Maximilian Schmidt
Die Ameisenhexe
Maximilian Schmidt

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

IV.

Friedl hatte sich auf des Schrullers Erzählung hin aus der Vorderriß entfernt, da er nicht mehr daran zweifeln konnte, daß er nunmehr von dem alten Ameisler erkannt werde. Er wußte bereits durch die Lenggrieser Bötin, daß während seiner Abwesenheit vom Hause gar wichtige Dinge vorgefallen, voran die Werbung des Schrullers um seine Schwester. Am Tage seiner Abreise hatten sich die beiden gefunden, und merkwürdigerweise hatte auch er an diesem Tage sein Herz an die Ameisenhexe verloren. Der Besuch des Klösterls hatte sonach ganz eigentümliche Folgen gehabt. Das Allerliebste aber, was er aus des Schrullers Rede vernommen, war ihm, daß seine ihm bestimmte Braut auf ihn verzichtet habe.

»O du guats, bravs Basl, wie gscheit bist du!« rief er. »Auf Rom brauch i itz nimmer, Gott sei Dank! Itz steht koa' Schlagbaum mehr zwischen mir und 'n Franzei und morgen, wenn der Vater kimmt, wird alles recht wern.«

Unter solch glücklichen Gedanken schaute er nach der schönen Tirolerin aus. Jetzt sollte kein Geheimnis mehr obwalten zwischen ihr und ihm; heute noch wollte er sie über seine Person aufklären. In der Mühle, wo ein Landsmann von ihm als Sägknecht diente, hatte er seinen Reisesack und seine besseren Kleider verwahrt und dahin lenkte 257 er nun seine Schritte. Er wollte sich umkleiden, wollte die schlechte Arbeitsmontur ablegen, die ihm in den wenigen Wochen so wert geworden war. Er hatte drei Wochen lang die Mühsal des Holzarbeiters und seine Entbehrung geteilt, er hatte Respekt bekommen vor diesen Leuten, die sich jahraus, jahrein dieser steten und oft gefährlichen Anstrengung aussetzen müssen und dabei darben, um für ihre Angehörigen zu sparen. Diese drei Wochen, meinte er, hätten für sein Leben einen höheren Wert, als die Reise nach Rom es hätte haben können und sein Vater sollte sich wundern, wie er ihm künftig in jeder Arbeit ergiebigen Beistand leisten würde.

Aber nicht nur die Holzer hatte er bei ihrer Arbeit kennen gelernt, auch Franzei, die Ameisenhexe, erregte seine Bewunderung durch ihre Thätigkeit früh und spät. Er hatte sie seit ihrer ersten Begegnung im Walde nicht wieder allein gesprochen, selbst als er ihr am letzten Sonntage das Geleite gab, hatte sich ihnen eine Kamerädin angeschlossen, aber ihre Blicke sagten sich mehr, als alle Worte es vermocht hätten. Doch wenn das Herz auf der Zunge liegt, sind Liebesgeständnisse Himmelsmusik, der jeder mit seligen Empfindungen lauscht. Heute endlich sollte er allein mit ihr sprechen können, so hatte er gehofft. Wie unangenehm war er daher überrascht, im Einkehrhause den alten Ameisler zu finden, der sicher auf seine Enkelin wartete. Er entschloß sich daher, dem Botenwagen entgegen zu gehen. Er hätte sich zu diesem Zwecke gern umgekleidet, da jedoch der Sägknecht in der Mühle nicht anwesend war, die Zeit aber drängte, so schlug er so, wie er war, den Weg nach Wallgau zu ein. Schon von weitem erblickte er bald darauf den mit einer weißen Plache 258 überdeckten Wagen und vorne saß neben dem alten Boten die schöne, schwarzäugige Tirolerin in ihrem Sonntagsstaate.

Sie erwiderte mit heller Freude den Gruß des jungen Mannes und bat den Boten, anzuhalten und sie absteigen zu lassen.

Der alte Rosselenker, dem die Nachbarschaft des jungen schönen Mädchens sehr angenehm gewesen, besann sich erst eine Weile, indem er dem hoch errötenden Mädchen lachend ins Gesicht sah und dann meinte:

»Ja, ja, so geht's halt unser oan, wenn er alt wird; d' Jugend halt nit aus bei uns, es ziagts wieder zu der Jugend hin und wir hab'n 's nachischaugn.«

»O, Herr, i hon mi recht guat mit enk unterhalten,« erwiderte lachend das Mädchen.

