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Das tapezierte Zimmer

Diese zweite kleine Erzählung erschien ebenso wie die vorhergehende in dem Taschenbuche von 1828. Dem Verfasser wurde sie vor vielen Jahren von einer jetzt verstorbenen Dame mitgetheilt, welche unter anderen Gaben, durch die sie eine angenehme Bewohnerin eines Landhauses wurde, auch diejenige besaß, Geistergeschichten mit großer Wirkung zu erzählen – eine Wirkung, die bei mündlichem Vortrage übrigens bei weitem bedeutender ist, als man nach dem Style einer schriftlichen Darstellung erwarten sollte. Die meisten Leute sind auch zu gewissen Stunden und in gewissen Stimmungen durchaus nicht abgeneigt, auf solche Dinge zu hören; dem Verfasser ist es vorgekommen, daß die Weisesten und Größesten seiner Zeitgenossen ihren Antheil an dem Vergnügen hatten, welches Geistergeschichten gewähren.


Folgende Erzählung ist, soweit es dem Gedächtniß des Verfassers möglich war, in demselben Charakter hier schriftlich mitgetheilt, wie sie ihm mündlich berichtet wurde, auch hat er keine Ansprüche auf weiteres Lob oder auf größeren Tadel als im Verhältniß zu dem guten oder schlechten Urtheil, womit er das Material wählte, denn er hat jeden Versuch zur Ausschmückung sorgfältig vermieden, welche der einfachen Erzählung Eintrag thun könnte. Zugleich ist aber zu wiederholen, daß die besondere Klasse von Erzählungen, deren Stoff das Wunderbare betrifft, bei mündlicher Rede größeren Eindruck als gedruckt macht. Ein bei hellem Mittage gelesenes Buch bringt einen bei weitem schwächeren Eindruck hervor, obgleich dieselben Vorfälle darin berichtet sind, als wenn die Stimme des Sprechers von Zuhörern am Kamin vernommen wird, welche auf die Erzählung horchen, während der Berichterstatter die Einzelheiten angibt, womit die Wahrheit verbürgt wird, und während seine Stimme geheimnißvoll sich senkt, sobald er dem furchtbaren und wunderbaren Theile näher kommt. Mit solchen Vortheilen vernahm der Verfasser die Erzählung der folgenden Ereignisse vor mehr wie zwanzig Jahren durch die berühmte Miß Seward von Litchfield, welche neben ihren zahlreichen höheren Gaben auch in bemerkenswerthem Grade das Vermögen besaß, in Privat-Gesellschaften anziehende Geschichten zu erzählen. In der gegenwärtigen Form muß die Geschichte nothwendig all das Interesse verlieren, welches ihr die biegsame Stimme und die auf höhere Geistesgaben deutenden Züge der Erzählerin ertheilten. Sie mag jedoch noch immer ihren Charakter als gute Geistergeschichte behaupten, wenn sie gläubigen Zuhörern beim schwachen Lichte gegen Mitternacht vorgelesen wird, oder wenn ein einzelner Leser beim Lichtschein einer beinahe abgebrannten Kerze und in der Einsamkeit eines halb erleuchteten Zimmers sie zur Hand nimmt. Miß Seward behauptete, sie habe die Geschichte von authentischer Quelle, verschwieg aber die Namen der dabei betheiligten zwei Hauptpersonen. Ich will hier nicht die Einzelheiten angeben, die ich vielleicht über die Oertlichkeiten später eingesammelt habe, sondern will dieselben in der allgemeinen Beschreibung nur andeuten, worin sie mir zuerst berichtet wurden; aus demselben Grunde will ich nicht irgend einen mehr oder wenig wesentlichen Umstand hinzufügen oder weglassen, sondern nur eine Geschichte von übernatürlichen Schrecken so einfach wieder erzählen, wie ich sie gehört habe.

Gegen das Ende des amerikanischen Unabhängigkeits-Kriegs, als die Offiziere vom Heere des Lord Cornwallis, welche sich bei Yorktown und bei andern Gelegenheiten ergeben hatten, aus ihrer Kriegsgefangenschaft während dieses unklug begonnenen und unglücklich geführten Bürgerkrieges nach ihrem Vaterlande heimkehrten, um von ihren Abenteuern zu erzählen, und von ihren Strapazen auszuruhen, befand sich unter denselben ein General, welchem Miß S. den Namen Browne beilegte, jedoch nur, wie ich glaube, um der Unbequemlichkeit einer namenlosen Hauptperson in der Geschichte zu entgehen. Er war ein Offizier von Verdienst, ebenso wie ein Mann von Ansehen wegen seiner Familie und seiner persönlichen Gaben.

Irgend ein Geschäft hatte den General Browne auf einer Reise nach den westlichen Grafschaften Englands geführt, wo er am Schluß seiner Morgenstation sich in der Nähe eines kleinen Landstädtchens und in einer Gegend befand, welche eine ungemein schöne Ansicht von eigenthümlichem englischem Charakter darbot. Die kleine Stadt mit einer stattlichen alten Kirche, deren Thurm die Andacht einer längst entschwundenen Zeit bezeugte, lag unter Weiden und Kornfeldern von kleiner Ausdehnung, welche von Hecken bedeutenden Alters und beträchtlicher Größe umschlossen waren. Es fanden sich wenig Zeichen neuerer Verbesserungen; die Umgebungen des Ortes zeugten weder von der Einsamkeit des Verfalls noch von dem Lärmen neuer Unternehmungen; die Häuser waren alt aber in gutem Zustande, ein schöner kleiner Fluß rauschte ungehemmt auf seinem Wege an der linken Seite der Stadt und war weder durch Dämme in seinem Laufe aufgehalten, noch mit einem Leinpfad am Ufer begränzt.

