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Das Upland des linken oder östlichen Mississippiufers erhebt sich schanzenartig, zieht in paralleler Linie mit dem Strome fort und hat auf seinem Scheitel die Hauptstadt des Mississippistaates mit mehreren Städtchen und unzähligen Pflanzungen. Der Strom, nicht länger durch Inseln oder Sandbänke gebrochen, wälzt sich in einem ungeheuern Bette fort, einem überfüllten Troge nicht unähnlich, aus dem er über beide Ufer herab tief ins Land hineinschaut und, gleichsam als verschmähte er jeden neuen Zuwachs, die bedeutenden Wassermassen, die ihm durch den Arkansas und roten Fluß zugeführt wurden, wieder entläßt. Dicht unter dem südlichen Abhang des Hochlandes hat er sich einen jener natürlichen Ausflüsse durchgebrochen, die unter dem Namen Bayous bekannt sind, und einen Teil seiner Gewässer, wenn sie eine gewisse Höhe erreicht, auf Umwegen dem Meerbusen zuführen und so der Versumpfung eines der reichsten und fruchtbarsten Länder der Erde vorbeugen.
Das Ufer sowohl des Hauptstromes, als des Bayou oder natürlichen Abzugskanals, hatte der Schweiß der unglücklichen Rasse, die in diesem Lande wohl zu säen, aber nicht zu ernten bestimmt ist, in einen Kulturzustand versetzt, den man damals jenseits der Alleghanygebirge schwerlich gesucht haben würde, und der, nach der traurigen Nacht der Tausende von Meilen längs dem Ohio und den Mississippiströmen sich erstreckenden Wildnis, dem Auge als eine der lieblichsten Oasen der Zivilisation erschien. Zwar sah man hier nicht jene wechselnden Naturgestaltungen, die im Norden den Reisenden so sehr entzücken, jene Gruppierungen von Felsen und Klüften, von Hügel und Tal, die, wie Licht und Schatten, einer Landschaft erst Charakter geben; aber das Fehlende der nordischen Schönheiten war hier reichlich durch eine Großartigkeit ersetzt, die den Blick des Beschauers ins Unendliche zog. Der Strom war hier bereits über viertausend Meilen geflossen, und das Tal hatte sich Tausende von Meilen beinahe ununterbrochen fortgesenkt, und aus diesem starrten Baumgruppen empor, die über den hundert Fuß hohen Naturwall noch weit heraufragten und in ihrer prachtvollen Farbenmischung die nordische Pflanzenwelt unendlich hinter sich ließen.
Unmittelbar an den schroff emporstarrenden Lehmwall des Hochlandes lehnte ein im Entstehen begriffenes Städtchen, dessen Häuser, beinahe zu bescheiden für die üppige Landschaft, seltsam von den mitunter reizenden Landsitzen abstachen, die aus dem Hintergrunde der zahllosen tropischen Baumgruppen herausschauten. Noch seltsamer erschienen mehrere Gebäude, die am Eingange des Bayou mit jener Hast aufgeführt waren, die immer die Anfänge des amerikanischen Ansiedlers bezeichnet. Es waren allem Anscheine nach große Vorratshäuser, aus Balken und Brettern zusammengezimmert, von denen eines einen Wachtposten vor dem großen Tore hatte. In einiger Entfernung sah man einige kleinere Gebäude, worunter zwei Schenken, deren eine, ziemlich ansehnlich und mit einer Schildwache vor der Türe, auf etwas vornehmere Gäste Anspruch gemacht und den Namen eines Gasthofes, den sie trug, verdient haben dürfte. Der ganze Vordergrund war mit Flocken schmutziger Baumwolle übersäet, die, gleich kotigen Schneeklumpen, hier ebensowenig, wie diese im Norden, geachtet zu werden schienen. Diese Abzeichen reger Tätigkeit gehörten jedoch augenscheinlich einer noch nicht lange vorübergegangenen Zeit an; gegenwärtig herrschte eine traurig düstere Stille in der ganzen Gegend, die nur durch das zeitweilige Rollen zweier Trommeln und das gellende Getöne ebensovieler Pfeifen unterbrochen wurde.
