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Neunzehntes Kapitel

Unterdessen hatte Otto erfahren, daß Zormerin wieder in Konstantinopel bei ihrem Vater lebte, er schickte also eine sehr große Gesandtschaft zum König Orschier und ließ ihm entbieten, Lother von Frankreich sei tot, und wenn er seine Tochter Zormerin nun dem König Otto zur Frau geben wollte, so würde dieser einen Bund mit ihm schließen, und ihm mit aller Macht gegen die Heiden zu Hilfe kommen, und wenn Zormerin einen Sohn von ihm bekäme, so sollte dieser das ganze Königreich Lombardei erben.

König Orschier war mit diesem Vorschlag wohl zufrieden, nahm die Gesandten sehr wohl auf, und sandte sogleich nach König Otto. Dieser kam auch sogleich mit herrlichem Gefolge und mit solchem Reichtum, daß jedermann darüber sich verwunderte.

Zormerin war ganz in Verzweiflung, als ihr die Sache gemeldet ward, sie raufte ihr Haar aus, und zerschlug mit ihrer Hand das schöne Gesicht und den weißen Busen. O weh mir armen, elenden Frau, schrie sie; will mir denn Gott nicht aus dieser Not helfen? O Maria, Mutter Gottes, du reine Jungfrau, rette mich, daß ich nicht muß meinen Leib dem falschen Verräter hingeben, und meine Seele in Verdammnis komme! So schrie sie, betete und weinte gar jämmerlich. Synoglar, welche sich unter ihren Frauen bei ihr hielt, und sie sehr liebte, suchte sie zu trösten mit Liebe und sanften Worten, aber sie vermochte es nicht. Zormerin blieb untröstlich, und als König Orschier zu ihr schickte und ihr sagen ließ, daß sie vor König Otto kommen sollte, da ließ sie ihm zurücksagen, sie wäre sehr krank und könnte nicht erscheinen; legte sich auch wirklich ins Bett, denn sie fühlte sich sehr elend; nahm sich aber da im Herzen vor, wenn sie sollte zur Ehe mit Otto gezwungen werden, so wolle sie ihn töten, und sollte sie darum auch ihr Leben verlieren. Darauf rief sie Synoglar zu sich und sagte: Synoglar, ich möchte dir wohl einen Einfall vertrauen, den ich habe, und zu dessen Ausführung du mir helfen mußt, wenn du mir versprichst, mir treu zu sein und verschwiegen. – Redet, geliebtes Fräulein, erwiderte Synoglar, so helfe Gott mir und seine Mutter, wie ich Euch treulich helfen will, wollte Gott, Ihr hättet etwas gefunden, wodurch wir Euern Gemahl aus dem Gefängnis erlösten, denn nimmermehr glaube ich dem Schalk Otto, daß Lother tot sei. – Das ist es eben, fiel Zormerin ein, worin du mir helfen sollst. Geh hin, und rufe mir Otto her, sag ihm, ich sei zwar krank, aber nicht so sehr, daß ich ihn nicht gern sprechen sollte, denn ich liebte ihn heimlich, und die Liebe zu ihm verzehre mich ganz. Suche ihn von meiner Liebe ganz zu bereden, daß er sie fest glaubt und mit Zuversicht zu mir kömmt; ich will ihm dann mit List seinen Siegelring zu entwenden suchen, mit diesem einen Brief untersiegeln, den ich in seinem Namen an seinen Burgvogt zu Pavia schreiben will; darein will ich setzen, er solle sogleich Lother und die andern Gefangenen frei hinausgehen lassen. Ihr, Synoglar, müßt der Bote sein und den Brief dem Burgvogt nach Pavia bringen; habt Ihr dann Lother erst heraus ins freie Feld, dann sagt ihm die Wahrheit von allem, und gebt Euch ihm zu erkennen. – O geliebtes Fräulein, rief Synoglar, welch eine treffliche Erfindung habt Ihr ersonnen! Ich will auch sogleich hingehen und es ins Werk setzen. – Sie eilte zu Otto und richtete ihren Auftrag aufs beste aus. Eure unglückliche Flucht und Gefangenschaft, redete sie schmeichelnd zu ihm, und Lothers Sieg war schuld, daß Zormerin ihrem Vater gehorchen und Lother heiraten mußte, aber sie liebte ihn nie und liebte immer nur Euch, Herr Otto. – Otto ließ sich von diesen Reden betören und glaubte ihnen, denn er bildete sich ein, den Frauen wohl zu gefallen, und folgte der listigen Synoglar in Zormerins Zimmer. Hier begegnete ihm das böse Vorzeichen, daß er über die Schwelle stolperte und der Länge nach auf seinen Bauch so hart in das Zimmer hineinfiel, daß die Erde davon erdröhnte. Er stand beschämt wieder auf; Synoglar konnte sich des lauten Lachens kaum enthalten, Zormerin aber wünschte im stillen, daß er den Hals gebrochen hätte.

