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Achtzehntes Kapitel.

Fortuna, die auch zuweilen ein Gewissen zu haben scheint, war dem gastfreien Udallar einigen Ersatz schuldig und vergütete demnach an Burgh-Westra das Mißgeschick der verunglückten Walfischjagd, indem sie noch am Abend desselben Tages, an dem dieser Vorfall sich abspielte, niemand Geringeres als den Hausierer oder reisenden Handelsmann, wie er sich selbst zu nennen pflegte, Bryce Snailsfoot, seinen Weg dahin nehmen ließ. Mit großem Pomp langte er an, er selbst auf einem Klepper, und sein Warenpack, fast doppelt so groß als gewöhnlich, auf einem zweiten, der von einem barfüßigen und barhäuptigen Jungen geführt wurde.

Bryce wurde, da er sich als den Ueberbringer wichtiger Neuigkeiten ankündigte, in das Speisezimmer geleitet, wo man ihm – (denn man rechnete damals noch nicht so wie heute mit dem persönlichen Ansehen) – den Platz an einem Seitentische anwies und ihm Speise und Trank reichlich vorsetzte. Ohne zuvor seinen Hunger und Durst zu stillen, berichtete er mit jener Wichtigkeit, die weite Reisen zu verleihen pflegen, daß er erst gestern von Kirckwall, der Hauptstadt der Orkney-Inseln, nach Lerwick, aber schon gestern bis hierher marschiert wäre, wenn es nicht vom Fitful-Head her stark gestürmt hätte.

»Hier hatten wir keinen Wind,« sagte Magnus.

»Ich weiß jemand, der da nicht geschlafen hat,« erwiderte der Hausierer, »und ihr Name fängt mit einem R. an, aber Gott wacht über uns alle.«

»Aber die Neuigkeiten von Orkney, Bryce, statt da viel von einer Handvoll Wind zu schwätzen!«

»Solche Neuigkeiten,« entgegnete Bryce, »sind hier nicht seit dreißig Jahren gehört worden, – nicht seit Cromwells Zeit.«

»Es ist doch nicht eine neue Revolution dort im Werk?« fragte Halcro. »Wie? Ist vielleicht König Jakob zurückgekommen, wie weiland der muntere König Karl?«

»Neuigkeiten sind's,« antwortete der Hausierer, »mehr wert als zwanzig Könige und zwanzig Königreiche obendrein; brachten uns Staatsveränderungen je was Gutes? und doch haben wir schon ein Dutzend bald große, bald kleine, erlebt.«

»Ist etwa ein Indienfahrer nordum gekommen?« fragte Magnus Troil.

»Ihr kommt dem Dinge schon näher, Herr!« sagte der Hausierer; »aber ein Indienfahrer ist es nicht, sondern ein trefflich bewaffnetes Schiff, bis unter das Deck mit Waren gefüllt, die so wohlfeil weggehen, daß ein bescheidener Mann, wie ich, seinen Kunden rund im Lande recht billige Preise stellen kann; und das werdet Ihr selbst sehen, wenn ich meinen Pack geöffnet haben werde, den ich leichter hinwegzuführen hoffe, als ich ihn hergebracht.«

»Ihr müßt gar wohlfeil eingekauft haben, Bryce, wenn Ihr billige Preise stellt,« sagte der Udaller; »aber was für ein Schiff war es denn?«

»Darüber kann ich keine genaue Auskunft geben, denn ich habe mit niemandem gesprochen als dem Kapitän, der ein verschwiegener Mann war; aber es kommt von den spanischen Besitzungen, denn es hat Seide, Atlas, Tabak und Wein an Bord; und Zucker, und mancherlei schöne Dinge von Silber und Gold, und Goldstaub obendrein.«

»Und von welcher Bauart ist's?« fragte Cleveland, der sehr aufmerksam zu werden schien.

