Maximilian Schmidt
Die Ameisenhexe
Maximilian Schmidt

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II.

Wohl brachte jeder Schritt seinen Körper in dem von hohen, bewaldeten Bergen eingefaßten Isarthale vorwärts, sein Geist aber blieb an einen Ort zurückgebannt, der verweilte in der Hinterriß bei seinen Nelken, bei der schönen Tirolerin. Wenn er sie nur um ihren Namen gefragt hätte! Es war ihm, als zöge ihn eine unsichtbare Macht bei jedem Schritte wieder zurück; je weiter er sich von der Riß entfernte, desto wehmütiger ward ihm zu Mute; ein förmliches Heimweh ergriff ihn, nicht nach Eltern, Schwester und Braut, sondern nach dem fremden Mädchen.

Er wußte sich's nicht zu deuten, wie das alles so kam, wie rasch sich sein Herz an eine Fremde ketten konnte, welche er erst vor wenigen Stunden zum ersten Male gesehen und nur flüchtig kennen gelernt hatte.

So schritt er nur langsam fürbaß und wie träumend kam er nach etwa dreistündiger Wanderung auf der Höhe von Wallgau an, welche die Isar von dem Zuflusse des Walchensees scheidet. Hier bietet sich dem erstaunten Auge ein Gebirgsbild dar, wie es herrlicher und großartiger nirgends mehr zu finden ist. Hellstes Sonnenlicht war über das weite Thal des dunkelgrünen Isargrundes ausgebreitet, über die Riesenmasse des hehr und erhaben in die blauen Lüfte aufsteigenden Karwendels und die mit finsterem Trotze über grüne Hänge herüberblickenden, nackten Rippen des 228 Wettersteins, während durch die Lücke, welche den Karwendel vom Wetterstein scheidet, der Scheitel eines schimmernden Tirolergletschers hereindämmerte.

Friedl betrachtete staunend dieses entzückende Bild. Wieder gedachte er der heutigen Rede seiner Schwester. O, wäre sie jetzt neben ihm, wie würde sie dieser Anblick ergötzen! Er sah mit ihren Augen, er dachte mit ihrem Geiste. Doch war es ihm, als ob gleich den hellen Sonnenstrahlen die Erinnerung an das Tirolermädchen in der Hinterriß ihm alles ringsumher verkläre, denn noch niemals war ihm die Welt so schön erschienen, noch niemals sprach all die Herrlichkeit so eindringend, so wohlthuend zu ihm, noch niemals rührte sie sein innerstes Gemüt so, wie heute.

Vom Wirtshause des schönen Dorfes tönten lustige Klänge; frohes Jauchzen tönte herauf. Rasch war Friedl entschlossen, dort Einkehr zu halten, sich nach dem heißen anstrengenden Marsche zu erquicken und mit den Fröhlichen fröhlich zu sein. Prächtige Menschen waren im Wirtshause versammelt, junge Burschen und Deandln, alle in der schmucken Gebirgstracht, alle heiter, die Alten, wie die Jungen, und die fünf Musikanten spielten so einschmeichelnde Weisen und Tänze, daß niemand widerstehen konnte. Die Alten wiegten den Kopf nach dem Takte und schnalzten mit den Fingern, die Jungen drehten sich auf dem grünen Rasenplatz im Garten im ruhigen Ländler und aufregenden Schuhplattler.

Friedl hatte an einem einsam stehenden Tische Platz genommen und sah mit Vergnügen dem lustigen Treiben zu. Der Wirt, ein leutseliger Mann, gesellte sich alsbald zu ihm und lud ihn ein, sich an der allgemeinen Lustbarkeit zu beteiligen. Er fragte Friedl, wohin seine 229 Wanderschaft ginge; der aber gab als sein Ziel vorerst nur Mittenwald an.