Auf einer sanften Anhöhe ungefähr eine Meile südlich von der Stadt erblickte man unter manchen einzelstehenden ehrwürdigen Eichen und dichterem Waldwuchs die Thürme eines Schlosses aus der Zeit der Kriege von York und Lancaster, welches jedoch wichtige Veränderungen während der Zeit der Elisabeth und Jakobs I. erhalten zu haben schien. Es war kein Bau von beträchtlicher Größe; alle Behaglichkeiten die es früher gewährt hatte, ließen sich aber noch immer in seinem Inneren erwarten; dieß war wenigstens der Schluß des General Browne, als derselbe bemerkte, wie sich der Rauch lustig aus einigen der alten gewundenen und mit Steinhauerei verzierten Schornsteine erhob. Die Parkmauer zog sich 2 bis 300 Ellen an der Landstraße hin; nach den verschiedenen Ansichten, die das Auge in die Waldgegend nehmen konnte, schien dieselbe gut mit Holzwuchs versehen. Andere Aussichten folgten auf einander, worunter bald diejenige der Vorderseite des alten Schlosses, bald auch die der einzelnen Thürme von der Seite her; die erstere war reich an allem alten Schmuck des Baustyles aus der Zeit Elisabeths, während die einfache und feste Stärke anderer Theile des Gebäudes anzudeuten schien, dasselbe sei mehr der Vertheidigung als des Prunkes wegen erbaut worden.

Unser militärischer Reisender, entzückt über die theilweisen Ansichten des Schlosses, die ihm durch die Baumgruppen und Wiesen geboten wurden, welche die alte Feudalfestung umringten, beschloß sich zu erkundigen, ob sie nicht eine nähere Ansicht verdiene, und ob sie Familiengemälde oder andere merkwürdige Dinge enthalte, durch welche der Besuch eines Fremden gerechtfertigt würde. Als er die Nähe des Parkes verlassen hatte, rollte sein Wagen durch eine reinliche und gut gepflasterte Straße und hielt an der Thüre eines stark besuchten Gasthofes.

Bevor General Browne seine Reise fortsetzte, erkundigte er sich nach dem Eigenthümer des Schlosses, welches seine Bewunderung erregt hatte; auch war er sehr angenehm überrascht, als er den Namen eines Edelmanns vernahm, welchen wir Lord Woodville nennen wollen. »Wie glücklich! viele Jugenderinnerungen Browne's, sowohl auf der Schule wie auf der Universität, waren mit dem jungen Woodville verknüpft, hinsichtlich dessen er nach wenigen Fragen die Gewißheit erhielt, es sei derselbe, welcher jetzt dieß schöne Landgut besitze. Vor wenigen Monaten war er durch den Tod seines Vaters zur Paine erhoben worden; wie der General vom Wirt- erfuhr, nahm der junge Lord jetzt nach Beendigung der Trauerzeit in der hintern Jahrzeit des fröhlichen Herbstes Besitz von seinem Familiengute, wobei ihn eine ausgewählte Gesellschaft von Freunden begleitete, um die Jagd in einer durch Wild berühmten Gegend zu genießen.

Dies war für unsern Reisenden eine entzückende Nachricht. Frank Woodville war Richard Browne's untergeordneter und jüngerer Stubenkamerad auf der Schule von Eton und dann sein genauer Freund auf der Universität gewesen; ihre Vergnügungen und ihre Arbeiten waren dieselben; das ehrliche Soldaten-Herz schlug höher vor Vergnügen, als er vernahm, daß sein Jugendfreund einen so schönen Landsitz und ein Gut besitze, welches, wie der Wirth ihm die Versicherung mit einem Kopfnicken und einem Blinzeln der Augen gab, vollkommen genügte, um seine Standeswürde zu erhalten und zu steigern. Nichts war natürlicher, als daß der General eine Reise unterbrach, die er nicht eilig zurückzulegen brauchte, um seinem alten Freunde bei so angenehmen Umständen einen Besuch abzustatten.

Die frischen Pferde hatten deßhalb nur die geringe Aufgabe, den Reisewagen des Generals nach Woodville-Castle zu ziehen. Ein Parkhüter empfing sie vor einem kleinen, im neueren gothischen Baustyl errichteten Hause, und zog zugleich eine Glocke, um die Annäherung eines neuen Besuches anzukündigen. Der Schall der Glocke verhinderte offenbar die Trennung der Gesellschaft, die ihre verschiedenen Morgen-Vergnügungen im Sinne hatte; als nämlich der Wagen in den Schloßhof einfuhr, streiften mehrere junge Leute in ihren Jagdkleidern umher und besahen sich kritisierend die Hunde, welche die Jagdhüter in Bereitschaft für den Zeitvertreib der Herren hielten. Als General Browne aus dem Wagen stieg, kam der junge Lord zum Thor der Halle und blickte einen Augenblick lang auf das Antlitz seines Freundes, als dasjenige eines Fremden, denn Krieg, Strapazen und Wunden hatten auf demselben große Veränderungen hervorgebracht. Die Ungewißheit dauerte indeß nicht länger, als bis der Besucher gesprochen hatte, und der herzliche darauf folgende Gruß war von solcher Art, wie er nur zwischen Leuten gewechselt werden kann, welche die fröhlichen Tage der sorglosen Kindheit oder der ersten Jugend mit einander verbracht haben.

