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Fünftes Kapitel.

Hat nicht ein Jude Augen? Hat nicht ein Jude
Hände, Sinne, Neigungen, Leidenschaften? Genährt von
derselben Speise, verletzt mit denselben Waffen, denselben
Krankheiten unterworfen, geheilt durch dieselben Mittel,
gewärmt und erkältet von demselben Winter und Sommer,
wie ein Christ?

Der Kaufmann von Venedig.

Oswald kehrte zurück und flüsterte seinem Herrn in's Ohr: »Es ist ein Jude, der sich Isaac von York nennt; ist es passend, daß ich ihn in die Halle führe?«

»Laß Gurth Dein Amt versehen, Oswald,« sagte Wamba mit seinem gewöhnlichen Vorwitz; »der Schweinehirt wird ein passender Führer für den Juden sein.«

»Heilige Maria,« sagte der Abt, sich bekreuzigend, »ein ungläubiger Jude soll in diese Gesellschaft eingeführt werden!«

»Ein Hund von Jude,« wiederholte der Templer, »soll sich einem Vertheidiger des heiligen Grabes nähern?«

»Meiner Treu,« sagte Wamba, »es scheint, die Templer lieben das Erbe der Juden mehr als ihre Gesellschaft.«

»Still, meine würdigen Gäste,« sagte Cedric; »meine Gastfreundschaft darf sich nicht nach Eurem Mißfallen beschränken. Wenn der Himmel mit der ganzen Nation der hartnäckigen Ungläubigen mehr Jahre, als ein Gelehrter zählen kann, Nachsicht hatte, so können wir wohl die Gegenwart eines Juden auf wenige Stunden ertragen. Aber ich zwinge Keinen, mit ihm zu reden oder zu speisen. – Laßt ihn Tisch und Speise besonders haben – wenn nicht vielleicht,« sagte er lächelnd, »die beturbanten Fremdlinge ihn in ihre Gesellschaft aufnehmen wollen.«

»Herr Freisasse,« antwortete der Templer, »meine Saracenensklaven sind wahre Mosleminen und meiden den Umgang mit einem Juden so sehr, wie nur ein Christ es kann.«

»Nun, in Wahrheit,« sagte Wamba, »ich sehe nicht ein, daß die Verehrer Mahound's und Termagaunt's einen so großen Vorzug vor dem einst auserwählten Volke des Himmels haben sollten.«

»Er soll bei Dir sitzen, Wamba,« sagte Cedric; »der Narr und der Schurke passen gut zusammen.«

»Der Narr,« antwortete Wamba, indem er die Ueberbleibsel eines Schweineschinkens emporhielt, »wird Sorge tragen, ein Bollwerk gegen den Schurken zu errichten.«

»Still, da kommt er,« sagte Cedric.

Mit wenig Cermoniel eingeführt, mit Furcht und Zögern und mancher demüthigen Verbeugung vorwärtsschreitend, näherte sich ein großer, hagerer, alter Mann, der durch die Gewohnheit, gebückt zu gehen, viel von seiner wirklichen Höhe verloren hatte, dem untern Ende des Tisches. Seine Züge, scharf und regelmäßig, mit einer Adlernase und durchdringenden dunklen Augen, seine hohe und gefurchte Stirn, sowie sein langes graues Haar und Bart, hätten für schön gelten können, wären sie nicht die Zeichen einer seinem Stamme eigenthümlichen Physiognomie gewesen, welcher in jenen finstern Zeiten von dem leichtgläubigen und vorurtheilsvollen Volke ebenso verabscheut, als von dem habsüchtigen Adel verfolgt wurde, und der, vielleicht in Folge eben jenes Hasses und jener Verfolgung, einen Nationalcharakter angenommen hatte, worin wenigstens viel Gemeines und Abstoßendes lag.

Des Juden Kleidung, die sehr von dem Wetter gelitten hatte, bestand in einem einfachen röthlichen Mantel mit vielen Falten, worunter er eine Tunica von dunkler Purpurfarbe trug. Er hatte große mit Pelz besetzte Stiefel an und einen Gürtel um den Leib, worin ein kleines Messer steckte, nebst einer Kapsel mit Schreibmaterialien, aber keine Waffe. Er trug eine hohe, viereckige, gelbe Mütze von eigenthümlicher Form, die seine Nation tragen mußte, um sie von den Christen zu unterscheiden, und welche er mit tiefer Demuth an der Thüre der Halle abnahm.

