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[7]Die Jungfrau vom See.


Erster Gesang.
[8] [9]Die Jagd.


I m mondeshellen Quell sich labend,
Im Monan trinkt der Hirsch am Abend,
Scharrt tief sein nächtlich Lager ein,
An still Glen-Artneys Schattenhain.
Doch als der Morgenstrahl so schön
Mit Purpur mahlt Benvoirlichs Höhn,
Hallt schwer Geklaff aus Bluthunds Munde
Den Felsenweg hinauf vom Grunde,
Auch hörte man, doch schwächer, schon
Von weitem Huf- und Hörnerton.

      Gleich wie ein Feldherr auf den Schall:
»Zur Wehr, der Feind erstürmt den Wall!«
[10]Stürzt von des Haidelagers Rast
Des Forstes König auf in Hast.
Doch schüttelt er sich ab den Thau,
Bevor er flieht zu ferner Au,
Streckt wie ein Ritter, stolz und frei,
Zum Himmel auf sein licht Geweih;
Blickt einen Augenblick ins Thal,
Spürt nach dem Winde noch einmal,
Hört noch einmal aufs Jagdgewühl,
Das immer näher kam dem Ziel;
Dann, als der erste Feind erschien,
Sprang er mit kühnem Satz vom Grün,
Und vorwärts dringend frei und bar
Sucht er das wilde Uam Var.

Sucht er das wilde Uam Var.

Uam Var ist ein Berg im Nordost des Dorfes Callender in Menteith, er leitet seinen Namen, welcher die »große Höhle« bedeutet, von einer tiefen Schlucht auf der südlichen Seite zwischen den Felsen her, von der die Ueberlieferung sagt, daß hier einst ein Riese gehauset habe. In den neueren Zeiten war sie ein Schlupfwinkel für Räuber und Mörder, die kaum seit einem halben Jahrhundert gänzlich daraus vertrieben sind.

      Es starrt der Hunde Schaar und bellt,
Und wieder tönts von Berg und Feld;
Wie tausendfach auch ist der Schall,
Vom Berge schallt sein Wiederhall.
Wohl hundert Rüden schnauben wild,
Von hundert Rossen dröhnts Gefild,
Der lustige Hörnerklang erscholl,
[11]Von freudigem Ruf war Alles voll,
Von Waidgeschrei und Peitschenknall
Ruht nicht Benvoirlichs Wiederhall.
Das Reh entflieht vor dem Geschrei,
Die Hindin birgt im Nest sich scheu.
Der Falke blickt vom Hünengrab
Verwundert auf den Lärm hinab,
Bis seinem Blick der Zug entsaust,
Wie Sturmwind durch die Ebne braust.
Sein Schall, der sich am Felsen brach,
Wird schwach und schwächer allgemach,
Und Schweigen drückt sein ernstes Siegel
Auf stillen Wald und weiten Hügel.

      Schon schwächer wird auf Uam Var
Das Sturmgebraus der Jägerschaar,
Und weckt, indem es weiter saust,
Die Kluft, wo Riesen einst gehaust.
Doch eh der steile Pfad gewonnen,
Brennt heißer schon das Licht der Sonnen,
Und mancher edle Jagdgenoß
Muß halten an sein keuchend Roß;
[12]Selbst von den rüstigen Jägerhunden
Wird kaum die Hälfte mehr gefunden,
So heftig stürmt den Berg hinauf
Des wilden Jagdgefolges Lauf.

      Der edle Hirsch hält endlich inne
Dort südlich auf des Berges Finne,
Wo fern vor unserm Blick sich breiten
Des reich begabten Menteith Weiten.
Sein Auge blicket ängstlich rund
Umher auf Höhn und Wiesengrund,
Bis Zuflucht er zuletzt gewahrt
Bei Aberfoyle und bei Lochard.
Doch näher liegt wohl Loch-Achray,
Mit seinem Knieholz, dicht am See,
Das sich verbindet mit den Kiefern
Auf Benv'nues rauhen Klippenschiefern.
Hoffnung erfrischt des Lebens Mark,
Er schwingt die Glieder schnell und stark,
Eilt westwärts unermüdet weiter,
Und weit zurück bleibt Hund und Reiter. [13]

      Was red' ich von den Rossen allen,
Die dort auf Cambus-Moor gefallen,
Noch, wie man krampfhaft riß die Zügel
Beim Aufritt auf Benledi's Hügel,
Wer auf Bochastles Haide sank,
Und wer den Teith nicht mehr durchdrang,
Denn zweimal war geschwommen dort
Der edle Hirsch von Bord zu Bord. –
Nur Wenige von der Jägerschaar
Verfolgten bis zum Vennachar,
Und an dem Paß von Turk war nur
Ein Reiter noch auf Wildesspur.