»Ein großes Schiff ist's,« antwortete der Handelsmann, »wie ein Schoner gebaut und bemastet, segelt wie ein Delphin, sagt man, und führt zwölf Kanonen.«

»Habt Ihr den Namen des Kapitäns vernommen?« fragte Cleveland in leiserem Tone weiter, als er gewöhnlich zu sprechen pflegte.

»Ich hab ihn schlechtweg Herr Kapitän tituliert,« erwiderte Bryce, »denn es ist Gesetz bei mir, Leute, mit denen ich Geschäfte treibe, nie mit Fragen zu belästigen; freilich gibt's manchen Kapitän, mit Eurer Erlaubnis, Kapitän Cleveland, dem es nicht behagt, wenn man seinen Namen seinem Titel anhängt; aber, sobald man weiß, welchen Handel man schließt, braucht man dann den Namen des Verkäufers kennen?«

»Bryce Snailsfoot ist ein vorsichtiger Mann,« bemerkte der Udallar lachend; »er weiß, daß ein Narr mehr fragen kann, als ein kluger Mann zu beantworten Lust hat.«

»Ich habe in meinem Leben schon manchen schönen Handel gemacht,« entgegnete der Hausierer, »und weiß nicht, welchen Nutzen es bringen kann, immer gleich mit dem Namen der Leute herauszuplatzen; aber ich kann den Kapitän jenes Schiffes als einen braven und auch freundlichen Befehlshaber rühmen, und sein Schiffsvolk hält er in strammer Disziplin, läßt kaum einen Mann ans Land, ohne daß der Bootsmann dabei ist, aber das ist ein Brummbär, rauher als je einer das Verdeck betrat; das ganze Schiffsvolk hat vor ihm genau soviel Furcht, wie vor dem Kapitän selbst.«

»Das muß Hawkins sein oder der Teufel,« sagte Cleveland.

»Meinetwegen, Herr Kapitän!« erwiderte der Hausierer, »der oder der, vielleicht auch von beiden etwas. Wollt Euch aber erinnern, daß Ihr, und nicht ich, ihm diesen Namen beigelegt habt.« »Kapitän Cleveland,« nahm der Udallar das Wort, »sollte das wohl das andere Schiff sein, von dem Ihr spracht?«

»Dann muß ihm das Glück günstig gewesen sein, seitdem wir uns verließen. – Sprach das Schiffsvolk etwa vom Verlust eines andern?«

»Das allerdings,« sagte Bryce, »sie haben etwas von einem Gefährten geredet, der in diesen Gewässern zu David Jones hinabgestiegen sei.«

»Und teiltet Ihr ihnen denn mit, was Euch davon bekannt?« fragte der Udallar.

»Ja, daß ich ein Narr gewesen wäre,« erwiderte der Hausierer. »Hätten sie gewußt, was aus dem Schiffe geworden, wäre ihre zweite Frage ohne Zweifel nach der Landung gewesen, und da hätte ich leicht ein bewaffnetes Schiff an die Küste ziehen können, entschlossen, die armen Leute hier mit Nachforschungen über die armseligen Dinge zu quälen, die die See ans Ufer warf!«

»Das ungerechnet, was etwa in Eurem eigenen Pack davon gefunden worden wäre,« sagte Magnus Troil, eine Bemerkung, die ein allgemeines Gelächter hervorbrachte ... Ihr mögt immerhin lachen, meine Freunde,« fuhr er nach einer Weile mit ungewöhnlich ernstem Tone fort: »Aber es bleibt dennoch eine Sache, die dem Lande Schimpf und Schande bringt; und bis wir gelernt haben werden, die Rechte derjenigen, die durch Wind und Wellen leiden, zu respektieren, verdienen wir allen Plack von seiten der Fremden, die uns regieren.«