Der Empfang dieser Person in der Halle Cedric's des Sachsen war von der Art, daß sie auch den ärgsten Feind des Stammes Israel hätte befriedigen müssen. Cedric selber nickte kalt als Erwiederung auf die wiederholten tiefen Verbeugungen des Juden, und deutete ihm an, sich an das untere Ende des Tisches zu setzen, wo sich aber Niemand erbot, ihm Platz zu machen. Im Gegentheil, als er an der Reihe vorüberging und jedem von denen einen furchtsam bittenden Blick zuwarf, die am untern Ende des Tisches saßen, machten die angelsächsischen Diener ihre Schultern breit und fuhren fort, ihr Abendessen mit großer Beharrlichkeit zu verschlingen, indem sie den Bedürfnissen des neuen Gastes nicht die geringste Aufmerksamkeit zollten. Die Begleiter des Abts bekreuzten sich mit Blicken frommen Abscheu's, und selbst die heidnischen Saracenen zogen, als Isaac sich ihnen näherte, unwillig ihre Schnurrbärte in die Höhe und legten die Hände an die Dolche, als wären sie bereit, sich durch das verzweifeltste Mittel von der befürchteten Verunreinigung zu befreien, als er ihnen näher kam.

Wahrscheinlich würde derselbe Beweggrund, welcher Cedric veranlaßte, diesem Sohne eines verworfenen Volks seine Halle zu öffnen, ihn auch bestimmt haben, seinen Dienern zu befehlen, Isaac mehr Höflichkeit zu erweisen; doch der Abt hatte ihn in diesem Augenblick in eine höchst interessante Unterredung über die Zucht und den Charakter seiner Lieblingshunde verwickelt, die er auch bei Gegenständen von größerer Wichtigkeit, als daß ein Jude ohne Abendessen zu Bette gehen sollte, nicht würde unterbrochen haben. Während Isaac so ausgestoßen von der gegenwärtigen Gesellschaft dastand, gleich seinem Volke unter den Nationen, und sich vergebens nach einem Willkommen oder Ruheplatz umsah, empfand der Pilger, der am Kamin saß, Mitleid mit ihm, überließ ihm seinen Sitz und sagte kurz: »Alter Mann, meine Kleider sind getrocknet, mein Hunger ist gestillt, Du aber bist naß und hungrig.« Mit diesen Worten schürte er die verglimmenden Feuerbrände an, die auf dem ungeheuren Herde zerstreut lagen, nahm von dem größeren Tische ein Gericht Suppe und gesottenes Ziegenfleisch, stellte es auf den kleineren Tisch, an dem er selber gespeist hatte, und ging, ohne den Dank des Juden abzuwarten, auf die andere Seite der Halle; und es blieb ungewiß, ob er es that, um den nähern Umgang mit dem Gegenstande seines Wohlwollens zu vermeiden, oder aus dem Wunsche, sich dem obern Ende des Tisches zu nähern.

Hätte es in jenen Tagen Maler gegeben, fähig einen solchen Gegenstand auszuführen, so würde der Jude, als er seine abgemagerte Gestalt niederbeugte und seine erstarrten und zitternden Hände über das Feuer ausbreitete, ihnen keine üble Personification des Winters geliefert haben. Als er die Kälte verbannt hatte, wendete er sich begierig zu der dampfenden Schüssel, die vor ihm stand, und aß mit einer Hast und offenbarem Behagen, die auf langes Fasten schließen ließen.

Inzwischen setzten der Abt und Cedric ihre Unterredung über die Jagd fort; die Lady Rowena schien sich mit einer ihrer Dienerinnen zu unterhalten, und der stolze Templer, dessen Augen von dem Juden zu der sächsischen Schönen wanderten, war mit Gedanken beschäftigt, die ihn sehr zu interessiren schienen.

