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X.
Squatter-Leben

»Wir blieben Freunde«, fährt der Graf fort. »In der Tat, von diesem Abende an gaben die Squatters ein Vertrauen zu uns kund, ein Verlangen, sich zu verständigen, die wirklich wohltuend ansprachen. Wir hatten uns mit einem Worte gegenseitig kennen gelernt und, wie es nun schon der Fall zu sein pflegt, wenn man sich erkannt und die Interessen dieselben sind, so glätteten sich alle die schroffen Seiten leicht und gefällig in ein freundlicheres Zusammenleben; uns schien es jetzt unbegreiflich, wie wir, trotz unserer Weltkenntnis, diese zuvorkommenden Leute so sehr verkennen und den soliden Kern, der unter der freilich harten Schale lag, so lange nicht herausfinden konnten.

Zwar gab es auch später noch zuweilen leichte Reibungen, mit denen eine gewisse morgue aristocratique uns noch öfter necken zu wollen schien; aber sie wurden immer seltener und schwächer, und Nathan war dann auch zur Hand, uns wieder ins gehörige Geleise zu bringen. Nathan war wirklich ein Freund, den wir uns in unserer Lage nicht besser wünschen konnten; so ganz gleichsam aus einem Gusse geformt, sein Wesen so durch und durch was Sie consistency, wir Konsequenz nennen, und wieder so energisch, reell, eigentümlich schlau! Langsam überlegend, bedächtig erwägend, debattierte, räsonierte er oft zum Ermüden; hatte er aber einmal einen Entschluß gefaßt, dann folgte die Tat so unaufhaltsam sicher wie der Schall der Flamme aus dem Rohre seines Stutzens. Dabei stand ihm eine leichte ironische Weise zu Gebote, eine gewisse stattlich steife republikanische Convenance, die damals überhaupt die Amerikaner scharf charakterisierte, jetzt aber leider in dem geldmäkelnden Treiben verschwunden ist, und die ihm ungemein wohl, ja interessant ließ. Kein Mensch verstand besser als er die Vorurteile und Rechte anderer zu schonen und dabei seine eigenen Ansichten haarscharf an der Grenzlinie fremder vorbei dem vorgesteckten Ziele zuzuführen.

Nehmen Sie eine Probe der Art und Weise, wie er uns gleich am folgenden Tage zu seiner Hausordnung bekehrte.

Es war Sonntag, und das erste, was wir nach dem Frühstücke taten, war, uns eines Stoßes Zeitungen zu bemächtigen, die auf einem Schranke in der Ecke der Stube aufgeschichtet lagen. Sie waren von verschiedenen Punkten der Union und versprachen gerade die Unterhaltung, die uns an einem amerikanischen oder, was ziemlich dasselbe sagen will, puritanischen Sonntage, am besten amüsieren konnte. Mistreß Strong sah ein wenig finster darein, als wir uns der weltlichen Blätter bemächtigten; wir ließen uns jedoch nicht irre machen und teilten brüderlich den Stoß, gerade als Nathan vom Hofe in die Stube trat. Ohne ein Wort zu sagen, schritt er zum Schranke, über dem sich ein Laden mit der Hausbibliothek befand, streckte bedächtig den einen seiner langen knöchernen Arme nach einer mit erzenen Klappen versehenen Bibel, legte diese vor uns hin, ergriff dann eine zweite, und, sich setzend, wartete er ruhig, bis Mistreß Strong und die Familie, mit dem Aufräumen fertig, gleichfalls Platz nahmen, alle Gesangbücher in der Hand.

Wir hatten die Zeitungen weggeschoben und warteten der Dinge, die da kommen sollten.

Nathan schlug die Bibel auf, warf uns einen bedeutsamen Blick zu, nannte ein Kapitel aus dem alten Testamente und begann vorzulesen.

Als das Kapitel geendigt war, gab er das Lied an, das folgen sollte. Es wurde abgesungen.

Wieder folgte ein Kapitel aus dem Neuen Testamente, wieder ein Lied und hierauf ein Gebet.

Die häusliche Andacht ging langsam, beinahe pedantisch vor sich; aber sie hatte ein Etwas, das sie vorteilhaft auszeichnete, – etwas Reguläres, mit der systematischen Hausordnung im Einklang Stehendes.

Als sie vorüber war, erhob sich Nathan und, vor uns hintretend, sprach er, auf die Bibel deutend: ›Ist das die Zeitung, die wir an Sabbaths-Vormittagen lesen, und eine so gute Zeitung, als je geschrieben wurde, und werdet wohl tun, wenn Ihr sie an solchen Tagen leset. Ist die Zeitung, die uns lehrt, ein ruhig achtbares Haus und uns selbst und unsere Leute in Zucht und Ordnung zu halten. Gibt Euch und ihnen den Halt, kalkuliere, versteht, was ich unter dem Halt meine. Gibt Euch und ihnen den Halt, und ist eine Hauptsache dieser Halt, ist das Ruder, der Kompaß dieser Halt, und habt Ihr diesen nicht, helfen keine Segel und kein Wind. Will Euch aber nicht vorschreiben, nur meine Notion sagen, und die Ordnung zeigen, die in meinem Hause ist. Mögt in dem Eurigen tun, wie Ihr wollt, aber besser schwerlich.‹

Wir hatten in der Folge oft Ursache, ihm für den gegebenen Fingerzeig zu danken. Nirgends mehr, als in der Einsamkeit der Hinterwäldler empfindet man die Wohltat, die der Menschheit durch dieses göttliche Buch zuteil wird. Es gewährt eine wahre Erquickung und Erholung.

Nachmittags machten wir Besuche bei Nachbarn, und den Abend brachten wir bei Regulator Nollins zu. Den folgenden Tag wollten wir das ersteigerte Land und die Gebäulichkeiten besichtigen. Nathan, hatten wir gehofft, werde sich als Begleiter antragen; die Arbeiten waren jedoch so dringend, daß sich daran nicht denken ließ. Das einzige, was er tun konnte, war, uns seinen Sohn Joshua mitzugeben. Wir hatten im Sinne, von dem ersteigerten Lande uns sogleich in die Attacapas zu begeben, dort unsere Angelegenheiten in Ordnung zu bringen und die Übersiedlung zu veranstalten. Nathan jedoch schüttelte den Kopf und meinte, wir würden wohl zu Mittag wieder zurück sein, doch möchten wir tun, wie wir am besten fänden; sein Haus stehe uns immer offen, wenn wir auch ein Jahr blieben.

Wir dankten ihm für sein Anerbieten und ritten gleich nach genossenem Frühstücke mit Amadee und Jean ab. Der Major, dessen Begleitung uns sehr lieb gewesen wäre, war auf einer Tour durch die Niederlassung.

Die Entfernung von der Pflanzung Nathans betrug zwölf Meilen. In einer Stunde und einer halben hatten wir Sorrels Pflanzung, wie sie genannt wurde, vor uns.

Die Lage war entzückend! Eine Creek lief durch sie hin, etwa fünfzig Fuß breit, aber, was bei uns ein seltener Fall ist, flüssig das ganze Jahr hindurch. Sie kommt aus den Kiefernwaldungen der oberen Opelousas. Das eine Ufer war etwa fünfzig Fuß höher als das andere und hatte schöne Gruppen von Immergrün-Eichen und Magnolien; das andere war undurchdringlicher Urwald von Plaquemines, Peccans, Bohnenbäumen. Im Vordergrunde auf einer Lichtung, die etwa einen Acker betragen mochte, stand eine Hütte.

›Aber wo ist das Haus?‹ fragten wir Joshua.

›Das ist es‹, versetzte der Junge.

›Das ist es? – Dieses das zweistöckige Haus?‹

Uns wurde grün und blau vor Augen und trostlos im Herzen, und so wurde es Amadee und Jean.

Zwanzig Fuß hohe Zypressenpfähle in die Erde eingerammelt, so ein Viereck bildend, dreißig Fuß lang und ebenso breit; diese pallisadenartig in die Erde eingerammelten Zypressenpfähle durch kleine Balken und Sparren verbunden, die Zwischenräume mit Lehm und spanischem Moose ausgefüllt; das Ganze gedeckt mit Pieux; die Türen und Fenster gleichfalls aus diesen rohen, acht Fuß langen Schindeln, mit Querhölzern zusammengehalten, der Schornstein, vier lange Bretter mit Lehm überworfen, – das war das zweistöckige Haus, die Improvements. Kein eiserner Nagel, kein Schloß, Fenster oder Riegel am ganzen Bauwerke zu sehen.

Wir lachten laut auf vor Ärger. Hätten wir das Land und die Improvements und alles zusammen in die Hände ballen und dem Versteigerer und seinen Hinterwäldler-Associés an den Kopf werfen können, mit Lust hätten wir es getan.

›Aber in dem Hause können wir doch nicht wohnen, Herr Graf?‹ meinte Amadee.

›Wohnen in dieser Bärenhöhle?‹ lachte ich. – ›Der T–l mag da wohnen.‹

Noch vor zwei Stunden schien es uns so leicht, eine Pflanzung anzulegen, ein wahres Kinderspiel. Jetzt – ich stand wie sinnlos. –

›Was läßt sich da tun? Wollen wir einziehen?‹ fragte Lassalle.

Und wir brachen in ein lautes Gelächter aus.

