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Kapitel XXXV

Mein Vaterland, leb wohl!

Lord Byron.

Der hohe Rath von Schottland, in dessen Händen sich seit der Vereinigung beider Kronen eine große richterliche Gewalt, sowie die Oberaufsicht über die vollziehende Macht der Regierung befand, war eben in dem alten, dunklen gothischen Saale zusammengetreten, der ans Parlamentshaus in Edinburg stieß, als General Graham erschien und seinen Platz unter den Mitgliedern am Rathstische einnahm.

»Ihr habt uns heute drei Stück Wild gebracht, General,« sagte ein Edelmann, der hier eine hohe Stelle bekleidete, »da ist ein Hase, der soll sich für überwunden bekennen, hier ein Wildhahn, der gestellt ist, und wie soll ich den dritten nennen, General?«

»Ohne weitere Bildersprache, bitte ich Euer Gnaden, ihn als einen Mann zu betrachten, an dem ich einen ganz besonderen Antheil nehme,« sagte Claverhouse.

»Und als einen Whig obendrein,« sagte der Edelmann, eine Zunge heraushängend, die stets viel zu dick für seinen Mund war, und seine plumpen Züge zu einem höhnischen Lächeln stimmend, das ihm sehr geläufig zu sein schien.

»Ja, mit Euer Gnaden Erlaubniß, ein Whig, wie Euer Gnaden einer war anno 1641,« versetzte Claverhouse mit seiner unwandelbaren Artigkeit.

»Da hat er Euch gefaßt, Herr Herzog,« sagte einer von den Räthen.

»Ja, ja,« erwiderte der Herzog lachend, »seit der Affaire bei Drumclog ist gar nicht mehr mit ihm zu reden; aber bringt die Gefangenen herbei, und Ihr, Herr Schreiber, verlest die Urkunde.«

Der Schreiber las eine Schrift ab, in welcher der General Graham von Claverhouse und Lord Evandale sich verbürgten, daß Junker Heinrich Morton von Milnwood ins Ausland gehen und dort verbleiben solle, bis Sr. Majestät fernerer Wille kund würde, und zwar bei Leibes- und Lebensstrafe im Falle der Rückkehr ohne königliche Erlaubniß für besagten Heinrich Morton und einer Buße von zehntausend Mark für jeden seiner Bürgen.

»Nehmt Ihr des Königs Gnade an, Herr Morton?« fragte der Herzog von Lauderdale, welcher dem Rathe präsidirte.

»Ich habe keine andere Wahl, Mylord!« erwiderte Morton.

»So unterschreibt die Urkunde.«

Morton that es ohne Einspruch, überzeugt, daß er in seiner Lage unmöglich leichter hätte davon kommen können. Macbriar, der in diesem Augenblick an die Rathstafel geführt, aber auf einen Stuhl gebunden wurde, weil seine Schwäche ihm nicht erlaubte, zu stehen, sah Morton in einer Handlung begriffen, die er für Abtrünnigkeit hielt.

»Er hat seinen Abfall vollendet durch Anerkennung der fleischlichen Gewalt des Tyrannen,« rief er mit einem tiefen Seufzer. »Ein gefallener Stern! Ein gefallener Stern!«

»Schweigt,« sagte der Herzog, »und spart Euren Athem, um Eure eigene Suppe zu kühlen. Ruft den andern Burschen herein, der noch etwas gesunden Menschenverstand besitzt. Ein zweites Schaf setzt leicht über den Graben, wenn das erste hinüber ist.« Ungefesselt, aber von zwei Hellebardieren begleitet, wurde nun Cuddie hereingeführt und neben Macbriar ans Ende des Tisches gestellt. Der arme Junge warf einen kläglichen Blick umher, in welchem sich Ehrfurcht vor den vornehmen Herren, Mitleiden mit seinen unglücklichen Gefährten und keine geringe Besorgniß für sein eigenes Heil kund gab. Er machte rechts und links eine bäurische Reverenz und erwartete die Eröffnung der furchtbaren Scene.

»Wart Ihr im Gefecht an der Bothwellbrücke?« war die erste Frage, die in sein Ohr donnerte.