Darauf tat sie sich Gewalt an und rief ihn mit freundlicher Stimme zu sich, bat ihn auch schmeichelnd, daß er sich zu ihr aufs Bett setzen möchte. Er war ganz blind vor verliebtem Eifer, setzte sich zu ihr, und indem sie ihm von ihrer Liebe zu ihm klagte, und gar freundlich und lieblich mit ihm koste, er auch nicht wußte, vor großer Freude, wie ihm geschah, da griff sie nach einem seidnen Beutel, der an seinem Gürtel hing. Herr, fing sie an, was habt Ihr in diesem Beutel? Sind es schöne Ringlein, so wollte ich wohl eins davon haben, ich trüge es dann Euch zulieb an meiner Hand. – Nehmt daraus, schöne Zormerin, was Euch gefällt, sprach der entzückte Otto. – Da suchte sie lang in dem Beutel und zog ein kleines Ringlein heraus, das sie sich an den Finger steckte, zugleich aber stahl sie ihm den Siegelring, ohne daß er es merkte, indem er sie unverwandt mit seinen verliebten Blicken anschaute, und nicht achtgab, was sie tat. Zormerin war so froh, als sie den Siegelring hatte, daß sie guten Mutes und fröhlich mit ihm scherzte, und ihn völlig um seine Sinne brachte. Und da er sie sehr bat, daß sie ihn zum Gemahl annehmen möchte, da klagte sie ihm, wie sie sich jetzt zu krank fühle, sobald sie aber wieder gesund sei, wolle sie seine Gemahlin werden. Darauf ging Otto wieder von Zormerin zu König Orschier, der ihn zur Tafel hatte rufen lassen.

Zormerin blieb allein mit Synoglar, und nun machte sie sich gleich an den Brief. Sie schrieb ihn ganz so, als wenn der König an seinen Burggrafen einen Befehl ergehen läßt, unterschrieb Ottos Namenszug, und drückte sein Petschaft darunter. Darauf übergab sie ihn Synoglar, die sich, während jene geschrieben, als ein Botschafter angetan und ihr Pferd bereitet hatte, worauf sie sich sogleich mit dem Brief auf den Weg nach Pavia machte. Zormerin warf den Siegelring vor die Tür ihres Gemachs auf die Erde. Nach der Tafel ging Otto sogleich wieder zu ihr, da fand er ihn vor der Türe liegen; er hob ihn auf und meinte, er müsse ihn erst haben fallen lassen, da Zormerin den Beutel durchsuchend ihn nicht recht wieder zugemacht habe, und beunruhigte sich nicht weiter darüber, sondern ging wieder zur schönen Zormerin und sprach mit ihr von seiner Liebe. Sie redete freundlich mit ihm, aber ihr Herz war bei Lother.

