Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

[129]Die
Jungfrau vom See.


Vierter Gesang.
[130] [131]Die Prophezeiung.


» A m schönsten ist die Ros zur Knospenzeit,
Am größten Hoffnung, wenn die Aengste schwinden,
Die Ros am zartsten im bethauten Kleid,
Liebe am liebsten, wenn sich Thränen finden.
O Rose, mir so theuer, lasse heut
Die Blüthen wehn um meines Hutes Rand:
Symbol der Lieb und Hoffnung künftiger Zeit!« –
So rief, als aus dem Vennachar erstand
Die Sonne, Norman, Erb von Armandavens Land.

      So tönt, halb Rede, halb Gesang,
Des Bräutigams heißer Liebesdrang.
Indeß er sich die Rose bricht,
[132]Liegt Axt und Bogen bei ihm dicht,
Denn wachsam steht im Hinterhalt
Er Schildwach zwischen See und Wald.
Halt! – Tritte schalln vom Felsen her,
Er greift geschwinde nach dem Speer:
»Steh oder stirb! – Was, Malise, – schon
Von Dounens Hügeln hergeflohn? –
Ich seh dirs an in Schritt und Blick,
Bringst Kunde uns vom Feind zurück.« –
(Denn als das Feuerkreuz geflogen,
War er auf Kundschaft fortgezogen.)
»Wo schläft der Häuptling?« – sprach der Knapp.
»Komm nur ins dunkle Thal hinab,
Er schläft allein, ich führ dich 'runter.«
Drauf macht er einen Schläfer munter,
Und weckt ihn auf mit seinen Waffen:
»Glentarkin auf! mußt auf dich raffen,
Wir gehn zum Herrn. Mit Adlerblick
Schau um dich, bis daß ich zurück.« –

      Sie eilen nun den Pfad hinan:
»Was macht der Feind?« fragt Norman dann.
[133]Malise.
»Gar manche Kunde von Gefahr!
So viel ist sicher: eine Schaar
Liegt seit zwei Tagen , kriegesfertig,
In Doune, des Aufbruchs stets gewärtig;
Indessen James mit Mann und Roß
Hof hält in Stirlings altem Schloß.
Bald wird die Wolke in Gewittern
Laut donnernd unser Thal erschüttern.
Gewohnt, beim Mißglück fest zu bleiben,
Mag unser Krieger sie vertreiben;
Doch, Norman, trägst du keine Sorgen,
Daß deine schöne Braut geborgen?« –

Norman.

»Kennst du nicht unsers Herrn Befehle:
Daß man die öde Insel wähle,
Um dort aus unserm Stamm zu wahren
Jungfraun und Fraun, und wer an Jahren
Zum Krieg nicht taugt, und daß befahren
Von nun an soll des Seees Bahn
[134]Nicht Barke, Schiffchen, Boot und Kahn;
Sie sollen ruhn am Inselstrand,
Damit geschützt das theure Pfand.« –

Malise.

»Der Häuptling zeigt, ein weiser Rather,
Sich als des Stammes treuer Vater;
Doch weshalb hält Sir Rodrich Dhu
So ferne von den Seinen Ruh?« –

Norman.

»Er thuts, weil Brian gestern spät
In ferne Zukunft hat gespäht,
Auf solche Weise, wie die Zeit
Von Noth und Unglück nur gebeut.
Sonst ward auf diese Taghairm-Art
Der Kriege Ausgang offenbart.
Man schlug Dunkraggans weißen Stier.« –

Sonst ward auf diese Taghairm-Art
Der Kriege Ausgang offenbart.

Die Hochländer hatten, wie alle rohen Völker, auch verschiedene abergläubische Arten, die Zukunft zu erforschen. Eine der bekanntesten war dieser erwähnte Taghairm. Jemand wurde in die Haut eines eben erschlagnen Bullen eingehüllt und an einem Wasserfalle, am Rande eines Abgrundes oder in irgend einer andern seltsamen, wilden und ungewöhnlichen Lage niedergelegt, wo alles um ihn nur Gegenstände des Schreckens darbot. In dieser Lage überdachte er die ihm vorgelegte Frage, und was ihm nur irgend sein aufgeregtes Gemüth eingab, das galt als eingeflößt von den körperlosen Geistern, welche in diesen einsamen Wildnissen hausen.

Malise.

»Wohl kenne ich das schöne Thier,
Das schönste von dem ganzen Fang,
[135]Der uns in Gallangad gelang.
Die Haut war Schnee, und schwarz das Horn,
Entflammt das rothe Aug im Zorn.
So feurig, schnell und ohne Zucht
Bedrängte oft er unsre Flucht.
Die stärksten Kernen zagten da
Vor ihm im Paß von Beal-maha;
Doch war der Weg steil und voll Kies,
Und stark hielt ihn der Treiber Spieß;
Und als er Dennans-Row erreicht,
Neckt ihn ein schwaches Kind vielleicht.« –

Norman.

