William Shakespeare
Antonius und Cleopatra
William Shakespeare

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Zwölfte Szene

Daselbst. Ein anderes Zimmer

Antonius und Eros treten auf

Antonius.
Eros, siehst du mich noch?

Eros.
Ja, hoher Feldherr.

Antonius.
Oft sehn wir eine Wolke drachenhaft,
Oft Dunstgestalten gleich dem Leu, dem Bär,
Der hochgetürmten Burg, dem Felsenhang,
Gezackter Klipp und blauem Vorgebirg,
Mit Bäumen drauf, die nicken auf die Welt,
Mit Luft die Augen täuschend: solche Zeichen sahst du
Des dunkeln Abends Prachtgebilde.

Eros.
Ja,
Mein edler Herr.

Antonius.
Was jetzt ein Pferd noch war, im nächsten Nu
Verschwemmt's der Wolkenzug, unkenntlich wird's,
Wie Wasser ist im Wasser. –

Eros.
Ja, so ist's.

Antonius.
Mein guter Freund, solch einem Bilde gleicht
Dein Feldherr jetzt. Noch bin ich Mark Anton;
Doch bleibt mir nicht, mein Freund, dies Lebensbild. –
Der Krieg war für Ägypten – und die Königin –
Ihr Herz, wähnt ich, war mein, denn meins war ihr –
Und als es mein, da zog's Millionen andre
Mir nach, die jetzt dahin – sie hat, mit Cäsarn
Die Karten mischend, treulos meinen Ruhm
Dem Trumpf des Feindes zugespielt.
Nein, lieber Eros! Weine nicht! Es blieb noch
Ich selbst, mit mir zu enden. O die Arge! –
Mardian kommt.
Sie hat mein Schwert gestohlen!

Mardian.
Nein, Antonius,
Meine Herrin liebte dich und knüpft' ihr Schicksal
An deines fest.

Antonius.
Fort, frecher Hämling, schweig;
Verraten hat sie mich, und sie soll sterben.

Mardian.
Den Tod kann jeder Mensch nur einmal zahlen;
Sie hat die Schuld getilgt. Was du gewollt,
Ist schon vollbracht. Ihr letztes Wort im Leben
War: «Mark Antonius, edler Mark Anton!» –
Dann brach ein stöhnend Ächzen mitten durch
Das Wort Antonius; es blieb geteilt
So zwischen Herz und Lippen: sie verschied
Und ward des Namens Grab.

Antonius.
Tot also?

Mardian.
Tot.

Antonius.
– – Eros, entwaffne mich,
Des langen Tages Arbeit ist getan,
Ich geh zur Ruh. Daß du in Frieden ziehn magst,
Zahlt reichlich deinen Gang. Fort! Ab! Reiß ab! –
(Mardian geht.)
Nicht Ajax' siebenfältger Schild bewahrte
Vor diesem Sturm mein Herz. O brecht, ihr Seiten!
Herz, diesmal stärker sei als deine Hülle,
Spreng dein zerbrechlich Haus! Schnell, Eros, schnell!
Kein Krieger mehr! Lebt wohl, zerschlagne Waffen,
Ihr dientet mir in Ehren. – Geh ein Weilchen! –
(Eros ab.)
Ich hole bald dich ein, Cleopatra,
Und weine um Verzeihung: also sei's.
Aufschub ist Folter; da dein Licht erlosch,
Ruh aus, schweife nicht länger. Jetzt verdirbt
Alles Bemühn das Werk: Kraft selber wird verstrickt
Durch Kraft... Das Siegel drauf, und dann ist's gut! –
Eros! – ich komme Königin! Eros! – Weile noch;
Wir wolln dahin, wo Seelen ruhn auf Blumen,
Mit munterm Schritt die Geister staunen machen.
Dido und ihr Äneas stehn verlassen,
Und alles schwärmt uns nach. Komm, Eros! Eros!

Eros kommt zurück.

Eros.
Was ruft mein Herr?

Antonius.
Seit sie vorangegangen,
Lebt ich in solcher Schmach, daß meine Feigheit
Den Göttern ward zum Abscheu. Ich, des Schwert
Die Welt geteilt, der auf des Meeres Wogen
Aus Schiffen Städte schuf, bin nun verdammt,
Dem Weib an Mut zu weichen, minder kühn
Als sie, die sterbend unserm Cäsar sagt:
«Ich überwand mich selbst.» Du schwurst mir, Eros,
Käm es zum Äußersten – (und wahrlich, jetzt
Kam es so weit) und wenn ich hinter mir
Die unvermeidliche Verfolgung sähe
Von Schmach und Grauen: dann, auf mein Geheiß,
Wolltst du mich töten. Tu's! die Zeit ist da!
Nicht triffst du mich, den Cäsar schlägst du nieder.
Ruf Farb auf deine Wangen.

Eros.
Götter! Nein!
Sollt ich das tun, was alle Partherspeere,
Ob feindlich, nicht vermocht, ihr Ziel verfehlend?