      Rastlos, obgleich allein vom Troß,
Treibt dieser spornend an sein Roß,
Denn abgespannt, vom Laufen heiß,
Besprützt mit schwarzem Moor und Schweiß,
Läuft stöhnend, abgemattet, dicht
Der Hirsch vor seinem Angesicht.
Zwei Rüden von Sanct Huberts Zucht,
Schnell, stark wie Keine, viel versucht,
[14]Sind schon so nah dem flüchtigen Ziel,
Daß fast geendet scheint das Spiel.
Denn, speerweit kaum von seinen Weichen,
Muß ihn der Hunde Wuth erreichen.
Doch schneller jagt auch nicht der Hund,
Und schneller flieht auch nicht sein Fund.
Und so entlang des Seees Rand,
Dort zwischen Strauch und Felsenwand,
Wird über Stock und Block gerannt.

      Wohl faßt der Jäger einen Berg,
Am Schluß des Sees, in Augenmerk,
Und denkt, hier muß der Hirsch sich kehren,
Wo ihm die Höhn den Paß verwehren,
Schon sucht er, seines Siegs bewußt,
Sich aus zum Todesstreich die Brust,
Und, messend das Geweih voll Freude,
Zieht er den Fänger aus der Scheide.
Doch als er wetternd mit dem Schwerte
Schon ganz dicht auf des Hirsches Fährte,
Springt listig, plötzlich umgewandt,
Das Thier von jener Felsenwand,
[15]Und schießt in einen finstern Grund,
Ungangbar für den Hengst und Hund,
Und sucht in Trosachs wildster Schlucht
Ermattet Schutz für seine Flucht.
Dort in dem Dickicht hingestreckt,
Von Thau und Haidemoos bedeckt,
Hört er der jetzt getäuschten Hunde
Geheul im hohlen Felsengrunde,
Und Wiederhall rings in der Runde.

      Schon ist der Jäger nah den Hunden,
Und sieht wie ihm das Wild verschwunden,
Als strauchelnd sein erschöpftes Roß
Mit einemmal zu Boden schoß.
Vergebens blieb des Reiters Mühen,
Mit Zaum und Sporn es aufzuziehen,
Denn von sich streckts die starren Glieder,
Um niemals zu erstehen wieder.
Wie Reu und Wehmuth ihm gebot,
Beklagt er seines Rosses Tod:
»Nicht dacht' ich, als am Seinestrand
Zuerst dich lenkte meine Hand,
[16]Einst würde sich auf Hochlands Haiden
An meinem Roß ein Adler weiden!
Verwünscht der Tag, verwünscht die Jagd,
Die dir, mein Thier, den Tod gebracht!«

      Dann tönt und ruft sein Horn im Grunde
Von eitler Jagd zurück die Hunde.
Und mürrisch, scheu und zögernd kehrten
Sie um von den verlornen Fährten,
Der Kopf und Schweif tief niederhängend,
Und dicht sich an den Herren drängend.
Doch wiederhallt noch fort und fort
Des Hornes Klang im tiefen Ort.
Aus ihren Träumen starrn die Eulen,
Es tönt der Adler kreischend Heulen,
Als gäbe Antwort ihm ein Mund
Erscholl rund um der Ruf im Rund.
Der Jäger eilt jetzt unverdrossen,
Zu suchen nach den Jagdgenossen,
Doch weilt er oftmals mit Entzücken,
Der Gegend Reize anzublicken. [17]

      Es schweben über Berg und Klüfte
In gleicher Bahn die Abendlüfte,
Und jeder Felsriff, jeder Zacken
Taucht in das glühnde Roth den Nacken.
Doch dringt kein einziger Abendstrahl
Dort unten in das tiefe Thal,
Wo sich der Pfad am Schattenrand
Um Felsenpyramiden wand, –
Die, abgelöst einst von den Blitzen,
Zum Himmel strecken kühn die Spitzen –
Und um manch Eiland-artige Masse,
Ein Bollwerk von Natur dem Passe,
Groß, wie der thörigen Künstler Bau,
Kühn einst gethürmt auf Schinas Au.
Es scheint, als ob auf allen Spitzen
Der Felsen, Thürm und Zinnen sitzen,
Und Kuppeln sich mit Minaretten
In wunderbarem Bau verketten,
Und Schnörkeleien, und Pagoden,
Nur heimisch morgenländschem Boden.
Auch war das Erdenschloß nicht leer,
[18]Noch weht kein Banner von ihm her,
Denn aus den Klippenhöhn entfalten,
Weit ob den ungeheuren Spalten,
Indem in Perlenthau sie glänzen,
Die Brombeern sich in grünen Kränzen,
Und tausendfarbiger niedrer Strauch
Weht in des Sommers Abendhauch.