»Man schlug den Stier. Sein rauchend Fell
Ward ausgebreitet dort am Quell,
Der niederstürzt mit wildem Schall
Vom schwarzgezackten Felsenwall;
Die alte Sage, graunerfüllt,
Nennt seinen Stand: den Heldenschild.
Auf einer Sandbank am Gestade,
Dicht an des Wogensturzes Bade,
Gewieget von des Rauschens Gruß,
[136]Benetzt vom ewigen Wasserguß,
In diesem grausenvollen Raum
Harrt Brian auf den Sehertraum.
Nicht ferne ruht der Häuptling. – Doch
Sieh! – zwischen Busch und Nebel kroch
Zum Fels der Klausner, und steht nun
Und schaut, wie unsre Krieger ruhn.
Dünkts dir nicht, daß dem Geist er gleiche,
Der schwebet auf des Feindes Leiche?
Dem Raben auf der dürren Eiche,
Der, harrend, bis der Hirsch zerfleischt,
Laut krächzend seinen Antheil heischt?«

Die alte Sage, graunerfüllt,
Nennt seinen Stand den Heldenschild.

Ein Fels dieses Namens befindet sich im Walde von Glenfinlas, von welchem ein wilder Wasserfall herabstürzt. Dieser wilde Ort soll in frühern Zeiten einem Geächteten einen Zufluchtsort dargeboten haben, welchen ein Weib mit Nahrungsmitteln versorgte, indem sie dieselben von dem Rande der steilen Felswand herabließ. Wasser verschaffte er sich selbst; er füllte sich eine Flasche vermittelst eines Strickes in der schwarzen Grube unter dem Falle.

Dem Raben auf der dürren Eiche,
Der, harrend, bis der Hirsch zerfleischt,
Laut krächzend seinen Antheil heischt?

Alles, was zur Jagd gehörte, war früherhin ein Gegenstand von Feierlichkeit, aber nichts war es mehr, als die Art, wie der getödtete Hirsch geviertheilt wurde. Der Förster hatte sein zugestanden Theil; die Hunde ihren bestimmten Genuß, und um die Theilung so allgemein als möglich zu machen, hatten auch einige Vögel ihren Antheil. Turberville sagt: »Es ist ein kleiner Knorpel auf dem [286]Brustknochen, welchen wir Rabens-Bein nennen, und ich sah an manchen Orten den Raben so daran gewöhnt, daß er nicht unterließ, darnach zu krächzen und zu schreien, so lange man den Hirsch schlachtete, und nicht eher, bis er ihn hatte, fortflog.«

Norman.

»Still, still! Für Andre als für mich
Wär dieser Ausspruch fürchterlich,
Ich glaube, Rodrichs Schwert allein
Wird Alpines Hülf und Omen sein,
Und nichts, was, Himmel halb und Hölle,
Vom Teufelssohn, dem Mönch, erschölle.
Jetzt trifft ihn Rodrich, und nun wieder
Steigt er mit ihm den Abhang nieder.« –
[137]      Und dort sprach so zu Alpines Lord
Der Klausner-Mönch ein ernstes Wort:
»Rodrich! gefahrvoll und verderblich
Ists dem, deß Lebenskräfte sterblich,
Der in dem Staubgewande fühlt,
Wenn Fieber glüht und Frost ihn kühlt,
Deß Auge oft versteinert bleibt,
Deß Haar sich noch wie Lanzen sträubt.
Dem ist der Anblick schwer, – wenn fällt
Der Vorhang vor der künftigen Welt.
Doch, – zeugend sei der Glieder Beben,
Mein Puls, der Augen mattes Leben,
Das Herz, von wilder Angst zerfleischt, –
Dies trug ich, weil mein Herr es heischt!
Die Bilder, die ich sah voll Graus,
Spricht keines Menschen Zunge aus. –
Nur wen aus stauberzeugter Schaar
Halb Leben und halb Tod gebar,
Wer mehr als Menschen darf ertragen,
Kann, daß er sie erblickte, sagen.
Des Schicksals Antwort kam zuletzt
In glühnde Flammenschrift gesetzt!
[138]Geschrieben nicht, gesprochen nicht,
Doch in der Seele fest und licht:
Der, so den ersten Feind wird zwingen,
Wird auch den Sieg den Seinen bringen.
« –

      »Dank, Brian, deiner Sorg und Müh,
Da deine Weissagung gedieh.
Wo nur entglomm des Kampfes Wuth,
War Alpines Schwert zuerst voll Blut.
Ein sichrer Opfer weiß ich heut,
Das sich dem Streiche selber beut:
Früh kam ein Späher ins Gebiet,
Der mir zur Nacht nicht mehr entflieht.
An jedem Paß stehn meine Leute,
Nach Ost, Süd, West, an jeder Seite;
Dem Führer Murdoch ist, dem rothen,
Abwärts zu leiten ihn geboten,
Bis in des Pfads und Thales Tiefe
Er in der Wächter Hände liefe.
– Doch sieh, wer meldend hier erscheint,
Malise, sag an, was macht der Feind?« –
[139]      »Zu Doune wehn zweier Reichsherrn Fahnen
Ob Speer und Schwert der Unterthanen.
Ich sah den schwarzen Pfahl von Mar,
Den Silberstern von Morays Schaar.« –
»Bei Alpines Heil! Bringst gute Kunden!
Wohl, daß ich edlen Feind gefunden,
Wann kommen sie?« – »Sie sind zum Streit
Wohl morgen Mittag hier bereit.« –
»Das wird ein Treffen ernst gemeint!
Erfuhrst du nichts, sprich – wie erscheint
Der Stamm der Earn, uns sonst so freund?
Mit ihnen könnten wir dem Streite
Begegnen an Benledis Seite. –
Du kannst nicht, wohl! – Die Trosachs kann
Auch wohl besetzen Alpines Mann.
Wir streiten am Loch Katrine dicht
In unsrer Weiber Angesicht,
Für seinen Heerd ein jeder heiß.
Der Vater, Sohn – für Kind und Greis, –
Fürs Mädchen der Geliebte! – Netzt
Der Hauch mir meine Augen jetzt? –
[140]Ist sies vielleicht, die böse Zähre,
Die Furcht und Zweifels Botin wäre? –
Nein, eh gelingts den Sachsen-Spießen,
Daß ab sie den Benledi stießen,
Als daß ein Zweifel, Furcht und Schmerz
Durchbohrte Rodrichs Felsenherz;
'S ist wie sein Schild, rauh und voll Stärke.
Ein jeder fort zu seinem Werke!« –
Der Pibroch tönt, die Krieger rücken,
Die Banner wehn, die Schwerter zücken,
Gehorchend ihres Häuptlings Blicken.
– Ich wende mich vom Kriegesschall
Nach Coir-nan-Urskin noch einmal.