Nach dem Schalle dieser zwei Trommeln und Pfeifen sah man am Ufer des Bayou, gegen das Hochland zu, ein ziemlich zahlreiches Truppenkorps mit jener Langsamkeit und Unbeholfenheit manövrieren, die beim ersten Anblick noch Neulinge in der edlen Taktik verrieten, denen vielleicht das militärische Leben eben nicht sonderlich behagen mochte. Diese Langsamkeit oder Steifheit war vielleicht den Exerzierenden natürlich, nahm jedoch zuweilen den Ausdruck starren Trotzes an, der nur unwillig dem Kommandowort zu gehorchen schien. Nichtsdestoweniger sah man hier nichts mehr von jenem bunten Gemenge, jener ungebändigten Ausgelassenheit, die wir an den Haufen zu Opelousas zu bemerken Gelegenheit fanden; es herrschte hier im Gegenteile ein starrer Ernst und eine gewisse formelle, steife und selbständige Mannszucht. Man sah, daß die Mannschaft, schon seit einiger Zeit eingeteilt, sich die Übungen angelegen sein ließ, obwohl sie sich dabei unbehaglich fühlen mochte. Auch im Äußern unterschied sie sich vorteilhaft von den bunten und meistens in selbstgemachten Stoffen gekleideten Männern des obgenannten Städtchens. Es waren zwischen fünf- und sechshundert Mann, alle wohl, viele elegant gekleidet, die jüngeren Offiziere in reichen Uniformen, die ältern in ihren Zivilröcken und bloß durch Degen, rotseidene Schärpen und Federbüsche von den Milizen unterschieden; die Mehrzahl mit Musketen, einige Kompagnien mit Stutzen oder der sogenannten Rifle bewaffnet. Mehrere Neger mit Wechselpferden hielten im Hintergrunde.
Was jedoch auffiel, war der Ernst und die düstre Stille, mit der alle Bewegungen stattfanden. Ausgenommen die kurzen, beinahe dumpfen Kommandoworte hörte man kaum einen Laut, keinen Tadel; die Offiziere mochten entweder die häufigen Verstöße nicht bemerken, oder sie wurden mit einer Nachsicht aufgenommen, die hier gewissermaßen Schonung zum ersten Gebote zu machen schien. Bloß einige jüngere Offiziere mit knapp anliegenden Uniformen, goldenen Epaulettes und reich verzierten Tschakos ließen einen größern Eifer auch in den häufigen »Verdammt« bemerkbar werden, die aber weder von den ältern, noch von der Mannschaft beachtet wurden.
Zuweilen nach der Ausführung eines Angriffs oder einer Retirade hielt das Bataillon still; mehrere schwarze Männer und Weiber, die im Hintergrunde mit Körben standen, wurden herbeigerufen, und Befehlende und Gehorchende nahmen brüderlich Erfrischungen und stellten sich, nachdem alle abgefertigt waren, wieder in Reih' und Glied, um von vorne anzufangen.
Mannschaft und Offiziere schienen auf das beste miteinander zu harmonieren.
Den Strom herauf war schon seit längerer Zeit ein Dampfschiff sichtbar gewesen, das nun dem Bayou zuruderte, eben als sich das Bataillon in Bewegung setzte, um einen Angriff darzustellen, der es eine ziemlich weite Strecke dem Bayou entlang gegen das am Hochland lehnende Städtchen führte. Da angekommen, hielt es, wandte sich und fing an gegen das Stromufer zu retirieren, wo es sich einige hundert Schritte vom Dampfschiffe in ein Viereck formierte.
Die Entwicklung war ziemlich gut gelungen, wenigstens weit besser, als irgendeine der früheren.