»Es wundert mich, würdiger Cedric,« sagte der Abt im Verlaufe ihrer Unterredung, »daß Ihr, so groß auch Eure Vorliebe für Eure männliche Sprache ist, der normannischen nicht Eure Gunst schenkt, wenigstens hinsichtlich der Jagdausdrücke. Gewiß ist keine Sprache so reich an verschiedenen Benennungen, welche die Jagdbelustigungen fordern, und liefert dem erfahrenen Waidmann die Mittel, sich über seine joviale Kunst so trefflich auszudrücken.«

»Guter Pater Aymer,« sagte der Sachse, »wißt, ich kümmere mich nicht um jene überseeischen Verfeinerungen, ohne die ich mich sehr wohl im Walde belustigen kann. Ich kann mein Horn blasen, ohne es recheate oder morte zu nennen – ich kann meine Hunde zur Jagd ermuthigen, das Thier abziehen und viertheilen, wenn es erlegt ist, ohne das neumodische Kauderwelsch curée, arbor, nombles und all' das Geschwätz des fabelhaften Ritters Tristan anzuwenden.«

»Die französische Sprache,« sagte der Templer, indem er seine Stimme mit dem absprechenden und gebieterischen Tone erhob, den er bei allen Gelegenheiten anwendete, »ist nicht nur die einzig natürliche Sprache der Jagd, sondern auch die der Liebe und des Krieges, in welcher die Damen gewonnen werden sollten, und den Feinden Trotz geboten.«

»Thut mir in einem Becher Wein Bescheid, Herr Templer,« sagte Cedric, »und füllt einen andern für den Abt, während ich einige dreißig Jahre zurückblicke, um Euch eine andere Geschichte zu erzählen. Zu meiner Zeit bedurfte eine gut englische Liebeserklärung keiner Verzierung eines französischen Troubadours, wenn man sie einer Schönen ins Ohr flüsterte; und das Schlachtfeld von Northallerton konnte sagen, ob der sächsische Schlachtruf nicht ebenso weit innerhalb des schottischen Heeres gehört wurde, als das cri de guerre des kühnsten normännischen Barons. Dem Andenken der Tapfern, die dort fochten! – Thut mir Bescheid, meine Gäste!« Er that einen tiefen Zug und fuhr mit noch größerer Wärme fort: »Ja, das war ein Tag des Schildespaltens, als hundert Banner vorwärts geneigt wurden über die Köpfe der Tapfern, und das Blut umherfloß wie Wasser, und man den Tod für besser achtete, als die Flucht. Ein sächsischer Barde nannte diese Schlacht ein Fest der Schwerter – eine Versammlung der Adler zur Beute. Die Lanzen machten Schild und Helm erdröhnen, der Schlachtruf war freudiger, als der Ruf bei einer Hochzeit. Aber unsere Barden sind nicht mehr,« sagte er; »unsere Thaten sind von denen eines andern Geschlechts verdunkelt – unsere Sprache – unser Name selbst – eilen dem Untergange entgegen, und Niemand trauert um sie, als ein alter einsamer Mann. – Mundschenk! Kerl, fülle die Becher. – Den Starken in den Waffen, Herr Templer, möge ihr Stamm und ihre Sprache sein, welche sie wolle, die sie jetzt am besten tragen in Palästina unter den Streitern des Kreuzes!«

»Es ziemt sich nicht für Einen, der dieses Zeichen trägt, darauf zu antworten,« sagte Brian de Bois-Guilbert; »doch wem, außer den geschworenen Paladinen des heiligen Grabes, kann die Palme unter den Streitern des Kreuzes zuerkannt werden?«

»Den Hospitalitern,« sagte der Abt; »ich habe einen Bruder unter jenem Orden.«

»Ich will ihren Ruhm nicht schmälern,« sagte der Templer, »dennoch aber –«

»Ich denke, Freund Cedric,« fiel Wamba ein, »wäre Richard Löwenherz weise genug gewesen, von einem Narren Rath anzunehmen, er wäre mit seinen fröhlichen Engländern zu Hause geblieben und hätte die Wiedereroberung des heiligen Grabes denselben Rittern überlassen, die am meisten zu dem Verluste desselben beigetragen haben.«

»Waren denn unter dem englischen Heere keine,« sagte Lady Rowena, »deren Namen würdig gewesen wären, neben den Rittern des Tempels oder des heiligen Johannes genannt zu werden?«

»Bitte um Verzeihung, Fräulein,« entgegnete de Bois-Guilbert, »der englische Monarch brachte allerdings ein Heer tapferer Krieger nach Palästina, doch sie standen immer noch denen nach, deren Brust stets das feste Bollwerk des heiligen Landes gewesen ist.«

