sind der Notiz nicht wert, notiert Euch das.

Don Pedro.
Das nenn ich drei gestrichne Noten mir,
Not, Noten und Notiz!

(Musik)

Benedikt.
Nun, divina musica. Nun ist seine Seele in Verzückung! Ist es nicht seltsam, daß Schafdärme die Seele aus eines Menschen Leibe ziehn können? Nun, im Ernst, eine Hornmusik wäre mir lieber.

Lied.

Klagt, Mädchen, klagt nicht Ach und Weh,
Kein Mann bewahrt die Treue,
Am Ufer halb, halb schon zur See
Reizt, lockt sie nur das Neue.
Weint keine Trän und laßt sie gehn,
Seid froh und guter Dinge,
Daß statt der Klag und dem Gestöhn
Juchheisasa erklinge.

Singt nicht Balladen trüb und bleich,
In Trauermelodien:
Der Männer Trug war immer gleich
Seitdem die Schwalben ziehen.
Weint keine Trän usw.

Don Pedro.
Auf meine Ehre, ein hübsches Lied.

Balthasar.
Und ein schlechter Sänger, gnädiger Herr.

Don Pedro.
Wie? O nein doch, du singst gut genug für den Notbehelf.

Benedikt (beiseite).
Wär's ein Hund gewesen, der so geheult hätte, sie hätten ihn aufgehängt. Nun, Gott gebe, daß seine heisre Stimme kein Unglück bedeute! – Ich hätte ebenso gern den Nachtraben gehört, wäre auch alles erdenkliche Unglück danach erfolgt.

Don Pedro (zu Claudio).
Ja, Ihr habt recht. – Höre, Balthasar! Schaffe uns eine recht ausgesuchte Musik; morgen abend soll sie unter Fräulein Heros Fenstern spielen.

Balthasar.
Die beste, die ich finden kann, gnädiger Herr.

(Ab mit den Musikern.)

Don Pedro.
Schön; – jetzt laß uns. – Kommt, Leonato, was erzähltet Ihr mir doch vorhin? Daß Eure Nichte Beatrice in Benedikt verliebt sei?

Claudio (beiseite).
O nur zu, nur zu, der Vogel sitzt. (Laut.) Ich hätte nie geglaubt, daß das Fräulein einen Mann lieben könnte.

Leonato.
Ich ebensowenig. Aber das ist eben das Wunderbarste, daß sie grade für den Benedikt schwärmt, den sie dem äußern Schein nach bisher verabscheute.

Benedikt.
Ist's möglich? bläst der Wind aus der Ecke?

Leonato.
Auf mein Wort, gnädiger Herr, ich weiß nicht, was ich davon denken soll. Aber sie liebt ihn mit einer rasenden Leidenschaft, es geht über alle Grenzen der Vorstellung.

Don Pedro.
Vielleicht ist's nur Verstellung.

Claudio.
Das möcht ich auch glauben.

Leonato.
O Gott, Verstellung? Es ist wohl noch nie eine verstellte Leidenschaft der lebendigen Leidenschaft so nahe gekommen, als sich's an ihr äußert.

Don Pedro.
Nun, und welche Symptome der Leidenschaft zeigt sie denn?

Claudio (leise).
Jetzt ködert den Hamen, dieser Fisch wird anbeißen.

Leonato.
Welche Symptome, gnädiger Herr? Sie sitzt Euch da,... nun, meine Tochter sagte Euch ja, wie.

Claudio.
Ja, das tat sie.

Don Pedro.
Wie denn? Wie? Ihr setzt mich in Erstaunen. Ich hätte immer gedacht, ihr Herz sei ganz unempfindlich gegen alle Angriffe der Liebe.

Leonato.
Darauf hätte ich auch geschworen, mein Fürst, und besonders gegen Benedikt.

Benedikt (beiseite).
Ich hielte es für eine Prellerei, wenn's der weißbärtige Kerl nicht sagte. Spitzbüberei, meiner Seele, kann sich doch nicht hinter solcher Ehrwürdigkeit verbergen.

Claudio (beiseite).
Jetzt hat's gefaßt, nur immer weiter.

Don Pedro.
Hat sie Benedikt ihre Neigung zu erkennen gegeben?

Leonato.
Nein, sie schwört auch, dies nie zu tun: das ist eben ihre Qual.

Claudio.
Jawohl, darin liegt's. Das sagte mir auch Eure Tochter; «Soll ich», sagte sie, «die ich ihm sooft mit Spott begegnet, ihm jetzt schreiben, daß ich ihn liebe?»

