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Zweites Kapitel

Lother und seine Gesellen zogen aus Paris, nachdem sie Gold und Silber in Mengen vom Kaiser Karl erhalten, und ritten nach der Lombardei in eine Stadt, Pavia genannt, wo Lother seinen Oheim, seiner Mutter Bruder, fand. Er zog mit seinen Gesellen nach einer Herberge in der Stadt, und nachdem sie ihre Rüstungen abgelegt, gingen sie allesamt zu der Burg, wo sie den König Danfier, den Oheim Lothers, in dem Garten unter eines Ölbaums Schatten fanden, wo er saß, und mit einem seiner Ritter Schach spielte.

Gott wolle meinen Herrn Oheim behüten, sprach Lother, als er vor ihn kam. Da stand König Danfier auf und empfing sie sehr freundlich. Wie geht es Euerm Vater, den ich sehr lieb habe? fragte er den Lother. Ihm geht es sehr wohl, antwortete Lother, aber ich bin bei ihm verlästert worden, daß er mich auf sieben Jahre aus seinem Lande verbannt hat. Dies erschrecke Euch nicht, sagte König Danfier, ich bin reich genug, und lasse Euch sicher nicht stecken; ein Biedermann verläßt seine Freunde nicht in der Not. Herr Oheim, sprach Lother, schweigt davon, daß ich bei Euch sollte verbleiben, dazu bin ich noch zu jung; ein junger Mann muß ausreiten, und ritterliche Abenteuer suchen, und weder des Winters noch des Sommers achten, was er sich dann in der Jugend erstritten, das mag er sich im Alter wohl erfreuen. Darum, lieber Herr Oheim, bin ich willens, gegen die Heiden zu ziehen, und Abenteuer zu suchen. Ihr redet sehr wohl, sprach König Danfier. Während sie miteinander sprachen, trat zu ihnen Otto, König Danfiers Sohn, ein Jüngling von schöner Gestalt, hübschem Angesicht, und rötlichem Haar; als dieser hörte, wie es dem Lother ergangen, und daß er so verbannt worden, da schwur er ihm, er wolle ihn niemals verlassen; aber er log ihm das, wie Ihr hernach wohl hören werdet.

Nachdem Lother wohl vierzehn Tage bei seinem Oheim zugebracht, sprach er zu Otto: Vetter, ich will nun über die Heiden, willst du mit mir ziehen, so will ich gern alles mit dir teilen, was ich gewinne. Ja, Vetter, sprach Otto, ich will mit Euch ziehen, und will auch meine Ritterschaft mit mir nehmen, wofern Ihr mir schwören wollet, dies ganze Jahr lang meinen Namen zu tragen, und mich dafür den Eurigen führen zu lassen; Ihr und Eure ganze Ritterschaft müßt es mir auf dem Altar zuschwören, daß Ihr dies ganze Jahr hindurch von ihnen nicht anders wollet gehalten sein, als wäre ich es, und ich muß dafür statt Eurer gelten. Das will ich sehr gern tun, sagte Lother, schwor es ihm auch mit allen seinen Gesellen vor dem Altar zu. Darauf nahmen Lother und Otto Urlaub von dem Könige; dieser befahl seinem Sohn, daß er Lother in Ehren halten, und alles tun sollte, was ihm angenehm wäre. Darauf ritten sie hinweg.

Im Römerlande kamen sie in einen Wald, vor eine Burg, in dieser meinten sie die Nacht zuzubringen. In dieser Burg lagen aber Räuber verborgen, wohl zweihundert an der Zahl. Man spricht, und es ist auch wahr: Wie man sich vor heimlichen Dieben nicht wohl verwahren kann, so mag einem auch niemand mehr betrügen, als dem man am meisten vertraut. So geschah es dem Lother, er traute seinem Vetter Otto gar viel, aber dieser betrog ihn fälschlich, denn wie sie in der Burg zu Tische saßen, wo sie zuerst von dem Räuberhauptmann waren gütlich empfangen worden, sprangen, als sie sich keines Überfalls versahen, die Räuber alle aus ihren Schlupfwinkeln hervor, und fielen sie an. Sobald als nun Otto dies gewahr wurde, ließ er seinen Vetter Lother und die Übrigen in der Not, suchte sich durch Flucht zu retten, und lief hinaus. Lother und die Seinigen kämpften frisch mit den Räubern, mit solcher Mannskraft, daß die Räuber überwältigt wurden, und entflohen. Lother und seine Gesellen setzten ihnen nach. Als Otto dies gewahr wurde, stieg er von dem Baum herab, auf welchen er sich gerettet hatte, zog sein Schwert heraus, und lief auch mit den andern den Räubern nach. Vetter, rief er Lother zu, wir mögen wohl Gott danken, daß wir die Mörder überwunden haben. Freilich, rief Maller, Ihr habt sehr viel dazu beigetragen, es liegen ihrer viel, die Ihr erschluget. – Nun blieben sie die Nacht in der Burg und ruhten aus. Den Morgen begaben sie sich auf den Weg, gingen über Rom nach Konstantinopel zu. Sie mußten übers Meer. Als sie eingeschifft waren, sprach Lother: Nun laßt uns fröhlich sein: unser erstes Abenteuer mit den Mördern haben wir glücklich bestanden; Gott wolle uns ferner helfen. Euch alle bitte ich aber, daß wir beieinander bleiben und uns nicht einander verlassen, wenn uns wieder etwas begegnet. Das schworen ihm alle zu, mit frohem Mute.

Sobald sie ans Land getreten waren, wurden sie sogleich wieder von Räubern überfallen, die mit großem Geschrei auf sie zukamen. Otto wandte sogleich sein Pferd um, und ritt in einen Busch, nah am Ufer. Hier verbarg er sich, während Lother und die Ritter sich mit den Räubern schlugen. Maller sah es, wie er sich verbarg, ritt hin und fand ihn hinter der Hecke sitzend. Du falscher Dieb, rief Maller, möge Gott dich verfluchen, daß du deinen Vetter Lother in solcher Not magst allein lassen! Nahm einen Stecken und schlug so auf ihn ein, daß dieser, ihm entfliehend, in das Wasser fiel; worauf Maller ihn aber wieder bei einem Beine herauszog, und ihn vor sich her in den Streit jagte. Er sagte es dem Lother, wie er den Otto hinter einer Hecke hätte sitzend gefunden. Bei meiner Treue, sprach Lother, ich war ein Tor, daß ich ihn mit mir ausführte, und noch dazu meinen Namen mit dem seinigen vertauschte. Der Streit war sehr groß, doch wären sie diesesmal nicht so gut als das erstemal weggekommen, wäre nicht der Richter des Landes, ein sehr tapfrer Ritter, ihnen zu Hilfe geeilt. Die Räuber wurden geschlagen, und Hände und Füße ihnen abgehauen. Darauf führte der Richter Lothern und die Ritter alle in sein Haus, nachdem er gehört, daß sie gekommen seien, König Orschier zu dienen und ihm zu helfen in seinem Krieg gegen die Heiden. Der Richter führte sie dann zum Könige, dem er erzählte, wie er sie mit den Räubern kämpfend angetroffen, und wie sie gekommen seien, ihm gegen die Heiden zu helfen. König Orschier war dieser Söldner sehr froh, und besonders da er vernahm, daß sich des Königs Sohn von Frankreich dabei befände.

 


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