Joseph Schreyvogel
Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte
Joseph Schreyvogel

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1.

»Die Achse hält den Weg noch zweimal aus«, schrie Paul, »macht nur den Riemen geschwind zurecht, daß wir fortkommen!« – »Ei, wenn er's besser versteht«, brummte der Schmied, »meinetwegen!«

»Was gibts denn, Paul?« sagte ich, aus der Kalesche zurücksehend. – »Unnötigen Aufenthalt«, erwiderte Paul, »der Schaden könnte längst ausgebessert und wir schon auf der Station sein, wenn der wunderliche Mann nicht so viele Bedenklichkeiten hätte.« – »Nun, nun, wir haben so große Eile nicht«, sagte ich, indem ich aus dem Schlage stieg; »mach Er seine Sache fein ordentlich, Meister Schmied!« – »Das ist etwas anders!« hörte ich jetzt Paul brummen; »sonst währt dem Herrn gleich alles zu lange.«

Ich ließ meinen Paul stehen und ging in den Hof der Dorfschenke, wo ich ein hübsches, ziemlich wohlgekleidetes Mädchen mit der Wirtin sprechen sah. Das Mädchen trug ein kleines Bündel unter dem Arme und schien ihren Weg, den sie dem Ansehen nach zu Fuß gemacht hatte, eben fortsetzen zu wollen. »In anderthalb Stunden«, hörte ich die Wirtin zu ihr sagen, »können Sie auf der Station sein; ob Sie aber den Postwagen noch antreffen werden, weiß ich nicht; er geht gewöhnlich früher durch.« – Das Mädchen erwiderte einige Worte, die ich nicht verstehen konnte, und kehrte sich dann mit dem Gesichte gegen mich. Ich war überrascht, denn jetzt erst sah ich, wie schön sie war. Mehrere junge Leute, die sich an einem Seitentische bei schlechtem Weine lustig machten, schienen nach ihrer Art nicht weniger Wohlgefallen an dem Mädchen zu finden. Zwei von ihnen waren aufgestanden und machten Miene, sich dem schönen Kinde zu nähern. Sie hatte es bemerkt und suchte ihnen auszuweichen; aber die mutwilligen Burschen vertraten ihr den Weg und einer faßte sie ziemlich tölpisch an. Unwillig riß sie sich los und verdoppelte ihre Schritte, um über den Hofraum zu kommen. Als sie an mir vorbeiging, sah ich Tränen in ihren großen blauen Augen; ihre Wangen glühten, sie wandte das Gesicht hinweg, als schäme sie sich, einen Zeugen der ihr widerfahrenen Beleidigung zu haben. Unwillkürlich folgte ich der anziehenden Erscheinung, die, durch das Tor an meinem Wagen vorbeieilend, meinen Blicken bald entschwand. Paul als er sie gewahr wurde, stutzte und sah sich schalkhaft lächelnd nach mir um. »War's das? Ja, dann freilich!« hörte ich ihn murmeln, als ich ihm näher kam.

»Nun, ist der Wagen fertig?« fragte ich. – »Das geht so geschwind nicht, Herr! Aber der Meister macht es recht ordentlich.« – »Sieh, wo der Postillon ist«, erwiderte ich ernsthaft. Paul ging mit drollig-bedenklichem Kopfschütteln. – Ich sah mich nach den zwei Burschen um, deren ungeschliffenes Betragen das schöne Mädchen erröten gemacht und mir, ohne ihr Verdienst und Wissen, einen so reizenden Anblick verschafft hatte. Sie waren zu ihrem Tische zurückgekehrt und riefen lärmend die Wirtin. Nach einem kurzen Wortwechsel warfen sie Geld auf den Tisch und taumelten an mir vorbei, denselben Weg einschlagend, auf dem sich das Mädchen entfernt hatte. Sie schienen ziemlich betrunken; ihre erhitzten Gesichter hatten einen Ausdruck von Roheit, der mir sehr widrig auffiel.

»Wo bleibt denn der Postillon?« rief ich meinem Paul entgegen, indem ich in die Kalesche stieg. – »Er kommt schon, Herr, und der Meister Schmied ist auch bald fertig, wie ich sehe. Wir holen die flinke Dirne schon noch ein.« – »Ich glaube, du träumst, Alter?« sagte ich, »aber mach fort! Hier ist Geld; und knickere mit dem Schwager nicht! Er soll fahren, wie recht ist.« – Es war angespannt. Paul schwang sich mit etwas steifer Hastigkeit auf den Sitz des Postillons und fort rollte der Wagen in der Richtung hin, welche »das flinke Mädchen« und die zwei wilden Burschen genommen hatten.


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