Im Laufe des Gespräches erfuhr Friedl, daß die meisten der anwesenden Burschen Holzarbeiter seien, die drinnen in der Riß das durch den Windbruch am Hange des Scharfreiters zu Boden geschleuderte Holz aufzuarbeiten hätten, und der Wirt fügte hinzu, daß trotz des guten Verdienstes großer Mangel an Arbeitern sei.

Friedl fühlte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg, als er von der Riß und den Waldungen des Scharfreiters hörte. Dort war das Revier der schönen Tirolerin. O, die glücklichen Holzarbeiter! Sie konnten in ihrer Nähe sein, konnten sie sehen!

»I wollt, i wär aa r a Holzarbeiter drin am Scharfreiter!« sagte er fast unbewußt, mehr zu sich selbst, als zum Wirte.

»Wenn d' dös willst, bist es schon,« erwiderte der letztere; »durt, an dem Tisch drenten sitzt der Holzmoasta – an' oanzigs Wörtl und du bist eing'stellt. Probier's auf acht Tag; wenn's dir nit taugt, gehst wieder.«

»Auf acht Tag?« meinte Friedl. »Dös is gar nit zwider!«

Seine Züge heiterten sich zusehends auf. Er dachte, Rom laufe ihm nicht davon, was liege daran, ob er acht Tage früher oder später dorthin käme. So gerne möchte er vorher die schöne Tirolerin noch einmal sehen, ihren Namen erfragen und dann – ja, was dann? Das wußte er nicht.

Auf sein geäußertes Bedenken, daß er weder Arbeitsmontur, noch Arbeitszeug habe, meinte der Wirt, daß alles um Geld und gute Worte zu beschaffen sei, versprach ihm, 230 Ranzen und Geld so lange zu verwahren, als er auf der Holzstube sei und da Friedl mit allem einverstanden war, rief er den Holzmeister herbei, der den jungen, wenn auch nicht besonders kräftig aussehenden Burschen gerne unter seine Arbeiter aufnahm.

Friedl war seelenvergnügt über sein erstes Reiseabenteuer, das ja von selbst gekommen, wie sein Vater richtig vorhergesagt. Dessen Rat, dabei klug zu sein, befolgte er ja auch, indem er einem Herzenswunsche nachkam und dabei Geld verdiente, was bis jetzt bei ihm noch nie der Fall gewesen. Er war jedoch vorsichtig genug, seinen jetzigen Wohnort nicht zu nennen, sondern nur den früheren im Chiemgau anzugeben.

Gleich den anderen Burschen vergnügte auch er sich dann mit Gesang und Tanz und als er sich zu Bett legte, glaubte er kaum den morgigen Tag erwarten zu können, der ihn wieder in die Nähe des fremden Mädchens bringen sollte.

Frohgemut zog er beim Morgengrauen mit den übrigen Arbeitern quer über einen Sattel des Soierngebirges nach dem Rißthale und nach dem Reviere des Scharfreiters. Er teilte die ihm ungewohnte und beschwerliche Arbeit, wie jedes Ungemach mit den übrigen, schlief mit ihnen in dem flüchtig aus unbehauenen Stämmen zusammengefügten Blockhaus, der Holzstube, nur wenn abends Rast gemacht wurde, entfernte er sich von den anderen, um kreuz und quer den Wald zu durchstreifen, da er hoffte, es würde ihm gelingen, einmal der reizenden Tirolerin mit ihrem Großvater zu begegnen.

Mehrere seiner Kameraden stellten ihn herüber zur Rede und warnten ihn halb ernsthaft, halb scherzweise vor 231 den Waldweiblein oder Holzfräulein, die ganz in graues Baummoos gekleidet sind und alte, runzelige Gesichter haben. Ihr Leben ist an das Leben der Waldbäume gebunden und sie wohnen in hohlen Bäumen, schenken grünes Laub, das sich in Gold verwandelt und spinnen das zarte Miesmoos, das oft viele Schuh lang von einem Baume zum andern gleich einem Seile hängt. Sie sind keine Freunde der Holzhauer und wehe diesen, wenn sie es unterlassen, auf den Baumstamm mit scharfer Axt drei Kreuze einzuhauen, so lange der Schall des fallenden Baumes noch hörbar ist, denn auf diese Stöcke setzen sich die Waldfrauen, wenn der wilde Jäger in Sturm und Ungewitter durch die Wipfel des Waldes dahinsaust und die Waldweiblein und ihre Männchen vor sich herhetzt.

