William Shakespeare
Coriolanus
William Shakespeare

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Zweite Szene

Lager der Volsker vor Rom

Zwei Wachen der Volsker, zu ihnen kommt Menenius

Erste Wache.
Halt! – Woher kommt Ihr?

Zweite Wache.
Halt, und geht zurück!

Menenius.
Ihr wacht wie Männer. Gut; doch mit Vergunst,
Ich bin ein Staatsbeamter und gekommen,
Mit Coriolan zu sprechen.

Erste Wache.
Von wo?

Menenius.
Von Rom.

Erste Wache.
Ihr kommt nicht durch, Ihr müßt zurück. – Der Feldherr
Will nichts von dort mehr hören.

Zweite Wache.
Ihr sollt Eur Rom in Flammen sehn, bevor
Mit Coriolan Ihr sprecht.

Menenius.
Ihr guten Freunde,
Habt ihr gehört von Rom den Feldherrn sprechen
Und seinen Freunden dort? Zehn gegen eins,
So traf mein Nam eur Ohr, er heißt Menenius.

Erste Wache.
Mag sein. Zurück! denn Euers Namens Würde
Bringt Euch nicht durch.

Menenius.
Ich sage dir, mein Freund,
Dein Feldherr liebt mich, denn ich war die Chronik
Des Guten, das er tat, und wo sein Ruhm
Als gleichlos stand, wohl etwas übertrieben.
Denn immer zeugt ich gern für meine Freunde
(Von denen er der liebste), ganz und groß,
Soweit's die Wahrheit litt. Zuweilen wohl
So wie auf scheinbar glattem Grund die Kugel,
Sprang ich was jenseits, machte fast im Loben
Ein wenig Wind. – Drum, Kerl, muß ich auch durch.

Erste Wache.
Mein Treu, Herr, wenn Ihr auch so viele Lügen für ihn als jetzt Worte für Euch gesprochen habt, so sollt Ihr doch nicht durch. Nein – und wenn auch das Lügen so verdienstlich wäre wie ein keusches Leben. Darum – zurück!

Menenius.
Ich bitte dich, Mensch, erinnere dich, daß ich Menenius heiße, der immer die Partei deines Feldherrn hielt.

Zweite Wache.
Wenn Ihr auch sein Lügner gewesen seid, wie Ihr vorgebt, so bin ich einer, der in seinem Dienst die Wahrheit spricht und Euch sagt, daß Ihr hier nicht hinein dürft. Darum, zurück!

Menenius.
Hat er zu Mittag gegessen? weißt du's nicht? denn ich wollte nicht gern eher mit ihm reden als nach der Mahlzeit.

Erste Wache.
Nicht wahr, Ihr seid ein Römer?

Menenius.
Ich bin, was dein Feldherr ist.

Erste Wache.
Dann solltet Ihr auch Rom hassen, so wie er. Könnt Ihr, nachdem Ihr Euern Verteidiger zu Euern Toren hinausgestoßen und in Eurer blödsinnigen Volkswut Euerm Feind Euern eignen Schild gegeben habt, noch glauben, seine Rache ließe sich durch die schwächlichen Seufzer alter Frauen abwenden, durch das jungfräuliche Händefalten Eurer Töchter, oder durch gichtlahme Fürbitte eines so welken, kindischen Mannes, wie Ihr zu sein scheint? Könnt Ihr glauben, das Feuer, das Eure Stadt entflammen soll, mit so schwachem Atem auszublasen? Nein, Ihr irrt Euch – darum, zurück nach Rom und bereitet Euch zu Eurer Hinrichtung. Ihr seid verurteilt ohne Aufschub und Gnade, das hat der General geschworen.

Menenius.
Bursche, wenn dein Hauptmann wüßte, daß ich hier bin, so würde er mich mit Achtung behandeln.

Erste Wache.
Geht, mein Hauptmann kennt Euch nicht.

Menenius.
Ich meine den Feldherrn.