Alles ließ ob dieser Zurechtweisung die Köpfe hängen. Bei einigen, selbst aus der bessern Klasse, rührte sich vielleicht das Gewissen; Cleveland aber erwiderte in lustigem Ton: »Wenn es meine Kameraden sind, so stehe ich dafür, daß sie Euch hier nicht um einiger Kisten, Hängematten und ähnlicher Lumpereien wegen beunruhigen werden, die der Strom aus meinem armen Wrack ans Land gespült haben mag. Was kümmert es sie, ob der Plunder dem Hausierer hier oder dem Meeresgrund oder dem Teufel anheimfiel? Also aufpaßt Bryce, und den Frauen Deine Ladung gezeigt! vielleicht findet sich einiges drunter, was ihnen gefällt.«

»Es kann nicht das andere Schiff sein,« flüsterte Brenda ihrer Schwester zu, »er zeigte sonst mehr Freude über die Nachricht.«

»Es muß das seine sein,« antwortete Minna, »denn ich sah seine Augen funkeln, wie wenn er gedacht haben mag, daß er nun wieder mit den Genossen seiner Gefahren vereint sein werde.«

»Vielleicht,« sprach die Schwester etwas leiser, »hat er auch gedacht, daß er Shetland bald wieder verlassen könne? Herzensempfindungen nach Blicken zu beurteilen, ist immer schwer.«

»So urteile wenigstens nicht unfreundlich über Empfindungen eines Freundes,« sagte Minna, »und irrst Du Dich dann, so trifft Dich keine Schuld,«

Während dieses Gesprächs war der Hausierer beschäftigt, die reichlich sechs Yards lange, durch Knoten und Schnallen sorgfältig verwahrte, aus gegerbten Seehundsfellen bestehende Hülle von seinem Pack zu lösen: eine Arbeit, in der er durch Fragen über das Schiff durch den Udallar und andere des öftern unterbrochen wurde.

»Waren die Offiziere oft am Lande? und wie wurden sie von den Bewohnern von Kirckwall aufgenommen?« fragte Magnus Troil.

»Sehr gut,« antwortete der Handelsmann, »auch waren der Kapitän und einige seiner Leute zu etlichen Festlichkeiten und Tänzen geladen, die in der Stadt abgehalten wurden; dort aber sind Worte gefallen, über den Zoll, über königliche Rechte und dergleichen, und einige der vornehmein Einwohner, die sich als Obrigkeitspersonen oder dergleichen vorstellten, gerieten in Wortwechsel mit dem Kapitän, der von all dergleichen nichts hören wollte; seitdem spricht er davon, sein Schiff nach Stromneß oder Langhope bringen zu wollen, denn es lag gerade unter den Kanonen der Batterie von Kirkwall. Aber vor Ende des Sommermarkts wird's mit der Abfahrt wohl nichts werden.«

»Die Leute auf Orkney,« bemerkte Magnus, »legen es ja schon immer drauf an, das schottische Joch sich selbst schwerer zu machen. Nicht genug, daß wir Schätzung und Steuer bezahlen, wie es unter unfrei alten norwegischen Regierung Sitte und Gebrauch war, sie wollen uns auch noch Zölle und Königssporten auferlegen. Ein ehrlicher Mann muß gegen dergleichen Unwesen ankämpfen; ich habe es mein ganzes Leben lang getan, und will es auch bis an mein Ende nicht anders halten.«

Ein lauter Jubel und Beifallsruf ertönte von seiten der Gäste, die wenigstens Zum Teil mit ihrem vaterländisch denkenden Wirte inbetreff der öffentlichen Abgaben zufriedener schienen als mit seinem Vorbehalte inbetreff des Strandgutes. Minna aber, in ihrem weiblichen Sinne über die Meinung des Vaters hinausgehend, flüsterte ihrer Schwester zu, bloß der allzu nachgiebige Geist der Inselbewohner sei Ursache gewesen, daß die Gelegenheit, sich von dem schottischen Joche zu befreien, zu der ein Zufall erst vor kurzem noch günstigen Anlaß gegeben hätte, ungenützt geblieben sei,