›Habe die Notion,‹ sprach der Junge, der uns kopfschüttelnd angesehen, ›Ihr geht wieder heim mit mir. Vater wird wissen, was zu tun ist.‹

Abermals schauten wir einander an. Es war das klügste, was wir tun konnten, und wir taten es. Ohne Verzug ritten wir zurück. Viel weniger Zeit nahm es uns, wie Sie leicht ermessen können, heim- als herzukommen.

Als wir vor Nathans Hause abstiegen, schaute er aus dem Tabaksfelde herauf:

›Habe wohl kalkuliert, Ihr würdet bald wieder zurück sein – wußte, daß Euch das Ding so, wie es ist, nicht zweimal gefallen wird.‹

›Aber um's Himmels willen, Nathan, das Ganze ist ja eine so furchtbare Wildnis, das Haus!‹

›Ja, für tausend Dollars müßt Ihr nicht erwarten, ein Schloß zu finden, und wer hat Euch geraten, tausend Dollars zu bieten? Solltet geschaut und gehört haben, wie weit andere gehen. Aber ist nichtsdestoweniger glorreiches Land!‹

›Glorreiches Land‹, versetzten wir. ›Wollten, es wäre –‹

›Glorreiches Land!‹ bekräftigte Nathan; ›und mögt Ihr da eine Pflanzung herstellen, die Euch in drei Jahren dreitausend Dollars abwirft.‹

›Das ist leichter gesagt als getan.‹

›Habe die Notion, es ist‹, versetzte Nathan. ›Kalkuliere aber nichtsdestoweniger, könnt, wenn Ihr die Sache recht anfangt, mit einem Kapitale von zehntausend Dollars in zehn Jahren zehntausend Dollars jährliche Einkünfte erringen, und wenn Ihr sie schlecht anfangt, in zwei Jahren einem Barbierladen irgendwo in Neuyork oder Baltimore vorstehen – wie viele Eurer Landsleute.‹

»Wir wußten das«, bemerkt der Graf. »Wir hatten solcher trostloser Rekontres in London mehrere gehabt. – Marquise, Viscounts, die in den Theatern für John Bull die Geige spielten – selbst einen, der ihm inkognito den Bart abnahm; das war es eben, was uns so gefügig gemacht und noch machte.«

›Will Euch sagen, was, kalkuliere ich, sich tun läßt. Will Euch meine Notion auf einmal sagen: Bleibt alle vier hier bei mir und seht euch die Wirtschaft an und geht in die Lehre, und ist das der beste Weg, den Ihr einschlagen könnt; sehen dann, ob sich etwas mit Euch anfangen läßt.‹

›Was, in die Lehre gehen?‹ lachten wir.

›Ei, jeder muß in die Lehre gehen, der Meister werden will‹, versetzte Nathan. – ›Kommt nur auf den Anfang an.‹ –

Wir fanden nach einigem Überlegen den Vorschlag doch so gar übel nicht, aber zu einem Hinterwäldler in die Lehre gehen, zwei courfähige Kavaliere! Es war ein bißchen stark!

›Kommt jetzt bis zum Mittagessen herunter in das Tabaksfeld‹, meinte Nathan.

Und wir gingen zu Nathan in das Tabaksfeld.

»Es dürfte Ihnen wohl nicht bekannt sein«, bemerkt der Graf, »daß der bedeutende Ruf, den unsere Blätter und die von Natchitoches sowie vom Red-River überhaupt genießen, sich von dieser Zeit her datiert, und daß ich alle Ursache habe, zu glauben, daß dieser Ruf vorzüglich dieser Niederlassung und insonderheit Nathan und Nollins zu verdanken ist. Die Sorgfalt der beiden in der Auswahl des Bodens, des Anbaues, der Wässerung und besonders der Blätter war außerordentlich. Sie waren geborne Virginier, diese Arbeiten folglich für sie ein Lieblingsgeschäft. Als solches betrieben sie es. Man konnte wirklich nichts Feineres genießen, als eine Zigarre von diesen herrlichen Blättern.

Nathan war gerade mit dem Pflücken der Blätter beschäftigt. Natürlich ergriffen wir diese Gelegenheit, um uns in einem der wichtigsten Zweige der Pflanzerwirtschaft zu unterrichten und halfen nach seiner Anleitung mit.

›Amadee und John!‹ meinte er mit einem Kopfrucke in das angrenzende Baumwollenfeld, in welchem die Familie sammelte, ›habe die Notion, Mistreß Strong schielt auf Euch herüber.‹

Amadee und John verstanden den Wink und hatten in der nächsten Viertelstunde jeder einen Korb, in dem sie von nun an täglich ihre hundert Pfund Baumwolle einsammelten.

Alles das gab sich durch Rucke, durch Winke so leicht weg, in einer gewissen vertraulich befehlenden und doch wieder bescheidenen Weise. Nur wenig wurde während der Arbeit gesprochen; Nathan war der Mann von Taten, nicht von Worten, obwohl er wieder zuzeiten wahrhaft parlamentarisch weitschweifig werden konnte.

Unsere Dilettantenarbeiten hatten unterdessen seine volle Zufriedenheit. ›Sehe, habt den Takt‹, entfuhr ihm am Abende.

Den folgenden Tag wieder Blättersortierung, den folgenden wieder, so ging es acht Tage fort. Wir verstanden nun die Behandlung des Tabaks so wohl wie ein Sohn der alten Dominion.

Nach Verlauf der Woche ging es ans Baumwollepressen. Die damaligen Baumwollenpressen waren noch sehr unvollkommen; die Zylinder, mit Haken versehen, ließen einen großen Teil der Körner in der Wolle, eine Verbesserung im Mechanismus mußte den Flaum reiner und schneller liefern. Wir machten Nathan auf die Mängel seiner Kottonpresse aufmerksam. Er ließ sich von uns erklären, mit dem Pressen inne halten, und wir machten uns an die Verbesserung der Maschine. Es gelang uns, durch eine einfache Vorrichtung die Baumwolle reiner zu liefern, und das Pressen ging um so vieles leichter, daß wir unsere Vorrichtung am Ende der Woche auch auf der zweiten Presse, die noch in der Gemeinde war, anbringen mußten. Nun beaufsichtigte Lassalle die eine der Pressen, ich die andere.

So verging wieder eine Woche. Wir standen nun mit der ganzen Gemeinde in einem Verhältnis, so gastlich freundlich, so ungeniert und doch wieder so anhaltend beschäftigt, daß uns die Wochen wie Tage, die Tage wie Stunden verflossen.

Die Abende brachten wir in Nathans Familie oder bei den ausgezeichneteren Gemeindegliedern zu, erzählten unsere Abenteuer, sie die ihrigen. Wir waren nun die geachteten Lieblinge der ganzen Gemeinde geworden, von deren zunehmendem Wohlstande Sie sich eine Idee durch die einzige Bemerkung machen können, wenn wir Ihnen sagen, daß mehr denn achthundert Ballen Baumwolle in diesem Herbste gepreßt wurden, von denen auf Nathan und Nollins allein hundertundachtzig kamen.

So waren wir bis in die letzten Tage des Oktober gekommen, die Pflanzerwirtschaft war uns nun eine Lust, wir hatten ganz die Attacapas, selbst unsere eigene Niederlassung vergessen.

Es war eines Abends bei einer Bouteille Madeira, daß uns Nathan eröffnete, wie er nun der Notion sei, daß es Zeit wäre, auch an uns zu denken. Die wichtigste Arbeit sei nun abgetan, und er halte es für Pflicht und Schuldigkeit, auch für uns etwas zu tun. Die Gemeinde sei einverstanden.

Wir erwiderten ihm, daß der Genuß seiner Gastfreundschaft ja ohnehin Entschädigung und wir eigentlich seine Schuldner wären.

›Will Euch sagen; will Euch meine Notion auf einmal sagen‹, meinte er. ›Habt uns einunddreißig Tage geholfen mit vier Händen, sind Euch dafür hundertundvierundzwanzig Hände schuldig.‹

Wir verstanden nicht, was er mit seinen Händen meinte.

›Ist Sitte bei uns,‹ fuhr er fort, ›wenn ein Ankömmling sich bei uns niederläßt, der für die Zukunft etwas verspricht, ihm eine Frolic zu veranstalten.‹

›Doch keine Tarring- oder Feathering-Frolic Eine Teer- oder Befiederungs-Unterhaltung.? hoffen wir.‹

›Nein, das nicht‹, meinte Nathan mit einem trockenen Lächeln. ›Ist eine andere Gattung Frolic. Ist eine Frolic, die Euch ein Haus aufblockt und wozu die Gemeinde geladen wird. Und habe die Notion, Ihr tut das morgen.‹

›Aber was sollen wir eigentlich?‹

›Je nun, nichts weiter, als bei jedem Haus anrufen und die Männer freundlich ersuchen, bei der Frolic ihre Äxte mitzubringen; und bei einem Dutzend Weibern mögt Ihr Eure Petition gleichfalls anbringen. Sie werden schon wissen, was Ihr meint.‹

›Und das ist alles?‹

›Alles. Das weitere werdet Ihr sehen. Doch, wie groß wollt Ihr eigentlich Euer Haus haben? Habe die Notion, fünfzig bis vierzig Fuß.‹

›Und die Gemeinde will uns wirklich ein Haus aufblocken?‹

›Ei, will sie das, und übermorgen abend soll es dastehen, so weit Äxte es bringen können. Wollen übermorgen daran, ist bereits abgemacht, aber müßt die Nachbarn einladen und vergeßt die Frauen nicht!‹

Und wir ritten am nächsten Tage herum, die Nachbarn einzuladen, und vergaßen die Frauen nicht.