      Wo ist der Douglas? – Er ist fort,
Und Ellen sitzt voll Trauer dort
Auf grauem Stein am Höhlenbord,
Indeß vergebens tröstend spricht
Der Minstrel, denn sie hört ihn nicht: –
»Er kommt zurück, o theure Frau,
Und glücklich – und muß kommen – trau!
Zeit wars zu suchen, uns zu schirmen,
[141]Ein Obdach bei des Krieges Stürmen,
Da jetzt selbst Alpines wilder Schwarm
Sich niederbeugt vor seinem Arm.
Ich sah bei vieler Lichter Glimmen
Die ganze Nacht die Kähne schwimmen;
Sie zückten leuchtend durch das Dunkel
Gleich wie des Nordlichts roth Gefunkel.
Ich sah sie dicht gedrängt heut Morgen
Im tiefsten Uferschilf verborgen,
Gleich wilden Enten wild im Moor,
Wenn sich ein Habicht hebt empor.
Und wartet selbst die rauhe Schaar
Nicht ab am Festland die Gefahr,
Soll dann nicht mal dein Vater sorgen,
Daß auch du irgendwo geborgen?« –

      »Nein, Allan, dieser Vorwand hebt
Die Furcht nicht mehr, die in mir lebt.
Wenn so voll Innigkeit und Gram
Der Douglas von uns Abschied nahm,
Erstickt die Thrän im Augeslicht
Der Seele festen Vorsatz nicht.
[142]Mein Geist, nur weibisch und voll Schwäche,
Begreift den Seinen; gleich der Fläche
Des Sees, die selbst leicht aufgewiegelt,
Dennoch des Felsens Feste spiegelt,
Ihm ward des Kampfes Nähe kund,
Er sieht in sich der Fehde Grund.
Ja, Allan, hör, erröthend sah
Ich ihn bei deinem Traume da,
Wo Malcolm Gräme in Ketten stand,
Die ich, so sagst du, um ihn wand.
Denkst du, er glaubt nicht deinem Traum?
Gewiß, er gibt dem Fürchten Raum.
Für Malcolm, und – ('s ist wahr gemeint,)
Für Rodrich, unsern treusten Freund.
In Noth, für uns, – sind beide nun!
Sprich, Sänger, darf der Douglas ruhn?
Weshalb sonst dieses Abschiedswort:
– Wenn hier nicht, einst im Himmel dort?
Weshalb soll ich in aller Schnelle
Nach Kambus-Kenneth, der Kapelle,
Wenn er nicht heut kommt, und mich nennen?
Er wird sich Schottlands Herrn bekennen,
[143]Für Freundeswohl vom eignen trennen; –
Er thut, wie ich gehandelt schon,
Wär Douglas Tochter, Douglas Sohn!« –

Allan.

      »Soll weiter nichts die Heimkehr hindern,
Muß deine Angst, o Kind, sich mindern.
Nur darum nannt er die Kapelle,
Daß du ihn träfst auf alle Fälle.
Ihm geht es wohl, gewiß; und Gräme, –
Daß Himmelssegen auf ihn käme! –
Wahr wird sich ihm mein Traum bekunden,
Ohn daß ihr Böses draus erfunden.
Wann trog mich wohl mein Traumgeschenk?
Denk an den Gast am Eiland, denk,
Wie mir durch leisen Klang die Laute
Das Weh, das nahend war, vertraute.
Wahr prophezeiht ich Böses dir,
Glaub nun auch, sag ich Gutes, mir.
Ich wünschte, daß wir von hier fort,
Unheimlich ists am Zauberort.
Ich kenn ein Wundermährchen schön, –
[144]Laß, Herrin, deinen Kummer gehn!
Sonst lieh mein Harfenspiel dir Muth.« –

Ellen.

»Ich höre wie du willst; nun gut!
Doch hemm ich nicht der Thränen Rinnen.«
Der Sänger ließ den Sang beginnen,
Doch weitweg schweiften Ellens Sinnen. –


Alice Brand.

Alice Brand.

Nach einer Dänischen Ballade im Kiempe Viser.

Gar lustig ist es im grünenden Wald,
      Wenn Amsel und Drossel singen,
Das Wild entflieht, wenn das Bellen erschallt,
      Und Hifthorntöne klingen.

»Mein Vaterland, o Alice Brand,
      Ließ ich aus Liebe zu dir,
Wir hausen in Holz- und Haideland,
      Wie arme Verbannte, hier. [145]

O Alice, es war um dein lockiges Haupt,
      Die Augen so blau und so ganz ohne Trug,
Daß, als ich bei nächtlicher Flucht dich geraubt,
      Ich deinen Bruder erschlug.