Das Dampfboot war unterdessen in das Bayou eingelaufen, und die Passagiere strömten über die Bretter ans Ufer. Männer, Weiber und Kinder in ungewöhnlicher Anzahl eilten aus dem Schiffe, als ob sie gejagt würden. An den Weibern war eine Ängstlichkeit und Hast zu sehen, an den Männern ein verstörtes Wesen, das einer Flucht nicht unähnlich sah.
Die Milizen hatten schweigend die Herankommenden beobachtet. »General Billow!« sprach einer derselben aus dem Viereck zu einem auf dem Pferde haltenden Offiziere, »diese da scheinen keine fröhliche Märe zu bringen. – Wenn's Euch beliebt, so wollen wir zuerst hören, was sie bringen.«
Der General sprach einige Worte mit seinen Offizieren und erwiderte dann: »Gewiß, meine Mitbürger, wir wollen für heute ruhen und hören, was unten vorgeht.« Er gab das Entlassungswort, und die Trommeln schlugen die Retraite. Die Stabsoffiziere waren von ihren Pferden gestiegen und hatten sich in eine Gruppe gesammelt, auf welche nun die Mannschaft und mehrere der Gelandeten zukamen. Ein ernster, hoher Mann im braunen Überrock unter diesen, und in einiger Entfernung ein jüngerer in der Kapitänsuniform der Linientruppen. Schon die ersten Begrüßungen der Hergekommenen hatten Bestürzung unter den Milizen hervorgebracht, die nur allmählich Worte zu finden schien und in ein Gemurmel des Unwillens überging, aus dem die Worte »Nieder mit dem Tyrannen!« vernehmbar wurden. Doch hielten sich alle in Schranken und sahen in sehnsuchtsvoller Spannung auf den Mann, dem die sämtlichen Offiziere einige Schritte entgegengetreten waren. Die ausgezeichnete Achtung, mit welcher sie, den General an der Spitze, ihn empfingen, verriet den bedeutenden Rang des Neuangekommenen, der, die dargebotene Hand der Stabsoffiziere schüttelnd, den Willkommensgruß der übrigen mit einer Verbeugung erwiderte.
Er war einige Zeit ohne ein Wort zu sprechen vor dem General gestanden, der ihn hinwiederum bedeutsam ansah und in seiner Miene lesen zu wollen schien, als ihm dieser einige Worte ins Ohr flüsterte, die den General mit allen Symptomen des höchsten Unwillens zurückprallen machten.
Während die inhaltsschweren Worte im Kreise der nicht weniger erschütterten Offiziere herumgingen, war der junge Linienoffizier gleichfalls herangekommen.
»General Billow!« redete er den Milizgeneral mit einer militärischen Begrüßung an.
»Kapitän Percy!« entgegnete dieser.
Ein spitzes Lächeln schwebte noch auf den Lippen des jungen Militärs, das wahrscheinlich der etwas sonderbaren Entlassung des Bataillons galt; doch faßte er sich schnell und übergab dem Militärgeneral ein versiegeltes Paket. Auch mehrere der Offiziere hatten Briefe und Pakete erhalten, deren Inhalt, ihren Mienen nach zu schließen, nicht weniger als angenehm war.
»Kolonel Parker!« sprach der Kapitän zu dem, dem General zunächststehenden Offizier. »Sie haben mich wirklich angenehm überrascht, und ebenso wird es der General sein.«
»Der übrigens nicht sehr erfreut gewesen sein dürfte, soviel ich sehe«, erwiderte der Angesprochene, indem sein Auge über die Depeschen flog.
»Ah, das gibt sich,« versetzte der Kapitän lächelnd; »man wird sie unten schon lenksamer machen.«
»Meinen Sie, Kapitän?« fragte der Oberst. »Ja, ich meine,« versetzte der Linienoffizier, »und dabei dürfte der Dienst nur gewinnen.«
»Und wir verlieren«, erwiderte jener. »Wir sind es so zufrieden, und wenn es unten nicht der Fall ist, so seien Sie versichert, daß auch uns manches nichts weniger als beifallswürdig erscheint.«
Diese Bemerkung hatte eine augenblicklich gespannte, von einem Husten begleitete Pause zur Folge, der sein Entstehen vielleicht weniger einem Lungendefekte, als den zart und wieder schroff auseinander stehenden Verhältnissen des Offiziers der Linientruppen zu dem rangvordern Milizenobersten zu verdanken hatte.