»Warum,« fuhr sie fort, – und Cleveland hörte, was sie sagte, recht gut – »sollten wir nicht, unter den mannigfachen Veränderungen der jüngsten Zeit, bemüht gewesen sein, unter die Herrschaft von Dänemark, unserm eigentlichen Vaterlande, zurückzukehren? Dazu wäre es jetzt noch Zeit, wenn sich nicht die angesehnern Familien von Orkney durch Freundschafts- und Verwandtschaftsbande mit diesen arroganten Fremdlingen vermischt und hierdurch die Stimme des altnordischen Bluts, das in ihren Adern rollt, erstickt hätten.«

Die letzten Worte dieser patriotischen Rede hatten das Ohr unseres Freundes Triptolemus erreicht, der gegen ein protestantisches Regiment solche Voreingenommenheit hegte, daß er fast unwillkürlich rief: »Ja, ja, wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen – aber bitte recht sehr um Verzeihung, Jungfer Minna, wenn ich hiermit etwas spreche, was Euch mißfällt ... Ein gar musterhaftes Land muß es aber sein, wo sich der Vater gegen die Sporteln und die Tochter gar gegen den Thron des Königs erklärt. So etwas kann, meiner Meinung nach, nur am Baum und Stricke enden.«

»Bäume, Herr Verwalter, sind bei uns selten,« erwiderte Magnus, »und was wir an Tauen und Stricken haben, brauchen wir für unsere Fahrzeuge, können also nichts davon für Hemdkragen entbehren.«

»Und wer sich unterfängt,« nahm Kapitän Cleveland das Wort, »an den Worten dieser jungen Dame Aergernis zu nehmen, täte klüger, Ohren und Zunge auf andere, weniger gefährliche Weise zu beschäftigen.«

»Ja, ja,« sprach Triptolemus, »Wahrheit liegt dem Stolzen immer so schwer im Magen wie nasser Klee der Kuh; zumal in einem Lande, wo junge Burschen immer die Hand am Messer haben, sobald ein Mädchen nur ein schiefes Gesicht macht. Doch was läßt sich auch von Leuten anders erwarten, die nicht einmal einen ordentlichen Pflug haben.«

»Hört einmal, Herr Yellowley,« erwiderte der Kapitän lächelnd, »hoffentlich rechnen Sie meine Art und Weise nicht zu den Mißbräuchen, die Sie hier abschaffen wollen? Das wäre ein gefährliches Experiment!«

»Auch wohl ein schwieriges,« fügte Triptolemus trocken hinzu; »aber habt vor meinen Reformen keine Angst, Kapitän Cleveland; sie richten sich bloß gegen die Menschen und Dinge auf festem Lande. Um die Seeverhältnisse schere ich mich nicht.«

»So laß uns Freunde sein, alter Schollenkleber,« rief der Kapitän ... »Und nun heran, Freund Bryce, – mach Dein Tau los – und heran ihr alle und laßt uns sehen, ob sich etwas in seiner Ladung befindet, der Mühe wert, daß man es sich ansieht.«

Mit stolzem, zugleich aber auch schlauem Lächeln packte der listige Hausierer allerhand Waren aus von weit besserer Qualität, als sie sonst in seinem Warenballen zu stecken pflegten, wie vornehmlich Stoffe und Stickereien von ungemeiner Schönheit und Seltenheit, die mit einer Pracht und Kunst nach fremdem Arabeskenmustern gewebt waren, daß sie recht wohl verwöhntere Augen, als der einfachen Bewohner Thules hätten blenden können. Alles schaute und bewunderte, während Jungfer Baby-Barbara die Hände zusammenschlug, beteuernd: es sei ja schon Sünde, auf solchen Luxus die Augen zu heben – geschweige denn sich nach dem Preise solcher Dinge zu erkundigen.