»Es is halt a Ofenwirm (Ofenwärme) gwen,« versetzte der Alte; »d' Sunn im Lanks (Frühling) thuat die Bleamln wohler. So steig halt ab. Und du, Bua, halt mir dös Bleaml in Ehrn und moans guat damit, sunst soll di der Teuxl holn!«

Friedl half dem Mädchen vom Wagen und wollte dem Boten ein Geldstück als Lohn geben; dieser aber wies es zurück.

»Warum denn nit gar,« sagte er. »Bhalt dei' Geld – und wenn i vom Franzei nix Guats über di hör' am nächsten Samsta, wenn i wieder auf Mittenwald fahr, so paß auf, was i dir anthua. Und also pfüat Gott, liabs Deandl.«

Franzei grüßte den gemütlichen Mann noch einmal und der Wagen fuhr ohne sie davon.

Jetzt gab ihr Friedl zum Willkomm seinen Alpenstrauß.

259 »O, die schön Bleameln!« rief das Mädchen erfreut. »Gwiß hast es wieder brockt mit Gfahrnis! Mei', i bin in so viel Angst um di die ganz' Wochen über; es könnt' dir so leicht was passiern bei dem Holzg'schäft. Und na' hon i mi wieder g'ängstigt, was d' treibst, seit's d' aufg'standen bischt. 's Feiern thuat kon' guat, Friedl. Sag mir, was d' vorhast; i bin so viel in Angst um di.«

Hand in Hand gingen die beiden den Fahrweg entlang. Friedl war gerührt von der Sorge des Mädchens um ihn.

»Ueber mei' Zuakunft brauchst nit in Angst z' sei', liebs Deandl,« sagte er. »Die könnt gar nit prächtiga wern. I kann mir's gar nimmer anders denken, als mit dir z' leb'n.«

»Mir geht's woltern grad a so,« entgegnete die Tirolerin. »Mir ischt, als hätt' ma uns scho' kennt von Kindheit auf und als müßt i dir g'hörn bis zum Sterbn.«

»Dös sollst aa,« beteuerte Friedl, indem er zärtlich seinen Arm um Franzeis Nacken schlang. »Morgn kimmt mei' Vata, der muaß uns in Verspruch gebn. Thuat er's nit, so geh i furt mit dir in d' Fremd und gründ' mein' Hausstand auf eig'ne Faust, denn i hon itzt 's Arbeten glernt und wer arbet, geht nit z' Grund.«

»Friedl, dös schlag dir aus'n Kopf. Ohne den Segen von dein' Vata und mein' Oedl möcht' i nit mit dir gehn; aber wenn dös der Fall, geh i hin, wo's d' willst, bis ans End der Welt. Kann dir a treue Liab 's Lebn schö' macha, so glaub mir's, daß's koa' Schöners giebt für di, für mi. Plag und Arbet will i gern mit dir teiln, sunst kann i dir nix mitbringa. I bin ja arm, recht arm.«

»Was liegt da dran!« rief Friedl. »Gott sei's gedankt, 260 i krieg so viel, als wir braucha. Dös soll di nit kümmern. Du haltst mi für arm, i bin's nit.«

»Nit? Und machst an' Knecht, an' Holzer, an' Bleamelbrocker?«

»Er macht schon noch was anders!« rief plötzlich eine rauhe Männerstimme. Es war der Förster von Vorderriß, der, hinter einem Gebüsche stehend, den Augen des Liebespaares verdeckt war, nunmehr aber mit gespanntem Gewehre vortrat.

»Kerl, rühr' dich nicht vom Fleck, sonst kriegst a Kugel in Leib!« rief er dem erstaunten Friedl zu.

»Jessas Maria!« schrie Franzei auf. »Friedl, was ischt's mit dir?«

»A Wilddieb ist er,« sagte der Förster, »a Streuner, ohne Zweifel a Schlingenleger. Von daher sein Geld. Aber wart, heut wird aufg'räumt mit euch Gesindel!«

Friedl erholte sich bald wieder von seinem Schrecken.