      Natur läßt wild dem Berg entsprießen,
Frei sich der Blumen Pracht erschließen.
Hier duften wilde Rosen vorn,
Im Haselbusch der Hagedorn.
Aus jeder Spalte, eng und grün,
Siehst du Maaslieb und Veilchen blühn.
Dort mischen Malv und Nachtviole
(Von Stolz und Strafe die Symbole)
Die dunkle Blüth in dichten Reihn
Auf dem verwitterten Gestein.
Hinab bei jedem Lüftchen neigen
Sich Birk und Esp mit ihren Zweigen.
Hoch wurzelt im gespaltnen Felsen
Die mächtige Eiche mit den Elsen,
[19]Doch schwebt in einem höhern Raum
Der eingespaltne Tannenbaum,
Und läßt, wo Fels und Aether streifen,
Oft himmelan die Zweige schweifen.
Zuhöchst bei weißen Felsenspitzen,
Wo helle Fähnlein wehn und blitzen,
Da kann des Wandrers Auge schauen
Des reinen Himmels blaue Auen;
Als wärs in Feeentraumes Glanze,
So wunderseltsam schien das Ganze.

      Und fernhin, tief im Wald, erschien
Ein Wasser aus dem dunkeln Grün.
Kaum bot es einen Durchgang dar
Der wilden Enten Schwimmer-Schaar.
Bald in dem Dickicht ganz verschwindend,
Bald, breitre Fluth, das Freie findend,
Schaun hohe Felsen, buschige Hügel,
Ihr Antlitz in dem blauen Spiegel,
Und wie der Jäger dringet weiter,
So wird des Stromes Bette breiter.
Auch stehn die grasigen Höhen bald
[20]Nicht mehr im dicht verworrnen Wald,
Sie schwimmen von den Welln umgeben,
Wie Burgen zwischen ihren Gräben,
Und sie entfernt vom Küstenland
Ein immer breitrer Fluthenrand,
Bis jede so geschiedne Höh
Ein Eiland wird im Eiland-See.

      Kein Weg, wie auch der Wandrer spürt,
Zeigt sich, der aus dem Grund ihn führt,
Erklimmt er nicht geschickt den Rand
Der hohen jähen Felsenwand.
Der Ginsterstrauch wird seine Leiter,
Ihm hilft die Haselstaude weiter;
So zu der luftigen Höh gelangt,
Im Gluthenmeer der Sonne prangt,
Lebendigen Goldes flammend Fließen,
Loch Katrine dicht zu seinen Füßen;
Wie er sich krümmend, weithin glänzt,
Von Bucht und Vorgebirg begränzt,
Mit Inseln, die in Purpur glimmen,
In reinem Wellenlichte schwimmen,
[21]Mit Bergen, die, Giganten gleich,
Bewachen dieses Zauberreich.
Im Süden wirft der Benvenue
Hinab, des Seees Spiegel zu,
Fels, Hügel, Wall, in wilden Massen
Aus frühern Welten uns gelassen.
Es decken dichter Forsten Wipfel
Die Spalten und den grauen Gipfel,
Indeß im Norden unbelaubt
Der Ben-an hoch erhebt sein Haupt.

Kein Weg, wie auch der Wandrer spürt,

Bis daß der jetzige Weg gemacht war durch die romantischen Gegenden, welche der Dichter in diesen Versen zu [268]beschreiben versucht hat, gab es keine andere Art aus diesen Gründen, welche die Trosachs genannt werden, zu entkommen, außer mit Hülfe einer Art Leiter, die aus den Zweigen und Wurzeln der Bäume bereitet war.

      Vom steilen Vorgebirge blickt
Der Fremde staunend und entzückt,
Er rief: »Wie sollten Fürsten thronen,
Wie hier die Kirche würdig wohnen?
Ein fürstlich Schloß auf dieser Spitz,
Im sanften Thal ein Frauensitz,
Auf jener fernen grünen Au
Der Kloster-Thürme heimlich Grau!
Wie freundlich riefe aus dem Grunde
Das Jägerhorn die Morgenstunde,
Wie süß, wenn still der Abend graute,
[22]Ertönte dann des Freiers Laute?
Wenn mitternächtlich in den Wellen
Der Mond sich taucht, den silberhellen,
Wie feierlich dem Ohr der Klang
Von heiliger Mette fernem Sang,
Indeß der ernste Glockenton
Ließ wach auf jener Insel schon
Den Klausner aus der Hütte treten;
Am Kranz bei jedem Laut zu beten.
Von Flöte, Horn und Glocken, allen
Soll dem verirrten Wandrer schallen
Ein Ruf zu freundlich lichten Hallen.