Antonius.
Mein Eros,
Möchtst du am Fenster stehn im großen Rom
Und deinen Feldherrn schaun, verschränkt den Arm,
Geneigt den unterjochten Hals, sein Antlitz
Durchglüht von Scham, indes der Siegerwagen
Cäsars des Glücklichen, die Feigheit dessen
Der nachfolgt, brandmarkt?

Eros.
Nimmer möcht ich's schaun.

Antonius.
So komm, mit einer Wunde heilst du mich.
Zieh dies dein wackres Schwert, das du geführt
So nützlich für dein Land.

Eros.
O Herr, verzeiht mir!

Antonius.
Als ich dich frei ließ, schwurst du's damals nicht,
Zu tun, wenn ich's verlangte? Tu's mit eins,
Sonst wird dein frührer treuer Dienst durchaus
Gedankenloser Zufall. Zieh, und schnell!

Eros.
So wende denn von mir das edle Antlitz,
Aus dem die Majestät des Weltalls blickt!

Antonius.
Wohlan! (Wendet sich ab.)

Eros.
Ich zog das Schwert.

Antonius.
Vollende dann mit eins,
Weshalb du's zücktest.

Eros.
Mein geliebter Herr,
Mein Held, mein Imperator! Nun sag ich
Vor diesem blutgen Streich dir Lebewohl!

Antonius.
Du sprachst es, Lieber: leb denn wohl! –

Eros.
Leb wohl, mein Feldherr. Stoß ich jetzt?

Antonius.
Ja, Eros.

Eros.
Nun, so dann: so entrinn ich denn der Qual,
Antonius' Tod zu sehn. (Fällt in sein Schwert.)

Antonius.
O dreimal edler du als ich!
Du lehrtest mich, mein tapfrer Eros, was
Ich sollt und du nicht konntest. Meine Königin
Und du gewannet durch ein tapfres Beispiel
Vor mir den Ruhmesplatz. Nun will ich sein
Ein Bräutigam dem Tod und zu ihm eilen,
Wie zu der Liebsten Bett. Wohlan! Und Eros,
Dein Meister stirbt dein Schüler: das zu tun
(Fällt in sein Schwert.)
Lernt ich von dir... Was? – Nicht tot? Nicht tot? Wache!
O endet nun mit mir! –

Dercetas kommt mit Wache.

Erste Wache.
Was für ein Lärm?

Antonius.
Ich machte schlecht mein Werk; vollendet, Freunde,
Was ich begonnen.

Zweite Wache.
Unser Stern ging unter!

Erste Wache.
Und unsre Zeit ist aus!

Alle.
Weh allen! Weh! –

Antonius.
O, wer mich lieb hat, töte mich!

Erste Wache.
Nicht ich.

Zweite Wache.
Ich auch nicht.

Dritte Wache.
Keiner hier! (Wachen gehn ab.)

Dercetas.
Dein Tod und Schicksal scheucht die Freunde weg. –
Cäsarn dies Schwert mit dieser Post nur zeigen,
Verschafft mir Würden.

Diomedes tritt auf.

Diomedes.
Wo ist Anton?

Dercetas.
Hier, Diomed.

Diomedes.
Lebt er?
Willst du nicht Antwort geben? (Dercetas geht.)

Antonius.
Diomed, bist du's? o zieh dein Schwert und gib mir
Den Todesstreich!

Diomedes.
Erhabenster Gebieter,
Cleopatra, meine Fürstin, sandte mich.

Antonius.
Wann schickte sie?

Diomedes.
Jetzt eben, Herr.

Antonius.
Wo ist sie?

Diomedes.
In ihrem Grabmal. Ein prophetisch Ahnen
Weissagt' ihr, was geschehn. Denn als sie sah
(Was nimmer sich bewähren wird) Euch mißtraun,
Sie halt es mit dem Cäsar, und Eur Grimm
Sei nicht zu sänftgen, gab sie sich für tot;
Dann, fürchtend, wie Ihr's tragen möchtet, hieß sie
Mich, Euch die Wahrheit künden: doch ich kam
Zu spät, besorg ich.

Antonius.
Zu spät, mein Diomed. Ruf mir die Wache! –

Diomedes.
He, he! Des Feldherrn Wache! Wache, he!
Kommt, eur Gebieter ruft.

Einige von der Wache kommen zurück.

Antonius.
Tragt mich zur Kön'gin, meine guten Freunde;
Dies ist der letzte Dienst, den ich verlange.

Erste Wache.
Weh über uns! Daß Ihr nicht überlebt
All Eure treuen Diener!

Alle.
Tag des Jammers!

Antonius.
Nein, Kinder, schmeichelt nicht dem argen Schicksal;
Gönnt ihm nicht euren Kummer; heißt willkommen,
Was uns als Strafe naht, so strafet ihr's,
Indem ihr's leicht ertragt. Nun hebt mich auf!
Ich führt euch oft, nun tragt mich, liebe Freunde,
Und nehmt für alles Dank! –

(Sie tragen den Antonius weg.)


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