»Gentlemen!« sprach der General, der die Depesche durchgelesen hatte, »der Befehlshaber sendet mir Order, sogleich mit dem Bataillon zu ihm zu stoßen und nicht auf die jenseits des Mississippi zu warten. Ich ersehe,« fuhr er zum Kapitän gewendet fort, »daß der General Sie zum Kommandanten des Depots ernannt und angewiesen hat, die Einübung der nachrückenden Truppen zu besorgen.« Er hielt inne und sprach mit mehreren der Stabs- und Oberoffiziere angelegentlich. Nach einer Weile fuhr er zum Linienoffizier gewendet fort:
»Was den ersten Punkt betrifft, so kann ich für jetzt meinen Entschluß um so weniger kundtun, als dieser von der Meinung meiner wackern Mitbürger abhängt. Sie werden ihn jedoch bis morgen früh hören. Was Ihr Kommando anlangt, so wird Ihnen das Depot übergeben werden, nämlich dreihundert Musketen und fünftausend scharfe Patronen; das übrige ist Eigentum der Counties und der Bürger. Es versteht sich von selbst, daß, wenn Sie hier zur Einübung der Truppen verbleiben, Sie in Ihrer Kategorie als Kapitän Generaladjutantendienste beim allenfallsigen Stabsoffiziere verrichten.«
Das Gesicht des jungen Militärs in ein feines, kaum merkbares Lächeln verzogen, entfärbte sich ein wenig, und seine Lippen kräuselten sich. »General Billow!« brach er endlich aus. »Verstehe ich Sie recht? Sie wollen sich zuerst beraten, ob auch den Befehlen des Kommandierenden Folge zu leisten sei, wenn der Feind zwanzig Meilen von der Hauptstadt steht?«
»Ich hoffe, Kapitän Percy wird die Schranken seiner Aufträge gegenüber einem Offizierkorps nicht vergessen, das freilich nur unter der Sanktion der Staatsverfassung gewählt ist.«
Die letzteren Worte waren in einem Tone ausgesprochen, der zwischen schneidender Ironie und kalter Strenge die Mitte hielt.
»Die übrigens suspendiert ist«, versetzte der Kapitän mit einem sarkastischen Lächeln.
»Wofür der, der sie suspendiert hat, verantwortlich gemacht werden soll«, erwiderte der General trocken.
Der junge Militär zog sich schnell zurück.
Die kurzen Mitteilungen, die wir soeben gegeben haben, fielen in dem scharfen bestimmten Tone, der im höchsten aufgeregte Gemüter verriet, die gerade noch hinlängliche Selbstbeherrschung behalten, um innerhalb der Schranken des hergebrachten Anstandes zu bleiben. Diese Aufregung war allgemein und sichtlich groß. Es entfiel zwar keinem der Umstehenden ein Wort des Lobes oder Tadels; aber auf allen Gesichtern war ein stiller Ingrimm zu lesen, der sich nur in den verschiedenen Gruppen der noch immer umherstehenden Milizen durch ein drohendes Gemurmel Luft machen zu wollen schien. Die Offiziere hatten einen Kreis um den soeben angekommenen Fremden geschlossen und waren in ernster Unterredung eine Weile begriffen, worauf sie mit ihm dem Dampfschiffe zugingen, das er kaum bestiegen hatte, als es seine Fahrt fortsetzte. Die Mannschaft stand noch immer beisammen und besprach sich wechselweise untereinander und mit den Offizieren. Endlich trat einer der Stabsoffiziere, den wir als Obersten nennen gehört, unter die Menge und sprach einige Worte, worauf diese auseinander ging. Das nämliche war das Offizierkorps im Begriffe zu tun, als es durch eine Erscheinung festgehalten wurde, die seine Aufmerksamkeit mehr und mehr zu fesseln begann.