Noch immer wußten wir nicht, was das Ganze wolle, obwohl wir im Hause große Vorbereitungen treffen sahen. Eine Kuh wurde nämlich geschlachtet, Pfannen, Kessel zurecht gerichtet, im ganzen Hause war alles auf den Beinen.

Das Muschelhorn gab am folgenden Morgen das Zeichen zum Aufbruch; sein weittönender, posaunenartiger Schall hallte aus dreißig Pflanzungen zurück.

Als wir unsere Pferde bestiegen, war die ganze Niederlassung auf den Beinen. Nathan mit Mistreß Strong und Miß Mary waren reisefertig; der erstere zu Pferde, die beiden anderen auf dem Wagen, auf dem Fleisch, Brot, Whisky, Kessel, Pfannen, alle möglichen Geräte wie zu einem Auszuge aufgepackt waren. Wir bildeten mit Nathan und seinen zwei älteren Söhnen den Vortrab.

Wir waren etwas mehr als die Hälfte des Weges gekommen, als uns bereits die scharf knallenden Schläge zahlreicher Äxte an die Ohren gellten. Als wir näher kamen, wurden diese Schläge lauter und stärker; wir ritten rascher und sahen endlich an die fünfzig Hinterwäldler im Walde beschäftigt, Bäume zu fällen. Noch immer kamen Reiter mit ihren Äxten von allen Seiten heran.

›Sind uns vorgekommen‹, meinte Nathan; ›ist Zeit, daß wir endlich auch dabei sind.‹

Und es war hohe Zeit; die unbarmherzigen Squatters hatten in ihrer Wut einige der schönsten Magnolien und Immergrün-Eichen auf der Anhöhe, auf die wir unser Haus hinzustellen gedachten, gefällt. Eine Stunde später und sie wäre so kahl gewesen, daß sich kein Kaninchen mehr verbergen konnte.

Wir taten natürlich Einhalt, was sich die Squatters um so lieber gefallen ließen, als die Bäume bloß des Platzes wegen umgehauen worden waren.

Diesen Platz, auf den das Haus nun zu stehen kommen sollte, bestimmten wir vereint mit Nathan. Er war auf dem Scheitel der Anhöhe, die sich, wie gesagt, etwa fünfzig Fuß über der Creek erhob und die umliegende Gegend beherrschte.

Das Treiben wurde nun immer lebendiger. An die fünfzig Nachbarn waren mit Umhauen der Stämme beschäftigt, fünfzig andere mit dem Zuhauen. Im ganzen Walde hallte es wider. Auf der Prärie zu unseren Füßen weideten über hundert Pferde, denn alle waren zu Pferde gekommen; und nicht bloß Männer, auch Frauen, Mädchen; an die dreißig Frauen und Mädchen rollten teils auf Wagen, teils galoppierten sie auf Pferden einher, schüttelten uns die Hände und begannen, sobald die Männer die Küche aufgeschlagen hatten, ihr Kochgeschäft. Drei Stangen, pyramidenartig in die Erde getrieben, von der Spitze herab der Kessel, darunter das angezündete Feuer – in weniger denn einer Stunde prasselte und knisterte es aus zwanzig Pfannen, Kesseln; Rostbeafs, Beefsteaks, Puddings, Cakes bräunten in den Pfannen, Whiskyfässer rollten im Grase. Es war eine Szene, so pittoresk, aufregend, der fröhliche Tumult war so überraschend!

Um vier Uhr stand das Gebäude aufgeblockt – sechzig Fuß lang, fünfzig breit – ein viereckiges Bauwerk aus fußdicken Zypressen; dreißig Fuß hoch aufgezimmert. Die Arbeit war eine ungeheure, unglaubliche. Hätten wir sie nicht mit eigenen Augen geschaut, wir hätten uns die Möglichkeit nimmer träumen lassen. Als alles so weit fertig war, wandte sich Nathan an uns und die Umstehenden:

›Habt jetzt das Haus – das Dach mag später folgen, und die innere Einrichtung und Einteilung müßt Ihr selbst besorgen. Damit Ihr dies aber könnt, wollen wir Euch das Ding da‹, auf die Hütte des Syndikus Sorrel deutend, ›heraufbugsieren. Könnte Euch sonst das Fieber da unten einen Streich spielen. Wollen aber zuerst eine Brücke haben.‹

Und gesagt, getan. Die hundert, oder buchstäblich zu reden, zweihundert Hände ergriffen die von dem Aufblocken übriggebliebenen Zederstämme, brachten sie über die fünfzig Fuß breite Creek, legten darüber Querbalken, und nachdem die Brücke so fertig war, legten sie das Bauwerk Sorrels auseinander, brachten Balken, Sparren, Pieux von dem jenseitigen Ufer auf die Anhöhe herauf, rammelten sie wieder ein, und in zwei Stunden stand die Hütte fix und fertig.

Jetzt ging es über das Essen. Obwohl die Squatters während ihrer Arbeit der Schlucke manche versucht und allenfalls ein Beefsteak oder einen Kuchen zur Gesellschaft mitgenommen, so war das Hauptessen doch bis zum Ende verspart worden. Wir waren die Gastgeber, denn die Lebensmittel, die immer vom Frolicveranstalter gegeben werden, waren auf unsere Rechnung vorgeschossen worden. Und ein fröhlicheres, vergnügteres Waldmahl wurde nie genossen. Zwanzig Wachfeuer, um diese unsere Squatters und Squatterinnen, wir die geschäftigen Gastgeber. Es war eine einzige Szene. Seelenvergnügt trennten wir uns; der Mond stand schon hoch über den Bäumen, als wir mit Nathans Familie die Pferde bestiegen.

›Und wißt Ihr, daß die Bürger großes Gefallen an Euch finden, Oberst!‹ hob Nathan an, nachdem wir eine Weile stillschweigend geritten waren.

Wir bezeigten natürlich unsere Zufriedenheit mit dem Gefallen der Bürger.

›Gefallt ihnen, Oberst,‹ fuhr Nathan fort, ›und könnt Ihr Euch Glück wünschen zu diesem Gefallen. Wollen Euch noch ein paar Frolics geben.‹

›Wie, noch ein paar Frolics?‹

›Habe Euch schon gesagt, daß wir, nämlich Mister Nollins und ich, Eure Schuldner für hundertundvierundzwanzig Tagwerke sind, die Ihr bei uns geschafft, im Hause und an den Pressen. Wollten diese Schulden redlich nach Gelegenheit abzahlen; haben sich aber die Bürger angetragen, dieses mit einem Male zu tun und sich dafür mit uns auszugleichen. Ist dies freilich das beste.‹

›Aber Ihr werdet doch nicht glauben, daß wir für Tagelohn bei Euch und Eurem Schwager gearbeitet, Mister Strong?‹

›Kalkuliere, Ihr habt nicht; kalkuliere aber, würde Nathan ebensowenig anstehen, wenn er sich die Arbeit von vier Fremdlingen zugute kommen lassen wollte, ohne ihnen dafür wieder seinen Arm zu leihen.‹

›Ah, wenn Ihr es so nehmt, dann ist's freilich etwas anderes; aber wir genossen Eure Gastfreundschaft.‹

›Und wir die Eurige‹, versetzte Nathan. ›Schenken Euch nichts; die Frolic geht auf Eure Rechnung, wie es sich bei Frolicgebern gehört und gebührt. Müßt aber Mistreß Strong ein gutes Wort geben, daß sie Euch morgen wieder die Frolic herrichtet.‹

Und wir gaben Mistreß Strong ein gutes Wort, unsere Frolic für den folgenden Tag herzurichten.

Und richtig ließ sich am Morgen darauf lange vor Sonnenaufgang wieder das Muschelhorn von Nathans Porche aus hören und eine Weile nachher die Echos aus den Pflanzungen. Wir waren diesmal zeitiger, um bei der Clearing-Frolic Dieser Frolics, Unterhaltungen, Zusammenkünfte, gibt es mannigfaltige – Quiltlings-Frolics, wo Mädchen und Frauen sich zum Steppen der Bettdecken versammeln; Husting-Frolics, zum Aushülsen des Welschkorns usw. nicht die Letzten zu sein. Miß Elisabeth, die diesmal mitging, hatte, bis die Squatters ankamen, noch Zeit, uns Kaffee bei einem der nicht erloschenen Wachfeuer zu bereiten.

Als sie endlich ankamen, kalkulierte Nathan in der ganzen Gegend herum, wo wohl am besten der Anfang des sogenannten Clearings zu machen wäre. Die Stimmen fielen aufs jenseitige Ufer, gerade dem aufgeblockten Hause gegenüber, von wegen des vortrefflichen Bottomlandes und Baumschlages. Am jenseitigen Ufer wurde also angefangen.

Bei dieser Clearing-Frolic lichteten oder vielmehr ringelten unsere vierzig Squatterfreunde neun Morgen des reichsten Bottomlandes.

Am folgenden Tage abermals Clearing-Frolic, an welcher einundvierzig andere zehn Morgen für uns ringelten oder lichteten.