      Dann wär es schön zu wandern hier,
Doch jetzt – verwünscht das schnelle Thier! –
Muß ich mich, gleich dem Klausner, bücken,
Mein Nachtmahl karg vom Strauch zu pflücken,
Die Moosbank wird mir Lagerstätte,
Der Eiche Laub mein Himmelbette. –
Es sei; denn Krieg und Jagd gewähren
Uns selten Rast, wie wir begehren;
Ruhn wir, die Nacht, im Wald geborgen,
[23]Wird uns die Lust am Sommermorgen.
Doch Feinde, die wir gern vermeiden,
Irrn um vielleicht in diesen Haiden.
Verlieren lieber Roß und Thier,
Als Hochlands Räuber treffen hier!
Ich bin allein – das Horn erreicht
Mir einen von dem Zug vielleicht,
Und – falls das Schlimmste widerfährt –
Hat sich dies Schwert ja schon bewährt.«

      Kaum tönt das Horn zum zweitenmal,
Als plötzlich unten auf den Schall
Hervor aus einer Eiche Zweigen,
Die von der Insel Fels sich neigen,
Gelenkt von einem Mädchen, fliegt
Ein Schiffchen und zur Bucht hinbiegt,
Die sanft umschließt mit ihrer Mündung
Des steilen Vorgebirges Ründung.
Der Wellenschlag, bemerkbar kaum,
Benetzt der Thränenweide Saum,
Und lispelnd küßt der Fluthen Tanz
Der Uferpappel weißen Glanz.
[24]Der Kahn berührt den Silberbord,
Grad als der Jäger geht vom Ort,
Und hinter dichtem Schilf gebückt
Die Jungfrau von dem See erblickt.
Das Mädchen horcht, ob noch einmal
Ertönen mag der ferne Schall.
Erhobnen Haupts, den Blick gespannt,
Aufmerksam Aug und Ohr gewandt,
Die Lippen auf, die Locken wehend,
Wie Hellas Marmorbilder stehend,
Gleicht lauschend sie der Strand-Najade,
Die sich erhebt vom Wellenbade.

      Nie formte kunstvoll der Hellene,
Mit welcher Anmuth er auch kröne
Nymph oder Grazien, solche Schöne.
Obgleich die glühnden Sonnenstrahlen
Mit leichtem Braun die Wangen malen,
Dient grad die leichte Arbeit itzt,
Indem vom Rudern sie erhitzt,
Welch weißer Busen ihr zu eigen,
Wenn er sich schnell erhebt, zu zeigen.
[25]Obgleich nach keines Hofes Sitte
Bestimmt geregelt ihre Tritte,
Streift nie ein leichtrer Fuß den Thau
Vom Haidenblümchen auf der Au,
Ja unter ihrer Füße Schweben
Sieht man sich Veilchen wieder heben
Obgleich das rauhe Berggebiet
Des zarten Mundes Ton verrieth,
Wird doch, den Silberlaut zu hören,
Der Horcher gern dem Athem wehren.

      Daß eines Häuptlings Kind sie war,
Zeigt ihr Gewand, das schöne Haar,
Und Seid und goldnes Gürtelpaar.
Wohl selten solcher Locken Pracht
So wild ein Haargeflecht umlacht,
Schwarz, wies Gefieder eines Raben
Sie selber nicht mag schwärzer haben;
Wohl selten schließend, ein Gewand
Auf solcher schönen Brust sich fand;
Nie mocht ein Gurt zusammen halten
Auf solchem reinen Herz die Falten.
[26]Um ihrer Kindlichkeit zu trauen,
Brauchst nur in Ellens Aug zu schauen,
Es gibt nicht Katrines blauer Spiegel
So treu zurück die Uferhügel,
Als jeder Blick, so froh und frei,
Zeugt, daß ihr Herz voll Unschuld sei:
Gleich, ob voll Freud das Auge rollt,
Ob es dem Unglück Mitleid zollt,
Ob Kindesliebe drinnen strahlt,
Ob sich drauf brünstige Andacht mahlt,
Ob sich ihr reiner Geist empört,
Wenn sie begangnes Unrecht hört.
Nur ein Gefühl, kaum selbst bewußt,
Barg stolz die Maid in ihrer Brust,
Und dennoch fühlt sie rein sein Brennen –
Soll ich wohl dies Gefühl erst nennen?

