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Der Maler.

Es war einmal ein Maler, der malte viele schöne Bilder. Es waren Wälder, Wiesen, Flüsse und blaue Berge darauf und zu den Menschen, welche darin umhergingen, hätte man gleich »guten Tag« sagen mögen. Wo andere Leute nur viele gesunde Bäume sahen oder ein fischreiches Wasser, oder regenverkündende Abendwolken, oder eine dürre Haide, darauf nichts wuchs, da war es für ihn ganz anders, denn er sah die Schönheit in den Dingen und trug sie nach Hause, und es ward ein Bild.

Das war aber so zugegangen. Als er noch ein ganz kleiner Knabe war und einst allein in seiner Wiege lag und mit seinen Händchen spielte, war mit einem Male das Zimmer voller Rosenschein, denn eine Fee stand an seiner Wiege. Die war sehr schön, denn es war die Schönheit selber. Der kleine Knabe streckte ihr gleich beide Arme entgegen und wollte sich in der Wiege aufrichten, allein das konnte er noch nicht. Die Fee beugte sich darum zu ihm nieder und küßte ihn auf beide Augen; – dann hielt sie ihre Hand segnend über ihn und verschwand, wie der Sonnenschein verschwindet, wenn eine Wolke vor die Sonne tritt. Nachher trat die Mutter ein, um nach ihrem Liebling zu sehen, und verwunderte sich, denn der Knabe lag still in der Wiege und schlief, und um sein Gesicht war es wie ein himmlischer Schein. »Es ist ein Engel dagewesen,« sagte die Mutter, setzte sich leise an die Wiege und sah zu, wie das Kind schlief.

Seit der Zeit hatte er den Schönheitsblick, und darum ward er auch später ein Maler. Er sah aber nicht allein die Schönheit in den Dingen, sondern er sah auch noch vieles Andere, welches die klugen und überaus vernünftigen Menschen, deren es überall mehr als genug giebt, niemals zu erblicken vermögen. Wenn er allein in Wald und Gebirge umherschweifte, so sah er zwischen den bemoosten Steinen die Zwerge wirthschaften. Sie kamen aus den Felsenspalten hervor und breiteten kostbares Goldgeschirr und herrliche Stoffe in der Sonne aus, sie hockten unter dem Farrenkraut und spielten auf seltsamen Harfen, sie trieben allerlei drollige Spiele und machten sich viel Arbeit mit Hämmern, Schnitzen und Pochen.

Im Mondschein sah er die Nixen im Bache baden. Sie tauchten auf und nieder und lachten und sangen den Nixengesang. Zuweilen schlugen sie das Wasser, daß es im Mondschein wie tausend Perlen schimmerte.

Oder es lag ein Teich da mit weißen Wasserrosen, umgeben von hoher Schilfwand; dort belauschte er die Elfen. Sie tanzten im Mondenscheine um ihre Königin und waren wie aus monddurchschimmertem Nebel geformt. Dies Alles und noch viel mehr sah der junge Maler und bewegte es in seinem Gemüth. Darnach versuchte er nachzubilden, was er gesehen hatte, und siehe, es gelang ihm. Da waren die Zwerge, die Nixen und Elfen, und der sonnige Wald, und das mondbeschienene Wasser, wie er es geschaut hatte.

Er hatte schon eine ganze Mappe voll Zwerge, Elfen und Nixen gezeichnet, da kam eines Tages eine Schwalbe in sein offenes Fenster geflogen: »Quivit, quivit!« schwang sie sich an den Bildern vorbei, welche dort standen und schoß wieder hinaus in den Sonnenschein. Die Schwalbe aber hatte wohl gesehen, was auf den Bildern war, und als sie über dem Wasser flog, erzählte sie es den Nixen, welche im Rohre saßen und sich Perlenschnüre machten, und die Nixen erzählten es den Elfen und von diesen erfuhren es die Zwerge. Da sie nun alle neugierig waren, so beschlossen sie, daß die Elfen, welche so leicht in der Luft fortkommen konnten, in einer Mondscheinnacht hinfliegen sollten, um die Bilder zu sehen. Denn die Zwerge mochten mit ihren kurzen Beinen nicht so weit laufen, und wenn die Nixen auch in dem Kanal hätten bis an das Haus des Malers schwimmen können, so scheuten sie sich doch vor der Nähe der Menschen.

Eines Nachts, als gerade der Vollmond schien und der Maler eben zu Bette gegangen war und nachdenklich in den breiten Mondstreifen sah, der zu seinem Fenster hineinstand, hörte er ein leises Singen und Klingen vor seinem Fenster, und dann schwebten sie im Mondschein hinein in sein Zimmer, lauter zarte helle Gestalten, daß das ganze Zimmer von sanftem Lichte erfüllt war.

Auf seiner Staffelei stand gerade ein Bild, welches den Elfenreigen darstellte und als die Elfen es sahen, drängten sie sich alle herzu und kicherten und schwatzten und riefen: »Das bist du!« und: »das bist du!«

Und dann überkam sie gleich die Tanzlust; – sie drehten sich im Elfenreigen, gerade wie es auf dem Bilde dargestellt war. Dann schwebten sie im ganzen Zimmer umher und besahen die Bilder und öffneten die Mappen und zogen Alles hervor, und bei den Zwergenbildern riefen sie: »Da ist Sträubebart!« oder: »Seht doch den Sauferich!« Und bei den Nixenbildern riefen sie: »Guten Abend, Wellgunde!« oder: »Sieh da, Wogelinde!« und dergleichen mehr.

Dann steckten sie die Köpfe zusammen und wisperten mit einander und schauten sich um nach dem Maler, der schnell die Augen zumachte. Nun war es um ihn wie ein lindes weiches Wehen, und er fühlte sanfte Küsse wie Blumenblätter, die der Frühlingswind an die Lippen weht, und als er hernach die Augen öffnete, war Alles verschwunden; nur der einsame Mondschein war noch dort. Darnach schlief er ein.

Später kamen nun aber die klugen und überaus vernünftigen Menschen, deren es allenthalben mehr als genug giebt, besahen diese Bilder und sprachen: »Ei, seht doch den Maler! Warum malt er nicht Dinge, die da sind und die man begreifen kann? Ei, seht doch diese Phantasiegespinnste und Schnarrwerke, die nicht waren, nicht sind und niemals sein werden!«

Und die klugen und überaus vernünftigen Menschen beguckten sich die Bilder auf alle Arten, von nah und fern, durch Brillen und Fernröhre und durch die hohle Hand, sie traten sich vor lauter Eifer auf die Zehen und sprachen so viele Worte der Weisheit, daß es ein wahrer Jammer war.

Als der Maler aber hörte, was die klugen Leute sagten, da lachte er und ließ sie reden, denn er wußte es ja viel besser.


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