Bei der dritten oder eigentlich der vierten Frolic wurden elf Morgen von dreiundvierzig gelichtet. Sie hatten abgewechselt, so daß uns jeder ein Tagwerk gab, für welches sich wieder Nathan mit ihnen ausgleichen mußte.

Als die dritte und letzte Clearing-Frolic und das darauffolgende Essen vorüber war, nahm uns Nathan vor den Nachbarn bei der Hand, und auf die hölzernen Wälle des Hauses und den getöteten Wald zeigend, sprach er:

›Kalkuliere, haben Euch nun auf den Weg getan, auf dem Ihr, wenn Ihr die Euch von Eurem Schöpfer verliehenen fünf Sinne zusammennehmt, weiterkommen könnt. Seht die Art und Weise, wie wir Euch auf den Weg getan haben. Wollten zuerst sehen, ob mit Euch etwas anzufangen und ob Ihr auch nachbarlicher Gesinnungen fähig wäret. Sehen, läßt sich etwas von Euch erwarten, und haben Euch deshalb das Haus hergestellt und ein dreißig Acker gelichtet, in die Ihr nun säen und pflanzen könnt, was Euch im nächsten Jahre einen tüchtigen Anfang machen soll. Habt einen guten Anfang, Mann! Und wären wir soweit quitt in dem Punkte der Hände, und vielleicht noch etwas mehr. Wollen es aber nicht so genau nehmen, von wegen, kalkuliere ich, weil Ihr Fremdlinge seid. Seht aber, kalkuliere ich, daß wir nicht die Leute sind, die einem Fremden nicht auch einen Ruck geben können, wenn dieser Anlage zur Respektibilität hat. Hoffe, habt Anlage zur Respektibilität, und werden gute Nachbarn bleiben, haben Euch wenigstens gezeigt, daß, wenn wir es nicht bleiben, der Fehler nicht an uns liegt. Seid jedoch mir und Mister Nollins für Whisky und geschlachtete Kühe und Schinken fünfundfünfzig Dollars schuldig.‹

›Wir bezahlen gerne das Doppelte, lieber Nathan!‹ erwiderten wir.

›Fünfundfünfzig habe ich gesagt,‹ versetzte Nathan trocken, ›und laßt Euch sagen, Mann, bietet einem Bürger nie mehr, als er fordert. Er wird schon von selbst nehmen, was ihm gehört, verlaßt Euch darauf. Sind nicht blöde, wir Amerikaner, stehe Euch dafür.‹

»So war der Mann,« fährt der Graf fort, »dem wir unsern Anfang, unsere bürgerliche Existenz in Louisiana zu verdanken hatten. – Die abgeschlossenste, nüchternste, unzugänglichste – und wieder wohlwollendste, intelligenteste Individualität, die uns in unserm dreißigjährigen Leben vorgekommen. – Seine Ideen hatten etwas so massiv Großartiges – sein Verstand etwas so durchdringend Praktisches – doch wir wollen zum Verfolge unserer Niederlassungsgeschichte.

Wir waren nun wirklich auf dem Wege, den wir verfolgen mußten und kaum verfehlen konnten, wenn wir nicht vorsätzlich die Augen schlossen. Und wir verfolgten diesen Weg mit einer Freude und Lust, die unserm ganzen Wesen einen neuen Impuls verlieh. Diesen Impuls, diese freudig frohe Tätigkeit hätten wir nicht mit dem glänzendsten Hofleben vertauscht. Und in der Tat, derjenige, der sein Leben fortwährend nur in überzivilisierter, höherer Gesellschaft zugebracht, auf jedem seiner Tritte beschützt, bewacht, jedem seiner Wünsche zuvorgekommen, so gleichsam auf den künstlichen Springfedern der bürgerlichen Gesellschaft getragen; – derjenige, der so gelebt, seine eigene Kraft nie versucht, der kann unmöglich sich das reine Vergnügen, Entzücken vorstellen, die das Erschaffen einer eigenen Existenz gewährt; wenn die Werke unserer Hand allmählich vor uns erstehen, wir uns neuer Kräfte, die so lange geschlummert, uns selbst unbekannt waren, auf einmal bewußt werden. Es liegt ein wunderbarer Reiz, ein elektrischer Reiz in diesem Gefühl erwachender Kräfte!

Wir genossen dieses Entzücken in langen Zügen, und wahrlich, es machte uns diese ersten Jahre zu den glücklichsten unseres Lebens, trotz der vielfältigen und mitunter großen Schwierigkeiten, mit denen wir zu kämpfen hatten, – den nimmer endenden Arbeiten, die allerseits unser warteten. Aber diese Squatters hatten uns, wie gesagt, zum Bewußtsein unserer Kräfte gebracht, uns auf den Weg getan. Von dem Hause standen zwar bloß erst die hölzernen Wälle, die die Squatters aufgeblockt, ohne Dach, Fenster, Kamin, Fußboden; für alles dies mußten wir erst sorgen. Aber diese Sorgen waren nun vergleichsweise leichte. Akadier wurden gemietet, um uns das Dach zu decken, Amerikaner, um den Kamin aufzubauen; fünf Meilen oberhalb uns befand sich die Sägemühle der Gemeinde, die der Sohn des Majors Gale gebaut, der zugleich Carpenter und Cabinetmaker, Zimmermann und Schreiner war. Mit diesem akkordierten wir, und in acht Wochen konnten wir aus unseren Hütten in das Haus einziehen und unsere Effekten endlich von den Attacapas heraufbringen lassen.

Wir hatten noch immer nicht die Zeit, unsere Freunde oder unsere gepachtete Pflanzung zu sehen. Wir mußten Amadee senden, der die Heraufschaffung unserer Effekten besorgte. Hauterouge hatte den Wunsch geäußert, die von uns gepachtete Pflanzung zu übernehmen. Wir traten sie ihm ab, um unsere Aufmerksamkeit ganz auf unsere neue Wirtschaft lenken zu können. Wir dachten an nichts als an diese neue Wirtschaft. Musik, Lesen, Billard, Freunde – unsere Squatternachbarn ausgenommen – selbst unser schönes Frankreich hatten wir vergessen, und seine Leiden und Freuden. Kaum, daß wir dazu kommen konnten, unseren Lieben von unserem Treiben Nachricht zu geben. Unsere liebste Unterhaltung war, abends die Arbeiten des Tages zu besprechen. Was wir getan, wie wir es getan, jeder Baum, den wir gefällt, jeder Zaunriegel, den wir gelegt, wie wir ihn gelegt, alles das wurde erörtert. Ich erinnere mich noch bei einer Gelegenheit, wo wir zehn bis fünfzehn Akadier gedungen hatten, um Zaunriegel für unsere Felder zu spalten, mit welcher Umständlichkeit wir die Geschichte einer seltsam geformten Zypresse, die wir gefällt, besprachen. Wir hatten beide zusammen einen halben Tag damit zugebracht, den sieben Fuß im Diameter haltenden Stamm zu fällen und zwei Äxte zuschanden gearbeitet.

Inmitten dieser Tätigkeit frappierte es uns zugleich nicht wenig, daß wir anfingen, über Dinge, die vor und hinter uns lagen, auf eine ganz neue Weise zu räsonnieren, auf eine republikanisch amerikanische Weise zu räsonnieren, möchte ich sagen; eine Weise, die mit unserer früheren Sprache und Denkungsart auch nicht im mindesten Zusammenhange stand. Wir begannen, die Verhältnisse des Lebens, unsere Lage, die anderer aus einem weniger ideellen, mehr realen Gesichtspunkte zu beurteilen, selbständiger zu beurteilen. in dem Grade als wir selbständiger zu werden begannen. Es ging eine ganze Revolution in unserem Ideensysteme vor; selbst die Verhältnisse des öffentlichen Lebens, die Politik Europas, unseres Königshauses, erschien uns aus einem ganz neuen Gesichtspunkte; unsere Kavaliersansichten verloren sich in die Vogelperspektive. – Dies frappierte uns nicht wenig; es war ein psychologisches Phänomen, und desto unerklärbarer, da wir über diese Gegenstände kaum je mit unsern Squatternachbarn gesprochen, unsere Ideen daher spontan waren. Es schien uns, als ob wir aus einem langen Traume erwacht, der Kindheit, dem Leitbande entwachsen, das uns bisher hin und her gegängelt hatte.

Auch in bezug auf die Schwarzen erlitten unsere Ansichten eine starke Revolution. Wir hatten unser Haus endlich so ziemlich eingerichtet, die Felder mit Zäunen umgeben, unsere Zimmer zum Teil möbliert, die Piazzas herzustellen angefangen. Alles das hatten wir und unsere Diener mit Beihilfe unserer Squatternachbarn und einiger der tätigern jungen Akadier getan. Noch hatte kein Schwarzer Hand an irgend etwas in unserem Hause angelegt. Wir wünschten uns Glück zu diesem Umstande, aber wir begannen zugleich zu fühlen, daß wir dessenungeachtet ohne diesen Fluch in Louisiana nicht würden bestehen können. Wir konnten uns wohl für eine Weile dem Sklavenhalten entziehen, unsere Felder durch Weiße bearbeiten lassen, aber für die Dauer, das sahen wir ein, war dies unmöglich, und wir würden, trotz allen Opfern, die ein solcher Versuch uns kosten mußte, uns nur ruinieren, ohne der schwarzen Rasse auch nur die mindeste Erleichterung verschafft zu haben; wo wir im Gegenteile, wenn wir Sklaven hielten, nicht nur ihre Lage verbessern, sondern auch auf die bessere Behandlung aller übrigen durch unser Beispiel und bürgerlichen Einfluß vorteilhaft einwirken konnten.