      Sie rief hinauf, da schon zu lang
Für sie verstummt des Hornes Klang –
»Vater!« – Ein willig Echo fand
Der Ruf an jeder Felsenwand.
Dann schwieg sie. – Keine Antwort kam. –
[27]» Malcolm, stieß'st Du ins Horn?« – Der Nam'
Ward nicht so deutlich ausgesprochen,
Sein Wiederhall war nur gebrochen.
»Ein Fremder ich!« – so sprechend trat
Der Jäger aus dem dunklen Pfad.
Erschrocken stößt mit eiliger Hand
Die Maid den Nachen ab vom Strand,
Und so geschieden zieht sie stumm
Nur dichter sich ihr Halstuch um.
(So würden Schwäne schreckend fliehn,
Und dehnend ihre Schwingen ziehn)
Dann sicher, doch noch etwas scheu,
Sieht sie, wer wohl der Fremde sei.
Doch die Gestalt, doch dieser Blick
Scheucht junge Schönen nicht zurück.

      Das schöne Mannesalter spricht
Aus seinem kühnen Angesicht;
Auch spiegelt jugendlich darin
Sich Offenheit und muthiger Sinn;
Es zeigt sich muntre Fröhlichkeit,
Ein Geist, der nie ein Wagniß scheut,
[28]Ein Blick, der Feuer wird, getrieben
Zu grimmem Zorn – zu innigem Lieben.
Zur kühnen Lust der Jagd und Waffen
Sind stark die Glieder ihm geschaffen;
Obgleich ein friedlich Kleid ihn ziert,
Er nur ein Schwert als Waffe führt,
So ehrte doch die hohe Miene
Des Fürsten Stolz, des Kriegers Kühne,
Wie wenn er schritt' am Seerevier,
In Erz und hoher Federn Zier.
Fast scherzend klagt er seine Noth
Von Tod und frühem Abendroth.
Geläufig floß die Rede fort
Und schön wie zartes Minnewort,
Doch schien er, trotz der feinen Sitten,
Gewohnt mehr zum Befehl, als Bitten.

      Noch steht das Mädchen ihn betrachtend,
Doch ruft sie endlich, Furcht verachtend:
»Daß stets Verirrten auf den Höhn
Hochländsche Hallen offen stehn.
Auch kommt ihr unverhofft nicht dort
[29]Zur Insel, unserm Wohnungsort;
Eur Lager stand schon früh am Tag,
Als noch bethaut die Wiese lag;
Wo sich der Berge Gipfel röthet,
Sind Schnee- und Birkhuhn schon getödtet,
Auch fing das Netz im See uns Fische
Zu eurer Kost am Abendtische.« –

      »Beim heiligen Kreuze, schöne Maid,
Jetzt irrt sich deine Gastlichkeit!
Kein Recht hab ich zur guten Rast,
Bereitet dem erwünschten Gast.
Ein Wandrer, der im Irrn verlor
Weg, Freunde, Roß, noch nie zuvor,
O schönes Mädchen, glaub es mir,
Sog ich die reine Bergluft hier,
Bis an des Sees romantischem Strand
Im Feenland eine Fee ich fand.«

      »Wohl glaub ichs!« rief das Mädchen drauf,
Als landwärts kehrt des Kahnes Lauf,
»Wohl glaub ichs, nie betratet ihr
Zuvor Loch Katrin's Strandrevier;
[30]Doch gestern hab ich schon vernommen
Zuvor von Allan-bane eur Kommen –
Ein alter Mann, deß Seherblick
Sieht in das künftige Geschick –
Er sah eur Roß, das grau gefleckte,
Wies todt im Birkenweg sich streckte,
Beschrieb eur Wesen, eure Tracht
Von grünem Lincoln für die Jagd,
Das lustige Horn, so bunt vergüldet,
Das Schwert, wie es gekrümmt gebildet,
Den Hut, vom Reiherbusch umwunden,
Das grimmige Paar von schwarzen Hunden.
Und Alles zu bereiten drang
Er zu 'nes edlen Gasts Empfang.
Doch achtet ich nicht, was er sang,
Und glaubt, des Vaters Horn erschalle
Vom See her an dem Wiederhalle.«

      Der Fremde lächelt: »Da ich bin,
Verkündet in des Sehers Sinn,
Ein Abenteurer hergekommen,
So ist gewiß mein Glück entglommen;
[31]Doch opfr' ich gern dies hohe Glück
Für dieser Augen schönen Blick.
Gönnt mir zuerst den kleinen Kahn
Zu führen auf der Wellenbahn.«
Das Mädchen, heimlich lächelnd, blickt,
Wie ihn so schwer die Arbeit drückt,
Denn selten wohl, wenns je geschah,
Daß diesen Arm man rudern sah.
Indessen kämpft er voller Muth,
Und schnell durchflog der Kahn die Fluth.
Laut bellend schwimmen allgemach
Die Hunde ihrem Kahne nach.
Nicht lange braucht die dunkeln Flächen
Des Sees das Ruder zu durchbrechen,
Bis sie am Inselstrand sich finden,
Und fest das Boot ans Ufer binden.