Andere ließen sich dadurch aber nicht abschrecken, mit dem Hausierer zu handeln, und was er für seine Ware forderte, bewegte sich in so mäßigen Grenzen, daß man wirklich vermuten durfte, er müsse sehr wohlfeil eingekauft haben. Infolgedessen und weil man in Shetland, wie überall, der klugen Menschen genug hat, die mehr, um sich einen guten Handel nicht entgehen zu lassen, als aus wirklichem Bedarf kaufen, fand der Hausierer schnell Kunden über Kunden. So erstand die Lady Glowrowrum allein sieben Unterröcke und ein Dutzend Brusttücher, und mehrere andere der anwesenden Matronen folgten diesem weisen Sparsamkeits-Exempel. Auch der greise Udallar zeigte sich als reger Käufer; der beste Kunde von allen aber, zumal in Artikeln, die bei den Schönen Gefallen wecken konnten, war Kapitän Cleveland, der in dem Warenballen des Hausierers aufräumte, mit seinen Präsenten die gesamte Weiblichkeit, vorzüglich aber des Udallars Töchterpaar bedenkend.

»Ich fürchte,« sagte Magnus Troil, »daß Eure Freigebigkeit uns nötigen dürfte, mit Eurem baldigen Verlust zu rechnen.«

»Darauf kann ich nichts sagen,« erwiderte nicht ohne Verlegenheit der Mann, dem diese Worte galten – »kann ich doch aus der Ferne nicht beurteilen, ob das angekommene Schiff meine Kameraden gebracht hat oder nicht. – Ich muß nach Kirckwall hinüber, zu sehen, wie es sich verhält; rechne aber bald wieder hier zu sein, um – wenn es nicht anders sein kann – Euch allen Lebewohl zu sagen.«

»Ich muß zum Markte hin, um mit den Kaufleuten den letzten Fischfang abzurechnen,« erwiderte nach kurzem Ueberlegen der Udallar, »Und habe meinen Kindern schon lange versprochen, sie einmal zur Marktzeit mit nach Kirckwall zu nehmen. Da könnt Ihr ja mit uns hinfahren. Vielleicht haben Eure Kameraden, oder wenn sie es nicht sein sollten, die fremden Seefahrer Waren an Bord, die mir anstehen? In meiner Brigg soll eine Hängematte für Euch bereit sein.«

Cleveland war hierüber so erfreut, daß er die Schätze, die der Hausierer bei sich führte, mit freigebigen Händen unter die Gesellschaft verteilte. Jungfer Baby konnte, ob dieser »Verschwendung« – wie sie solche Freigebigkeit auffaßte – nicht umhin, ihrem Bruder ins Ohr zu flüstern, daß der junge Herr, wenn er mit dem Geld so um sich werfen könne, in seinem zerschellten Schiff eine bessere Reise gemacht haben müsse als alle Schiffer von Dundee wahrend der vollen letzten zwölf Monate.