»Hätte ich, theurer Browne, nur einen Wunsch hegen können,« sagte Lord Woodville, »so wäre es derjenige gewesen, Euch unter allen Menschen bei dieser Gelegenheit hier zu haben, welche meine Freunde gütigst als eine Art Festtag feiern. Glaubt nicht, daß wir Euch aus den Augen verloren, so lange Ihr abwesend von uns wäret. Ich bin Euch durch Eure Gefahren, durch Eure Siege und Unglücksfälle stets gefolgt und wurde darüber entzückt, daß der Name meines alten Freundes sowohl bei Erfolgen als Niederlagen stets mit Lob erwähnt wurde.«

Der General gab eine passende Antwort und wünschte seinem Freunde Glück zu seiner neuen Würde und dem Besitz eines so schönen Landgutes.

»Ihr habt jetzt noch nichts gesehen,« erwiederte der Lord, »und ich hoffe, ihr werdet mich nicht eher verlassen, als bis Ihr besser mit meinem Gute bekannt seid. Allerdings ist meine gegenwärtige Gesellschaft ziemlich groß und das alte Haus enthält, wie andere Orte dieser Art, nicht so große, zu bequemen Wohnungen eingerichtete Räume, wie die äußeren Mauern anzudeuten scheinen. Wir können Euch aber ein bequem eingerichtetes altmodisches Zimmer übergeben, und ich glaube, daß Eure Feldzüge Euch gelehrt haben, sogar mit schlimmeren Quartieren zufrieden zu sein.«

Der General zuckte lachend die Achseln. »Wie ich glaube,« sagte er, »ist das alte Zimmer um ein beträchtliches dem alten Tabaksfaß überlegen, worin ich froh war, mein Nachtquartier aufschlagen zu können, als ich mich mit den leichten Truppen im Busche befand, wie die Virginier zu sagen pflegen. Dort lag ich, wie Diogenes selbst mit einer Bedeckung gegen die Elemente so zufrieden, daß ich einen vergeblichen Versuch machte, um das Faß bis zum nächsten Quartiere mir nachrollen zu lassen, allein mein damaliger Befehlshaber wollte mir eine solche Vorkehrung zur Ueppigkeit nicht gestatten, und ich mußte mit Thränen in den Augen von meinem geliebten Fasse Abschied nehmen.«

»Wohlan denn,« sagte Lord Woodville, »da Ihr Euch vor Eurem Quartier nicht fürchtet, so werdet ihr wenigstens eine Woche bei uns bleiben. Jagdgewehre, Hunde, Angelruthen, künstliche Insekten zum Fischfängen und andere Mittel zum Jagdvergnügen zur See und zu Lande haben wir hier genug und im Ueberfluß; wenn Euch die Lust nach irgend einem Vergnügen anwandelt, so finden sich hier die Mittel, demselben nachzugehen. Im Fall Ihr die Jagdflinte und die Hunde vorzieht, so will ich selbst mit Euch ausgehen und nachsehen, ob Ihr im Schießen Fortschritte gemacht habt, seitdem Ihr Euch unter den Indianern am äußersten Rande der Ansiedlung befunden habt.«

Der General nahm mit Vergnügen den Vorschlag seines freundschaftlichen Wirthes in allen Punkten an. Nach einem Morgen männlicher Körperübung traf sich die Gesellschaft beim Mittagessen, wo Lord Woodville sich ein Vergnügen daraus machte, seinem wieder aufgefundenen Freunde Gelegenheit zur Darlegung seiner Vorzüge zu bieten, damit er sich so seinen Gästen, meist Personen von Auszeichnung, empfehlen könne. Er veranlaßte den General Browne von Ereignissen zu reden, deren Augenzeuge er gewesen war; da jedes Wort zugleich den tapferen Offizier sowie den verständigen Mann bezeugte, welcher sein kaltes Urtheil bei den drohendsten Gefahren beibehielt, betrachtete die Gesellschaft den Soldaten mit allgemeiner Achtung, als einen Mann, der sich als der Besitzer eines ungewöhnlichen Antheils von Muth erwiesen hatte – jener Eigenschaft, hinsichtlich deren Jedermann wünscht, daß man einen Theil davon bei ihm voraussetzte.

Der Tag in Woodville-Castle endete, wie es auf solchen Landgütern gewöhnlich ist. Die Gastfreundschaft hielt sich in den Grenzen guter Ordnung; Musik, worin der junge Lord sich selbst auszeichnete, folgte auf das Herumgeben der Weinflasche; Karten und Billard standen bereit für Diejenigen, welche solche Vergnügungen vorzogen; die Körperbewegung am Morgen erheischte jedoch einen frühen Schlaf, und bald nach 11 Uhr entfernten sich die Gäste in ihre Gemächer.

Der junge Lord selbst führte seinen Freund in das für ihn bestimmte Gemach, welches der davon gegebenen Beschreibung entsprach, indem es bequem aber altmodisch eingerichtet war. Das Bett hatte die massive Form, welche am Ende des 17. Jahrhunderts gewöhnlich war; die Vorhänge waren von vergilbter Seide und reichlich mit verblichenem Golde gestickt; allein die Bettdecken, Kissen und Ueberzüge schienen dem Soldaten entzückend, wenn er an sein Quartier im Tabaksfasse dachte; ein etwas düsteres Aussehen war durch die Tapeten erzeugt, die mit ihren abgenutzten Zierden die Wände des kleinen Gemaches bedeckten und sich sanft bewegten, als der Herbstwind seinen Weg durch das alte Gitterfenster fand, welches beim Eintritt der Luft klapperte und pfiff.