Noch ehe das Bataillon seinen Angriffsmarsch auf das am Hochlande lehnende Städtchen angefangen hatte, waren vom jenseitigen Ufer zwei Boote abgestoßen, von denen das eine anfangs unschlüssig schien, welche Richtung es einschlagen solle. Es hatte sich nach oben und nach unten gewandt, war aber endlich quer über den Strom auf das Bayou zugefahren. Es enthielt Matrosen, ihren blauen Tuch- und roten Flanelljacken nach zu schließen; einige darunter waren jedoch besser gekleidet, und einer hatte durch ein Fernrohr das Ufer des Bayou schon seit einiger Zeit rekognosziert. Erst als die Offiziere sich zum Gehen anschickten, fielen ihnen die sonderbaren Ankömmlinge auf, die, etwa zwölf an der Zahl, herangerudert kamen. Einige hatten Tücher um ihre Köpfe gewunden, andere trugen ihre Arme in Schlingen; mehrere hatten große Pflaster auf ihren Gesichtern. Soviel sich entnehmen ließ, waren sie Ausländer, und zwar, den verzerrten und verstörten, braunen, gelben und schwarzen Gesichtern nach zu urteilen, von einer nichts weniger als achtbaren Klasse. Als wollten sie der Beobachtung entgehen, hatten sie ihre Rücken dem Bayou zugewendet. Der General winkte einem der Offiziere, und dieser trat auf die Ankommenden zu.
Das Boot war dem Ufer nahe; sowie jedoch die verdächtigen Ankömmlinge die Bewegung des Milizenoffiziers bemerkten, schoß es in das Bayou hinein und dieses rasch hinab. Auf einmal hielt es; einer der besser Gekleideten stieg ans Land und trat dem Linienkapitän entgegen, der soeben aus dem Tore des Wachthauses kam. Er reichte diesem mit einer kurzen militärischen Verbeugung ein Papier, verbeugte sich nochmals und eilte wieder zu den im Boote Gebliebenen zurück. Nach einiger Zeit kamen diese das Ufer des Bayou heraufgeklettert und schlugen dann den Weg zum Städtchen ein.
Der Kapitän hatte abwechselnd die sonderbaren Menschen und wieder das Papier angesehen und war dann auf das Offizierkorps zugegangen.
»Was hat es mit diesen Leuten für eine Bewandtnis?« fragte der sichtlich verstimmte General.
Der Kapitän überreichte das Papier. »Lesen Sie, General, kaum kann ich meinen Augen trauen. Eine Sicherheitskarte für Armand, Morceau, Bernardin, Cordon usw., Ansiedler von Nacogdoches, ausgestellt von den mexikanischen Behörden und visiert vom kommandierenden General.«
»Haben Sie nach der Bestimmung dieser Leute gefragt?«
Der Kapitän zuckte die Achseln. »Die Hauptstadt ist ihre Bestimmung, das Weitere, erwiderte mir der Mann, wisse der General en Chef. Wirklich ein höchst verdächtiges Gesindel, und es scheint hier zu Hause zu sein.«
»Ah, Mister Billow und Barrow! Wie geht's? Herzlich froh, Euch wieder zu sehen. Wohl! Ihr nehmt Euch ja prächtig aus in Euern Federbüschen«, sprach eine derbe, breite, gedehnte Stimme, die unserm Squire Copeland angehörte, der soeben auch mit seinen Gefährten und Pferden vom zweiten Boote gelandet und die letztern einem in der Nähe stehenden Neger übergeben hatte, auf seinem breiträndrigen, vieleckichten Quäkerhute den besagten Federbusch hatte, sonst aber noch ziemlich in der früheren Garderobe stak.
»Gentlemen!« sprach er, halb ernst und halb lachend, »Ihr seht nun Major Copeland vor Euch. Morgen kommt mein Bataillon nach.«
»Willkommen denn, Major!« sprachen der Major und sämtliche Offiziere mit einem Ernste, der die etwas gedehnte Redseligkeit des neuen Waffenbruders ein wenig kürzen zu wollen schien.