Leonato.
Das sagt sie, wenn sie grade einen Brief an ihn angefangen hat. Denn sie steht wohl zwanzigmal in der Nacht auf, und da sitzt sie dann in ihrem Nachtkleide und schreibt ganze Seiten voll – meine Tochter sagt uns alles. – – Und nachher zerreißt sie den Brief in tausend Hellerstückchen, zankt mit sich selbst, daß sie sowenig Zurückhaltung besitze, an jemand zu schreiben, von dem sie's doch wisse, er werde sie verhöhnen: «Ich beurteile ihn», sagt sie, «nach meiner eigenen Sinnesart, denn ich würde ihn verhöhnen, wenn er mir schriebe; ja, wie sehr ich ihn liebe, ich tät es doch».

Claudio.
Dann nieder auf die Knie stürzt sie, weint, seufzt, schlägt sich an die Brust, zerrauft ihr Haar, betet, flucht: «O süßer Benedikt! Gott schenke mir Geduld!»

Leonato.
Freilich, das tut sie, das sagt mir meine Tochter, ja, sie ist so außer sich in ihrer Ekstase, daß meine Tochter zuweilen fürchtet, sie möchte in der Verzweiflung sich ein Leids tun: das ist nur zu wahr.

Don Pedro.
Es wäre doch gut, wenn Benedikt es durch jemand anders erführe, da sie es ihm nun einmal nicht entdecken wird.

Claudio.
Wozu? Er würde doch nur Scherz damit treiben und das arme Fräulein dafür ärger quälen.

Don Pedro.
Wenn er das täte, so wär's ein gutes Werk, ihn zu hängen. Sie ist ein vortreffliches, liebes Fräulein und ihr guter Ruf über allen Verdacht erhaben.

Claudio.
Dabei ist sie ausgezeichnet verständig.

Don Pedro.
In allen andern Dingen, nur nicht darin, daß sie den Benedikt liebt.

Leonato.
O gnädiger Herr! wenn Verstand und Leidenschaft in einem so zarten Wesen miteinander kämpfen, so haben wir zehn Beispiele für eines, daß die Leidenschaft den Sieg davonträgt. Es tut mir leid um sie, und ich habe die gerechteste Ursache dazu, da ich ihr Oheim und Vormund bin.

Don Pedro.
Ich wollte, sie hätte diese Entzückungen mir gegönnt; ich hätte alle andern Rücksichten abgetan und sie zu meiner Hälfte gemacht. Ich bitte Euch, sagt doch dem Benedikt von der Sache und hört, was er erwidern wird.

Leonato.
Meint Ihr wirklich, daß es gut wäre?

Claudio.
Hero ist überzeugt, es werde ihr Tod sein; denn sie sagt, sie sterbe, wenn er sie nicht wiederliebe, und sie sterbe auch lieber, als daß sie ihm ihre Liebe entdecke; und wenn er sich wirklich um sie bewirbt, so wird sie eher sterben wollen, als das Geringste von ihrem gewohnten Widerspruchsgeist aufgeben.

Don Pedro.
Sie hat ganz recht; wenn sie ihm ihre Neigung merken ließe, so wär's sehr möglich, daß er sie nur verlachte. Der Mann hat, wie ihr alle wißt, eine sehr übermütige Gesinnung.

Claudio.
Er ist sonst ein feiner Mann.

Don Pedro.
Er hat allerdings eine recht glückliche äußere Bildung.

Claudio.
Ganz gewiß, und wie mich dünkt, auch viel Verstand.

Don Pedro.
Es zeigen sich in der Tat mitunter Funken an ihm, welche wie Witz aussehn.

Leonato.
Und ich halte ihn auch für tapfer.

Don Pedro.
Wie Hektor, das versichre ich Euch; und nach der Art, wie er mit Händeln umzugehn versteht, muß man auch einräumen, daß er Klugheit besitzt. Denn entweder weicht er ihnen mit großer Vorsicht aus, oder er unterzieht sich ihnen mit einer christlichen Furcht.

Leonato.
Wenn er Gott fürchtet, so muß er notwendig Frieden halten. Wenn er den Frieden bricht, kann's nicht anders sein, als daß er seine Händel mit Furcht und Zittern anfängt.

Don Pedro.
Und so ist es auch. Denn der Mann fürchtet Gott, obgleich nach seinen derben Späßen kein Mensch das von ihm glauben sollte. Mit alledem dauert mich Eure Nichte. Wollen wir gehn und Benedikt aufsuchen und ihm von ihrer Liebe sagen?

Claudio.
Nimmermehr, gnädigster Herr. Diese Schwachheit wird endlich verständigem Rate weichen.