» Keinem standen sie nach,« sagte der Pilger, der nahe genug stand, um Alles zu hören, und schon lange aufmerksam auf die Unterredung gehorcht hatte. Alle wendeten sich nach der Stelle, woher diese unerwartete Behauptung kam. »Ich sage,« wiederholte der Pilger in festem und ernstem Tone, »die englische Ritterschaft stand keiner nach, welche je das Schwert zur Vertheidigung des heiligen Landes gezogen! Ich sage weiter, denn ich weiß es, daß König Richard selbst und fünf seiner Ritter nach Eroberung von St-Jean d'Acre ein Turnier gehalten gegen jeden, der sich mit ihnen messen wollte, ich sage, daß an diesem Tage jeder Ritter drei Gänge machte und drei Gegner niederwarf, und ich setze hinzu, sieben dieser Besiegten waren Tempelritter, und Sir Brian de Bois-Guilbert weiß sehr wohl, daß ich die Wahrheit rede.«

Unmöglich ist es, die Wuth und den Ingrimm zu beschreiben, der das schwarzbraune Gesicht des Templers noch schwärzer machte. Schon zuckten die Finger seiner rechten Hand nach dem Griff des Schwertes; doch bedachte er wohl, daß hier Gewaltthat nicht angebracht sei. Cedric, der vor geheimer Freude über die Erzählung des Pilgers die Bewegungen des Templers nicht bemerkt hatte, und auch nicht gewohnt war, seine Gesinnungen im Geringsten zu verhehlen, sagte zu dem Pilger: »Ich gebe Dir dieses goldne Armband, Pilger, wenn Du mir die Namen der Ritter nennen kannst, die den Ruhm des fröhlichen England so tapfer aufrecht erhalten haben.«

»Sehr gern,« entgegnete der Pilger, »und zwar ohne Belohnung, denn für den Augenblick verbietet mir mein Gelübde, Gold zu berühren.«

»Nun,« sagte Wamba, »da will ich das Armband anstatt Deiner tragen, wenn Du willst, Freund Pilger.«

»Der Erste an Ehre und in den Waffen, an Ruhm und Rang,« sagte der Pilger, »war der tapfere Richard, König von England.«

»Da verzeihe ich ihm seine Abkunft von dem tyrannischen Herzog Wilhelm,« sagte Cedric.

»Der Graf von Leicester war der Zweite,« fuhr der Pilger fort, »Sir Thomas Multon von Gilsland der Dritte.«

» Der wenigstens ist ein Sachse!« sagte Cedric frohlockend.

»Sir Foulk Doilly der Vierte,« fuhr der Pilger fort.

»Auch ein Sachse, wenigstens von mütterlicher Seite,« sagte Cedric wieder, der mit großer Theilnahme zugehört hatte und wenigstens zum Theil seinen Haß gegen die Normannen bei dem allgemeinen Triumph des Königs von England und seiner Insulaner vergaß. »Und wer war der Fünfte?« fragte er.

»Der Fünfte war Sir Edwin Turneham.«

»Ein ächter Sachse, bei der Seele des Hengist!« rief Cedric. – »Und der Sechste?« fuhr er mit Lebhaftigkeit fort – »wie nennt Ihr den Sechsten?«

»Der Sechste,« sagte der Pilger nach einer Pause, während welcher er sich zu besinnen schien, »war ein Ritter von geringerem Ruhm und niedrigerem Rang, der in diese ehrenvolle Gesellschaft aufgenommen wurde, weniger um sie bei ihrem Unternehmen zu unterstützen, als ihre Zahl vollständig zu machen – sein Name ist mir entfallen.«

»Herr Pilger,« sagte Sir Brian de Bois-Guilbert verächtlich, »diese angenommene Vergessenheit, nachdem Ihr Euch an so Vieles erinnert habt, kommt zu spät, um Eurer Absicht zu entsprechen. Ich will selber den Namen des Ritters nennen, vor dessen Lanze ich durch Zufall und den Fehler meines Pferdes fiel – es war der Ritter Ivanhoe; auch war keiner unter den Sechsen, der den Jahren nach größeren Waffenruhm besaß. – Doch dies will ich laut sagen – wäre er in England und wagte bei dem in dieser Woche stattfindenden Turnier die Forderung von St. Jean d'Acre zu wiederholen, ich, beritten und bewaffnet, wie ich jetzt bin, ihm jeden Vortheil der Waffen zugestehen und den Ausgang erwarten würde.«