Erste Wache.
Der Feldherr fragt nichts nach Euch. – Zurück, ich sag es Euch, geht, sonst zapfe ich noch Eure halbe Unze Blut ab – zurück! denn mehr könnt Ihr nicht haben! Fort!

Menenius.
Nein, aber, Mensch! Mensch!

Coriolanus und Aufidius treten auf.

Coriolanus.
Was gibt's?

Menenius.
Jetzt, Geselle, will ich dir etwas einbrocken – du sollst nun sehn, daß ich in Achtung stehe. Du sollst gewahr werden, daß solch ein Hans Schilderhaus mich nicht von meinem Sohn Coriolan wegtreiben kann. Sieh an der Art, wie er mit mir sprechen wird, ob du nicht reif für den Galgen bist, oder für eine Todesart von längrer Aussicht und größerer Qual. Sieh nun her und fall sogleich in Ohnmacht wegen dessen, was dir bevorsteht. – Die glorreichen Götter mögen stündliche Ratsversammlung halten wegen deiner besondern Glückseligkeit und dich nicht weniger lieben als dein alter Vater Menenius. O! mein Sohn! mein Sohn! du bereitest uns Feuer? Sieh, hier ist Wasser, um es zu löschen. Ich war schwer zu bewegen, zu dir zu gehn; aber weil ich überzeugt bin, daß keiner besser als ich dich bewegen kann, so bin ich mit Seufzern aus den Toren dort hinausgeblasen worden und beschwöre dich nun, Rom und deinen flehnden Landsleuten zu verzeihn. Die gütigen Götter mögen deinen Zorn sänftigen und die Hefen davon hier auf diesen Schurken leiten, auf diesen, der mir, wie ein Klotz, den Eintritt zu dir versagte.

Coriolanus.
Hinweg!

Menenius.
Wie, hinweg?

Coriolanus.
Weib, Mutter, Kind, nicht kenn ich sie. – Mein Tun
Ist andern dienstbar. Eignet mir die Rache
Auch gänzlich, kann doch von den Volskern nur
Verzeihung kommen. Daß wir einst vertraut,
Vergifte lieber undankbar Vergessen,
Als Mitleid sich, wie sehr, erinnre. Fort denn!
Mein Ohr ist fester Euerm Flehn verschlossen,
Als Eure Tore meiner Kraft. Doch nimm dies,
Weil ich dich liebt, ich schrieb's um deinetwillen
Und wollt es senden. Kein Wort mehr, Menenius.
Verstatt ich dir. Der Mann, Aufidius,
War mir sehr lieb in Rom; und dennoch siehst du –

Aufidius.
Du bleibst dir immer gleich.

(Coriolanus und Aufidius gehn ab.)

Erste Wache.
Nun, Herr, ist Euer Name Menenius?

Zweite Wache.
Ihr seht, er ist ein Zauber von großer Kraft. Ihr wißt nun den Weg nach Hause.

Erste Wache.
Habt Ihr gehört, wie wir ausgescholten sind, weil wir Eure Hoheit nicht einließen?

Zweite Wache.
Warum doch, denkt Ihr, soll ich nun in Ohnmacht fallen?

Menenius.
Ich frage weder nach der Welt noch nach euerm Feldherrn. Was solche Kreaturen betrifft, wie ihr, so weiß ich kaum, ob sie da sind, so unbedeutend seid ihr. – Wer den Entschluß fassen kann, von eigner Hand zu sterben, fürchtet es von keiner andern. Mag euer Feldherr das Ärgste tun; und, was euch betrifft, bleibt, was ihr seid, lange, und eure Erbärmlichkeit wachse mit euerm Alter! Ich sage euch das, was mir gesagt wurde: Hinweg! –

(Er geht ab.)

Erste Wache.
Ein edler Mann, das muß ich sagen.

Zweite Wache.
Der würdigste Mann ist unser Feldherr, er ist ein Fels, eine Eiche, die kein Sturm erschüttert.

(Sie gehn ab.)


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