Auch der Putztisch und der Spiegel, welcher letztere nach der Mode im Anfang des Jahrhunderts, mit einem turbanähnlichen Aufsatz von dunkelrother Seide geschmückt war, während eine Menge sonderbar geformter Kästchen auf ersterem standen, die für längst veraltete Vorrichtungen der Toilette bestimmt waren, boten ein alterthümliches und somit düsteres Aussehen; Nichts konnte aber glänzender und heiterer strahlen, als zwei große Wachskerzen; oder wenn etwas mit denselben zu wetteifern vermochte, so geschah dieß von dem hell brennenden Holze im Kamin, welches Lichtschein und Wärme in der kleinen Kammer verbreitete. Letztere entbehrte ungeachtet des größeren Alterthums ihrer Einrichtung nicht die geringste Bequemlichkeit, welche nothwendig oder wünschenswert durch die Gewohnheit neuerer Zeiten werden konnte.

»Dieß ist ein altmodisches Schlafgemach, General,« sagte der junge Lord, »ich hoffe jedoch, Ihr werdet nichts daran finden, weßhalb Ihr Euer altes Tabaksfaß vermissen solltet.«

»Hinsichtlich meiner Wohnung bin ich nicht sehr wählerisch,« erwiderte der General; »müßte ich aber eine Wahl treffen, so würde ich dieß Zimmer den freundlicheren und modischer eingerichteten Gemächern Eures Familienschlosses vorziehen. Glaubt mir, daß ich, wenn ich sein modisches Aussehen und seine Bequemlichkeit mit seinem ehrwürdigen Alterthum vergleiche und bedenke, daß es das Eigenthum Eurer Lordschaft ist, an diesem Quartier größeres Wohlgefallen haben werde, als an dem besten Hotel, welches London aufzuweisen vermag.«

»Ich hoffe – ich zweifle nicht, daß Ihr Euch hier so behaglich finden werdet, wie ich es wünsche, mein theurer General,« sagte der junge Edelmann; und nachdem er seinem Gaste noch einmal gute Nacht gewünscht hatte, drückte er ihm die Hand und ging fort. Der General sah sich noch einmal um, wünschte sich innerlich Glück über seine Rückkehr in's friedliche Leben, dessen Behaglichkeit durch die Erinnerung der von ihm ausgestandenen Strapatzen und Gefahren, ihm um so theurer wurde, entkleidete sich und traf Vorbereitungen zu einer üppigen Nachtruhe.

Hier wollen wir, der Gewohnheit dieser Art Erzählung entgegen, den General bis zum nächsten Morgen im Besitze seines Zimmers lassen.

Die Gesellschaft versammelte sich am nächsten Morgen sehr zeitig zum Frühstück, ohne daß jedoch General Browne sich einstellte, welcher derjenige Gast zu sein schien, den Lord Woodville vor der übrigen, durch seine Gastfreundschaft versammelten Gesellschaft, zu ehren suchte. Er sprach mehrere Male sein Erstaunen über die Abwesenheit des Generals aus, und schickte zuletzt einen Diener ab, um sich nach demselben zu erkundigen. Der Mann brachte die Nachricht zurück, daß der General schon in früher Morgenstunde einen Spaziergang ungeachtet des Wetters gemacht habe, welches nebelhaft und unangenehm war.

»Die Gewohnheit eines Soldaten,« sagte der junge Edelmann zu seinen Freunden. »Vielen wird die Wachsamkeit so zur Gewohnheit, daß sie nach der frühen Stunde nicht mehr schlafen können, worin ihr Dienst ihnen wach zu sein befiehlt.«

Die Erklärung jedoch, welche Woodville seinen Gästen gab, schien seiner eigenen Seele kaum genügend, und er erwartete die Rückkehr des Generals unter Schweigen und Zerstreuung. Derselbe trat eine Stunde nach dem Läuten der Frühstücksglocke ein. Er sah ermüdet und fieberhaft aus. Sein Haar, dessen Puderung und Anordnung damals eine der wichtigsten Beschäftigungen eines Mannes war, und seinen Stand in der modischen Gesellschaft ebenso anzeigte, wie jetzt das Anlegen einer Kravatte oder der Mangel derselben, war zerzaust, ungelockt, ohne Puder und feucht von Thau. Seine Kleider waren mit nachlässiger Sorglosigkeit eilig angelegt, so daß dieser Umstand bei einem Militär auffallend sein mußte, dessen wirkliche oder angebliche Dienstpflichten gewöhnlich auch einige Aufmerksamkeit auf die Toilette in sich begreifen; seine Blicke waren starr und verstört in eigenthümlichem Grade.

»Ihr habt uns heute Morgen einen Marsch abgewonnen, theurer General, »sagte Lord Woodville, »oder Ihr habt Euer Bett nicht so behaglich gefunden, wie Ihr es zu erwarten schient. Wie habt Ihr die Nacht geschlafen?«

»O, ausgezeichnet gut, ausgezeichnet gut! Niemals besser in meinem Leben!« gab General Browne schnell zur Antwort, wobei er jedoch in seinen Zügen eine Verlegenheit zeigte, die seinem Freunde auffallend war; alsdann trank er hastig eine Tasse Thee, ließ aber alles Andere, was ihm angeboten wurde, unbeachtet, und schien in einen Anfall von Zerstreuung zu versinken.