»Herr, ös irrts Enk,« sagte er; »i bin koa' Wilderer.«

»So? Bist nicht grad vorhin mit 'n Halsenblasi beisammen g'wesen oben im Einkehrhaus. Der is nur herkommen, um uns sicher zu machen. Ganz bestimmt ist er mit im Spiel bei dem Wildtransport, der heut auf einem Floß stattfinden soll. Gesteh's ein! Ist der Halsenblasi beteiligt?«

»I kenn 'n Halsenblasi gar nit,« sagte Friedl, »und im Wald hon i nix tho', als Holz g'arbet und höchstens Bleameln brockt.«

»Und hast rumspioniert schon die ganze Wochen,« fuhr der Förster fort. »Meinst, wir haben gar keine Notiz von dir genommen. Laufst ja rum, wie a Jagdhund, der sein' Herrn sucht. Z' Mittenwald warst, in der Hinterriß warst, 261 dann wieder draußen z' Wallgau und in den Waldungen hinten.«

»Weil i halt Bleameln brockt hon,« sagte Friedl verlegen, »aus koan andern Grund. Da sehgt's es; für die da hon i's brockt.«

»Sag lieber, weil d' 'n Halsenblasi und seine Spießg'selln spioniern hast helfen.«

»So fragt's 'n halt, 'n Halsenblasi. Warum verarretierts 'n denn nit?«

»Er ist beobachtet und soll uns die andern in die Falle locken samt dem Wild. Du weißt es ganz gewiß, wohin die drei Stück Hochwild versteckt worden, die 's gestern g'schossen hab'n.«

»I woaß ganz g'wiß von nix, Herr Förster,« beteuerte Friedl. »Und überhaupt, dös wird mir itzt scho' z' dumm; i laß mi nit schlecht machen aufs gradwohl hin. Moants, weil i a schlechts Gwant anhab, dürfts mi schikaniern. I hoaß Gottfried Leitermann. Oes därfts mir scho' nachfragn, Oes werds nix Unrechts von mir hörn.«

»Herr Förschta,« bat jetzt Franzei, »laßts dengerscht mein' Buam in Fried. Der ischt brav und was er sagt, ischt wahr.«

Da sich Friedl erst auf die richtige Antwort besann, antwortete das Mädchen statt seiner: »Aus'n Chiemgau ischt er z' Haus. Als Knecht hat er si' in Lenggries verdingt ghabt und mir z' liab ischt er a Holzarbeiter am Scharfreiter worn; mir z' liab hat er sei' große Roas' aufgeb'n, die er angfangt hat.«

»Was für eine Reise?« fragte der Förster.

»Auf Rom,« entgegnete Friedl.

262 »Du siehst grad aus, als wenn 's d' nach Rom reisen wollt'st! Was hätt'st denn in Rom gethan?«

»Zu mein' Göden wär i.«

»So? Was is denn dei' Göd?«

»A Kardinal.«

»O du durchtriebener Mensch, du!« schrie der Förster erzürnt. »Wart nur, solche Antworten wird man dir vertreiben. Wo bist du her?«

»Von Lenggries.«

»Das ist schon der erste Haken. Zum Dirndl sagst, aus 'n Chiemgau und zu mir aus Lenggries.«

»Aus 'n Chiemgau bin i gebürti, aber in Lenggries hon i zur Zeit mei' Hoamat,« erklärte Friedl.

»Bist dort Knecht g'wesen, oder wo?« examinierte der Förster weiter.

»Knecht bin i eigentli nit gwen.«

»Was denn?«

»I bin halt meine Eltern eana Sohn gwen –«

»A Lump bist g'wesen und bist es noch!« brauste der Förster auf, der sich von dem Burschen verhöhnt glaubte. »Auf'm Gericht werden's es schon rausbringen,« fuhr er fort. »Du bist ein höchst verdächtiger Mensch. Ich arretier dich wegen Verdacht des Wilderns. Marsch!«

»Himmlischer Vata!« rief Franzei. »Herr Förschta seid's gnädi! O mei' Friedl, was hast mir antho'! I hätt' mei' Hand für di ins Feuer g'legt, daß d' brav und ehrli bischt! I hon di so gern g'habt –«

»Also hast mir dei' Liab gnumma?« rief Friedl, der im Bewußtsein seiner Unschuld eine große Kaltblütigkeit an den Tag legte.

»Na', na', die nimm i dir nimmer, mei' Bua!« rief 263 Franzei weinend, »die g'hört dir und bleibt dir auf ewi; von mir aus magst sei', wer's d' willst.«

Der Förster sah das Mädchen nicht ohne Rührung an.