      Der Fremde schaut sich um am Strand;
Ein dicht Gebüsch umgab den Rand.
Kein Gang bezeugt, auch nicht ein Pfad,
Daß je die Oed ein Mensch betrat,
Bis ihm die Bergesmaid entdeckt
[32]Den Weg, der, steil im Wald versteckt,
Sich durch verworren Dickicht schmiegt,
Bis vor uns grün ein Plätzchen liegt,
Wo sich hinab mit ihren Zweigen,
Die Weid und Trauerbirke neigen;
Ein Obdach ließ für schlimme Zeiten
Ein Häuptling einst sich hier bereiten.

Ein Obdach ließ für schlimme Zeiten
Ein Häuptling einst sich hier bereiten.

Die Celtischen Stammhäupter, Häuptlinge, deren Leben in beständiger Gefahr war, hatten gewöhnlich in den entferntesten Oertern ihrer Besitzungen einen Zufluchtsort für unglückliche Zeiten. Er bestand nach den Umständen aus einem Thurme, einer Höhle oder einer ländlichen Hütte in einer wilden und abgeschlossenen Lage. Eine solche Hütte verbarg auch den unglücklichen Carl Eduard auf seiner gefährlichen Flucht nach der Schlacht bei Culloden.

      Geräumig war des Hauses Gründung,
Doch seltsam Bauart und Erfindung;
Von solchen Stoffen, als die Hand
Des Arbeitsmannes ringsum fand.
Astlos, zum Viereck roh behauen,
Die Eich und Esche ihre rauhen
Und kahlen Stämme fest verbinden,
Die Seitenmauern zu begründen.
Indem, um vor dem Wind zu schützen,
Mit Lehm und Moos verstopft die Ritzen.
Gebälk vom leichtern Tannenbaum
Bedeckt als Dach den obern Raum,
Und Schilf mit Haidenkraut verbunden,
Sind einfach drüber hingewunden.
[33]Westwärts sah man am Walde stehn
Auch eine Halle, ländlich schön,
Gestützt durch Säulen von Natur,
Den Fichten aus der Bergesflur,
An welche kunstreich Ellens Hand
Idäen-Wein und Epheu wand,
Die holde Blume, wohl bekannt,
Die Jungfraun-Laube wird genannt,
Und jede Pflanze, deren Duft
Ertrug Loch Katrines scharfe Luft.
Kaum war sie hier, im Augenblick
Rief lustig sie zum Gast zurück:
»Zur Dame und zu Gott gebeten,
Und dann ins Zauberthor getreten!«

      »Mein Himmel und Vertraun allein
Mußt du, mein schöner Führer, sein.« –
Kaum trat er ein – als ihm der Klang
Gezückten Stahls entgegen drang.
Sein Blut erhebt sich mit Gewalt,
Doch schämt er sich erröthend bald,
Da nur, als Grund des Klangs, im Saal
[34]Gefallen war ein blanker Stahl
Aus seiner Scheide, die nun frei
Hinflatternd hing am Hirschgeweih.
Was man in Jagd und Krieg gefangen,
Davon die Wände ringsum prangen:
Hier hangen Horn und Spieß zur Jagd,
Dort Tartsch und Streitaxt für die Schlacht,
Schwert, Pfeile, Bogen an der Mauer,
Wie auch erschlagner Eber Hauer.
Hier stiert der Wolf, als stürb er eben,
Des Elends Stirne ist umgeben
Von wilder Katzen scheckiger Haut,
Die auch vom Horn des Ures schaut;
Zerrissen Banner aufgesteckt,
Von dunklen Streifen Bluts befleckt,
Der Otter und des Seehunds Felle
Und andre, bunte, dunkle, helle
Verbinden seltsam wild sich alle,
Zu schmücken diese Waldeshalle.

      Der Fremde blickt erstaunt umher
Und hebt die hingefallne Wehr; –
[35]Wohl selten sind so starke Recken,
Die gradaus leicht dies Eisen strecken.
Als er so wagt das Schwert für sich,
Spricht er: – »Nur Einen kannte ich,
Deß Arm von Stahl solch Schwert gerecht
Geschwungen hätte im Gefecht.« –
Sanftlächelnd sie zum Gast sich kehrt:
»Das ist des Schutzherrn altes Schwert;
Er schwingt so leicht es und gewandt,
Wie Haselruthen meine Hand.
Wohl zierte Vaters Wuchs die Part
Von Ferragus und Ascabart;
Doch jetzo, da der Riese fort,
Sind Fraun und Diener nur im Ort.« –

Von Ferragus und Ascabart.