»Und diese da«, fuhr der Major fort, der den Wink nicht verstand oder verstehen wollte, »dürftet Ihr vielleicht für meine Adjutanten halten; aber den einen kennt Ihr, es ist Dick Gloom, unser Countyconstable, und der andere, auf den Briten weisend, der ist, ich weiß selbst nicht, was ich sagen soll.«
»Dann will ich Euch darein helfen«, fiel der Brite ein, der über die seltsame Aufführung ungeduldig geworden war. »Ich bin ein Engländer, Midshipman in Seiner Majestät Fregatte ›der Donnerer‹, den Mißgeschick von den Seinigen gerissen hat; ich bitte um schnelle Untersuchung und Berichte an Euer Hauptquartier.«
Der General maß den vorschnellen Sprecher mit einem flüchtigen Blicke und begann dann das ihm vom Squire eingehändigte Protokoll zu übersehen. Nochmals warf er auf den jungen Mann einen Blick und dann übergab er das Papier dem Kapitän. – »Das ist Ihr Departement, Kapitän Percy; leiten Sie das Nötige ein.«
Auch der junge Offizier maß den Jüngling mit einem forschenden Auge und rief, als er gelesen, der Ordonnanz.
»Nehmt diesen jungen Menschen in engen Gewahrsam. Ein Mann mit scharf geladenem Gewehre vor seine Türe! Jeder Zutritt strenge untersagt!«
»Ich weiß wirklich nicht, welcher der Verdächtige ist, dieser sein sollende Spion oder die sonderbaren Gesellen, die uns da vor der Nase Reißaus nehmen«, hob der General nach einer Weile an.
Unser Squire hatte, ohne eine Miene zu verziehen, dem kurzen Verfahren des Linienoffiziers zugesehen. Er wandte sich nun wieder zum General; – »der wäre nun einstweilen aufgehoben«, brummte er ihm zu. – »Aber wie seht Ihr doch aus, General Billow und Kolonel Parker? Ihr seid ja so verstört, – erst jetzt bemerke ich es.«
»Wir haben einige Ursache, Squire«, sprach der erstere. »Ihr seid zu einem harten Strauße wie gerufen gekommen. Ihr werdet hören.«
»Ist's der unten? Ich habe so etwas drüben munkeln gehört. Ja es wird etwas kosten, den Teufel aus dem herauszutreiben. Wohl, was meine Wildfänge betrifft, mit denen muß er glimpflich umgehen, die sind noch immer halb Roß, halb Alligator, und ein wenig drüber. Haben mir noch gestern da einen Spuk gemacht, just als ich am Frühstück saß, stürzt mir der Haufe aufs Haus los, und bei einem Haar hätten sie's mitgenommen. Wußte nicht, was das zu bedeuten hat, da kommt aber Joe Drum und Sam Slab und wollen mir den Jungen mit aller Gewalt zum Spion machen. Der schmuckste Bursche, den es geben kann. War schon halb und halb gesonnen, durch die Finger zu sehen, aber als wir da bei Tische saßen, da munkelte er mir etwas von Tokeah, und als die Meinige der weißen Rosa gedachte, Ihr wißt ja, Kolonel Parker, die weiße Rosa, von der ich Euch so oft erzählt, da ward er Euch doch so rot, wie ein wilder Truthahn unterm Schnabel. Dacht' mir, da sieht's doch nicht so ganz richtig aus, und nimmst 'n mit. Ihr wißt, der Häuptling Tokeah, der uns vor fünfzehn Jahren so vielen Spuk gemacht.«
»Tokeah, der Häuptling der Oconees?«
»Derselbe«, fuhr der Squire fort. »Ich kam zufälligerweise auf seinen Namen. Da platzte er auf einmal heraus: Tokeah? Ihr kennt ihn?« und als Mistreß Copeland die weiße Rosa nannte, von der ich Euch erzählte –«
»Aber, lieber Major, dieser Umstand ist doch wichtig, und ich vermisse ihn ganz im Protokoll«, sprach der General verweisend.