Jetzt muß ich lehren Buchen schlagen
      Die Hand, die nur gefaßt den Speer,
Das Laub zum einsamen Lager tragen,
      Und Stäbe spalten, der Höhle Wehr.

Die Finger, gewöhnt, nur die Harfe zu rühren,
      Sie müssen statt Kleider von Seiden,
Vor Kälte zum Schutz, von erschlagenen Thieren
      Sich Felle zum Mantel schneiden.« –

»O Richard, wenn mein Bruder fiel,
      Wars nur ein böses Glück,
Denn finster wars beim Kampfes-Spiel,
      Den Speer warf das Geschick. [146]

Trag ich nicht mehr die grüne Seide,
      Noch du den Carmoisin,
Ists eben so warm im Bauernkleide,
      So lustig im Waldes-Grün.

Und Richard, ist unser Loos auch schlimmer,
      Verloren dein Vaterland,
Behält ihren Richard doch Alice noch immer,
      Und er seine Alice Brand.«

Gar lustig ist es im grünenden Wald,
      Wenn freundlich Alice singt,
Und an dem Eichstamm voll Gewalt
      Lord Richards Axt erklingt.

Da rief der Elfenkönig, der Alte,
      Der hauset im Berge wohl, –
Wie Sturm in verwitterten Kirchthüren, schallte
      Die Geisterstimme so hohl: [147]

»Wer mag an Buch und Eiche schlagen,
      Unsres Mondscheinkreises Schild,
Wer gegen den Willen der Königin jagen
      Der Elfenkönigin Wild,
Wer wagt unheilvoll Grün zu tragen
      Im öden Waldgefild?

Wer wagt unheilvoll Grün zu tragen
Im öden Waldgefild?

Da die Daoine Shi (oder Männer des Friedens bei den Hochländern) grüne Kleider trugen, so glaubte man, daß sie beleidigt würden, wenn irgend ein Sterblicher es wagte, ihre Lieblingsfarbe anzunehmen. Wirklich wird aus irgend einem Grunde, welcher vielleicht ursprünglich ein allgemeiner Aberglaube war, Grün in Schottland für unheilbringend manchen bestimmten Stämmen und Gegenden gehalten.

Auf, Urgan auf! zu dem Erdensohn!
      Warst ja schon halb ein Christ,
Bist nie vor Kreuz und Zeichen geflohn,
      Noch Bann und Zauberlist.

Warst ja schon halb ein Christ.

Es war die Meinung, daß die Elfen sehr die Vorzüge beneideten, welche Christus den Menschen gebracht, und sie gaben daher den Sterblichen, welche ihn bekannten und in ihre Hände gefallen wären, einen gewissen Vorzug vor den andern Nichtchristen.

Leg auf ihn den Fluch gebrochener Herzen,
      Den Fluch schlafloser Nächte,
Bis er fleht um den Tod, als Ende der Schmerzen,
      Doch nichts den Tod ihm brächte.« –

Gar lustig ist es im grünenden Wald,
      Wenn auch die Vögel nicht singen.
Das Feuer schürt Alice, denn draußen ists kalt,
      Und Richard muß Reiser bringen. [148]

Auf starrte Urgan, der häßliche Zwerg,
      Und vor Lord Richard er stand.
Als dieser sich kreuzte und segnete dann:
»Nicht fürcht ich,« der häßliche Elfe begann,
      »Die Zeichen, gemacht mit blutiger Hand.« –

Da aber erhob sich Alice Brand,
      Sprachs Mägdlein voller Muth:
»Wenn Blut hier ist an dieser Hand,
      Ists nur des Thieres Blut.« –

»Da lügst du laut, du trotziger Muth,
      Es klebt an seiner Hand
Ein Fleck von dir verwandtem Blut,
      Das Blut von Ethbert Brand.«

Dann trat sie selbst vor, Alice Brand,
      Und macht ein heilig Zeichen:
»Und ist dort Blut an Richards Hand,
      Kann meine ich schuldlos reichen. [149]

Und ich beschwöre dich, böser Geist,
      Bei ihm, den Geister scheun,
Zeig, wer dich her zu kommen heißt,
      Weshalb du irrst so allein?« –

»'S ist lustig, 's ist lustig im Feeenland,
      Wenn Zaubervögel singen,
Wenns Gefolge reitet an Königs Hand,
      Und Zaum und Zügel klingen.

Gar fröhlich scheint das Land der Feeen –
      Doch alles ist trügender Schimmer,
Gleich wie ein Strahl – im December gesehen –
      Schmilzt Schnee und Eisgefild nimmer.

Verbleichend wie der schöne Strahl
      Ist unsre Wechselgestalt,
Wer jetzt in der Ritter und Damen Zahl
Ist Zwerg und Affe bald. [150]

Es war grad zwischen Tag und Nacht –
      (Wenn der Elfenkönig hat Macht,)
Daß mein Blut in sündigem Streite floß,
      Halb lebend ich ward hinweggebracht
      Zur Elfen freudelosem Schloß.

Doch wüßte ich ein kühnes Weib,
      Dreimal mir die Stirne bekreuzend,
Gewönne ich wieder den menschlichen Leib,
      Als wie der deine so reizend.«

Sie kreuzet einmal – zweimal ihn,
      So muthig ists Mädchens Seele,
Je dunkler die Farbe des Kobolds schien,
      Um so finstrer wird die Höhle.