Diese beiden Söhne des Anak glänzten im romantischen Fabelkreise. Der erste ist den Bewunderern des Ariost wohl bekannt unter dem Namen Ferrau. Er war der Gegner des Roland, und ward zuletzt von ihm im Zweikampfe erschlagen. – Ascapart oder Ascabart kommt ganz besonders ausgezeichnet in der Geschichte des Beris von [269]Hampton vor, von dem er besiegt ward. Sein Bildniß bewacht die eine Seite eines Thores zu Southampton, während die andere Beris selbst einnimmt.

      Des Hauses Herrin kam alsbald,
Bejahrt, doch edel von Gestalt.
Ihr Anstand und ihr stattlich Wesen
Wär ziemend einem Hof gewesen;
Von Ellen, obgleich nur verwandt,
Wird liebend »Mutter« sie genannt.
Sie grüßt den Gast mit Freundlichkeit,
[36]Und ist zu allem schnell bereit,
Was nur erheischt des Wirthes Pflicht,
Doch Stand und Namen fragt sie nicht.
So ehrte damals man die Gäste,
Der Todesfeind besucht die Feste
Des Todfeinds. Niemand fragt ihn aus,
Und ungestört kehrt er nach Haus.
Doch nennt der Fremde selber sich:
»Von Snowdoun James Fitz James bin ich,
Herr eines schlechten Ritterguts,
Das kaum, im Kampf des Schwerts und Muths
Erhielt der Ahnen Tapferkeit.
Mein Vater fiel in solchem Streit,
Auch ich, zum Schutze meines Rechts,
Steh oft im Drange des Gefechts.
Heut mit Lord Moray auf der Pirsch,
In der mich hergelockt ein Hirsch,
Hab ich verloren Zug und Thier –
Mein gutes Roß – und bin nun hier.« –

Was nur erheischt des Wirthes Pflicht.

Die Hochländer, welche die Gastfreundschaft aufs Höchste trieben, meinten, es wäre schändlich, einen Fremden nach Namen und Stand zu fragen, ehe er Erfrischung genossen hatte. Die Fehden waren so häufig unter ihnen, daß wenn sich dies Gewohnheitsrecht nicht gebildet hätte, oft bei Entdeckung der gegenseitigen Verhältnisse die Gäste des Beistands und der freundlichen Aufnahme, der sie bedurften, beraubt gewesen wären.

      Der Ritter hätte gern erfahren,
Wer seine edlen Wirthe waren;
[37]Wohl zeigt der ältern Dame Wesen,
Daß sie an Höfen ist gewesen;
Natur und Kindes-Unschuld drücken
Sich mehr zwar aus in Ellens Blicken,
Doch Sprach und Anstand, edelfrei,
Zeigt, daß sie höhern Standes sei.
Nie findest du in niedern Hütten
Den Sinn, die Anmuth, diese Sitten.
Wie deutlich auch des Ritters Wink,
Frau Margret achtet ihn gering;
Und Ellen, lustig her und hin,
Verkehrt der Frage ernsten Sinn:
»Wir zaubern – hausen fern von Städten
In öden Haiden, unbetreten,
Wir bändigen Fluthen, Sturm, Gewitter,
Behexen schnell die irrnden Ritter;
Bei unsichtbarer Saiten Klang
Tönt also unser Zaubersang.« –
Sie sang und ihre Stimm begleiten
Der ungesehnen Harfe Saiten:

[38]Gesang.

Krieger ruh! der Kampf ist aus,
      Schlummre ohne zu erwachen,
Träume nicht vom Schlachtengraus,
      Tagesmüh und nächtlich Wachen!
In der Insel Zauberhallen
      Unsichtbare Hände streuen
Dir ein Lager, Töne schallen,
      Zaubernd dich dem Schlaf zu weihen.
Krieger ruh! der Kampf ist aus,
Träum nicht mehr von Schlachtengraus;
      Schlummre ohne aufzuwachen,
      Nachts die Ruh, am Morgen wachen.

Kein Geräusch soll dich erwecken,
      Klang von Waffen, noch von Rossen,
Nicht dich Horn und Pibroch schrecken,
      Reiter musternd, Stammgenossen.
Doch der Lerche gellend Singen
      Schallt vom Feld am frühen Morgen,
Und der Reiher Töne dringen
      Aus dem Schilf, wo sie verborgen.
[39]Lautrer Lärm wird dich nicht wecken,
Nicht der Wächter Ruf dich schrecken,
      Noch Gewiehr von Kriegesrossen,
      Reiterschaaren, Stammgenossen.