Es gibt Übel, deren schlimmen Einfluß wir nicht dadurch vermeiden, daß wir ihnen aus dem Wege gehen, sondern einzig und allein durch ein kräftiges Kämpfen, Ringen mit ihnen. Ein solches Übel ist die in den südlichen Teilen der Union eingeführte Sklaverei. Das Prinzip einmal zugelassen, steht es in keines einzelnen Menschen Gewalt mehr, ihm Folge zu leisten oder zu versagen – er muß mit dem Strome schwimmen. Nur durch Ableitung dieses Stromes läßt sich dieser und mit ihm das Übel verringern. – Diese Wahrheiten fingen damals an, bei uns zu dämmern, obwohl wir Sklaven zu kaufen oder zu halten noch immer für etwas Gräßliches hielten, jede Berührung mit ihnen so lange als nur möglich vermeiden wollten. Der Zufall entschied auch über diese Skrupel.

Unsere Embryo-Pflanzung war, wie gesagt, so weit in Ordnung, daß wir endlich auf die so lange hinaus verschobene Reise nach der Hauptstadt denken konnten. Eigentlich sollten wir diese vor unserer Ansiedelung unternommen, schon lange dem Gouverneur und den übrigen höheren Beamten unsere Aufwartung gemacht und besonders unsere Schenkungsangelegenheiten in Ordnung gebracht haben; das in Neuorleans bis spät im November herrschende gelbe Fieber und der Drang der Geschäfte hatten uns abgehalten. Jetzt eilten wir daher um so mehr, als Lefebvre, der in meinem Regiment als Bataillonsarzt gestanden, mit Briefen von Europa angekommen.

Wir reisten also ab, kamen glücklich in Nouvelle-Orleans an, gaben unsere Empfehlungsschreiben ab und nahmen unser Absteigequartier im Hause des Baron M–y, eines der Notabeln der Kolonie, wie Sie wissen, und von alter Familie. Er stellte uns dem Gouverneur vor, der die Gefälligkeit hatte, mir meine Schenkung an der Creek, an der unser ersteigertes Land lag, und für Lassalle noch besonders eine Strecke Landes von zweitausend Ackern ausmessen zu lassen. Damals nahm man es mit diesen Schenkungen nicht sehr genau; erst die Regierung der Vereinigten Staaten wußte den Ländereien Wert zu verleihen.

Wir hatten bald unsern lieben Lefebvre aufgefunden, dem auch die gastfreundliche Fürsorge unseres trefflichen M–y ein Zimmer neben unserem Appartement anwies. In Geschäften, Besuchen der um die Stadt liegenden Zuckerpflanzungen, Gefeiertwerden und Plaudern über das teure Frankreich und die europäischen Zustände waren uns so vierzehn Tage wie Stunden verlaufen. Wir hatten unsere Einkäufe besorgt, mehrere Zuckerpflanzungen besehen, die Verhältnisse der Sklaven zu ihren Gebietern kennen gelernt. Wir dachten wieder auf die Heimreise.

Den Tag, der unserer Abreise vorhergehen sollte, hatte M–y zur Eröffnung seiner Villa am unteren Lever, beiläufig fünf Meilen unter Neuorleans, bestimmt. Bloß sehr wenige intime Freunde und wir mit Lefebvre waren geladen.

Wir saßen bei dem Nachtische im traulichen Gespräche, in einem herrlichen Gartenpavillon – inmitten der duftenden Flora Louisianas und ganzer Wälder blühender Rosen, am entzückenden Februartage; vor uns den gewaltigen Mississippi, den unser Auge bis zum großen Bend Eine Krümmung des Flusses unter Neuorleans. verfolgte. Meine Aufmerksamkeit wurde durch ein Schiff angezogen, das etwa eine Meile unterm Landhause am Ufer angelegt hatte; der Wind war plötzlich konträr geworden und hatte es gezwungen, beinahe am Ziele seiner Reise zu halten. Mir fiel dieses Schiff auf; sein Bau, sein Sparrenwerk, seine Ausrüstung, selbst seine Stückpforten hatten etwas so eigentümlich Verdächtiges.

›Es ist ein Sklavenschiff‹, bemerkte einer der Gäste gelassen.

›Ein Sklavenschiff! Ist die Einfuhr von Sklaven erlaubt? Ich hörte, unter Baron Carondelet sei sie verboten worden.‹

›Sie war es,‹ bemerkte der Baron, ›aber die Übel, die dieses Verbot nach sich zog, zeigten sich so einleuchtend, daß es wieder aufgehoben wurde. Wollen Sie etwa kaufen? Sie hätten jetzt eine gute Gelegenheit dazu.‹

Ich verneinte – der Baron schüttelte den Kopf.

›Hüten Sie sich, lieber Freund, hier sentimentalen Antipathien Raum zu geben. Wir sind in Louisiana, wo solche Antipathien nur schaden können. Glauben Sie mir, bei uns besteht die Humanität nicht darin, daß wir uns in diesem Handel frei halten, sondern daß wir ihn in unsere Hände bekommen, so den Ton angeben. Nur wenn die Respektabilität des Landes den Ton angibt, kann das Übel für Louisiana und selbst für die Schwarzen zum Guten werden. Darum wünschte ich, Sie kauften und jeder gebildete respektable Mann kaufte.‹

Ich schwieg; die Gesellschaft erhob sich nach einer Weile, sie wollte zum Schiffe hinab promenieren, die Ladung besehen, wie sie sich ausdrückte.

Wir gingen also dem Schiffe zu, um die Ladung zu besehen.

Ein Teil seiner lebendigen Ladung war bereits auf das Land geschafft worden. Wir sahen um eine der schwarzen Gruppen alte Weiber beschäftigt, die häßlichen Leiber der Transportierten zu säubern; eine zweite Gruppe, im Tanze begriffen, der zu dem Schalle zweier alter Kessel, die ein alter Neger aneinander schlug, aufgeführt wurde. So wie einer oder eine der Schwarzen aus den Händen der alten Negerinnen oder Neger entlassen wurde, schloß sich das bejammernswerte Geschöpf an die Tanzenden an. Dies schien der ganzen Gesellschaft so an der Tagesordnung zu sein, daß keiner ein Wort darüber verlor.

Wir hatten uns unterdessen bis auf Sprechweite dem Schiffe genähert; der Kapitän war uns entgegengekommen und bot uns an, seine Ladung näher zu besehen und auszuwählen.

Mehrere von der Gesellschaft besahen die gelandeten Neger sowohl als Negerinnen. Wir schritten über die Bretter auf das Schiff, das eben von dem siebenmonatlichen Unrate gesäubert wurde, – kehrten aber wieder zurück, die Gerüche waren nicht auszuhalten. Auf dem Verdeck bemerkten wir einen Verschlag, vor dem eine Kanone stand. Sie war mit Kartätschen geladen, wie wir später erfuhren.

Ich konnte mich nicht enthalten, dem Kapitän über sein trauriges Gewerbe Vorstellungen zu machen. Er zuckte die Achseln.

›Was wollen Sie?‹ war die Antwort. ›Alle diese Schwarzen wären längst tot, wenn wir sie nicht gekauft hätten. Sie waren sämtlich zum Tode verurteilte Kriegsgefangene. Zum Glück kamen wir zur rechten Zeit.‹

Und der Kapitän erzählte uns von dem furchtbaren Leben der Eingeborenen an der afrikanischen Küste.

Noch war er in seiner Erzählung begriffen, als Doktor Lefebvre vom Verdeck zurückkam. Er war trotz den erstickenden Gerüchen in das Schiff eingedrungen und kam nun auf den Kapitän zugerannt.

›Kapitän, wenn Sie die fünfundzwanzig Elenden, die in dem Verschlage unter dem Verdeck sind, nicht sogleich in bessere Pflege bringen, so ist morgen keiner mehr am Leben.‹

Der Kapitän zuckte die Achseln. ›Kann nicht helfen.‹

›Fünfundzwanzig!‹ rief ich schaudernd.

›Der Ausschuß,‹ meinte der Kapitän. ›Kann nicht helfen. Wäre ich oben, ließe sich vielleicht etwas tun. Der verdammte Nordwester.‹

Wir gingen über die Bretter, bestiegen das Verdeck, stiegen die Treppen hinab; die Ausdünstungen wurden so erstickend, daß uns der Atem verging. Lefebvre öffnete den Verschlag.

›Mein Gott!‹ rief ich.

Am Eingang lag ein Weib im Todesröcheln, ihr schwarzer Körper, da, wo er nicht von Unrat starrte, bereits von dem grell schwarzblauen Leichnamskolorit überzogen. An ihren bis über die Hüften herabhängenden Brüsten zerrte ein Wurm von Säugling.

Der Arzt hob sie auf und brachte sie samt dem Kinde an die frische Luft. Sie schnappte.