Sie kreuzt ihn dreimal, die Dame kühn,
      Und unter ihrer Hand
Der schönste Schottische Ritter erschien,
      Ihr Bruder Ethbert Brand. [151]

Gar lustig ist es im grünenden Wald
      Bei Amsel- und Drosselgesang,
Doch lustiger ists, wenn in Dumferline schallt
      Aller Glocken lauter Klang.


      Grad, als des Sängers Stimme schwieg,
Klimmt auf ein fremder Mann den Stieg.
Sein Kriegerschritt, die Stattlichkeit,
Von Lincoln-Grün das Jägerkleid,
Und auch sein Adlerblick machts klar, –
Daß es Fitz-James von Snowdoun war.
Und Ellen starrt, gleich wie im Traum,
Sie unterdrückt ein Schreien kaum:
»O Fremder, welches Mißgeschick
Bringt dich in dieser Noth zurück?« –

      »Wie kann ein Mißgeschick das sein,
Was deines Anblicks mich läßt freun? –
Mein alter Führer hat heut Morgen,
Treu seinem Wort, mich wohl geborgen
[152]Hierher durch Moor und Felsgestade
Zurückgebracht auf gutem Pfade.« –
»Auf gutem Pfade! – Sprach er nicht
Von Krieg und Schlachten, die man ficht,
Besetzten Pässen?« – »Nein, fürwahr,
Auch sah ich gar nichts von Gefahr.« –
»O eile, Allan, zu dem Kernen, –
Ich seh des Tartans Glanz im Fernen;
Erforsch, beschwör ihn und bereite,
Daß er den Fremden sicher leite! –
Was zog dich, Unglückseliger, her?
Den schlechtsten Knecht aus Rodrichs Heer
Kannst du durch Schreck und Gold nicht dingen,
Dich ohn sein Wissen herzubringen.« –

      »Ja, Ellen, Werth hat jetzt mein Leben,
Ich sah dich, Theure, dafür beben;
Doch fahr es hin, wo ein Gebot
Der Ehr und Liebe heischt den Tod!
Drum sei auch günstig meiner Wahl,
Und folge mir nur diesesmal:
Ich will dich holen aus der Wildniß,
[153]Wo nie gestrahlt solch reizend Bildniß,
Dich fernab sanft von hier zu leiten,
Wo Unheil Fehd und Krieg bereiten.
Nah bei Bochastle stehn die Rosse,
Zu tragen uns nach Stirlings Schlosse.
Du sollst in schönen Burgen sitzen,
Ich will als zarte Blum dich schützen.« –

      »Halt, Sir! 'S wär Weiberlist gewesen,
Sagt ich: Ich kann dein Herz nicht lesen.
Zu viel hat schon mein eitel Ohr
Von thörigem Lob gehört zuvor, –
Und darum lockt' es dich zurück
Zu Noth, Gefahr und Mißgeschick?
Wie büß ich das, was unbedacht
Mein eitler Sinn hervorgebracht! –
Ein Weg nur: – Alles ihm zu sagen. –
Ja, stolzer Geist, – ich muß es wagen!
Durch Leichtsinn fehltest du allein,
Kauf durch Beschämung das Verzeihn! –
Zuerst – Mein Vater ist ein Mann
Verstoßen, vogelfrei, im Bann.
[154]Ein Preis ist für sein Haupt bestimmt,
Ehrlos, wer mich zur Gattin nimmt.
Wollt ihr noch immer? – Nun so wißt,
Fitz-James: Ein edler Jüngling ist,
(Wenn er noch ist!) – für mich allein
In Noth, vielleicht in Todespein.
Du weißt des Herzens tief Geheimniß,
Sei edel, – scheide ohne Säumniß.« –

      Fitz-James hat alle Künste innen,
Der Weiber Herzen zu gewinnen,
Hier fühlt er ihre Kraft zerrinnen;
Nichts lag im Aug, nichts in den Zügen,
Das irgend nur sie zeiht der Lügen.
Sie stand, hochroth, doch fest vertrauend,
Und offen ihm ins Auge schauend,
Und seufzt dabei so aus der Tiefe,
Als ob die Hoffnung ewig schliefe,
Als läge Gräme im Todesschlummer,
Und sie an seinem Grab voll Kummer.
Was er gehofft, fern wich das Ziel,
Doch nicht mit ihm sein Mitgefühl.
[155]Er bat, daß sie nur dies vergönne:
Er sie als Schwester führen könne. –
»O wenig kennst du Rodrichs Sinn!
Getrennt geht sichrer jeder hin.
Entflieh! Von Allan magst du lernen,
Ob du kannst trauen jenem Kernen.« –
Die Hand aufs Vorderhaupt gelegt,
Verbergend, was sein Herz bewegt,
Geht er zwei, drei Schritt aufgeregt, –
Dann, – als stieß ein Gedank ihm auf,
Stand er, und kehrte um im Lauf.

      »Hör, Fräulein, noch dies Abschiedswort:
Einst trafs, daß ich bei Schlacht und Mord
Ward Schottlands Königs Lebenshort.
Dankbar gab mir der Fürst den Ring,
Damit ich ihn ihm wieder bring
Zur Zeit der Noth, und kühnlich dann
Jedweden Lohn mir fordern kann.
Ich lebe, Ellen, nicht vom Glanz
Des Hofes, nur von Schwert und Lanz,
Schloß ist für mich mein Helm und Schild,
[156]Herrschaft errungnes Schlachtgefild;
Worin kann mir der König nützen?
Ich hab nicht Land, nicht Gut zu schützen.
Der Ring ist dein. – Gib deine Hand,
Ihn kennt ein jeder Wacht-Trabant.
Such ohne Frist den König auf,
Dies Zeichen bahnt dir freien Lauf;
Begehr, was immer dir gefällt,
Als dieses Pfandes Lösegeld.« –
Er steckt den goldnen Ring ihr an,
Schweigt – küßt die Hand – und ging alsdann.
Noch steht erstaunt der Minstrel dort,
So hastig war Fitz-James ihm fort.
Den Führer treffend, wand er wieder
Sich von der Berge Rücken nieder,
Grad durch das Flüßchen, das den See
Von Katrine eint mit dem Achray.