Synoglar kam ohne Verhinderung zu Pavia an und ließ sich sogleich vor den Burggrafen führen, vor diesem kniete sie nieder, grüßte ihn im Namen seines Herrn, Otto, und übergab ihm den Brief. Als der Burggraf ihn durchgelesen, und seines Herrn Insiegel erkannt hatte, ward er der Botschaft sehr froh, denn er liebte den Lother sehr, er wußte auch wohl, daß er mit Unrecht gefangen lag. Er ging also mit fröhlicher Gebärde zu Lother in den Turm. Herr, gebt mir ein gutes Trinkgeld, sagte er, ich bringe Euch gute Botschaft. Ihr seid frei! König Otto hat mir geschrieben, daß ich Euch und die übrigen Gefangenen losgeben und Euch zu ihm nach Konstantinopel führen soll, dort will er sich mit Euch aussöhnen. Wie froh bin ich, daß mein Herr, der König Otto, sein Unrecht einsieht. Mir war es immer um Euch leid, Herr Lother, und ich danke Gott, daß es nun so weit mit Euch gekommen ist. Lother wollte erst den Worten gar nicht glauben, und hielt dafür, der Burggraf wolle seiner spotten, doch als er hörte, wie dieser so gar ernstlich sprach, und so gütlich zu ihm redete, da dankte er ihm gar freundlich für seine gute Freundschaft, und ging mit ihm aus dem Turm, in welchem er so manches Jahr trauernd verlebte. Alle Leute zu Pavia wunderten sich, da sie Lothern frei umhergehen sahen; da ließ der Burggraf den Brief, den er vom König Otto empfangen, laut vorlesen, und jedem, der ihn lesen wollte, zeigen, da freute sich jedermann, und man ging zu Lothern hin und wünschte ihm Glück. Synoglar ging in dem Palast, wo Lother war, aus und ein, sprach auch mit ihm, aber er konnte sie nicht erkennen, sie war in fremder Tracht und hatte sich Gesicht und Hände mit Kräutern gefärbt.

Der Burggraf schickte nun auch zu Scheidechin und zu den andern gefangnen Frauen, die in einer andern Stadt lagen, und ließ sie allesamt nach Pavia führen. Scheidechin war ehemals unter die schönsten Jungfrauen, die auf Erden lebten, gezählt worden, aber nun war ihre Schönheit dahin und ganz verblichen, denn sie hatte in ihrem Gefängnis Frost und Hunger, und an allem Mangel gelitten, was die Schönheit einer Frau erhält. Lother umarmte sie, und küßte sie mit vielen Tränen, da er sie so gar verblichen sah. Ach Herr, sprach sie, ich habe meinen Gatten, Euern treuen Gesellen, verloren, ich sah ihn fallen, als ich noch auf dem Wagen saß. Gott und seine liebe Mutter wissen es, nun kann ich niemals wieder froh werden, denn er war der getreueste Mann, den man wohl je finden mag. – Seid guten Mutes, junge Frau! Euer Mann lebt noch; mein Geselle, Maller, und meine Hausfrau, Zormerin, die waren bei mir als Spielleute. – Nun ward Scheidechin erst ihrer Freiheit froh. – Der Burggraf ließ hierauf Wasser bringen, sie wuschen sich, und setzten sich allesamt zu Tisch. Denselben ganzen Tag blieben sie zu Pavia. Des andern Morgens aber, ganz früh, machten sie sich alle auf den Weg nach Konstantinopel. Die Frauen wurden auf einen Wagen gesetzt, der Burggraf und Lother ritten, von zwanzig bewaffneten Lombarden begleitet, und Synoglar, auf einem guten Pferde sitzend, eröffnete den Zug.

Vier Tage reisten sie schon, ohne daß sie hätte Gelegenheit gefunden, sich dem Lother zu erkennen zu geben, oder ihm ein Wort zu sagen. Nun machte es sich aber eines Tages, als sie vor einem schönen kühlen Brunnen vorbeikamen, daß Lother abstieg und zu dem Brunnen hinging, um zu trinken. Die Lombarden ritten alle weiter, ohne sich aufzuhalten, dies nahm Synoglar wahr; Herr Lother, ich will auch trinken! rief sie, wandte ihr Pferd und ritt hin zu dem Brunnen, wo Lother abgestiegen war. Sie stieg gleichfalls vom Pferde, anstatt aber zu trinken, nahte sie sich ihm und sprach eilend: Seht mich an, Herr Lother, ich bin Synoglar; Frau Zormerin hat dem Verräter Otto sein Insiegel entwendet, hat den Brief an den Burggrafen geschrieben, den ich, als Bote gekleidet, überbrachte, und so seid Ihr aus dem Turm gekommen. König Orschier will seine Tochter dem Verräter Otto geben, der Euch für gestorben ausgab. Jetzt aber seht zu, wie Ihr Euch und die übrigen losmacht; ich muß mich davonmachen und auf einem andern Weg nach Konstantinopel zu meinem gnädigen Fräulein Zormerin reiten. – Lother hatte sie, während sie redete, erkannt, und sprach: Grüßt meine Hausfrau freundlich von mir, ich will sie binnen kurzem sehen, es koste auch was es wolle. Darauf stieg Synoglar wieder auf ihr Pferd, wandte sich, und ritt einen andern Weg. Darauf gab der Burggraf nicht acht und meinte, sie wäre hinten bei dem Zuge, oder hätte sich irgend verweilt.