»Franzei, du bist a brav's, a ehrlichs Deandl,« sagte er. »Sei stolz und wirf dei' Liab kein' solchen Loder nach, der dir grad so untreu wird, wie er's der Ehrlichkeit und Wahrheit worden ist.«

»Halt dein' Glaub'n an mir nur fest,« sagte Friedl zu dem Mädchen. »Drent in der Mühl is mei' Sunntagwand und mei' Paß, mit dem i hätt' auf Rom roasen solln. Wenn den der Herr Förschta lest, wird er scho' an' andere Ansicht krieg'n.«

Da sie während der ganzen Verhandlung auf der Straße weiter gegangen, waren sie jetzt in die Nähe der Brücke gekommen.

Ein im Gebüsche versteckt gewesener Jäger trat zu dem Förster heran und flüsterte ihm leise etwas zu. Dieser gab seinem Untergebenen Befehl, Friedl in die Interimsstube im Forsthause zu führen und dann schnellstens wieder zurückzukommen.

»Vorwärts!« sagte er dann zu seinem Arrestanten. »Du gehst mit dem Jäger da und 's Weitere wird sich finden.«

»Friedl, pfüat di' Gott!« rief Franzei weinend.

»Sei ohne Sorg!« tröstete sie Friedl. »Sag 'n Sagknecht, er soll mir mei' Taschen und mei' Gwand bringa und morgen fruah kimmt mei' Vata und mei' Schwester, da wird si' alles aufklärn. Vertrau auf mei' Liab. Morgn im Klösterl sehgn ma uns wieder!«

Er entfernte sich mit dem Jäger. Der Förster aber 264 suchte in gedeckter Stellung den Rißbach aufwärts zu kommen.

Franzei war trostlos. Sie folgte dem Geliebten über die Brücke nach und als er mit dem Jäger den Gangsteig zum Forsthaus hinaufstieg, sandte sie ihm ihren mit Thränen umflorten Blick nach. Friedl grüßte einige Male zurück.

Jetzt war er ihren Blicken entschwunden. Weinend wollte sie sich soeben in die Mühle begeben, als der Halsenblasi neben ihr stand.

»Warum verarretierns denn den Burschen?« fragte er.

»Weil 'n der Förschter in Verdacht hat, daß er's mit an' Wilderer hat, mit 'n Halsenblasi.«

»Dös is a ganz falscher Verdacht, auf Ehr und Seligkeit. Haben's ebba gar 'n Halsenblasi auf der Muck?«

»Woll, woll. Er soll ja drei Stuck Hochwild g'wildert habn.«

»Dös wissens?« rief der Wilderer erschrocken. »Hast nix g'hört von an' Floß?«

»Ja, mir scheint, auf den warten's.«

»Alle Teufel!« fluchte Blasi, »was für a Hund hat uns verraten!«

Ohne sich weiter um das Mädchen zu kümmern, eilte er am Ufer aufwärts, um den Genossen irgend ein Zeichen von der drohenden Gefahr zu geben. Franzei aber begab sich in die Mühle, vor welcher der alte Oedl schon ihrer harrte.

»O mei' Oedl! Der Friedl! Der Friedl!« rief sie schluchzend.

»Ja gel, der hat si' für was ganz anders ausgeb'n, als er ischt,« entgegnete der Alte.

265 »I kann's nit glauben!« rief Franzei.

»'s ischt aber dengerscht a so,« bestätigte der Großvater. »Aber woana brauchst dernthalben nit; i moan schier, du machst a rechts Glück. Woll, woll!«

»A Glück?« fragte das Mädchen mit bitterem Lächeln.

»Er ischt a reicher Bauernsuhn und – hat er dir's denn nit g'sagt?« fragte der Alte, als ihn seine Enkelin verwundert anblickte.

»A Wilderer soll's sei', hat der Förschter g'sagt,« erzählte Franzei. »Aber er ischt unschuldi, ganz gwiß ischt er unschuldi; er hat mir's selba g'sagt.«

»Wenn's der Friedl Leitermann von Lenggries ischt, so ischt er a reicher Bauernsuhn –«

»Ja, so hoaßt er,« fiel ihm Franzei in die Rede. »Ob er aber arm oder reich ischt, dös ischt mir oans, wenn er nur wieder frei wär. Sie hab'n 'n ja als Wilderer arretiert.« Wieder schluchzte sie laut.