      Auf Trosachs Thal ruht Schweigens Siegel,
Es schlief der Mittag auf dem Hügel:
Sein Führer pfeift mit einemmal.
»Murdoch! – sprich, war dies ein Signal?« –
[157]Er stammert 'raus: – »Ich riefs allein,
Vom Aas den Raben fort zu schrein.« –
James sieht des Raben Mahl mit Trauer, –
Sein treues Roß. – »O wackrer Grauer!
Dir wär es gut, auch mir vielleicht,
Wenn wir die Trosachs nie erreicht. –
Murdoch voran! – Doch schweige ja,
Pfeif oder ruf, dein Tod ist da!« –
Argwöhnisch eilen sie mit Macht,
Ein jeder still und voll Bedacht.

      Um eine Felsenspitze wand
Sich jetzt des Pfades steiler Rand,
Als eine traurige Fraungestalt,
Verbleicht durch Sonn und Sturms Gewalt,
In Lumpenkleidung, wilder Zier,
Auf Felsen stand am Wege hier.
Rastlos schickt sie die Blicke rund
Auf Himmel, Wald und Felsengrund,
Doch wie sie späht, nichts wird ihr kund.
Ein Kranz von Strauchwerk schmückt die Stirne,
Wild hält ein Büschel hoch die Dirne
[158]Von Federn, die der dunkle Flügel
Des Adlers wirft auf Fels und Hügel;
Es holt sie ihr verwegner Fleiß
Von dort, wo kaum noch fußt die Geis.
Zuerst blickt sie das Hochlandskleid,
Sie schreit, vom Felsen schallt ihr Leid;
So lacht sie laut, als näher jene,
Sie kennt die Tracht der Thallands-Söhne;
Sie ringt die Hand in wildem Drang,
Dann weinte sie, und sang, – ach sang
So, daß die Stimm in bessern Zeiten
Wohl möchte Harfen schön begleiten,
Und obgleich roh und wirr, noch jetzt
Süß-schmerzlich Thal und Berg ergötzt.


Gesang.

Ich soll hier schlafen, soll hier flehn,
      Man sagt, mein Sinn wär irr und wund, –
Ich kann nicht ruhn auf Hochlands Höhn,
Ich kann nicht flehn in Hochlands Mund. [159]

Wär ich an Allans Wellengüssen,
      An väterlichen Devans Flüssen,
Da wollt ich ruhn und flehn so fromm:
      O meines Elends Ende komm!

So sollt ichs Haar mir flechten ja,
      Man bat mich, in die Kirch zu gehn,
Man sprach, mein Hochzeitstag wär da,
      Dort würd ich meine Liebe sehn.

Doch weh! dem bösen Trug, der mir
      In Blut ertränkt des Morgens Zier,
Und weh! was schön der Traum erdacht. –
      Bin nur zu Noth und Leid erwacht!

      »Was will das Lied, wer ist die Maid?
Sie beugt sich überm Weg so weit,
Und lässet wehn ihr graues Kleid,
Gleich wie den Fittich spannt der Reiher
Im Zwielicht über seinen Weiher.« –
»'S ist Blanka, die Verrückte,« fuhr
Der Führer fort, »aus Devan nur,
[160]Wir fingen sie im Hochzeitskleid
Als Rodrich fiel in Devanside.
Der lustige Bräutigam, der sich wehrte,
Sank unter unsres Häuptlings Schwerte;
Mich wundert, daß sie hier am Ort,
Doch flieht sie oft der Maudlin fort. –
Weg, Tolle, sonst!« – Er hob die Waffe
»Schlägst du sie einmal nur, so raffe
Und werf ich dich so tief ins Thal,
Wie je im Boden steckt ein Pfahl.« –
»Dank, Ritter,« rief die Tolle dann,
Und schmiegte an Fitz-James sich an.
»Sieh mich die grauen Flügel binden,
Den Lieben in der Luft zu finden!
Im Fallen jenen Knecht zu heben,
Will ich nicht Eine Feder geben.
Nein, zwischen wildem Moosgesteine
Benagen Wölfe sein Gebeine,
Dann soll sein böser Mantel auch,
Gehalten in der Luft vom Strauch,
Als Banner flatternd frei und schön,
Sie zu dem Mahle ladend, wehn.« – [161]

      »Du armes Mädchen, ruhe still!«
– »O du siehst freundlich aus, ich will, –
Hin ist des Auges schönes Glühn,
Doch liebts noch immer Lincoln-Grün,
Und sind auch stumpf die Ohren schon,
Sie lieben doch noch Thallands Ton.