»Ja, er wird ein Narr sein,« versetzte der redselige Friedensrichter, »und Euch das auftischen. Ich hatte den Kopf so voll, daß ich ihn ersuchte, den Plunder selbst aufzusetzen.«
Die Offiziere sahen sich bedeutsam an. »Fürwahr, Squire,« sprach der General, »Ihr macht Euch Eure Amtsbürde leicht. Wer hat je gehört, einen Spion sein eigenes Protokoll aufsetzen zu lassen, und einen Ausländer, wie konntet Ihr Euch und uns eine solche Blöße geben?«
Der Squire kratzte sich hinter den Ohren: »Verdammt, Ihr habt recht.«
»Ohnehin«, sprach der Kapitän in etwas wegwerfendem Tone, »würde ein gehöriges Protokoll vonnöten gewesen sein, um es mit einer Einbegleitung hinabzusenden. Darf ich bitten, die Zeit zu bestimmen, wann es gefällig, dieses vornehmen zu lassen?«
»In einer halben Stunde«, erwiderte der General, worauf der Kapitän sich mit einer Verbeugung entfernte.
Die Offiziere hatten sich unterdessen dem Gasthause genähert, das in gerader Linie mit den Uferklippen lag, auf welche die verdächtige Truppe zugeeilt war. Sie schien in großer Eile, vor der Ankunft der Offiziere die Höhe des Städtchens zu gewinnen, war aber durch die Langsamkeit einiger, die nur mühsam fort konnten, in den Wendungen des Fahrweges zwischen diese und die Ordonnanz mit dem Gefangenen gekommen. Den letztern hatten die auf ihn Zueilenden starr angesehen; kaum hatte ihn aber der vorderste erblickt, als dieser betroffen plötzlich den Rücken wandte. Der Brite war schnell auf die Seite gesprungen, hatte den Mann scharf ins Auge gefaßt und war im Begriffe, auf ihn loszustürzen, als ihn die Ordonnanz unsanft am Arme ergriff und vorwärts deutete.
»Halt!« sprach der Jüngling, »diesen Menschen kenne ich!«
»Mag sein,« erwiderte die Ordonnanz trocken, »vorwärts!«
»Laßt mich«, rief jener. »Das ist der Seeräuber.«
»Seeräuber?« sprach der Milize, der mit einem Satze den jungen Mann wieder erfaßt hatte. »Wenn Ihr mir nochmals solche Sprünge macht, dann trage ich Euch in Euern Behälter, aber Eure Knochen werden's noch nach acht Tagen spüren. – Der junge Mensch da sagt,« redete er die herankommenden Offiziere an, »daß der Mann da ein Seeräuber sei.«
»Befolgt die Euch erteilten Befehle«, sprach der General, ohne die zwei eines Blickes zu würdigen.
Der Jüngling wurde ein wenig blaß, und die Ordonnanz schob ihn mit einem nochmaligen rauhen »Vorwärts!« weiter.
»Und Ihr?« wandte sich der Milizgeneral zu den Ausländern.
Es trat einer vor, dessen Gesicht zur Hälfte mit einem schwarzseidenen Tuche verbunden war, während die andere, von einem großen Pflaster bedeckt, bloß ein graues Auge sehen ließ. Der Mann verbeugte sich leicht und selbstgefällig.
»Wie ich sehe,« begann der Geselle, »so habe ich die Ehre, Milizoffiziere vor mir zu sehen, die sich zum Strauße für unten richten. Wenn Sie, wie ich hoffe, morgen abgehen, so werden wir das Vergnügen haben, Ihnen Gesellschaft zu leisten.«
»Sehr gütig«, versetzte der General.
»Nicht blöde«, meinte der Squire.
Der Oberst schwieg.