›Können diese fünfundzwanzig Schwarzen mit zehn Säuglingen für ebenso viele hundert Piaster haben‹; sprach der Kapitän. ›Wenn Sie auch nur den fünften Teil retten, so machen Sie ein gutes Geschäft. Ich habe nicht die Zeit dazu.‹

›Gott behüte, wer wird hier an Geschäfte denken! Ich gebe Ihnen fünfundzwanzighundert Piaster, schaffen Sie sie mir auf das Verdeck hinauf.‹

Die Schwarzen waren mein; – in meinem Leben habe ich keine scheußlicheren Gestalten gesehen. Mich rüttelt es noch fieberisch, wenn ich an diesen Anblick denke. Sie wurden aber auf das Verdeck und dann auf das Ufer gebracht. Wir eilten in die Villa; der Arzt in die Stadt, um Wolldecken, Medizinen, Erfrischungen herbeizuschaffen. Zwei der Unglücklichen starben in derselben Nacht, drei den folgenden Tag, fünf auf der Mississippifahrt. Von den fünfundzwanzig brachten wir fünfzehn und sieben Säuglinge nach Hause, von denen zwölf und fünf Kinder vollkommen hergestellt wurden, die übrigen an den Folgen der fürchterlichen Leiden, die sie während der Überfahrt erduldet, hinsiechten und starben.

Unsere Humanität hatte uns aber eine Bürde aufgelegt, von der wir keine Ahnung hatten und die uns beinahe zum Verzweifeln brachte. Es ist wirklich zum Verzweifeln, Geschöpfe, die so wenig Menschliches an sich haben, die tierischer sind als das Tier selbst, auch nur zu Sklaven heranzuziehen. ›Mein Gott!‹ fragte ich mich oft, ›können diese Kreaturen mit ihren Orang-Utang-Schädeln, diese Weiber mit ihren Brüsten, die bis über die Hüften herabhängen – diese über alle Begriffe häßlichen Geschöpfe, die Erde fressen, weder Verstand noch Gedächtnis, nicht einmal Instinkt haben, wirklich Menschen sein?‹ – Wir spürten so gar nichts vom göttlichen Funken. Erst als wir mehrere der im Lande akklimatisierten Sklaven gekauft, diese unter sie gemengt hatten – erst dann fing sich etwas wie Instinkt zu zeigen an. Ja, wir haben erfahren, was es sagen will, diese Geschöpfe zu erziehen! Doch, genug von Schwarzen. Ich wollte Ihnen bloß«, der Graf wandte sich an Vergennes und d'Ermonvalle, »zeigen, daß man Schwarze kaufen, sie halten und doch Mensch sein und bleiben könne.

Ein Jahr war so vergangen – dieses Jahr hatte uns den Frieden von Amiens gebracht, uns erlaubt, an die Herüberbringung unserer Teuern zu denken. Mir war es nicht möglich, nach Europa zu gehen, die Arbeiten auf der Pflanzung, die Sorge für vierundzwanzig Schwarze ließ es nicht zu, wenn auch unsere schwächer gewordene Kasse uns hätte zusammen reisen lassen; so ging denn Lassalle ab.

Ich zählte unterdessen die Wochen, Tage, Stunden, die mich von meiner Eleanor trennten. Sie verflossen, und am Ende von vier Monaten schloß ich sie endlich in meine Arme.

Wir hatten uns in Neuorleans trauen lassen, aber der eigentliche Freudentag war, an dem ich die geliebte Gattin in das selbstgeschaffene Asyl einführen, ihr den Herd, über den sie schützend wachen, übergeben, das Elysium, in dem sie als Göttin thronen sollte, unter ihre Obsicht stellen konnte. Meine Wünsche, meine süßesten Erwartungen waren jetzt erfüllt. Alles ließ sich zu glücklichen Tagen an. Und glücklich wurden sie – glücklich, wie wir sie nie zuvor gesehen! Unser Heimwesen begann unter unserer herrlichen Frauen Ägide zu blühen, unsere Schwarzen, die eine Mutter gefunden, begannen den Menschen mehr und mehr anzuziehen, wir waren geliebt von den Akadiern, geachtet von unseren Squatterfreunden, unsere Bedürfnisse nicht nur befriedigt, wir konnten auf das Bequeme, allmählich auf Luxusgegenstände denken. Wochen, Monate, Jahre verflossen im heitersten, ungetrübtesten Still- und doch wieder regen Leben. Ich würde Ihnen nur gewünscht haben, Nathan und Madame Vignerolles zu sehen, zu hören, sie in ihrer fröhlich freundlichen Grazie, die denn doch wieder einen leicht mutwilligen Anstrich hatte, ihn kalkulierend und der Notion, Mistreß Vignerolles sei die lieblichste Hinterwäldlerin, die je in Petticoats und ihren eigenen Schuhen stak.

So waren drei Jahre wie so viele Stunden verstrichen; da kam die Nachricht, daß Louisiana infolge des letzten Friedens mit Spanien an Frankreich zurückgegeben werden würde; eine Nachricht, die uns Briefe aus der Hauptstadt bald als offiziell bestätigten, mit dem Zusatze, daß der Übernahmskommissär der französischen Regierung jeden Tag erwartet werde.

Einen Augenblick frappierte, konfondierte uns diese Nachricht. Wir waren emigriert, hatten gegen Bonaparte in der Vendée gefochten, doch beruhigte uns wieder die Convenance, die der erste Konsul gegen die Emigrierten in seiner sonst so rücksichtslosen Politik durchschimmern lassen zu wollen schien. Wir wußten, daß mehrere unserer Freunde nicht nur nach Frankreich zurückgekehrt, sondern insgeheim auch von dem ersten Konsul berücksichtigt, ja begünstigt worden waren. Wir beschlossen daher, nach Neuorleans hinab zu gehen und uns von der Lage der Dinge an der Quelle zu unterrichten. Ohnedem sahen unsere Frauen ihrer Niederkunft entgegen, und Sie wissen, es ist Modesache in Louisiana, diese in Neuorleans abzuwarten.

Wir reisten daher ab. Den Tag vor unserer Ankunft war Monsieur Lauzat, der Präfekt, eingetroffen. Zwei Stunden nach unserem Aussteigen wurden wir ihm bereits vorgestellt. Wir fanden an ihm einen Mann von Ehre, einen Franzosen durch und durch, und das war alles, was wir wünschten. Er beruhigte uns über die Gesinnungen des ersten Konsuls, teilte uns seine Instruktionen mit, den Franzosen, ohne Unterschied ihrer politischen Nuancen, jeden möglichen Schutz angedeihen zu lassen und vor allem ihre künftige bürgerliche Existenz zu sichern; er versprach, alles mögliche für uns zu tun.

Er tat es trotz seinen gehäuften Geschäften; denn er war nicht sowohl gekommen, Louisiana für Frankreich zu übernehmen, sondern vielmehr dieses nach der Übernahme an die Regierung der Vereinigten Staaten zu übergeben; aber trotz den vielen und gehäuften Geschäften fand er noch Zeit, uns unsere Schenkungen, die wohl in allen Punkten richtig und gültig, aber von der lässigen spanischen Regierung nicht fest ausgemittelt worden waren, gehörig zu fixieren und so jedem künftigen Anstande zu begegnen.

Am 30. November übernahm er die Kolonie von den spanischen Kommissären, dem Marquis de Caza Calvo und Gouverneur de Salcedo, um sie zwanzig Tage darauf, am 20. Dezember, an Messieurs Clayborn und Wilkinson, die amerikanischen Bevollmächtigten, zu übergeben.

Wer Franzose ist, wird sich von dem Jubel eine Idee bilden können, der bei dem ersten Akte, der Übernahme Louisianas durch den französischen Deputierten, herrschte. Die bei weitem größere Mehrzahl der Kolonisten und Einwohner waren Franzosen oder französischen Ursprungs, hatten nie aufgehört, Franzosen zu sein. Es war ein wirklicher Freudenrausch, ein Taumel, der sich der Hauptstadt bemächtigt hatte. Ein Fest folgte dem andern; Illuminationen, Bälle, öffentliche Mahle reihten sich die zwanzig Tage aneinander. Neuorleans hatte nie diesen Jubel, diese Verschwendung gesehen; aber auch nie die plötzliche Abspannung, als am einundzwanzigsten die dreifarbige Fahne vom Stadthause und den öffentlichen Gebäuden sank, um dafür der sternbesäten Platz zu machen. Ich mag bei dieser Gelegenheit ebensowohl bemerken, daß die amerikanische Flagge lange nicht emporkommen wollte, trotz allen Bemühungen ihrer Matrosen, aber endlich unter den gellenden Hurras der anwesenden Amerikaner ihren Wimpel weit und stolz den Tausenden entgegenflatterte.

Den für Franzosen allerdings sehr empfindlichen Umstand abgerechnet, daß unsere schöne Hoffnung, gewissermaßen auf französischem Boden zu leben, getäuscht worden, fanden wir keine Ursache, uns über die Veräußerung Louisianas zu beklagen. Der erste Konsul hatte mehrere für uns sehr günstige Artikel in dem Abtretungsvertrage stipuliert. Die Schenkungen, sowohl der französischen als der spanischen Regierung, sollten respektiert, die Einwohner Louisianas, ohne Unterschied, den gebornen Bürgern der Union in jeder Hinsicht gleichgestellt werden; mit einem Worte, alles war getan worden, die bürgerliche sowohl als politische Existenz der Verkauften zu sichern.