»Eure Forderung wäre leicht zu beantworten,« versetzte der Pilger, »wenn Euer Gegner nur in Eurer Nähe wäre. Wie die Sache jetzt steht, erfüllt diese friedliche Halle nicht mit Prahlereien wegen des Ausgangs eines Kampfes, der, wie Ihr wohl wißt, nicht stattfinden kann. Wenn Ivanhoe je aus Palästina zurückkehrt, so will ich sein Bürge sein, daß er sich Euch stellt.«

»Ein trefflicher Bürge!« sagte der Tempelritter; »und welches Pfand bietet Ihr?«

»Diese Reliquie,« sagte der Pilger, indem er eine kleine elfenbeinerne Schachtel aus dem Busen zog und sich bekreuzte: »es ist ein Theil des wahren Kreuzes, vom Kloster des Berges Carmel gebracht.«

Der Prior von Jorvaulx bekreuzte sich und sprach ein Vaterunser, in welches Alle andächtig einstimmten, außer dem Juden, den Muhamedanern und dem Templer. Der Letztere, ohne an sein Barett zu rühren, oder die geringste Ehrfurcht vor der angeblichen Heiligkeit der Reliquie zu bezeigen, nahm eine goldene Kette vom Halse, warf sie auf den Tisch und sagte: »Laßt Prior Aymer mein Pfand, und das dieses namenlosen Landstreichers in Empfang nehmen, zum Zeichen, daß, wenn der Ritter Ivanhoe innerhalb der vier Seen von Britannien kommt, er der Forderung Brians de Bois-Guilbert unterliegt, und wenn er derselben nicht entspricht, so will ich ihn an jedem Hofe von Europa für einen Feigling erklären.«

»Es wird nicht nöthig sein,« sagte Lady Rowena, das Schweigen brechend; »meine Stimme soll gehört werden, wenn sich in dieser Halle keine andere für den abwesenden Ivanhoe erbebt. Ich versichere, daß er sich jeder ehrenvollen Forderung bereitwillig stellen wird. Könnte meine schwache Bürgschaft dem unschätzbaren Pfande dieses heiligen Pilgers noch größeres Gewicht verschaffen, so würde ich Namen und Ruf verpfänden, daß Ivanhoe diesem stolzen Ritter sich stellen wird.«

Eine Menge streitender Gefühle schien Cedric's Brust zu erfüllen und machte, daß er während dieser Verhandlung schwieg. Befriedigter Stolz, Zorn, Verlegenheit jagten einander auf seiner breiten und offenen Stirn, gleich den Schatten der Wolken, die über ein Aerntefeld dahinziehen, während seine Diener, auf die der Name des sechsten Ritters eine fast elektrische Wirkung hervorzubringen schien, erwartungsvoll an den Blicken ihres Herrn hingen. Doch als Rowena sprach, schien ihn der Ton ihrer Stimme aus seinem Schweigen zu wecken.

»Lady,« sagte Cedric, »dies ziemt sich nicht; wäre noch ein weiteres Pfand nöthig, so würde ich selber, erzürnt, mit Recht erzürnt, wie ich bin, meine Ehre für Ivanhoe's Ehre verpfänden. Aber die Wette ist vollständig, selbst nach den phantastischen Gebräuchen der normannischen Ritterschaft – ist es nicht so, Pater Aymer?«

»Gewiß,« versetzte der Prior; »und die geheiligte Reliquie und die kostbare Kette will ich sicher in der Schatzkammer unseres Klosters niederlegen bis zur Entscheidung dieser kriegerischen Forderung.«

Hierauf bekreuzte er sich wiederholt und nach vielen Kniebeugungen und gemurmelten Gebeten, übergab er die Reliquie dem Bruder Ambrosius, seinem dienenden Mönche, während er selber die goldene Kette mit weniger Ceremonie, aber vielleicht mit nicht geringerer innerer Zufriedenheit, aufnahm und in eine mit parfümirtem Leder gefütterte Tasche steckte, die sich unter seinem Arm öffnete. »Und nun, Sir Cedric,« sagte er, »meine Ohren läuten die Vesper vermöge der Stärke Eures guten Weines – erlaubt uns noch einen Becher auf das Wohlsein der Lady Rowena zu leeren, und gestattet uns, zur Ruhe zu gehen.«