Lother ritt hin zu Scheidechin an den Wagen und erzählte ihr heimlich die ganze Sache. Dann setzte er hinzu: Liebe Scheidechin, Ihr müßt nun sehen, wie Ihr Euch losmacht, denn ich kann Euch weiter nicht helfen.

Die Nacht blieben sie in einem Dorfe liegen, um auszuruhen. Da sie aber nichts zu essen oder zu trinken vorfanden, mußten sie sehr bald zu Bette gehen. Scheidechin, als sie merkte, daß die Lombarden fest eingeschlafen waren, stand auf, weckte die andern Frauen, erzählte ihnen kurz, was sich alles zugetragen, und wie sie sich nun davonmachen müßten, worauf sich alle die Röcke kürzten, so daß sie wie Knappen alle leicht einhergingen, schlichen leise aus dem Hause, worauf sie denn, so eilends als möglich, sich nach dem nahen Walde flüchteten. Lother zerschnitt sein Bettuch, knüpfte es an den Fensterpfosten und ließ sich daran hinab. Er lief nach dem nächsten Dorf, hier stellte er sich, als sei er sehr krank, legte sich ins Bett, und ließ den Pfarrer holen. Unterdessen erwachte der Burggraf, und da er sah, daß der Tag angebrochen war, stand er auf und ging hinaus, Lothern und die übrigen aufzuwecken. Da er Lother nicht fand, erschrak er; ersah die zerschnittenen Bettücher im Fenster, und nun merkte er, daß Lother entflohen sei, worüber er nicht wußte, was er denken sollte, und ganz wie ein Unsinniger umherlief. Da nun auch an den Tag kam, daß die Frauen gleichfalls entflohen waren, merkte er, daß irgendeine Verräterei im Spiele sein müsse, und sah zu seinem Schrecken voraus, daß er es mit dem Leben würde büßen müssen. Er ließ seine Gesellen zehn verschiedene Wege nehmen, allenthalben nachsuchen, ob sie keinen wiederfinden würden, und bestellte sich mit ihnen in eine Stadt, wo sie wieder zusammenkommen wollten. Ihr Nachsuchen war aber umsonst; Lother hielt sich still wie ein Kranker im Bett, und ließ niemand vor sich als den Geistlichen, bis er ungefähr wohl denken konnte, daß die Lombarden die Gegend verlassen hätten.

Der Burggraf ging nun betrübt mit seinen Gesellen nach Konstantinopel, und kniete vor Otto nieder, der bei Zormerin saß. Gott grüße Euch, Burggraf, sprach Otto, welch ein Geschäft führt dich hierher zu mir in diesem fremden Lande? – Herr, ich bringe Euch böse Nachrichten. Ich wollte Euch Lother herführen, so wie Ihr mir es in Eurem Briefe befahlt, er ist aber entflohen. Über diese Botschaft erstarrte Otto fast vor Entsetzen. Was? schrie er, was sagst du, Burggraf? Ich habe nie den Gedanken gehabt, dir zu schreiben, daß du Lothern sollst herauslassen. Du falscher Bösewicht, hast du ihn herausgelassen, so mußt du ohne Verzug sterben. Er rief seine Räte zusammen und klagte ihnen die Verräterei. Wie soll ich es doch machen, rief er, um zu erfahren, wer mir diesen Streich gespielt. Die Räte sprachen: Herr, es kann nicht fehlen, es ist sicher durch Frauen geschehen. Die weisesten und stärksten Männer sind durch Frauen betrogen worden; wenn diese auf eine Sache ihren Sinn gesetzt haben, so hilft nichts, wie man sich auch vorsehen mag. – Ja, ja, rief der Burggraf in seiner Not, Herr, Eure Räte reden die Wahrheit! – Aber diese Reden halfen dem armen Burggrafen nicht; Otto ließ in seiner Wut sowohl ihn als alle seine Gesellen an den Galgen hängen.

 


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