Wollen sich diese Holzfräulein an einem Holzhauer rächen, so verwandeln sie ihr altes Gesicht in ein jugendliches, das demjenigen der Geliebten des Burschen ähnlich ist, und locken ihn an eine Felswand, die sich sofort öffnet, aber auch gleich wieder und zwar für ewig hinter ihm schließt, wenn er so unvorsichtig war, dem Waldweiblein zu folgen.

Friedl lachte über diese Erzählung, gleichwohl unterließ er es nicht, die drei Kreuze in den Baumstumpf zu hauen und sich so gegen die Feindschaft der Waldgeister zu feien. Um so weniger nahm er Anstand, oft noch in der Dämmerung im Walde herumzustreifen und den Ameisler mit seiner schönen Enkelin zu suchen.

Da sah er einmal, als er wieder nach Feierabend allein zu Thal stieg, plötzlich vor sich eine hexenähnliche Erscheinung in grauem, zerlumptem Gewande und grauem Kopftuch, einen großen vollgepackten Sack über der Schulter tragend 232 und beim Gehen den Bergstock fest auf den Boden stoßend.

Friedl ward es eigentümlich zu Mute. Natürlich gedachte er sofort der Sage von den Waldweiblein, aber er war sich keines Fehlers gegen dieselben bewußt und dann fehlte ihm doch auch wieder der Glaube daran. Doch hielt er es für alle Fälle gut, mit einem christlichen Gruß sich bemerkbar zu machen. Deshalb rief er, als er der sonderbaren Gestalt ganz nahe war:

»Gelobt sei Jesus Christus!«

Dann wandte sich diese um, und wer beschreibt das Erstaunen Friedls, als er das jugendlich schöne Gesicht der so sehnsüchtig gesuchten Tirolerin auf sich gerichtet sah.

»In Ewigkeit Amen!« erwiderte sie.

War das Hexerei, war es Wirklichkeit?

Dem Friedl galt das gleich.

»Ja, Deandl,« rief er, »bist es denn wirkli, die Tirolerin, die i am vorin Sunnta im Klösterl hint troff'n hab'?«

»Gel, da schaugst, daß d' mi als Hex siehgst?« lachte diese, sichtlich darüber erfreut, den Burschen wieder zu sehen, der es auch ihr mit den roten Nagerln angethan hatte.

»Fürchst dir ebba gar vor mir?« fragte sie dann.

»Na', g'wiß nit!« versicherte der Bursche. »Aber sag mir nur, was hast denn in dem Sack drin?«

»Woaßt denn nit, daß i a Amashex bin? Amoasen san drin mit ihre Oar. Dös Sammeln is ja mei' Gschäft und hierbei kannst koa' saubers Gwanta braucha.«

Friedl mußte jetzt über sein erstes Erschrecken lachen. Er reichte dem Mädchen die Hand, welche diese erfaßte und ihm zugleich freudig in die Augen sah.

»Deandl,« sagte Friedl, »daß d' a Hex bist, dös woaß 233 i seit 'n Sunnta; aber du bist a guate Hex, der i mi ergieb mit Leib und Seel.«

»I kann mi nit verhalten,« entgegnete das Mädchen, »es pressiert ma', hoam z' kemma.«

»So muaßt mir 's erlaub'n, daß i dir den Sack hoamtrag; i bin stärker als du.«

»Dös schickt si' nit für an' Bauernsuhn,« meinte die Ameiserin. »Aber hör, du schaugst heunt aa nit grad nobel aus.«

»Ja no', i bin a Holzarbeiter d'robn am Scharfreiter, da ziagt ma' halt aa koa' Sonntagsgwand an.«