»Ihr werdet heute ein Jagdgewehr in die Hand nehmen, General,« sagte sein Freund und Wirth, mußte aber die Worte zweimal wiederholen, bevor er die abgebrochene Antwort erhielt: »Nein, Mylord, es thut mir leid, daß ich nicht die Ehre haben kann, noch einen Tag mit Eurer Lordschaft zuzubringen; meine Postpferde sind bestellt und werden sogleich hier sein.«

Alle Anwesenden zeigten sich überrascht, und Lord Woodville erwiderte sogleich: »Postpferde, mein guter Freund! Was könnt Ihr damit wollen, da Ihr mir doch versprochen hattet, wenigstens eine Woche ruhig bei mir zuzubringen?«

»Ich glaube,« sagte der General mit offenbarer Verlegenheit, »daß ich im ersten Vergnügen, Eure Lordschaft wieder zu sehen, etwas über einen Aufenthalt einiger Tage gesagt habe. Seitdem aber habe ich gefunden, daß dieß unmöglich ist.«

»Das ist sehr außerordentlich,« erwiderte der junge Edelmann. »Ihr schient gestern von allen Geschäften befreit zu sein und könnt beute unmöglich eine neue Aufforderung erhalten haben. Briefe an Euch können nicht angekommen sein, weil unsere Post aus der Stadt noch nicht eingetroffen ist.«

General Browne gab keine weitere Erklärung, sondern murmelte etwas von dringenden Geschäften, und bestand auf seinem Willen, daß er durchaus abreisen müsse, in einer Weise, welche allen Widerstand von Seiten seines Wirthes zum Schweigen brachte. Dieser sah, daß sein Entschluß gefaßt sei, und vermied weitere Zudringlichkeit.

»Erlaubt mir wenigstens,« sagte er, »mein theurer Browne, da Ihr gehen wollt oder müßt, Euch die Aussicht von der Terrasse zu zeigen, welche der jetzt sich erhebende Nebel bald zu genießen erlauben wird.«

Er öffnete ein Schiebfenster bei den Worten und ging die Terrasse hinab. Der General folgte ihm mechanisch, schien aber wenig auf die Worte seines Wirthes zu achten, als derselbe auf eine prächtige und reiche Aussicht hinblickend, ihm die verschiedenen der Beobachtung würdigen Gegenstände zeigte. So gingen sie weiter, bis Lord Woodville seinen Zweck erreicht hatte, um seinen Gast von der übrigen Gesellschaft gänzlich zu trennen; alsdann wandte er sich zu ihm hin, und redete ihn mit dem Ausdruck großer Feierlichkeit also an:

»Richard Browne, mein alter und theurer Freund, wir sind jetzt allein, ich beschwöre Euch bei dem Worte eines Freundes und der Ehre eines Soldaten, meine Frage zu beantworten. Wie habt Ihr letzte Nacht geschlafen?«

»Höchst elend, Mylord,« erwiderte der General in demselben feierlichen Tone – »so elend, daß ich mich nicht dem Wagniß einer solchen zweiten Nacht aussetzen mögte, würden mir auch dafür alle zu diesem Schlosse gehörigen Ländereien, sogar das ganze Land angeboten, welches ich von diesem hochliegenden Punkt aus erblicke.«

»Das ist sehr außerordentlich,« äußerte der junge Lord, als rede er mit sich selbst, »es muß also doch etwas Wahres an den Berichten sein, die man über das Zimmer gibt.« Dann sagte er zum General gewandt: »Mein theurer Freund, seid um Gottes willen aufrichtig gegen mich, und sagt mir alle unangenehmen Einzelnheiten, deren ihr unter einem Dache ausgesetzt wurdet, wo Ihr nach dem Willen des Eigenthümers nichts Anderes als Behaglichkeit hättet finden sollen.«

Der General schien bei dieser Aufforderung unter peinlichen Gefühlen zu leiden, und schwieg einen Augenblick, bevor er antwortete. »Mein theurer Lord,« sagte er endlich, »dasjenige, was mir letzte Nacht begegnete, ist so eigenthümlicher und unangenehmer Art, daß ich kaum es über mich dringen würde, Eurer Lordschaft die Einzelnheiten anzugeben, glaubte ich nicht, abgesehen von dem Wunsche, Eure Bitte zu erfüllen, daß Aufrichtigkeit von meiner Seite eine Erklärung über einen Umstand herbeiführen kann, der mir ebenso peinlich wie geheimnißvoll ist. Würde ich Anderen die Mittheilung machen, so könnte ich denselben als ein schwachsinniger, abergläubischer Thor erscheinen, welcher sich durch seine Einbildungskraft bethören und schrecken läßt; Ihr aber habt mich in meiner Kindheit und Jugend gekannt, und werdet nicht beargwöhnen, daß ich als Mann Gefühle und Schwächen angenommen habe, von denen meine Jugend frei war.« Hier machte er eine Pause und sein Freund nahm das Wort.

»Bezweifelt nicht mein vollkommenes Vertrauen hinsichtlich der Wahrheit Eurer Mittheilungen, so sonderbar dieselben auch sein mögen,« erwiderte Lord Woodville; »ich kenne Euren festen Charakter zu wohl, um den Verdacht zu hegen, daß Ihr einem Betrüge ausgesetzt werden könnt; ich weiß ferner, daß Eure Ehre und Freundschaft Euch gleicher Weise an der Uebertreibung dessen, was Ihr erfahren habt, verhindern wird.«

»Wohlan denn,« sagte der General, »ich will so gut wie möglich mit meiner Geschichte fortfahren, indem ich auf Eure Aufrichtigkeit vertraue; aber dennoch das bestimmte Gefühl hege, daß ich lieber eine Batterie stürmen, als die verhaßten Erinnerungen der letzten Nacht mir in's Gedächtniß zurückrufen mögte.«

Er hielt wiederum an. Als er sah, daß Lord Woodville Schweigen beobachtete, und eine Stellung der Aufmerksamkeit angenommen hatte, begann er, wenn auch mit offenbarem Widerwillen, die Geschichte der nächtlichen Abenteuer im tapezierten Zimmer.