Leonato.
Ach, das ist unmöglich. Eher wird ihr Leben von ihr weichen.

Don Pedro.
Nun, wir wollen hören, was Eure Tochter weiter davon sagt, und sich's indes verkühlen lassen. Ich halte viel auf Benedikt und wünsche sehr, er möchte sich einmal mit aller Bescheidenheit prüfen und einsehn, wie wenig er eine so treffliche Dame zu besitzen verdient.

Leonato.
Wollen wir gehn, mein Fürst? Das Mittagessen wird fertig sein.

Claudio (beiseite).
Wenn er sich hierauf nicht sterblich in sie verliebt, so will ich nie wieder einer Wahrscheinlichkeit trauen.

Don Pedro (beiseite).
Man muß jetzt das nämliche Netz für sie aufstellen, und das laßt Eure Tochter und ihre Kammerfrau übernehmen. Der Spaß wird sein, wenn jeder von ihnen sich von der Leidenschaft des andern überzeugt hält, und ohne allen Grund. Das ist die Szene, die ich sehen möchte: es wird eine wahre Pantomime sein. Wir wollen sie abschicken, um ihn zu Tische zu rufen.

(Don Pedro, Claudio und Leonato ab.)

Benedikt (tritt hervor).
Das kann keine Schelmerei sein; das Gespräch war zu ernsthaft. Sie haben die Gewißheit der Sache von Hero; sie scheinen das Fräulein zu bedauern: es scheint, ihre Leidenschaft hat die höchste Spannung erreicht. – In mich verliebt? Oh, das muß erwidert werden. Ich höre, wie man von mir denkt: sie sagen, ich werde mich stolz gebärden, wenn ich merke, wie sie mich liebt. Sie sagen ferner, sie werde eher sterben, als irgendein Zeichen ihrer Neigung geben. Ich dachte, nie zu heiraten; aber man soll mich nicht für stolz halten. Glücklich sind, die erfahren, was man an ihnen aussetzt, und sich danach bessern können. Sie sagen, das Fräulein sei schön; ja, das ist eine Wahrheit, die ich bezeugen kann; und tugendhaft: – allerdings, ich kann nichts dawider sagen; – und verständig, ausgenommen, daß sie in mich verliebt sei: – nun – meiner Treu, das ist eben kein Zuwachs ihrer Verständigkeit, aber doch kein großer Beweis ihrer Torheit, denn ich will mich entsetzlich wieder in sie verlieben. – Ich wage es freilich drauf, daß man mir etliche alberne Späße und Witzbrocken zuwirft, weil ich selbst so lange über das Heiraten geschmält habe; aber kann sich der Geschmack nicht ändern? Es liebt einer in seiner Jugend ein Gericht, das er im Alter nicht ausstehn kann – sollen wir uns durch Sticheleien und Sentenzen und derlei papierene Kugeln des Gehirns aus der rechten Bahn unsrer Laune schrecken lassen? Nein, die Welt muß bevölkert werden. Als ich sagte, ich wolle als Junggeselle sterben, dacht ich es nicht zu erleben, daß ich noch eine Frau nehmen würde. Da kommt Beatrice. Beim Sonnenlicht, sie ist schön! ich erspähe schon einige Zeichen der Liebe an ihr.

Beatrice kommt.

Beatrice.
Wider meinen Willen hat man mich abgeschickt, Euch zu Tische zu rufen.

Benedikt.
Schöne Beatrice, ich danke Euch für Eure Mühe.

Beatrice.
Ich gab mir nicht mehr Mühe, diesen Dank zu verdienen, als Ihr Euch bemüht, mir zu danken. Wär es mühsam gewesen, so wär ich nicht gekommen.

Benedikt.
Die Bestellung machte Euch also Vergnügen?

Beatrice.
Ja, grade soviel, als Ihr auf einer Messerspitze nehmen könnt, um's einer Dohle beizubringen. Ihr habt wohl keinen Appetit, Signor? So gehabt Euch wohl. (Ab.)

Benedikt.
Ah, «wider meinen Willen hat man mich abgeschickt, Euch zu Tische zu rufen!» Das kann zweierlei bedeuten: «es kostete mich nicht mehr Mühe, diesen Dank zu verdienen, als Ihr Euch bemüht, mir zu danken»: das heißt soviel als: jede Mühe, die ich für Euch unternehme, ist so leicht als ein Dank. Wenn ich nicht Mitleid für sie fühle, so bin ich ein Schurke; wenn ich sie nicht liebe, so bin ich ein Jude. Ich will gleich gehn und mir ihr Bildnis verschaffen. (Ab.)


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