»Bei dem Kreuze von Bromholme,« sagte der Sachse, »Ihr thut Eurem Rufe wenig Ehre, Herr Prior! Das Gerücht sagt, Ihr seid ein munterer Mönch, der die Mette läuten hört, ehe er die Flasche verläßt; und ich, alt, wie ich bin, fürchtete mich, gegen Euch mit Schande bestehen zu müssen. Aber, meiner Treu, ein Sachsenknabe von zwölf Jahren zu meiner Zeit würde nicht sobald seinen Becher verlassen haben.«

Der Prior hatte indeß seine eigenen Gründe, bei dem Princip der Mäßigkeit zu bleiben, welches er sich vorgenommen hatte. Er war nicht nur ein Friedenstifter von Profession, sondern haßte auch alle Fehden und Zänkereien. Dies geschah nicht ganz aus Liebe zu seinem Nächsten oder zu sich selber, sondern aus einer Mischung von beiden. Bei gegenwärtiger Gelegenheit hegte er eine instinktmäßige Furcht vor dem heftigen Charakter des Sachsen, und sah die Gefahr voraus, daß der anmaßende und rücksichtslose Geist, wovon sein Gefährte schon so manche Proben gegeben, endlich eine unangenehme Explosion hervorbringen möge. Er gab daher bescheiden zu, daß kein anderes Volk sich mit den abgehärteten Sachsen in den edlen Becherkampf einlassen könne, erwähnte auch etwas, aber nur andeutungsweise von seinem heiligen Charakter, und schloß damit, seinen Vorsatz, sich zur Ruhe zu begeben, geltend zu machen.

Demnach wurde der Schlaftrunk herumgereicht, und die Gäste, nach tiefen Verbeugungen gegen ihren Wirth und Lady Rowena, standen auf und zerstreuten sich in der Halle, während die Häupter der Familie sich durch besondere Thüren mit ihren Dienern entfernten.

»Ungläubiger Hund,« sagte der Templer zu dem Juden Isaac, als er in dem Gedränge an ihm vorbeikam, »ist es Deine Absicht, nach dem Turnier zu gehen?«

»Es ist meine Absicht,« erwiederte Isaac mit demüthiger Verbeugung, »mit Ew. Ehrwürden Erlaubniß.«

»Ja,« sagte der Ritter, »um die Eingeweide unserer Edlen mit Wucher zu verzehren, und Weiber und Kinder mit Tand und Spielwerk zu betrügen – ich stehe dafür, daß Du einen reichen Vorrath von Seckeln in Deiner jüdischen Tasche hast.«

»Nicht einen Seckel, nicht einen Silberpfennig, nicht einen halben – so wahr mir der Gott Abrahams helfe!« sagte der Jude, indem er die Hände zusammenschlug; »ich gehe nur, um den Beistand einiger Brüder meines Stammes zu suchen, um mir zu helfen, die Steuer zu zahlen, die das Taxationsgericht der Juden mir aufgelegt hat – Vater Jakob stehe mir bei! Ich bin ein armer Wicht. – Selbst den Rockolor, den ich trage, habe ich mir von Ruben von Tadcaster geborgt.«

Der Tempelherr lächelte mürrisch und erwiederte: »Verdammter, falschherziger Lügner!« Dann ging er weiter, als verachte er ihn zu sehr, um noch weiter mit ihm zu reden, und sprach mit seinem muhamedanischen Sclaven in einer Sprache, welche die Umstehenden nicht verstanden. Der arme Israelit schien von der Anrede des kriegerischen Mönchs so erschüttert, daß der Templer schon bis an das Ende der Halle gegangen war, ehe er seinen Kopf aus der demüthigen Stellung erhob, die er angenommen hatte, und sich der Entfernung desselben bewußt war. Und als er um sich sah, geschah es mit der Miene des Entsetzens, als habe der Blitz zu seinen Füßen eingeschlagen, und als töne der Donner noch in seinen Ohren nach.

Der Templer und der Prior wurden bald darauf von dem Haushofmeister und dem Mundschenk, jeder mit zwei Fackelträgern und zwei Dienern mit Erfrischungen begleitet, in ihre Schlafgemächer geführt, während Diener niedrigeren Ranges ihrem Gefolge und den andern Gästen ihre verschiedenen Ruheplätze anwiesen.



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