»Sobald mich Eure Lordschaft gestern Abend verlassen hatte, legte ich meine Kleider ab und ging zu Bette; das Holz jedoch im Kamine, welches meinem Bette beinahe gegenüber lag, brannte mit heller und heiterer Flamme; mir fielen hundert aufregende Erinnerungen der Kindheit und Jugend ein, die mir durch das unerwartete Vergnügen, Eurer Lordschaft zu begegnen, in's Gedächtniß zurückgerufen wurden; dieß Alles verhinderte, daß ich sogleich einschlief. Ich muß noch hinzufügen, daß alle meine Gedanken von gefälliger und angenehmer Art waren, da sie auf dem Gefühle beruhten, die Mühen und Gefahren meines Berufes auf einige Zeit mit den Genüssen des friedlichen Lebens und freundschaftlicher so wie liebevoller Verbindungen vertauscht zu haben, die durch das Gebot in den Krieg zu ziehen, für mich abgebrochen worden waren.

»Während so angenehme Gedanken über meine Seele kamen, und mich allmälig in Schlaf lullten, ward ich plötzlich durch einen Schall gestört, welcher dem Rauschen eines seidenen Kleides und einem Fußtritt von Schuhen mit hohen Absätzen glich, als gehe eine Frau in dem Zimmer umher. Ehe ich den Vorhang wegziehen konnte, um nachzusehen, was die Sache war, ging die Gestalt einer kleinen Frau zwischen dem Bett und dem Feuer vorüber. Der Rücken der Gestalt war mir zugekehrt, und ich konnte nach den Schultern und dem Hals bemerken, es sei eine alte Frau, deren Kleidung eine altmodische derjenigen Art war, welche die Damen, wie ich glaube, einen Sacque nennen, d. h. einen locker um den Leib hängenden Weiberrock, mit breiten Falten am Halse und an den Schultern, die bis nach unten reichen und mit einer Art Schleppe enden.

»Ich hielt die Erscheinung für sonderbar genug, hegte aber keinen Augenblick einen andern Gedanken, als daß die von mir erblickte Gestalt eine alte Frau des Hauses sei, welche den Einfall habe, sich wie ihre Großmutter zu kleiden; da Eure Lordschaft erwähnte, der Raum für Aufnahme von Gästen sei etwas beschränkt, so glaubte ich, die alte Frau habe ihr Zimmer mir einräumen müssen, sich des Umstandes nicht erinnert, und sei zu ihrem Gemache zurückgekehrt. Da ich diese Ueberzeugung hatte, bewegte ich mich im Bette und hustete ein wenig, um den ungebetenen Gast darauf aufmerksam zu machen, daß ich mich jetzt im Besitz des Zimmers befinde. Sie drehte sich dann langsam um, aber gnädiger Himmel! Mylord, welch ein Antlitz zeigte sich mir! Es herrschte kein längerer Zweifel, wer die Gestalt war, und ich konnte jetzt nicht länger irgend einen Gedanken hegen, daß sie ein lebendiges Wesen sei. Auf einem Antlitz mit den Zügen einer Leiche, fand sich der Ausdruck der niedrigsten und abscheulichsten Leidenschaften, welche sie im Leben erfüllt hatten. Der Leib eines scheußlichen Verbrechers schien dem Grabe entsendet und die Seele von der Hölle aufgegeben zu sein, damit sie auf einige Zeit sich dem alten Mitschuldigen ihrer Verbrechen anschließe. Ich fuhr im Bette empor und saß aufrecht, indem ich mich auf die Hände stützte, während ich auf das furchtbare Gespenst blickte. Die Hexe that, wie es schien, einen einzigen und schnellen Schritt zu dem Bette, wo ich lag, und kauerte genau in derselben Stellung darauf nieder, die ich im äußersten Schauder angenommen hatte, indem sie ihr teuflisches Antlitz auf eine halbe Elle dem meinigen mit einem Grinsen näherte, welches die Bosheit und den Hohn eines eingefleischten Teufels anzudeuten schien.«

Hier schwieg General Brown einige Augenblicke und wischte sich von der Stirne die kalten Schweißtropfen, womit die Erinnerung an sein Gesicht dieselbe bedeckt hatte.

»Mylord,« sagte er, »ich bin kein Feigling. Ich habe alle Todesgefahren bestanden, die aus meinem Stande sich ergeben, und ich darf mich in Wahrheit rühmen, daß Niemand jemals Richard Browne den von ihm getragenen Degen entehren sah; in diesen furchtbaren Umständen aber unter den Augen, und wie es schien beinahe unter den Klauen eines zu Fleisch gewordenen bösen Geistes, verließ mich alle Festigkeit; alle Mannheit schmolz von mir hinweg, wie Wachs im Ofen, und ich empfand, wie jedes Haar sich mir emporsträubte. Der Strom meines Blutes ward unterbrochen und ich sank in Ohnmacht, als das Opfer eines panischen Schreckens, wie ein Bauernmädchen oder ein zehnjähriges Kind. Wie lange ich in dem Zustande lag, kann ich nicht wissen.