»Auch wir sind gesonnen,« fuhr der Kamerad im leichten gefälligen Tone fort, »unser Scherflein auf dem Altare des Landes der Freiheit darzubringen, des beglückenden Asyls der Müden und durch Tyrannenwillkür Verfolgten. Wer wird nicht sein Teuerstes wagen für das höchste Erdengut?«
»Ihr seid freigebig mit Euerm Teuersten«, entgegnete der General trocken. »Man wirft nicht leicht etwas weg, das noch einigen Wert hat.«
»Gewiß nicht,« erwiderte der Ausländer, »aber wer da nicht glüht, wenn das Freiheitsfeuer lodert, der ist ein Feiger.«
»Immerhin würdet Ihr besser tun, für Euer eigenes Land zu glühen und uns die Sorge für das unsrige zu überlassen«, sprach der General. »Auf jeden Fall kann Euer Mexiko Eure freiheitsglühenden Seelen besser brauchen.« –
»Wir sind zu stolz, unter Pfaffen zu dienen,« versetzte der Mann, »wir haben unsre Dienste da angeboten, wo Ehre zu ernten ist.«
»Für Euch vielleicht, aber nicht für uns«, erwiderte der General mit sichtlicher Verachtung.
Der Ungesprochene trat stolz zurück.
»Woher kommt es,« fragte nun der General ein wenig schärfer, »daß Ihr, obgleich verwundet, so weit geht, um Euch in einem fremden Dienste neue Wunden zu holen?«
»Ein Haufe Osagen, dem wir begegnet sind, hat diese Wunden teuer bezahlen müssen, übrigens sind wir nicht ganz fremd; schon seit Jahren mit der Hauptstadt in Verbindung, haben wir Produkte von unsern Pflanzungen mit uns, die nachkommen.«
»Und dieser da«, sprach der Oberst, der schon seit längerer Zeit die Abenteurer fixiert hatte, auf die er nun losging, und einen erfassend, diesen trotz alles Sträubens hervorzog. »Ist dieser auch einer, der sein Scherflein auf den Altar des Landes der Freiheit niederzulegen gekommen ist?« Er schlug mit diesen Worten dem Manne seine Mütze vom Kopfe, und mit dieser fiel ihm auch der Verband von der Stirne.
»Bei Jingo! das unser Pompey sein, der Massa John in der Stadt davongesprungen«, kicherte der Schwarze des Obersten, der einige Schritte seitwärts mit den Pferden hielt.
»Pompey Massa nicht kennen, Pompey ein Mexikaner; nichts Massa angehen«, schrie der entlaufene Neger. »Du wirst mich kennen lernen«, sprach der Milizenoberst. »Ordonnanz! nehmt einstweilen diesen Mann da hinüber und legt ihm zur Vorsorge Fuß- und Halseisen an.«
»Ihr bleibt hier«, sprach der General in befehlendem Tone zu dem Manne, der gleichgültig, und ohne im mindesten seine Fassung zu verlieren, dem Ergreifen seines schwarzen Gefährten zugesehen hatte.
»Auf Ihre Gefahr, Herr Offizier«, erwiderte er. »Wir sind angewiesen, schleunigst im Hauptquartier einzutreffen.«
»Der Arzt wird Euch untersuchen, und seid Ihr wirklich verwundet, so mögt Ihr Euch einen zeitweiligen Aufenthaltsort wählen; – wo nicht, so ist das Gefängnis Euere Wohnung.«
»Herr Milizoffizier –«, sprach der Mann stolz.
»Bemüht Euch nicht weiter,« entgegnete der General kalt, »dem Kommandierenden wird Nachricht von Euerm Eintreffen zugesandt werden, das übrige werdet Ihr erfahren.«
Der Marodeur trat näher heran und schien noch etwas auf dem Herzen zu haben; allein der General hatte ihm den Rücken gewendet und ging mit seinen Begleitern dem Gasthofe zu. Ein Zug Milizen, der von dem Wachtposten kam, nahm nun die Bande in Empfang und führte sie in die Wachtstube.