»So bischt du grad der Knecht von dem Bauern gwen, mit dem's d' am Sunnta vom Klösterl wegg'fahr'n bist?«

»Natürli, so is's!« log Friedl; »i bin grad a Knecht.«

»Schau, i woaß's gar selber nit, warum mi dös g'freut, daß d' koa' Bauernsuhn bischt,« sagte das Mädchen, »daß d' aa grad a Arbeiter bischt, so wie i; itz denk i mi leichter zu dir hin. Jeß, was schwatz i dumm's Zeug!«

»Schwatz nur zua!« antwortete Friedl, den Sack von der Schulter des Mädchens nehmend und auf die seinige ladend. »I trag dir den Sack und du plauderst mir was vür. Vor allem sagst ma', wie 's d' hoaßt?«

»Franzei hoaß i,« erwiderte das Mädchen, »Franziska Gruber aus Seefeld. D' Eltern san mir scho' früah g'storb'n, Gott tröst's! und der alt' Oedl ischt mei' oanzige Verwandtschaft auf der Welt. Er hat mi aufzog'n und so ischt's mei' Pflicht, daß i eam Beistand leist' in sein G'schäft beim Sammeln und Verkaafa von die Amoasenoar. Wir bleib'n nur so lang in der Riß, bis ma' die ganz Waldung 234 abg'suacht hab'n und nix mehr finden. Drauß in der Oswaldhütten an der Straß' ischt unsa Hirwa. Alle Samsta bring i die Amasoar mit 'n Tölzer Boten eini auf Mittenwald, wo i 's an an' Handler verkauf. So gwinna ma' 's Geld für unsern Unterhalt. Aber itz sag mir, wie du hoaßt und wo 's d' herkimmst?«

»Friedl is mei' Nam',« entgegnete der Bursche. »Vom Chiemgau kimm i her und – da bin i mit mein Herrn und seiner Tochter ins Klösterl g'wallfahrt, auf daß mi d' Himmelmuatta b'schützen sollt auf ara weitmächtigen, großen Roas', die i machen soll. No' ja, da hon i di g'sehgn, Franzei – und nacha bin i furtg'roast. Bin aber nit weita kemma, als bis auf Wallgau außi.«

»No', die Roas' is nit weitmächti gwen,« meinte die Tirolerin lachend. »Warum bischt denn wieder umkehrt?«

»Warum?« fragte der Bursche, nicht ganz ohne Verlegenheit, entgegen. »Ja woaßt, i geh halt gar so gern auf d' Holzarbet und weil i in Wallgau mit Holzern zamtroffen bin, hon i mir denkt, gehst mit eana hintri zum Scharfreiter Windbruch, vodeanst dir a bißl a Geld, und kunnt sei', hon i mir denkt, daß ma' dös Deandl no'mal unter d' Hand kaam, dös mir am Sunnta im Klösterl so viel g'fall'n hat, daß i 's gar nit dasag'n kann. Wart, da seh i schöne, rote Almarösln. Du hast a Freud mit die Bleameln, i hol dir an' Buschen.«

Er warf den Sack ab und näherte sich dem Felsen, von dem die roten Blüten freundlich grüßten. Ein Wildbach zwängte sich durch eine schmale, klammähnliche Schlucht, der Rand war bewachsen mit den schönsten Blüten, aber sie zu erlangen, war sehr gefährlich. Trotzdem hatte 235 Friedl rasch einen Buschen gepflückt und ihn dem Mädchen übergeben.

Franzei dankte ihm erfreut und sichtlich beglückt. Schweigend gingen sie dann auf dem Felsensteig nebeneinander dahin.

»Gieb acht!« rief das Mädchen plötzlich, »der Steig ischt da g'fährli. Schaug nit alleweil mi an, sundern auf 'n Weg; es geht tiaf awi auf der linken Seit', 's kunnt leicht an' Unglück passiern.«

»Hast Angst um dein' Amoasensack?« fragte Friedl lachend.