Bei den vielfältigen Geschäften, die dieser Verkauf Louisianas an eine fremde Regierung nach sich zog, den Festen, die seiner Exequierung vorangingen und folgten, sowie einer Unzahl von Aufträgen, die uns von unsern Squatterfreunden und aus den Attacapas geworden waren, zu dem sich der Verkauf unserer eigenen Baumwolle und der der Niederlassung gesellte, verliefen zwei Monate. Wir hatten über tausend Ballen für Nathan, Nollins und Nachbarn in Kommission, nebst einigen hundert für unsere eigene Rechnung. Der Absatz forderte Zeit. So war die Entbindung unserer Frauen herangekommen, die uns nun in Neuorleans zu bleiben zwang; denn Lefebvre hatte bereits früher eine Anstellung als Arzt in der Hauptstadt erhalten, und im ganzen Umkreise unserer Pflanzung war keine Person, auf die wir uns in einem solchen Lebenspunkte, wie die Entbindung unserer Frauen, hätten verlassen können.

Gerne wären wir jedoch unserem lieben Asyle zugeeilt, ja, der Aufenthalt in der Hauptstadt wurde uns allmählich drückend; denn das Gerücht brachte uns seltsame Dinge von dem Treiben unserer neuen Landsmänner und Regenten im Lande zu Ohren. Ganze Schwärme von Abenteurern und sogenannten Landsharks Landhaifische., wie sie die Landspekulanten nennen, waren aus dem Norden wie Heuschrecken angekommen, waren in Gehöfte, Pflanzungen, Hütten und Häuser gedrungen, kalkulierend nach Ländereien, und darunter Männer von großem politischen Einflusse. Dann gab es wieder junge, Whisky trinkende Leutnants, jetzt Kommandanten der Forts, – Tischler, Gerber und derlei ehrenwerte Leute, die zu Sheriffs und Protonotarien avanciert waren und Gerechtigkeit verwalten sollten, in einem Lande, dessen Sitten, Gebräuche und Gesetze sie nicht kannten, von dessen Sprache sie kein Wort verstanden. Mehrere Wegweisungen von Ländereien, wo die Besitztitel nicht gehörig befunden worden waren, sollten gleichfalls stattgefunden haben. Amadee bat dringend, unsere Nachhausekunft zu beschleunigen; wir würden in der Niederlassung seltsame Veränderungen finden.

Diese wiederholten Aufforderungen hatten uns unruhig gemacht; ungeduldig erwarteten wir die Zeit der Niederkunft unserer Frauen. Sie war kaum vorüber und unsere Damen wieder hergestellt, als wir, mit zwei Knaben bereichert und bedeutenden Wechseln, nach unserer neuen Heimat hinaufschifften. Amadee war benachrichtigt worden, uns Pferde an den Redriver entgegen zu senden. Da angekommen, brachten wir die Frauen in den Wagen, den wir in Neuorleans gekauft, und eilten, soviel es die von den Squattern angelegte Knittelstraße gestattete, unserer Pflanzung zu. Unsere Ungeduld, Nathan zu sehen, war so groß, daß wir die Frauen nach Hause fahren ließen und Amadees und des ihn begleitenden Negers Pferde bestiegen, um den zwölf Meilen langen Abstecher zu Nathan zu machen.

Wir ritten, was die Pferde laufen konnten. Es war, als ob eine Ahnung uns sagte, daß wir zu spät kämen. Eine tiefe, unheimliche Stille herrschte in der Niederlassung, – wir trafen keine lebendige Seele in der ersten, zweiten, dritten Pflanzung, die Nathans war die vierte. Uns wurde nun wirklich bange; wir spornten die Pferde und fanden uns endlich vor dem so wohl bekannten Blockhause.

James, der älteste Sohn Nathans, kam uns entgegen. Er war ungemein ernst, ja düster, als er uns die Hand schüttelte.

›Wo ist Freund Nathan?‹

›Weit von hier bei dieser Zeit, Oberst.‹

›Weit von hier bei dieser Zeit? Seid so gut, ihm zu sagen, daß wir zurück sind.‹

›Das dürfte einem guten Gaule manchen harten Tagritt nehmen, ihm das zu sagen,‹ versetzte der junge Squatter; ›Vater ist weggezogen.‹

›Weggezogen!‹ rief ich, ›wie meint Ihr dies, Mister Strong?‹

›Weggezogen mit Weib und Kind – Mutter und Schwester Mary und Bruder Joshua, und Neger und Vieh und allem, und zwanzig Familien mehr. Seht ja, daß ein Wegziehen gewesen ist‹, sprach der junge Mann, auf den nackten Porch deutend.

›Weggezogen!‹ riefen wir, und ich versichere Ihnen, mir wurde beinahe übel bei dieser Nachricht. ›Weggezogen, ohne ein Wort zu sagen!‹

›Das nicht, hat Aufträge hinterlassen, schriftlich und mündlich; und versteht sich, daß Ihr uns in Ausrichtung derselben freundlich beistehen werdet.‹

›Weggezogen!‹ rief ich abermals.

›Weggezogen‹, wiederholte James. ›Kalkulierte, es wäre Zeit, zu gehen, als das Gesetz und der Sheriff sich zu melden begannen.‹

›Aber was hat Euer Vater mit dem Gesetze, dem Sheriff zu tun? Er hat doch keinen Mord noch Diebstahl begangen?‹

›Ei, kalkuliere, er hat nicht; aber ist den Gesetzmännern nicht um Mord oder Diebstahl zu tun, ist ihnen um das Land zu tun, und haben für unser Land, wißt Ihr, keine Besitztitel, keine Schenkungen, die wir vorzeigen könnten, und kam vor sechs Wochen eine Schar, die die Niederlassung von allen Seiten abmaß, und wieder maß, und zwei Wochen darauf ein Sheriff mit Amtsstab, der das Land als Kongreßland ansprach und uns ein Haus weiter wies, weil wir von der spanischen Regierung keinen Besitztitel aufzuweisen hätten.‹

›Und Euer Vater ließ sich wegweisen?‹

›Was konnten wir gegen das Gesetz?‹ sprach der junge Mann. ›Vater sah, daß nichts helfe, als das Land zu kaufen, hat mir deshalb Auftrag gegeben und ein Schreiben hinterlassen; scheint, es gefällt einem der Regierungskommissäre, der die gute Gelegenheit gerne nützen möchte.‹

James zeigte mir das Schreiben, oder, besser zu sagen, die Vollmacht, denn dies war sie. Ich wurde darin mit Lassalle ermächtigt, das von ihm in Besitz gehabte Land für seine Familie und Freunde, nämlich James, Geoffroy, Jonathan, Mistreß Barclay, die gewesene Miß Elisabeth usw., die es vorzogen, in Louisiana zu bleiben, zu ersteigern, und dazu die in meinen Händen befindlichen Gelder, beiläufig sechstausend Piaster, anzuwenden. Sollten wir nicht imstande sein, das Land zu ersteigern, so ersuchte er mich, die zurückgebliebenen Mobilien und Immobilien, worunter die beiden Kottonpressen, bestmöglich anzubringen. Gleiches ersuchte er für seine Freunde Nollins und Barclay, deren Kinder es gleichfalls vorzogen, in Louisiana zu bleiben.

›Aber ums Himmels willen, warum schrieb mir Euer Vater nicht, warum wartete er nicht? Mir wäre es möglich gewesen, in Neuorleans die Sache auszugleichen.‹

›Kennt bei alle dem, Oberst, den Vater nicht,‹ meinte James kopfschüttelnd, ›wenn Ihr der Notion seid, er würde das erst kaufen, was er für sein Eigentum hält, und wofür er keinem Menschen auf Erden ein gutes Wort geben würde; aber Gesetz ist ein andres. Wollte nichts mehr mit Louisiana zu tun haben; wollte ein Land suchen, wo kein Sheriff, kein Gesetz ihn ein Haus weiter weisen kann.‹

›Dann wird er lange suchen müssen, in irgendeinem erst zu entdeckenden Weltteile suchen müssen,‹ versetzte ich unmutig; ›aber ich sehe, Euer Vater zieht vor, es lieber mit spanischen Musketen als mit dem amerikanischen Gesetze aufzunehmen.‹

›Ei, wer wird es mit dem Gesetze aufnehmen‹, erwiderte der junge Mann. ›Lieber mit fünfundachtzig spanischen Musketen als dem Gesetze. Der Himmel verhüte.‹

Der junge Mann sprach die Worte mit einer Art Scheu, die uns, die wir damals das Grauen der Amerikaner vor dem Gesetze noch nicht kannten, notwendig auf den Gedanken hätte bringen müssen, daß der alte Nathan mit diesem Gesetze in seinem Lande zerfallen sein müsse, wenn wir vom Gegenteile nicht vollkommen durch den Umstand überzeugt gewesen wären, daß er zu wiederholten Malen seine frühere Heimat nicht nur besucht, sondern auch in fortwährender Verbindung mit ihr gestanden.

›Ei‹, sprach der junge Mann, der unsere Gedanken erraten mochte. ›Ei, war eine trübe Stunde, mögt es glauben, wie der Vater das Blockhaus zum letzten Male so ansah und Asas Gebeine herausnahm, ohne die Muhme Barclay, die gewesene Mistreß Nollins, wißt Ihr, nicht gehen wollte.‹

›Und sie haben Asas Gebeine aus dem Blockhause mitgenommen?‹

›Ei, so haben sie.‹

Wir standen schmerzerfüllt, halb schaudernd, Tränen entquollen unsern Augen. Was mußte der eiserne Mann nicht gefühlt haben, als er denselben Landsleuten weichen mußte, aus demselben Lande weichen mußte, das für sie zu erobern er alle seine Geisteskräfte angestrengt – zehn Jahre hindurch angestrengt hatte!