      Sie schwieg – und stimmt erröthend dann
Ihr Lied zur Ehr des Fremden an;
Doch hält noch ihre Stimme auf
Des sterbenden Gesanges Lauf,
Bis sich entwickelnd, dieses Lied
Melodisch von den Lippen flieht:

Jäger, ruhe nach der Jagd,
      Wenn dich Schlummersprüche binden,
Träum nicht, wenn die Sonn erwacht,
      Hornton muß dich wachend finden.

Schlaf, der Hirsch auch liegt im Schlummer,
      Schlafe, bei dir liegt der Hund,
Schlaf, und träume nicht mit Kummer,
      Wie dein Roß liegt todt im Grund.
[40]Jäger, ruhe nach der Jagd,
Traum nicht, daß die Sonn erwacht,
      Denn dich früh schon wach zu finden,
      Tönt kein Horn in diesen Gründen.


      Man ging. – Von Haidekraut ein Bette
Lag dort dem Gast als Ruhestätte;
Wohl hundert sahn in diesem Raum
Schon ihren Jägerfang im Traum.
Ihn haucht vergebens an die Luft
Mit feuchter Haideblumen Duft;
Nicht Ellens Zauber hat gewußt
Zu stillen die erregte Brust.
Ihm kam in Träumen, bunt und wild,
Von Müh und Leid ein angstvoll Bild;
Jetzt strauchelt auf dem Moor sein Roß,
Jetzt, – daß hinab die Barke schoß,
Sein Banner vorm geschlagnen Heere
Sinkt jetzt – und mit ihm seine Ehre;
Dann kehrt – (mög eine Himmelsmacht
Vertreiben das Gespenst der Nacht!) –
[41]Zurück manch Bild der Jugendzeit
Von arglos edler Offenheit.
Darauf erscheinen ihm geschwind
Die Freunde, die es nicht mehr sind,
Treulose, Kalte, Todte schmiegen
Sich eng, und nahn in Feierzügen,
So warm und freudig und zufrieden,
Als ob sie gestern erst geschieden;
Es regen Zweifel sich im Schauen,
Ob Täuschung, ob er könne trauen –
Träumt er von Treubruch nur und Mord,
Sieht er sie ahnend hier am Ort?

      Mit Ellen drauf in einem Hain
Sprach er von Liebeslust und Pein;
Sie hört erröthend, ihm am Arm,
Die Hoffnung steigt, er redet warm.
Er sucht die Hand, die sie ihm läßt –
Und drückt den kalten Handschuh fest.
Urplötzlich wandelt sichs Gespenst,
Ein Helm auf seinem Haupte glänzt;
Zu Riesengröße angeschwollen,
[42]Mit finstrer Stirn und Augenrollen,
Gleicht dennoch Ellens sanftem Bild
Dies Schreckenantlitz, fremd und wild. –
Zusammenschaudernd und erwacht
Ruft er zurück den Traum der Nacht.
Es glühen auf dem Heerd die Kohlen,
Und glänzend halb, halb nur verstohlen
Stehn die Trophän des Saals im Schleier
Des Dunkels, seltsam ungeheuer.
Der Fremde wendet dann den Blick
Zum ungeheuren Schwert zurück,
Und in ihm jagen sich und schwanken
Die wildverworrenen Gedanken,
Bis, um vom Schwindel frei zu sein,
Er aufstand hin zum Mondenschein.

      Es duften rund umher so reich
Die wilden Rosen im Gesträuch,
Balsamisch haucht der Birkenbaum,
Es schläft das Espenlaub im Raum,
Des Mondenlichtes Silberhelle
[43]Tanzt spielend auf der stillen Welle.
Wild wär das Herz, deß Toben nicht
Der reine Strahl des Mondes bricht!
Und frei sich fühlend von der Last
Sprach so zu sich der edle Gast:

      »O weshalb wendet stets mein Sinn
Zu dem verbannten Stamm sich hin?
Kann ich kein Bergesmädchen sehn,
Ohn Douglas Aug in ihr zu spähn?
Kann ich nicht schaun ein Hochlands-Eisen,
Und gleich muß mirs den Douglas weisen?
Muß mir denn stets der Douglas nahn
In jedes Traumes Fieberwahn? –
Ich träum nicht mehr. – Es muß den Willen
Der Mann auch schlafend noch erfüllen.
Mein Nachtgebet will ich jetzt sprechen,
Dann soll kein Traum mich unterbrechen.«

      Er nimmt des Rosenkranzes Gold,
Und betet wenn die Kugel rollt,
[44]Vertraut dem Himmel Leid und Sorgen,
Und schlummert ruhig und geborgen,
Bis daß der Haidehahn gekräht,
Und Morgenluft um Benv'nue weht.



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