»Mein Wilhelm war Förster, so muthig und frisch,
      Der Blanka, der stahl er das Herz hinfort,
Sein Kleid, das war grün wie des Waldes Gebüsch;
      Sanft sang er die Lieder des Thallands dort!« –

»Still, still! – Das wollt ich nicht verkünden,
»Doch du bist klug, und wirsts wohl finden.« –

      Dann leise und gebrochen, drang
Hervor in Eile ihr Gesang.
Argwöhnend kehrt ihr scheuer Blick
Zum Stammgenossen stets zurück,
Zum Ritter dann; dann stiert so wild
Ihr Auge auf das Brachgefild: [162]

»Das Netz ist geworfen, die Pfähle gesetzt;
      Alles singt laut in Lust:
Die Bogen gespannt und die Messer gewetzt;
      Lust ist in Jägers Brust.

Es war mal ein Zehender, herrlich und stolz;
      Strotzend mit Hochgeweih,
Kam einst so stattlich hinab durch das Holz;
      Immer sing, muthig, juchhey!

Da traf er das Reh, das verwundete, dort,
      War in dem Tode so blutig.
Es warnte ihn unten vor Netzen und Mord
      Treulich, so treulich und muthig.

Er hatte ein Auge, um vor sich zu sehn;
      Ach, hüte dich, hüte dich ja,
Er konnte mit Füßen, den schnellen, entgehn –
      Die Jäger, die wachen so nah.« –

      Umsonst war Ellens Furcht und Wink,
Als Leidenschaft Fitz-James umfing,
[163]Nur Argwohn bringt ihm Murdochs Schrein,
Gewißheit Blankas Sang allein. –
Nicht wie der Hirsch, der Schlingen sieht,
Wie Löwen in dem Treibgebiet,
So schwingt den Stahl er kräftiglich:
»Sag den Verrath, sonst tödt' ich dich!« –
Fast war der Schotte fortgeflogen,
Doch zog er noch im Fliehn den Bogen,
Des Ritters Busch durchstreift der Schaft,
Und dringt – in Blankas Brust mit Kraft. –
Murdoch von Alpine, flieh den Tod,
Nie drängte Alpine größre Noth!
In Füßen Sturm, im Herzen Gluth,
Folgt ihm der Rächer nach in Wuth!
Das Schicksal urtheilt hier im Streben,
Verdammung – Tod, und Preis – das Leben!
Es liegt dein Hinterhalt dicht vor
Dir unten auf dem Haidemoor;
Du kannst noch hin. – Jetzt schwerlich, schwer!
Du siehst die Deinen nimmer mehr. –
Dich trifft des feurigen Sachsen Wehr!
– Dem Blitz, der Fichten spaltet, gleich
[164]Dringt mächtig ein der Todesstreich. –
Fitz-James strengt Fuß und Hand zumal
Eh wieder frei ihm wird der Stahl.
Drauf beugt er sich mit grimmigem Lächeln,
Zu letzen sich am Todes-Röcheln,
Und kehrt dann langsam dorthin wieder,
Wo blutend sank das Mädchen nieder.

      Er sah sie an der Birke sitzend,
Den Arm auf ihrem Kniee stützend;
Schon war der Pfeil aus ihrem Herzen,
Sie sah ihn lächelnd ohne Schmerzen,
Und blutbefleckt lag neben ihr
Der Busch und ihres Kranzes Zier.
Zu stillen sucht den Strom des Lebens
Fitz-James. Sie ruft: »Es ist vergebens!
Des Geistes längst verlorne Kraft
Hat wieder mir der Tod geschafft.
Und wie mein Blut entströmet dichter,
So schwinden auch des Wahns Gesichter;
Mich trifft ein unverdient Geschick,
Doch etwas spricht in deinem Blick:
[165]Du werdest einst mein Rächer sein. –
Sieh diese Locken! – Ach allein
Bewahrt ich dieses blonde Haar
In Jammer, Wahnsinn und Gefahr;
Einst wars so glänzend wie die deinen,
Doch trübt es endlich Blut und Weinen.
Ich sage dir nicht, wann ichs raubte,
Auch nicht von wessen Todtenhaupte –
Ich könnt es nicht. – Doch solls dir wehn
Als Feder auf des Helmes Höhn,
Bis Sonn und Wind den Flecken bleichen –
Dann magst du mir es wieder reichen. –
Noch leb ich, Gott! – stets klarer bricht
Hervor im Tod des Geistes Licht! –
Bei deiner Ritterehr Gebot,
Beim Leben, das erhielt mein Tod,
Wenn du den Finstern sehen wirst,
Der stolz sich nennt Stamm Alpines Fürst,
Mit breitem Tartan, Federn vorn,
Mit blutiger Hand, 'nem Aug voll Zorn –
So sei mit Herz und Waffe muthig,
Und räche Blankas Leiden blutig! –
[166]»Man harrt auf dich, am Weg, der hohl …
Vermeide ihn … O Gott! … leb wohl!« –