›Sehe, Ihr seid der Mann, Oberst, für den Euch Vater gehalten. Vielleicht kommt die Zeit –‹

›Wo wir ihn wiedersehen, nicht? – Sagt, junger Mann, er kommt zurück. Nicht wahr?‹ riefen wir beide zugleich.

Der junge Mann schüttelte den Kopf.

›Wollte das nicht sagen. Wollte sagen, daß Vater sich nicht in Euch getäuscht hat, als er uns sagte, daß Ihr seine Aufträge ausrichten würdet.‹

›Das wollen wir, so gewiß als wir Männer von Ehre sind. Jetzt lebt wohl, morgen sehen wir uns.‹

Wir ritten ab, unserer Sinne kaum mächtig, so hatte uns der Schlag betäubt; denn Nathan war uns mehr als Freund, er war uns Wegweiser, Führer, Bedürfnis geworden, uns ans Herz gewachsen, die ganze Niederlassung erinnerte an ihn, unser Haus, alles erinnerte an ihn, aus allen Ecken sprach er. Nichts war ohne seinen Rat, seine Bestimmung getan worden. Als wir unser Haus betraten, kamen uns die Frauen jammernd entgegen, sie wußten jetzt gleichfalls den Verlust, den wir, sie erlitten.

Ich versichere Ihnen, dieser Abend und noch viele nachher gehörten unter die traurigsten, die wir in Louisiana verlebten. Nathan fehlte uns, den Frauen, Amadee, den Dienern, allen. Immer sich gleich, war er allen alles in allem geworden, geblieben. Er war die Würze unseres Hinterwäldlerlebens gewesen, das durch ihn erst seinen rechten Geschmack erhalten hatte.

Am folgenden Morgen kamen Nathans zurückgebliebene Söhne mit ihren Freunden, um sich in ihrer Eltern Namen über die uns anvertrauten Kommissionen Rechenschaft ablegen zu lassen und zugleich die Maßregeln wegen des zu ersteigernden Landes zu besprechen. Wie James angedeutet hatte, so war es einer der Regierungsbeamten, durch die Nathan sowohl als einige der übrigen Glieder weggewarnt worden. Doch waren diese Landsharks, wie sie so passend genannt werden, nicht mit allen Squatters gleich verfahren. Einigen, die sich williger fanden, hatten sie ihren Beistand zur Behauptung ihrer Pflanzungen angeboten, andern wieder angetragen, sie als Lehnsleute zu belassen, wieder andere weggewarnt. Doch Sie kennen ja die Kunstgriffe, die sich diese Gattung von Menschen, die an Härte und Selbstsucht oft den abgefeimtesten Seelenverkäufern nicht weichen – so gerne erlaubt. Mit Nathan waren sie gleich beim ersten Zusammentreffen so hart aneinander gestoßen, daß sie eilig die Niederlassung verließen. Die Folge war Wegwarnung – oder Wegweisung. Sehr schlau hatten, wie wir später erfuhren, die Spekulanten in Neuorleans die Niederlassung als bloß von einigen unruhigen Squatters usurpiert vorgestellt.

Wir sahen wohl ein, daß wir es mit ebenso mächtigen als gewissenlosen Feinden zu tun haben würden, und schlugen daher einen amerikanischen Weg ein. Wir setzten sogleich eine Petition in englischer und französischer Schrift auf, in der wir die Territorialregierung angingen, so bald als möglich zur Versteigerung des von Nathan und seinen Freunden beurbarten Landes zu schreiten und so seine temporären Besitzer, mehr denn achtzig achtbare Familien, aus dem Zweifel zu reißen. Wir beriefen uns auf die vielen Opfer, die diese Ansiedler gebracht, auf die Wege, die sie angelegt, das Gute, das sie dem Lande getan, und machten es so der Regierung gewissermaßen zur Pflicht, Gerechtigkeit zu üben. Die Petition ließen wir mit so vielen Unterschriften in den Attacapas und Opelousas versehen, als unserem Einflusse nur möglich war. Es waren ihrer an die Tausend.

Das Resultat war günstig. Die Regierung, die vor allem die öffentliche Meinung und besonders die Kreolen und Franzosen in dem neu erworbenen Territorium zu schonen hatte, bestimmte den Tag, an welchem die Versteigerung stattfinden sollte, die Landspekulanten, die ihre fein gesponnenen Netze, die Squatters zu fangen, entdeckt sahen, wurden durch die ominösen Symptome des allgemeinen Mißfallens eingeschüchtert und erschienen nicht, und unsere Freunde ersteigerten ihre Ländereien zu dem gewöhnlichen Kongreßpreise.

Sie besitzen sie großenteils bis auf diese Stunde und gehören zu den rechtlichsten und reichsten Familien Louisianas.

Wir hatten noch immer gehofft, Nathan möchte, wenn er das Resultat erfahren würde, mit seinen Freunden zurückkommen, allein unsere Hoffnung ging nicht in Erfüllung.

Jahre verliefen; oft dachten wir des rauhen und doch wieder so originell herzlich trefflichen Reglähters, unter dessen Schutz und Schirm wir in den Hinterwäldern flügge geworden. Der Strom der Zeiten und Begebenheiten, Familienverluste, Sorgen, die uns die allmählich großgewordene Pflanzung verursachte, stellten sein Andenken nach und nach in den Hintergrund, verwischt wurde es nie.

Acht Jahre verliefen so nach dem Verschwinden Nathans. Es war im Herbste von 1811, jenem unglücklichen Herbste, der mir das Teuerste entriß, meine Eleanor. Dieser Verlust, der dritte und größte, den mir Louisiana gekostet, hatte meine physische und moralische Kraft auf eine Weise gebrochen, die nur derjenige begreiflich finden wird, der in den Hinterwäldern gelebt und da seine letzte Ressource sich entrissen sieht. Das Leben hatte für mich allen Reiz verloren. Mit Widerwillen betrachtete ich selbst die unschuldig lächelnde Genievre, das letzte Pfand unserer Liebe, das mich so ein großes Opfer gekostet. Lefebvre schlug, um mich dieser Atonie zu entreißen, eine Exkursion in die westlichen Prärien vor. James, der nun Kongreßmitglied geworden war, unterstützte, obwohl die Kottonernte im Gange war, freudig den Vorschlag. Einige Söhne angesehener Nachbarn schlossen sich an, und als wir am Fort von Natchitoches hielten, bat auch der Kommandant, uns mit mehreren seiner Leute begleiten zu dürfen.

Bald drangen wir in das spanische Gebiet ein.

Wir waren zu einem solchen Zuge sehr gut gerüstet, und da alle Vorkehrungen durch unsere Freunde dazu getroffen worden waren, so genossen wir das Vergnügen mehrerer Büffel- und Pferdejagden, ohne jenen Entbehrungen, die dergleichen Exkursionen in der Regel mit sich führen, unterworfen zu sein. Wir hatten uns gegen den Rio del Norte hingezogen und befanden uns in der mexikanischen Provinz Texas, wohl an die fünfhundert Meilen von Hause.

Es war an einem Abend nach einer solchen Büffeljagd, daß wir an einen Hügel kamen, von dem herab wir eine herrliche Aussicht auf einen bedeutenden Fluß hatten, der, sich krümmend, eine große, wohl an die zehn Meilen lange und breite Halbinsel bildete. Wir standen überrascht über die außerordentliche Schönheit des herrlichen Landstriches, dem wir selbst in Louisiana nichts Vergleichbares aufzustellen hatten. Noch mehr aber wurden wir es, als wir zwischen den Gruppen der kolossalen Bäume Wohnungen, Pflanzungen – kurz, eine förmliche Niederlassung – erblickten. Ich riß das Fernrohr heraus und hatte es noch nicht vor die Augen gebracht, als unsere indianischen Führer bereits Amerikaner! riefen. Es war eine amerikanische Niederlassung.

Sie mögen sich leicht vorstellen, daß wir nicht lange stehen blieben. Mit einem Ausrufe der Überraschung eilten wir alle, so schnell wir es vermochten, den Hügel hinab, drangen durch den Wald und kamen am Ufer an. Einige Schüsse machten die Bewohner der dem jenseitigen Ufer nächstgelegenen Pflanzung auf uns aufmerksam. Ein Boot kam herüber mit zwei jungen Männern. Die Männer, mich zu ersehen, Oberst! James! zu schreien, ans Ufer zu springen, wir ihnen entgegen; das war eins. Es war Joshua, der jüngste Sohn Nathans. In einer halben Stunde darauf schlossen wir den alten Reglähter, unsern lieben, lieben, unvergeßlichen Nathan, in die Arme.

Er war wieder mit Nollins Reglähter, hatte wieder ein Blockhaus, das aber mehr Fort genannt werden konnte, erbaut und endlich hier vor allen Landspekulanten, Sheriffs und Landoffizen Ruhe gefunden.

Und lebt da als Reglähter, Präsident, Gouverneur, kurz als Oberhaupt von nahe an tausend Ansiedlern. Östlich von seiner Niederlassung hat ein gewisser Oberst Austin eine zweite Kolonie gegründet, aber den eigentlichen Nerv des werdenden Staates bildete die seinige.«


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