Cuddie wollte erst leugnen, sah aber nach einigem Bedenken ein, daß die Wahrheit gegen ihn sein würde, und antwortete also mit echt schottischer Unbestimmtheit: »Ich will nichts behaupten, aber möglich wärs schon, daß ich dabei gewesen bin.«

»Gerad heraus, Bursche, ja oder nein! Ihr wißt, daß Ihr dort gewesen.«

»Es schickt sich nicht für unser eins, Euer Gnaden Herrlichkeit zu widersprechen,« sagte Cuddie.

»Noch einmal, wart Ihr dort? Ja oder nein!« sagte der Herzog ungeduldig.

»Lieber Herr,« sagte Cuddie wiederum, »wie kann sich denn ein Mensch genau erinnern, wo er gerade jeden Tag im Leben gewesen ist?«

»Heraus mit der Sprache, Schurke,« rief General Dalzell, »oder ich schlage Dir mit dem Degenknauf die Zähne ein! Glaubst Du, wir können hier den ganzen Tag zubringen, um uns mit Dir herumzuhetzen wie Windhunde mit einem Hasen?«

»Nun denn,« sagte Cuddie, »wenn Ihrs doch so haben wollt, so schreibt hin, daß ichs nicht ableugnen kann.«

»Gut,« sagte der Herzog, »und glaubt Ihr, daß der Aufstand Rebellion war oder nicht?«

»Darüber kann ich mich nicht frei aussprechen, weils mich den Hals kosten kann, lieber Herr, aber ich glaub', viel besser wars eben nicht.«

»Besser als was?«

»Nun, besser als Rebellion, wie's Euer Gnaden nennen,« erwiderte Cuddie.

»Gut, das heiß' ich zur Sache sprechen,« antwortete der Herzog. »Und seid Ihr geneigt, des Königs Verzeihung als Rebell anzunehmen, Euch zur Kirche zu halten und für den König zu beten?«

»Mit großem Vergnügen, lieber Herr,« antwortete Cuddie, »und will obendrein seine Gesundheit trinken, wenns Bier gut ist.«

»Wahrhaftig,« sagte der Herzog, »das ist ein trefflicher Bursche. – Was hat Euch in diese Klemme gebracht, mein lieber Freund?«

»Bloß böses Beispiel, lieber Herr, und eine alberne alte Schachtel von einer Mutter, mit Respekt zu melden.«

»Nun, Gottlob, mein Freund, nimm Dich vor Verführung ein ander Mal in Acht, ich denke, Du wirst auf eigene Hand keine Verrätherei begehen. – Fertigt seinen Pardon aus und bringt den Schurken im Stuhle vor!«

Macbriar wurde vorgeführt.

»Wart Ihr im Gefecht an der Bothwellbrücke?« ward er ebenfalls gefragt.

»Ja,« antwortete der Gefangene fest und entschlossen.

»Wart Ihr bewaffnet?«

»Nein. – Ich kam in meinem Berufe als ein Prediger des Wortes Gottes, diejenigen zu ermuthigen, so das Schwert zogen für seine Sache.«

»Mit andern Worten, um den Rebellen beizustehn und sie zu ermuthigen?« sagte der Herzog.

»So ists,« antwortete der Gefangene.

»Gut denn,« fuhr der Fragende fort, »theilt uns mit, ob Ihr John Balfour von Burley im Heere gesehen habt? Vermuthlich kennt Ihr ihn.«

»Ich denke, daß ich ihn kenne,« sagte Macbriar, »er ist ein eifriger, aufrichtiger Christ.«

»Und wann und wo habt Ihr diesen frommen Mann zum letzten Mal gesehen?« war die nächste Frage.

»Ich bin hier, um für mich selbst zu antworten, und nicht, um andere in Gefahr zu bringen,« sagte Macbriar mit gleicher Unerschrockenheit.

»Wir werden schon wissen, wie man Euch die Zunge löst,« sagte Dalzell.