Aber ihre grillige Laune wurde ungemein gemildert, als Cleveland, dessen Absicht es an diesem Abend zu sein schien, sich bei jedermann in das beste Licht zu setzen, sich ihr mit einem Kleidungsstück näherte, das dem Schnitte nach aussah wie ein schottischer Mantel, aber ein so feines Gewebe zeigte, daß man Eiderdaunen zu berühren glaubte. Er nannte es eine Mantilla, die von den spanischen Damen getragen würde, und der Jungfer Baby, da sie ihr vortrefflich stünde, bei den starken Nebeln auf Shetland recht dienlich sein würde. Jungfer Baby nahm mit aller Süßigkeit, deren ihr Gesicht fähig war, das Präsent nicht nur an, sondern räumte dem Spender sogar das Recht ein, es ihr über die hohen, spitzen Schultern zu hängen; von denen, wie Claud Halcro meinte, der Mantel wie von zwei Kleiderpflöcken gehalten wurde. Während der Kapitän diesen Höflichkeitsakt zur allgemeinen Belustigung der Gesellschaft vollzog, erstand Mordaunt ein goldenes Kränzlein, das er Brenda bei schicklicher Gelegenheit einzuhändigen dachte. Auch Claud Halcro zeigte Verlangen, eine silberne Dose von antiker Form für Schnupftabak einzuhandeln, von dem er ein starker Konsument war. Aber der Sänger verfügte nie viel über courante Münze und hatte auch auf seiner Lebenswanderung nur wenig Gelegenheit gehabt, solche zu sammeln; Bryce aber, der bisher nie anders als gegen bares Geld verkauft hatte, versicherte, daß der geringe Verdienst bei diesen seltenen und ausgewählten Waren es ihm nicht erlaube, Kredit zu geben. Mordaunt erriet aus ihrem Flüstern, – wobei der Barde sehnsuchtsvoll den Finger nach der in Rede stehenden Dose ausstreckte, auf die der vorsichtige Hausierer aber die ganze Hand drückte, wie wenn er befürchtete, sie mochte Flügel bekommen, um in Claud Halcros Tasche zu fliegen, – um was sich beider Reden drehten, und legte, als er dies bemerkte, um seinem alten Bekannten eine Freude zu machen, – den für die Dose geforderten Preis auf den Tisch mit den Worten, daß er nicht zugeben würde, daß Halcro die Dose bezahle, da er sich vorgenommen habe, ihm ein Präsent damit zu machen.

»Ei, ich will Dich nicht berauben, junger Freund,« versetzte der Poet, »aber wenn ich die Wahrheit sagen soll, so erinnert die Dose mich ungemein an die meines ruhmgekrönten Kollegen John Dryden, aus der ich einmal die Ehre hatte, eine Prise zu bekommen: weshalb ich auch meinen Zeigefinger und Daumen an der rechten Hand höher achte als sonst einen Teil meines Körpers; nur darfst Du nichts dawider haben, daß ich Dir das Geld Zurückzahle, wenn meine Erkaster Stockfische zu Markte kommen.«

»Macht das unter euch ab, ihr Herren, wie ihr wollt,« sagte der Hausierer, indem er Mordaunts Geld einstrich, »die Dose ist verkauft und bezahlt,«

»Und wie könnt Ihr noch einmal verkaufen, was Ihr schon verkauft habt?« mischte sich Cleveland Plötzlich in das Gespräch.

Alle staunten über diese ganz unerwartete Dazwischenkunft Clevelands, der – als er sich von Jungfer Baby abwandle, nicht ohne sichtlichen Groll bemerkte, welche Artikel Bryce soeben losschlug. Auf diese kurze, heftige Frage erwiderte der Hausierer, der einem so guten Kunden nicht zu widersprechen wünschte, nur: »Gott sei mein Zeuge, daß er niemand habe zu nahe treten wollen.«

»Wie, nicht zu nahe treten?« rief der Seemann, »und doch über mein Eigentum verfügen?« So sprechend, streckte er seine Hand nach den in Rede stehenden Gegenständen aus ... »Auf der Stelle zahlt dem jungen Manne das Geld zurück, und haltet ein andermal Euren Kurs mehr auf der Mittagslinie der Ehrlichkeit.«

Verwirrt und zögernd zog der Hausierer seinen ledernen Geldbeutel hervor, um Mordaunt das Geld wiederzugeben, das er vor einem Augenblick von ihm empfangen hatte; aber der Jüngling war damit nicht zufrieden. »Die Ware,« sagte er, »ist verkauft und bezahlt, – das waren. Eure eigenen Worte, hier in Herrn Halcros Gegenwart, und ich werde nicht dulden, daß weder Ihr noch sonst jemand Hand an mein Eigentum lege.«

»Ihr Eigentum, junger Mann?« fragte Cleveland, »es ist das meinige, – ich sprach mit Bryce darüber einen Augenblick, bevor ich mich vom Tische entfernte,«

»Ich – ich – ich hatte nicht recht gehört,« sagte Bryce, dem es sehr daran lag, keine von den beiden Parteien zu beleidigen.