»Um di hon i Angst,« bekannte das Mädchen freimütig. »Aber itz ischt dei' Plag z' End, wir san an unserm Ziel. Wirf 'n Sack nur ab.«

Sie waren auf einen freien Platz hinausgetreten, über welchen ein vom Scharfreiter herabkommender Bergbach in gerölligem Bett zur nahen Riß hinabstürzte.

»Und was g'schieht itz?« fragte Friedl.

»Dös sollst glei' sehgn,« erwiderte das Mädchen, »was d' Amashexen für a Hexerei vollbringn.«

Und sie belehrte ihn und ließ ihn Einblick nehmen in das Geschäft der Ameiseneinsammler. Dieselben suchen sich fürs erste einen Ort mit fließendem Wasser aus. An dessen Rand wird eine kleine Fläche mit einem seichten Graben umgeben und in diesen das Wasser ein- und herumgeleitet, so daß es beim Ausgang wieder ins alte Bett fließen kann und gewissermaßen eine Insel gebildet ist. In der Mitte dieses so abgeschlossenen Platzes werden eine oder mehrere Gruben von Handhöhe gegraben, die mit Taxen zugedeckt werden, damit es darunter kühl und schattig ist. Der Platz 236 muß sich überdies in sonniger Lage befinden, gewöhnlich nicht zu weit von der Wohnung entfernt.

Dann gehen die Ameiser in den Wald, wo sie schon ihre bestimmten Bezirke haben, von denen sie wissen, daß daselbst viele Ameisen sind. Ihr Werkzeug ist eine Schaufel oder Kelle und ein leinener Sack. Durch grobe Handschuhe schützen sie sich vor den Bissen der beraubten Tiere. Schon Morgens um zwei oder drei Uhr brechen sie auf, da sie oft einen sehr weiten Weg machen müssen, um ihre Beute zu finden. Treffen sie nun auf einen geeigneten Ameisenhaufen, so streifen sie zuerst vorsichtig mit der Schaufel oder einem Stück Holz die aus Nadeln gebildete Oberdecke hinweg und schöpfen dann mit der Schaufel das ganze Nest in den Sack. Haben sie so mehrere Haufen ausgenommen, was in der Regel bis Mittag dauert, dann gehen sie zu dem bestimmten Platze und schütten dort die Ameisen mit den Eiern aus. Kaum ist dies geschehen, so sind auch schon die Ameisen in vollster Thätigkeit, um die Eier in die mit Taxen zugedeckten Gruben zu tragen. Es ist wirklich rührend, mit welcher Geschäftigkeit diese Tierchen die anvertraute Brut so schnell als möglich in Sicherheit zu bringen suchen. Aber die armen Geschöpfe arbeiten ihren Räubern in die Hände. Gegen Abend werden die gesammelten Eier in das mitgebrachte Behältnis geschüttet, der Eingang des Wassergrabens wird verstopft, damit die betrogenen Tierchen nicht wieder abziehen können, insoferne sie nicht mit den Hinterfüßen im Schlamme kleben bleiben.

Zu Hause angelangt, werden die Eier auf einem Leintuche ausgebreitet und von den anhängenden Nadeln gereinigt. Um die noch mitgebrachten Ameisen wegzubringen, 237 wird noch ein Tuch darüber gedeckt, welches etwas rauher ist und an das sich die Tierchen sofort hängen. Sie werden entfernt, indem man die Decke in einiger Entfernung ausschüttet. Hierauf werden die Eier auf länglichen Brettern ausgebreitet und auf dem gedeckten Söller des Hauses, der sogenannten Sommerlaube, an der Sonne gedörrt. Diese gedörrten Eier werden dann in einem Korbe in die größeren Ortschaften gebracht und »masselweis« oder »Löffel voll« als Vogelfutter verkauft. Der Erlös ist ein ziemlich guter, so daß die Dirnen auf ihren Sonntagsschmuck, in welchem man schwerlich die »zuseligen Amashexen« wieder erkennen dürfte, manches Stück Geld verwenden können.