»Wenn Ihr ihn glauben machen könnt, er sei in einem Conventikel, so wird sie sich schon von selbst lösen,« sagte Lauderdale. »Sprecht, Bursche, so lange Euer Handel noch gut steht. Ihr seid zu jung für die Last, die man Euch sonst auferlegt.«

»Ich trotze Euch,« entgegnete Macbriar. »Nicht zum ersten Male bin ich gefangen, noch leide ich zum ersten Male, und so jung ich auch bin, hab ich doch lange genug gelebt, um sterben zu können, wenn ich berufen werde.«

»Nun, es gibt noch manches, was einem leichten Tod vorangehn soll, wenn Ihr in Eurer Hartnäckigkeit beharrt,« sagte Lauderdale und klingelte mit einer silbernen Schelle, die vor ihm auf dem Tische stand.

Ein dunkelrother Vorhang, der eine Nische bedeckte, rauschte auf, und man erblickte den Nachrichter, einen langen, grimmig blickenden häßlichen Mann, an einem eichenen Tische, auf welchem Daumschrauben und die sogenannten schottischen Stiefel lagen, mit denen in jenen tyrannischen Zeiten die Angeklagten gefoltert wurden. Morton, der auf diese furchtbare Erscheinung nicht gefaßt war, schauderte zusammen, Macbriars Nerven waren fester.

Er blickte gefaßt auf die entsetzliche Zurüstung, und wenn die Natur auch zum zweiten Male das Blut aus seiner Wange trieb, seine Entschlossenheit führte es doch bald wieder mit größerer Energie dorthin zurück.

»Wißt Ihr, wer das ist?« fragte Lauderdale mit ernster, fast ganz leiser Stimme.

»Vermuthlich ist es der schändliche Vollstrecker Eurer blutdürstigen Befehle gegen die Männer Gottes,« sagte Macbriar. »Er sowohl als Ihr seid unter meiner Würde, und Gottlob, ich fürchte eben so wenig, was er mir anthun, als was Ihr befehlen könnt. Fleisch und Blut mögen schaudern unter den Leiden, die Ihr über mich verhängt, und die gebrechliche Natur mag Thränen vergießen oder laut aufschreien, aber meine Seele, hoff ich, liegt fest geankert am Felsen der Ewigkeit.«

»Thut Eure Pflicht!« sagte der Herzog zum Henker.

Der Mann trat vor und fragte mit rauher, heiserer Stimme, an welches Glied des Gefangenen er zuerst das Instrument ansetzen solle?

»Laßt ihn selbst wählen,« sagte der Herzog, »ich will ihm gern in allem, was billig ist, gefällig sein.«

»Da Ihr es mir überlaßt,« sagte der Gefangene und streckte das rechte Bein aus, »so nehmt das beste, gern weihe ich es der Sache, für die ich leide.«

Der Nachrichter schloß nun mit seinen Gesellen das Bein in den engen eisernen Stiefel, schob einen Keil von demselben Metall zwischen das Knie und die scharfe Kante der Maschine, faßte einen Hammer und erwartete weitere Befehle. Ein Wundarzt stellte sich auf die andere Seite des Gefangenen, entblößte dessen Arm und fühlte den Puls, um die Tortur nach den Kräften des Leidenden einzurichten. Nach diesen Vorbereitungen fragte der Präsident wieder mit derselben ernsten Stimme: »Wenn und wo habt Ihr zum letzten Male John Balfour von Burley gesehen?«

Statt der Antwort richtete der Gefangene seine Augen gen Himmel, als wollte er sich Kraft von dort erflehen, und murmelte einige Worte, von denen nur die letzten verständlich waren: »Du hast gesagt, Dein Volk soll willig sein am Tage Deiner Macht.«

Der Herzog von Lauderdale warf seine Blicke in der Rathsversammlung umher, als wollte er Stimmen sammeln, und ihre stummen Zeichen verstehend, winkte er dem Henker, der sogleich den Hammer auf den Keil fallen ließ, was den entsetzlichsten Schmerz verursachte, der dem Leidenden das Blut aus Stirn und Wange trieb. Wiederum erhob der Henker seine Waffe und war bereit, den zweiten Schlag zu versetzen.

»Wollt Ihr jetzt sagen, wann und wo Ihr zum letzten Male John Balfour von Burley gesehen?« wiederholte der Herzog von Lauderdale.

»Ihr habt meine Antwort,« sagte der Gefolterte entschlossen und der zweite Schlag fiel. Der dritte und vierte folgte, beim fünften, als ein stärkerer Keil eingelegt worden war, stieß der Gefangene einen Schmerzensschrei aus.