»Kommt, kommt,« rief der alte Udaller, »wir wollen keinen Streit um solche Narrenspossen; man ruft uns ohnehin bald in die Tanzstube, und dorthin wollen wir alle in guter Laune kommen – Bryce soll die Sachen bis morgen behalten; ich werde dann bestimmen, wem sie gehören sollen.«

Der Udaller war in seinem Hause unumschränkter Gebieter; die beiden jungen Männer mußten sich, mit so finsteren Blicken sie einander auch betrachteten, darein fügen, verließen aber in verschiedener Richtung den Raum.

Selten nur gleicht der zweite Tag eines verlängerten Festes dem ersten. Geist und Körper, gleich ermüdet, stehen zu der erneuten Lust und Beweglichkeit in keinem Verhältnis; und so wurde auch der Tanz in Burgh-Westra heut mit weit weniger Lebhaftigkeit aufgeführt als gestern. Noch war es eine ganze Stunde bis Mitternacht, als der alte Magnus Troil unter Klagen über die schlimme Zeit und dem Wunsche Worte leihend, auf die Shetländer »von heute« etwas von der eignen Kraft übertragen zu können, das Signal zum allgemeinen Aufbruch geben mußte.

Gerade in diesem Augenblick zog Halcro seinen Freund Mordaunt beiseite, um ihm zu sagen, daß er von Cleveland etwas an ihn auszurichten habe.

»Eine Herausforderung ohne Zweifel!« rief Mordaunt, und sein Herz begann stürmisch zu pochen.

»Eine Forderung!« wiederholte Halcro, »wer hörte je von einer solchen auf diesen ruhigen Inseln? Sehe ich aus wie ein Bote solcher Kundschaft? und gar an Dich? Nein – ich glaube, dem Kapitän steht der Sinn nur nach den Dingen, die Du ausgesucht hast.«

»Er soll sie nicht haben, das schwöre ich Euch,« rief Mordaunt,

»Höre mich an,« erwiderte Halcro, »es scheint, daß er sie nach den darauf befindlichen Zeichen und Wappen als sein einstiges Eigentum wiedererkannt hat. Solltest Du mir nun diese Dose geben, wie Du versprochen, so würde ich, wie ich Dir unumwunden sage, sie ihrem Eigentümer zurückgeben,«

»Und Brenda würde vielleicht dasselbe tun,« dachte Mordaunt, aber schnell entgegnete er: »Ich habe mich eines Bessern bedacht, alter Freund! Cleveland soll die Dinge haben, auf die er einen so großen Wert setzt, aber nur unter einer Bedingung.«

»Du wirst noch alles mit Deinen Bedingungen verderben,« sagte Halcro.

»Hört mich geduldig an. Meine Bedingung ist, daß er die Sachen in Tausch für die Jagdflinte nimmt, die ich von ihm erhielt, so daß jede gegenseitige Verbindlichkeit aufgehoben wird,« sagte Mordaunt.

»Ich sehe, wohin Du willst; Du magst also dem Hausierer sagen, daß er die Sachen an Cleveland ausfolge; die Bedingungen soll dieser schon durch mich erfahren; sonst möcht der ehrliche Bryce zu zweimaliger Bezahlung kommen, statt einer, und ich glaube, sein Gewissen würde ziemlich ruhig dabei sein.«

Mit diesen Worten ging Halcro zu Cleveland, wahrend Mordaunt zu dem Hausierer trat, der sich als eine gewissermaßen privilegierte Person unter die Menge am Ende des Gemachs gemischt hatte und ihm den Auftrag gab, die streitigen Gegenstände Cleveland auszufolgen, sobald sich eine Gelegenheit dazu böte.