Friedl hatte mit größtem Interesse dem Thun und Treiben der Fremden zugeschaut und freute sich dabei ihres fröhlichen Geplauders. Diese hatte die Eier in eine große Schachtel geschöpft, welche sie in einer Staude versteckt gehalten hatte und war nun im Begriffe, mit ihrer Beute den kurzen Weg zur Oswaldhütte anzutreten, vor welcher sie bereits den alten Großvater stehen sah, der erwartungsvoll nach ihr auszublicken schien.

»Der Oedl wart scho' auf mi,« sagte Franzei, »i kann mi nimmer länger verhalten. I sag dir halt gelt's Gott, daß d' mir den Sack tragen hast.«

»Den möcht i dir gern alle Tag trag'n,« entgegnete Friedl; »sag mir nur grad, wo i di morg'n wieder find', denn du sollst es wissen, z'wegen dir ganz alloa hon i mei' Roas' aufgeb'n und bin a Holzarbeiter worn, damit i ohne Aufsehgn in dei' Nähe kemma bin. Itz, wo i di g'funden hon, verlaß i di nimmer. Franzei, sag mir 's, wo i di morg'n im Wald wieder treffen kann.«

238 »Und warum dös?« fragte das Mädchen errötend.

»Warum? Muaß i dir's erst sag'n, daß i di gern hon, daß d' mi überall hin verfolgst, wo i bin, bei Tag und bei Nacht und daß 's mi hinziagt zu dir, wie r 'n Sturzbach ins Thal.«

»Siehgst nit dös Unheil, dös der Sturzbach anricht'?« erwiderte Franzei ernst. »Schaug, wie er d' Baam umreißt und 's Erdreich mitnimmt, wie er alles ringsum vermurrt (mit Sand und Geröll bedeckt), wo früher 's Gras g'wachsen ischt und Bleamln blüaht hab'n. Friedl, i sehg dir's an, i glaub dir's, i möcht sag'n, i g'spür's völli, wia guat daß d' ma' bischt, aber wenn dir's wirkli a so ischt, so bitt i di um oans: versprich mir, daß d' thuast, was i hab'n will.«

»D' Hand drauf im voraus!« rief Friedl, dem Mädchen die Hand reichend und ihr dabei mit aller Liebe in die dunklen Augen schauend.

»So verlang i von dir, daß d' mi niermals mehr im Wald aufsuachst. Willst mit mir zamkemma, so findst mi alle Feiertag drin im Klösterl in der Hinterriß. Durt vor alle Leut gieb i dir Red und Antwort, da lernst aa mein' alten Oedl kenna und mi wird's g'freu'n, wennst di nit scheust, die arm' Amashex anz'red'n – aber im Wald nimmer – versprich mir dös.«

»Du willst es a so hab'n,« entgegnete Friedl, »so muaß i dir zuastimma, ungern freili, aber dei' Will'n is mir heili. Am Sunnta bin i drinn im Klösterl; bis durthin denk i an di Tag und Nacht.«

»So pfüat di Gott, Friedl. Aa mei' ganz's Denken bleibt bei dir. Pfüat di Gott!«

Rasch zog sie ihre Hand aus der seinen und eilte davon.

239 Friedl war erst im Begriffe, ihr nachzufolgen, doch besann er sich sofort eines Besseren. Ihre letzten Worte bereiteten ihm einen ganzen Himmel. Er wollte sein Versprechen nicht brechen, wollte sich, so hart es ihm auch fiel, gedulden bis zum nächsten Feiertage. Aber einen kräftigen Juhschrei sandte er der sich Entfernenden nach, die denselben zu seiner unaussprechlichen Freude auch sofort erwiderte.

»Und geht's, wie da will,« rief er jubelnd aus; »i brauch koan Dispens von Rom; 's Franzei wird die mei'!« 240


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