Morton, dem beim Anblick solcher Grausamkeit das Blut in den Adern kochte, konnte nicht länger an sich halten, und obgleich unbewaffnet und selbst in großer Gefahr, wollte er vorwärts springen, als Claverhouse, es bemerkend, ihn beim Arm zurückhielt und ihm zuflüsterte: »Um Gottes willen, bedenkt, wo Ihr seid!«

Zum Glück wurde der Vorgang von keinem der Räthe bemerkt, da ihre Aufmerksamkeit auf die schreckliche Scene vor ihnen gerichtet war.

»Er ist hin,« sagte der Wundarzt, »er ist ohnmächtig, Mylords. Die menschliche Natur kann nicht mehr ertragen.«

»Laßt ihn los,« sagte der Herzog und fuhr dann zu Dalzell gewendet fort: »Der macht ein altes Sprichwort wahr. Er wird heute schwerlich reiten, obgleich er seine Stiefel anhatte. Ich glaube, wir müssen mit ihm aufhören.«

»Ja, gebt ihm das Urtheil und fort mit ihm, wir haben noch genug der Plackerei vor uns.«

Starke Wasser und Essenzen wurden nun eifrig angewendet, den Unglücklichen ins Leben zurückzurufen, und kaum athmete er wieder auf, so sprach der Herzog das Todesurtheil über ihn aus, als einen Verräther, der in offner Rebellion ergriffen worden, und verurtheilte ihn, auf dem Richtplatze am Halse aufgehängt zu werden; Kopf und Hände sollten ihm nach dem Tode abgehauen werden, und der Rath darüber verfügen, all sein Hab und Gut aber solle Sr. Majestät anheimfallen.

»Urtheilsverkünder,« fuhr er fort, »wiederholt dem Gefangenen sein Urtheil!«

Dies Amt wurde damals und noch später neben anderen Verrichtungen von dem Nachrichter verwaltet und bestand darin, dem unglücklichen Verbrecher das vom Richter gefällte Urtheil kund zu thun, was um so furchtbarer war, als der verhaßte Mensch, der das Urtheil verkündete, auch zugleich die angedrohten Grausamkeiten vollstrecken sollte. Macbriar hatte kaum die Bedeutung der vom Präsidenten gesprochenen Worte verstanden, aber er hatte sich genug erholt, um das Urtheil zu vernehmen und zu antworten, als es von der widerlichen rauhen Stimme des Henkers gesprochen wurde, und bei den letzten furchtbaren Worten: »Und dies sprech ich als Urtheil!« antwortete er kühn: »Mylords, ich danke euch für die einzige Gunst, die ich begehrte, und von euch annehmen wollte, nämlich, daß ihr meinen zerquetschten zermalmten Leib, der heute eure Grausamkeit erduldet, zu einem schnellen Ende entsendet. Es wäre mir gleich, ob ich am Galgen oder im Kerker sterbe, allein wenn der Tod, der schnell meine heutigen Leiden beenden muß, mich im Kerker der Finsterniß und der Fesseln gefunden hätte, würden viele des Anblicks entbehrt haben, wie ein wahrer Christ für die gute Sache leiden kann. Uebrigens, Mylords, vergeb ich euch, was ihr mir auferlegt und ich erduldet. – Und warum sollt ich nicht? – Ihr sendet mich zu einer glückseligen Verwandlung in die Gesellschaft der Engel und der Geister der Gerechten, von dem Aufenthalte gebrechlichen Staubes hinweg. – Ihr sendet mich von Finsterniß zu Licht, von Sterblichkeit zur Unsterblichkeit, kurz, von der Erde zum Himmel! Wenn euch also Dank und Verzeihung eines Sterbenden wohl thut, so nehmt beide mit meiner Hand, und mag euer letzter Augenblick so glücklich sein als der meinige.«

Als er dies mit einem von Freude und Sieg strahlenden Auge gesprochen, ward er abgeführt und nach einer halben Stunde hingerichtet. Er starb mit demselben festen Enthusiasmus, den er während seines ganzen Lebens gezeigt.

Der Rath brach auf, und Morton fand sich wieder im Wagen mit General Graham.