»Ihr habt recht, Herr Mordaunt,« erwiderte Bryce, »Ihr seid ein kluger, verständiger junger Mann, – eine ruhige Antwort wendet den Verdruß ab, – und ich meinerseits will Euch gern wieder gefällig sein, wo ich es irgend kann; denn zwischen dem Udaller von Burgh-Westia und Kapitän Cleveland ist man, wie zwischen Teufel und See, wenn auch der erstere Eure Partei vielleicht zuletzt genommen hätte, denn er ist ejn Mann, der die Gerechtigkeit liebt.«

»Aus der Ihr Euch nicht viel zu machen scheint, Bryce,« sagte Mordaunt, »sonst hätte es zu gar keinem Streite kommen können, denn das Recht war auf meiner Seite, und Ihr hättet nur die Wahrheit zu bezeugen brauchen.«

»Ich muß allerdings gestehen, Herr Mordaunt,« sagte der Hausierer, »daß Ihr einen Schatten von Recht für Euch hattet; aber die Gerechtigkeit, mit der ich zu schaffen habe, betrifft nur meinen Handel; meine Elle hat die gehörige Länge; auch verkaufe ich alles nach rechtem Maß und Gewicht. Aber mit der Gerechtigkeit zwischen Menschen und Menschen habe ich nichts zu schaffen, etwa wie ein Vogt oder sonst eine Obrigkeitsperson.«

»Das verlangt auch niemand von Euch, aber ein Zeugnis hättet Ihr nach Eurem Gewissen ablegen sollen,« antwortete Murdaunt, weder mit dem Benehmen des Hausierers während des Streits, noch mit den Rechtfertigungsgründen seines Betragens zufrieden.

Bryce Snailsfoot war jedoch im Antworten nicht verlegen ... »Mein Gewissen, Herr Mordaunt,« erwiderte er, »ist so zart, wie es nur bei einem Manne meiner Art sein kann, aber etwas schüchterner Natur.«

»Ihr seid auch nicht gewohnt, sonderlich auf seine Stimme zu achten, nicht wahr?«

»Eure eigne Brust beweist das Gegenteil,«,versehte Bryce in zuversichtlicherm Tone.

»Meine Brust?« fragte Mordaunt etwas verdrießlich, »was hat die mit Euch zu tun?«

»Ich spreche nur von Eurer äußern Brust, Herr Mordaunt. Wer die schöne Weste sieht, die Ihr tragt, muß sich doch sagen, daß sie Euch um vier Taler nur ein gewissenhafter, billiger Mann verkaufen konnte. Drum fülltet Ihr nicht so böse auf mich sein, weil ich in Eurem törichten Zank mit dem Kapitän einen Mund voll Atem gespart habe.«

»Ich böse auf Euch,« wiederholte Mordaunt verächtlich, »seid ruhig, mit Euch suche ich keine Händel,«

»Nun, das freut mich,« versetzte der Wanderer, »ich suche mit niemandem Differenz, am wenigsten mit einem alten Kunden; und wenn Ihr meinem Rate folgen wollt, so fangt keinen mit Kapitän Cleveland an. Er sieht ganz so aus, wie einer von den Haudegen und Eisenfressern, die da nach Kirckwall gekommen sind, und die einen Menschen eben so leicht totschlagen, wie wir einen Walfisch schnellen.«

Die Gesellschaft war inzwischen auseinander gegangen. Mordaunt, den vorsichtigen Rat des Hausierers belächelnd, wünschte ihm gute Nacht und begab sich nach seiner Schlafstelle, die ihm von Erik Scambester, der neben dem Amte eines Kellersmeisters auch das eines Kämmerers versah, in einem der äußeren Gebäude angewiesen wurde, wo man in einem Zimmer oder vielmehr in einem Kämmerchen, eine Hängematte für ihn bereitet hatte.


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