      Gefühlvoll war des Ritters Herz,
Er weint voll Mitgefühl und Schmerz;
Es wechseln Zorn und Rache sich,
Als vor ihm jetzt die Maid verblich:
»Hilf Gott mir so in meiner Noth,
Wie ich am Häuptling räch den Tod!« –
Von Blankas Locken Eine nahm
Er zu dem Haar des Bräutigam,
Und tauchte das Geflecht in Blut,
Und steckt es hoch auf seinen Hut:
»Beim Gott der Wahrheit, schwör ich, nie
Zu tragen, was mir Gunst verlieh,
Bis diese traurige Gabe raucht
Im Blut von Rodrich Dhu getaucht!
– Doch stille! Welcher Stimmen Zwist?
Die Jagd fängt an. Umschlossen – wißt, –
Daß dann der Hirsch gefährlich ist.« –
Fern vom bekannt-besetzten Wege
Streift James durch Strauch und Klippenstege,
[167]Doch muß er oft die Richtung ändern
Am Strom und jähen Felsenrändern.
Der Müdigkeit nicht mehr erwehrend,
Der Nahrung und der Kraft entbehrend,
Wirft er sich endlich auf die Erde,
Und denkt der Nöthen und Beschwerde: –
»O meine kühnen Thaten, ihr,
Fahrt hin, dies ist die letzte hier!
Wie hätt ichs nur geahnet gestern,
Daß schneller aus des Hochlands Nestern
Die Wespen würden ringsum schwärmen,
Eh noch aus Doune die Trommeln lärmen.
Wie Hunde spüren sie mich aus. –
O hör das Pfeifen und den Saus! –
Geh ich noch weiter durch den Wald,
So fall ich gleich in Feinds Gewalt;
Bis Abend berge mich der Ort,
Dann muthig in dem Dunkel fort!« –

      Es senken sich des Abends Schatten,
Das Dunkel hüllet Wald und Matten.
In ihrer Höhl erwachen Eulen,
[168]Vom Holze schallt der Füchse Heulen.
Noch geht es, daß im Schummerlichte
Der Wandrer seine Tritte richte,
Doch nicht mehr, daß fern auf der Haide
Des Feindes Wacht ihn unterscheide.
Bedächtigen Schritts, gespannt das Ohr,
Erklimmt er Felsen, steigt am Moor.
Nicht wärmte dort des Sommers Hitze
Die Nachtluft auf der Berge Spitze.
Ein jeder Windstoß durch den Wald
Starrt seine nassen Glieder kalt.
Er schreitet hungrig, starr, allein,
Durch wirren Pfad, wo Klippen dräun,
In Noth und Elend querfeldein,
Bis, als er um den Fels sich wandte,
Ein Wachefeuer vor ihm brannte.

      Sich wärmend, liegt am Kohlenrande
Ein Bergschott, tief im Hüllgewande,
Bewaffnet springt er in die Höh.
»Wie heißt, was willst du, Sachse? Steh!« –
[169]»Ein Fremder!« – »Und was heischest du?«
– »Nur Führer, Nahrung, Feuer, Ruh,
Ich hab, verfolgt, den Weg verloren,
Und bin im Winde fast erfroren.«
– »Bist du ein Freund von Rodrich?« – »Nein!«
– »Doch magst nicht selber Feind ihm sein?«
»Ihm selber Feind und all den Seinen,
Die helfend sich dem Mörder einen.«
– »Sehr kühn! Doch, ob dem Wilde gleich
Auch Recht ertheilt das Jägerreich,
Obgleich dem Hirsche Zeit gelassen,
Eh wir mit Hund und Pfeil ihn fassen, –
Wer mag nach Ort und Zeit wohl fragen,
Will man den diebischen Fuchs erschlagen?
So den Spion; doch Lügner ist,
Wer sagt, daß du ein Späher bist.«
– »Er lügt gewiß! Komm Rodrich Dhu,
Zwei Riesen seines Stamms dazu,
Bis morgen Rast, und auf ihr Haupt
Schreib ich, wie Falsches sie geglaubt.«
– »Bemerk ich recht im Flammenzittern,
[170]So trägst du Sporn und Gurt von Rittern?«
– »So kenn am Zeichen, wie es scheint,
Jedweden Unterdrückers Feind!«
– »Genug, setz dich, und theil als Gast
Des Kriegers Kost, des Kriegers Rast!« –

      Er theilt mit ihm von seiner Speise,
Gehärtet Fleisch nach Hochlands Weise,
Legt zu dem Feuer trocknen Brand,
Und reicht zur Hälft ihm sein Gewand.
Er nahm als lieben Gast ihn auf,
Und sagte zu ihm also drauf:
»Ein Stammgenoß von Rodrich Dhu
Bin ich, und ihm verwandt dazu.
Jedwedes Wort, das ihn entehrt,
Das heischt auch Rache durch mein Schwert.
Noch mehr – es soll mit deinem Leben
Ein hoch Verhängniß sich verweben.
Ich stoß ins Horn, und wenn es klingt,
So bist du allwärts schon umringt,
Auch kann ich dich, den Müden, zwingen,
[171]Mit mir im Zweikampf gleich zu ringen:
Doch, ob ich Stamm und Blut verletze,
Ich weich nicht von der Ehr Gesetze;
Der Streit mit Müden brachte Scham,
Und Fremder ist ein heiliger Nam;
Den dürfte Niemand von sich weisen,
Der wünscht Rast, Feuer, Führung, Speisen;
So ruhe denn hier bis zum Morgen,
Du wirst von mir dann selbst geborgen
Durch jede Fährlichkeit gebracht,
Bis an Stamm Alpines letzte Wacht,
Dann sei von Coilantogle weiter
»Dein eigen Schwert dir Schutz und Leiter.« –

      »So edel sie der Geber beut,
So nehm ich gern die Höflichkeit.« –

      »Nun ruh dann! Aus dem Seee drang
Als Schlaflied uns der Reiher Sang.« –
Dann breitet er das Gras der Haide
Und legt den Mantel drauf für Beide.
[172]Zusammen legen sie sich nieder,
Die Feinde, – friedlich, gleich wie Brüder,
Und schlafen, bis der Sonne Kuß
Mit Purpur färbet Berg und Fluß.



 << zurück weiter >>