»Wunderbare Festigkeit!« rief Morton, über Macbriars Benehmen nachdenkend, »wie schade, daß solche Selbstaufopferung, solcher Heldenmuth mit den wilderen Charakterzügen seiner Sekte gemischt war!«

»Ihr meint seinen Entschluß, Euch zum Tode zu verurtheilen?« sagte Claverhouse. »Dafür hätte er sich gleich durch einen einzigen Bibelspruch gerechtfertigt, zum Beispiel: »Und Phineas stand auf und vollzog das Urtheil« oder dergleichen. – Aber wißt Ihr, Herr Morton, wohin es nun geht?«

»Wir sind auf dem Wege nach Leith, bemerke ich,« antwortete Morton. »Ist mirs nicht erlaubt, meine Freunde zu sehen, ehe ich mein Vaterland verlasse?«

»Mit Eurem Oheim ist gesprochen worden, doch lehnt er es ab, Euch zu besuchen,« sagte Graham. »Der gute Mann fürchtet, und zwar nicht ohne Grund, Euer Hochverrath könne für seine Besitzungen und Ländereien üble Folgen haben. – Doch schickt er Euch seinen Segen und etwas Geld. Lord Evandale liegt noch äußerst schwer darnieder. Major Bellenden ist zu Tillietudlem und bringt dort die Sachen in Ordnung. Die Schurken haben daselbst viel Unheil angerichtet und den sogenannten Thron Seiner geheiligten Majestät zerstört. Wünscht Ihr sonst noch jemand zu sehen?«

Morton antwortete tief seufzend: »Nein, es würde nichts helfen, aber meine Vorbereitungen, so gering sie auch sind, einige muß ich doch treffen.«

»Sie sind getroffen,« sagte der General. »Lord Evandale ist Euren Wünschen zuvorgekommen. Hier ist ein Packet von ihm mit Empfehlungsschreiben an den Statthalter der Niederlande, Prinzen von Oranien, denen auch ich ein paar Zeilen beigelegt habe. Ich habe unter ihm meine ersten Feldzüge gemacht und stand in der Schlacht von Seneff zum ersten Male im Feuer. Hier sind auch Wechsel zur Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse, und es wird mehr folgen, wenn Ihr es begehrt.«

Morton hörte dies alles, und nahm das Packet mit einem erstaunten und verstörten Blick über die plötzliche Vollziehung seines Verbannungsurtheils.

»Und mein Bedienter?« sagte er.

»Für ihn wird gesorgt werden und, wenn es thunlich, soll er im Dienst der Lady Margarethe wieder angestellt werden. Er wird wohl schwerlich wieder die Parade der königlichen Leute versäumen, oder zum zweiten Male den Whig spielen. – Aber wir sind am Quai und das Boot erwartet Euch!«

Es war, wie Claverhouse sagte. Ein Boot wartete auf Kapitän Morton mit Koffern und Gepäck, wie es seinem Range angemessen war. Claverhouse schüttelte ihm die Hand, wünschte ihm viel Glück und eine fröhliche Rückkehr nach Schottland in ruhigeren Zeiten.

»Ich werde nie vergessen,« sagte er, »wie edel Ihr Euch gegen meinen Freund Evandale benommen, zu einer Zeit, wo viele ihn aus dem Wege zu räumen gesucht haben würden.«

Noch ein freundlicher Händedruck, und sie schieden. Als Morton den Quai hinabging, um ins Boot zu steigen, wurde ihm von einer Hand ein kleiner Brief in die seine geschoben. Er sah sich um. Der Mann, der ihm den Brief gegeben hatte, war dicht verhüllt, drückte den Finger auf die Lippen und verschwand unter der Menge. Dieser Vorfall erweckte Mortons Neugier, und als er sich an Bord des Schiffes befand, das nach Rotterdam bestimmt war, und er alle seine Reisegefährten mit ihrer Einrichtung beschäftigt sah, öffnete er den ihm so heimlich übergebenen Brief. Er lautete:

»Dein Muth an dem unglücklichen Tage, da Israel floh vor seinem Feinde, hat einigermaßen Deinen unseligen Anschluß an die erastinianische Sache wieder gut gemacht. Es ist jetzt nicht die Zeit für Ephraim, mit Israel zu streiten. – Dein Herz ist bei der Tochter des Fremdlings. Aber wende Dich ab von der Thorheit, denn in der Verbannung und auf der Flucht, ja selbst im Tode wird meine Hand schwer lasten auf diesem blutigen, übelgesinnten Hause, und die Vorsehung hat mir die Mittel gegeben, ihnen mit ihrem eigenen Maße des Untergangs und Verderbens zu messen. Der Widerstand ihrer Veste war die Hauptursache unserer Vernichtung an der Bothwellbrücke, und ich habe es auf mein Gewissen genommen, diese Schmach an ihnen zu rächen. Darum denke nicht mehr an sie, sondern schließe Dich in der Verbannung unsern Brüdern an, deren Herz noch immer trachtet, das unglückliche Land zu retten und aufzurichten. Es ist ein wackrer Rest unserer Partei in Holland, dessen Auge sich umschaut nach der Befreiung. Schließe Dich ihnen an als der Sohn des tapferen und würdigen Silas Morton, und Du wirst gute Aufnahme finden, seinetwegen und wegen Deiner eigenen Thaten. Solltest Du wieder würdig befunden werden, im Weinberge zu arbeiten, so wirst Du zu jeder Zeit hören von meinem Eingange und Ausgange, wenn Du fragst nach Quintin Mackell von Irongray im Hause jenes trefflichen Weibes, Bessie Maclure, nahe am Platze, welche der Howff heißt, wo Niel Blaue Gäste bewirthet. – So viel von ihm, der wieder von Dir zu hören hofft in Brüderlichkeit und im Widerstande gegen die Sünden und das Fleisch. Indessen vermahne ich Dich zur Geduld. Halte Dein Schwert umgürtet und Deine Lampe brennend wie einer, so wachend ist in der Nacht, denn Er, welcher richten wird den Berg Esaus und falsche Bekenner machen wird zu Stroh und Uebelgesinnte zu Stoppeln, wird kommen in der vierten Nachtwache, mit Gewändern gefärbt in Blut, und das Haus Jakobs wird werden zur Beute, und das Haus Josephs zur Feuerflamme. Ich bins, der es geschrieben hat, dessen Hand gewesen ist über den Gewaltigen in dem wüsten Gefilde.«

Dieser sonderbare Brief war unterzeichnet J. B. v. B. Es bedurfte für Morton dieser Anfangsbuchstaben nicht, um zu wissen, daß er von Burley kam. Morton hatte wieder Gelegenheit, den unbändigen Geist dieses Mannes zu bewundern, der mit ebensoviel Schlauheit als Muth und Hartnäckigkeit selbst jetzt noch bemüht war, das Gewebe des Aufruhrs wieder herzustellen, das eben erst zerstört worden war. Aber er fühlte keinerlei Verlangen, einen Briefwechsel zu unterhalten, der gefährlich sein mußte, oder jene Verbindung zu erneuern, die in so vieler Hinsicht beinahe verderblich für ihn gewesen war. Die Drohungen gegen die Familie Bellenden betrachtete er als eine bloße Aeußerung des Verdrusses über die Vertheidigung von Tillietudlem, und nichts schien ihm unwahrscheinlicher, als daß gerade jetzt, wo ihre Partei so siegreich war, deren flüchtiger Gegner nur den geringsten Einfluß auf ihr Geschick haben könne.

Morton dachte einen Augenblick daran, dem Major oder Lord Evandale Burleys Drohungen mitzutheilen, nach einigem Ueberlegen fand er jedoch, daß er dies nicht thun könne, ohne das ihm geschenkte Vertrauen zu verrathen. Auch konnte man sich nach seiner Ueberzeugung nur wahren, wenn man sich der Person Burleys bemächtigte, wozu er die Hand unmöglich bieten konnte. Er zerriß also den Brief nach reiflicher Ueberlegung, nachdem er sich den Namen und den Ort bemerkt, wo der Schreiber zu erfragen war, und warf dann die Stücke ins Meer.

Zu gleicher Zeit wurden die Anker gelichtet und ein günstiger Nordwest schwellte die weißen Segel. Das Schiff lehnte sich gegen den Wind und zog rauschend seine langen schäumenden Furchen durch die Wellen. Bald schwanden Stadt und Hafen, und Morton war auf mehrere Jahre von seinem Geburtslande entfernt.


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