»Ich wurde jedoch durch die Schloßuhr erweckt, als dieselbe eins schlug; der Schall war so laut, daß es mir schien, die Glocke schlage im Zimmer selbst. Einige Zeit verging, bis ich meine Augen zu eröffnen wagte, damit ich nicht wieder das furchtbare Schauspiel erblicke; als ich jedoch Muth faßte, um aufzublicken, war das Gespenst verschwunden. Mein erster Gedanke ging dahin, die Schelle zu ziehen, die Bedienten zu wecken und mich in eine Dachstube oder einen Heuschober zu begeben, um mich gegen eine zweite Erscheinung zu sichern. Doch die Wahrheit zu gestehen, änderte ich meinen Entschluß, nicht aus Scham mich blos zu stellen, sondern aus Furcht, daß ich beim Hingehen zu der Schelle, deren Schnur am Kamin hing, der teuflischen Hexe wieder begegnen könnte, welche, wie ich mir einbildete, in irgend einem Winkel des Gemaches noch lauern könnte.

»Ich will nicht beschreiben, welche heiße und kalte Fieberanfälle mich die übrige Nacht hindurch bei unterbrochenem Schlafe, qualvollem Wachen und jenem zweifelhaften Zustand peinigten, welcher den neutralen Boden zwischen beiden bildet. Hundert furchtbare Gegenstände schienen mich zu ängstigen; der Unterschied war aber nicht groß zwischen dem von mir beschriebenen Gesicht und den später folgenden, so daß ich nicht weiß, ob die Letzteren Täuschungen meiner Phantasie und überreizter Nerven waren.

»Endlich erschien der Tag und ich erhob mich von meinem Bette bei schlechter Gesundheit und in' gedrückter Seelenstimmung. Ich schämte mich meiner als Mann und Soldat, und noch mehr darüber, daß ich ein äußerstes Verlangen empfand, dem von der Erscheinung heimgesuchten Gemache zu entfliehen. Letzteres Bestreben überwand jedoch alle andern Rücksichten, so daß ich mich mit der sorglosesten Hast ankleidete, und aus dem Schlosse Eurer Lordschaft eilte, um in der frischen Luft einige Stärkung meiner Nerven zu suchen, welche durch diese furchtbare Begegnung mit einer Erscheinung der andern Welt, wofür ich dieselbe halten muß, erschüttert waren. Eure Lordschaft hat jetzt die Ursache meiner verstörten Stimmung und meines plötzlichen Wunsches vernommen, Euer gastfreundliches Schloß zu verlassen. An andern Orten werden wir, wie ich hoffe, einander oft begegnen, indeß Gott bewahre mich, daß ich jemals noch eine Nacht unter diesem Dache zubringe!«

So sonderbar des Generals Erzählung auch lautete, so sprach er mit einem so tiefen Ausdruck der Ueberzeugung, daß damit alle gewöhnlichen Erklärungen abgeschnitten wurden, die man über solche Geschichten sonst zu machen pflegt. Lord Woodville legte ihm nicht einmal die Frage vor, ob er überzeugt sei, daß er von der Erscheinung nicht geträumt habe; auch wies er auf keine der Möglichkeiten hin, wodurch man übernatürliche Erscheinungen als wilde Phantasie-Gebilde oder krankhafte Täuschungen der Sehnerven erklärt. Im Gegentheil schien er einen tiefen Eindruck von der Wahrheit und Wirklichkeit des von ihm Gehörten zu empfinden, und bedauerte nach einer beträchtlichen Pause mit dem offenbaren Ausdruck der Aufrichtigkeit, daß sein Jugendfreund in seinem Hause solche Qualen habe erdulden müssen.«

»Ich bin wegen Eurer Pein um so mehr bekümmert, mein theurer Browne,« fuhr er fort, »weil dies der unglückliche obgleich höchst unerwartete Ausgang eines von mir angestellten Versuches ist. Ihr müßt wissen, daß wenigstens zur Zeit meines Vaters und Großvaters das gestern Abend Euch angewiesene Zimmer auf Angaben hin verschlossen blieb, nach welchen es durch übernatürliche Erscheinungen und Töne heimgesucht werden sollte. Als ich vor einigen Wochen in den Besitz des Gutes gelangte, war ich der Meinung, daß die Räume des Schlosses zur Aufnahme meiner Freunde nicht ausgedehnt genug seien, um den Besitz eines behaglichen Schlafgemaches Besuchern aus einer andern Welt zu überlassen. Ich ließ deßhalb das tapezierte Zimmer, wie wir es nennen, eröffnen, und solches neue Geräth hinein bringen, welches der neueren Zeit geziemt, ohne das alterthümliche Aeußere desselben zu zerstören. Da jedoch die Meinung, das Zimmer werde von Gespenstern heimgesucht, unter den Bedienten noch vorherrschte, und auch in der Nachbarschaft, sowie unter vielen meiner Verwandten verbreitet war: so besorgte ich, irgend ein Vorurtheil werde von dem ersten Bewohner des tapezierten Zimmers gehegt werden, welches die üblen Gerüchte bestärken könnte; dadurch hätte aber mein Zweck, es brauchbar zu machen, vereitelt werden müssen. Ich gestehe, theurer Browne, daß Eure Ankunft gestern, welche mir wegen tausend Gründen höchst angenehm ist, als die günstigste Gelegenheit erschien, um jene unangenehmen Gerüchten, die hinsichtlich des Zimmers umlaufen, zu beseitigen, da Euer Muth unzweifelhaft und Eure Seele von vorgefaßten Meinungen frei ist. Ich konnte deßhalb keine passendere Person wählen für meinen Versuch.«

»Bei meinem Leben,« fiel General Browne etwas hastig ein, »ich bin Eurer Lordschaft unendlich verbunden; ich bin wirklich eine ganz besondere Schuld der Dankbarkeit gegen Sie eingegangen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird noch manche Zeit vergehen, bis ich die Folgen des Versuches vergesse, wie Eure Lordschaft die Sache zu nennen beliebt.«