»Gehn ma hoamzua,« beschwichtigte der Alte. »Morgn, wenn der Angerbauer kimmt, wird si's ja zoagn, was er ischt, a Wilderer, a ehrlicher Bursch oder a Maulmacher. I glaub 's letztere.«

»Und i glaub, daß er der ehrlichst' Bursch ischt von der ganzen Welt,« beteuerte das Mädchen. Dann suchte es den Sägknecht auf und richtete ihm Friedls Auftrag aus. Dieser bestätigte ihr gleichfalls, daß er kein armer Arbeiter, sondern der Sohn des angesehenen Angerbauern von Lenggries sei, der gewiß niemals gewildert habe.

Die letztere Nachricht beruhigte die junge Tirolerin einigermaßen über Friedls Schicksal; dafür bedrückte es ihr das Herz, zu wissen, daß er reich sei. So wanderte sie in großer Aufregung neben ihrem Großvater der Oswaldhütte 266 zu. Friedls Alpenblumenstrauß hielt sie in der Hand. Sie blickte oft fragend nach den roten Blüten, es war ihr, als ob diese ihren Mut und ihr Vertrauen stärkten; eines aber fühlte sie sicher bei ihrem Anblick, daß Friedl sie liebte – treu und wahr.

Ein schmaler Floß, welcher auf dem hochgeschwollenen Rißbache eilig daherschoß, störte sie in ihrem Gedankengange. Wenn das der von den Forstleuten erwartete Floß wäre, warum sollte sie den Flößern keine Warnung zukommen lassen? Nahm sie ja doch unwillkürlich Partei für die Leute, zu denen Friedl, ob mit Recht oder Unrecht, gezählt wurde. Sie winkte deshalb mit beiden Händen und gab das Zeichen zum Landen. Dies geschah unter vielen Kraftanstrengungen etwas weiter unten, wo der Rißbach eine kleine Kurve macht. Der alte Pechler, der es ganz in der Ordnung hielt, daß man die Leute warne, ließ Franzei gewähren und diese eilte zu den Flößern und benachrichtigte sie von der ihnen drohenden Gefahr.

»Vergelt dir's Gott!« rief einer der Wilderer.

Franzei entfernte sich rasch und ging mit ihrem Großvater der Oswaldhütte zu.

Inzwischen war auch der Halsenblasi, der einen weiten Umweg gemacht, um den Forstleuten nicht in die Hände zu laufen, zur Stelle gekommen.

»'s Wild raus!« rief er schon von weitem den Genossen zu und diese schleppten die erlegten Hirsche ans Ufer. Dann nahm jeder der Männer ein Stück über den Nacken und sie stiegen mit ihrer Beute so rasch als möglich und mit rüstiger Kraft zum Joche des Krametsberges und des Scharfreiters hinauf, um sie in das Dürrenbachthal hinab in Sicherheit zu bringen. Die einbrechende Dämmerung 267 kam ihnen dabei sehr zu statten. Der Floß aber, den sie nicht festgebunden, wurde von der Strömung wieder ergriffen und zur Vorderriß hinabgetrieben.

Hier hatten sich zu beiden Seiten des Rißbaches die Forstleute und Grenzwächter aufgestellt, ebenso an der Wehr. Wie waren sie aber überrascht, als sie den Floß ohne Bemannung herantreiben sahen. Nachdem sie das Fahrzeug beim Wehr aufgefangen und durchsucht, mußten sie sich überzeugen, daß außer den Brettern, abgeriebenen Haaren und dem Schweiß des Wildes nichts weiter zu finden war. Sofort eilten sie nun zur Verfolgung der Wilderer, welche einer der Grenzaufseher gegen den Krametsberg zuflüchten sah, und es begann eine Art Hetzjagd. Oben auf einem Felsensteig glaubten sie noch einen der Flüchtigen zu sehen und da er auf ihren wiederholten Zuruf nicht anhielt, feuerten sie nach ihm, ohne ihn zu treffen. Die Wilderer hatten einen zu weiten Vorsprung. So konnten sie sich retten und sie entkamen glücklich. Der Ameisenhexe hatten sie dies zu verdanken.

Franzei erfuhr noch an demselben Abend, daß die Rettung gelungen. Sie sagte sich's wohl, es war kein gutes, aber ein menschliches Werk. Ihrer Warnung war es zu danken, daß kein Menschenleben zum Opfer gefallen. Der Lohn, so hoffte sie, würde ihr morgen in der Hinterriß gewiß werden durch die Erfüllung von Friedls Worten: »Morgn im Klösterl wird alles recht wern. Vertrau auf mei' Liab!« Und sie vertraute. – 268


 << zurück weiter >>