»Ihr thut mir Unrecht, mein theurer Freund,« sagte Lord Woodville, »das Nachdenken eines einzigen Augenblicks wird Euch die Ueberzeugung erwecken, daß ich die Möglichkeit der Pein nicht ahnen konnte, welches ich Euch so unglücklicher Weise ausgesetzt habe. Noch gestern Morgen war ich in vollkommenem Unglauben hinsichtlich der Wirklichkeit übernatürlicher Erscheinungen. Ich habe sogar die Ueberzeugung, daß Ihr das Zimmer freiwillig gewählt haben würdet, wenn ich Euch mitgetheilt hätte, was man darüber redete. Es war mein Unglück, vielleicht mein Irrthum; der Umstand aber, daß Ihr auf so merkwürdige Weise eine arge Pein habt erleiden müssen, läßt sich nicht als meine Schuld bezeichnen.«

»Eine arge Pein habe ich allerdings erlitten,« sagte der General, welcher jetzt eine heitere Stimmung annahm, »und ich gestehe, daß ich kein Recht habe, über Eure Lordschaft deßhalb beleidigt zu sein, daß Ihr mich ebenso behandeltet, wie ich mich selbst behandelt haben würde – nämlich als einen Mann von Festigkeit und Muth. Wie ich jedoch sehe, sind meine Postpferde angelangt, und ich darf Eure Lordschaft nicht von Euren Vergnügungen abhalten.«

»Nun, mein alter Freund,« sagte Lord Woodville, »da Ihr bei uns einen Tag länger nicht bleiben könnt; ein Gesuch, welches ich wirklich jetzt nicht mehr wiederholen darf – so schenkt mir wenigstens noch eine halbe Stunde. »Ihr wart früher ein Liebhaber von Gemälden, und ich besitze eine Galerie von Porträts, unter denen Einige von Van Dyk, welche die Ahnen darstellen, denen dieß Eigenthum und Schloß früher gehörte. Ich glaube, daß mehrere derselben Euch als vorzügliche Bilder überraschen werden.« Der General nahm die Einladung, obgleich mit einigem Widerstreben, an. Er konnte offenbar nicht frei aufathmen, als bis er Woodville-Castle hinter sich hatte. Andererseits aber durfte er die Einladung seines Freundes nicht ablehnen; er konnte dieß um so weniger, da er sich der Empfindlichkeit schämte, die er gegen seinen wohlwollenden Wirth gezeigt hatte.

Der General folgte deßhalb dem Lord Woodville in eine lange, mit Gemälden behangene Galerie; der Letztere zeigte dieselbe seinem Gaste, sagte die Namen und gab einige Berichte von den Personen, welche die Porträts nacheinander darstellen. General Browne nahm nur wenigen Antheil an den Einzelnheiten, welche derselben Art waren, wie man sie in jeder Galerie einer alten Familie vorfindet. Hier war ein Kavalier, welcher das Familienvermögen für die königliche Sache zu Grunde gerichtet hatte; dort eine schöne Dame, welche dasselbe wieder herstellte, indem sie sich mit einem reichen Rundkopf vermählte. Dort hing ein tapferer Herr, welcher wegen seines Briefwechsels mit dem Hof von Saint Germain in persönliche Gefahr gerieth; hier ein Anderer, welcher die Waffen für Wilhelm während der Revolution ergriffen hatte; dort ein Dritter, welcher das Gewicht seines Einflusses abwechselnd in die Wagschaale der Whigs und Tories legte.

Während Lord Woodville diese Worte seinem Gaste hersagte, erreichten sie die Mitte der Galerie; dort sah der Erstere, daß General Browne plötzlich auffuhr und eine Stellung der äußersten Ueberraschung mit einiger Furcht annahm, als feine Augen sich plötzlich auf das Porträt einer alten Dame in einem Sacque wandten, welches die modische Kleidung am Ende des siebzehnten Jahrhunderts war.

»Dort ist sie,« rief er aus, »dort ist sie in Gestalt und Zügen, obgleich sie den teuflischen Eindruck der verfluchten Hexe nicht erreicht, welche mich verflossene Nacht heimgesucht hat.«

»Wenn das der Fall ist,« sagte der junge Edelmann, »so kann kein weiterer Zweifel über die furchtbare Wirklichkeit Eurer Erscheinung herrschen. Dieß ist das Bild eines elenden Weibes unter meinen Vorfahren, deren Verbrechen in einer Familiengeschichte berichtet sind, die unter den Urkunden unserer Pairswürde aufbewahrt ist. Die Erzählung derselben würde zu furchtbar sein. Es genüge hier die kurze Angabe, daß Blutschande und unnatürlicher Mord in jenem verhängnißvollen Zimmer begangen wurde. Ich werde dasselbe der Einsamkeit zurückgeben, welche das bessere Urtheil meiner Vorfahren darüber verhängte; so lange ich es verhindern kann, soll Niemand einer Wiederholung der übernatürlichen Schrecken ausgesetzt werden, welche solch einen Muth wie den Eurigen erschütterten.«

So trennten sich die Freunde, die mit solcher Heiterkeit zusammenkamen, in sehr verschiedener Stimmung. Lord Woodville um den Befehl zu ertheilen, daß der Hausrath und die Verzierungen aus dem tapezierten Zimmer entfernt und die Thüre vermauert werden solle; General Browne, um in einer weniger schönen Gegend und bei einem weniger hochstehenden Freunde die Vergessenheit der peinlichen Nacht zu suchen, die er in Woodville-Castle zugebracht hatte.



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