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Drittes Kapitel

König Orschier nahm Otto bei der Hand: Lieber Herr, sagte er, wie nennt man Euch, und wo kommt Ihr jetzt her? – Herr, sprach Otto, ich heiße Lother, und bin des König Karls Sohn von Frankreich. Ich freue mich, entgegnete Orschier, daß Ihr hergekommen seid, mir in meiner Not beizustehen. Ihr sollt hier an meinem Hof leben, ich will Euch gütlich tun, und will Euch meine Tochter Zormerin zur Frau geben; sie ist so schön, meine Tochter, als Ihr wohl nimmer ein schöneres Weib sähet. – Herr, antwortete Otto, ich wäre wohl ein Tor, wenn ich dies nicht annähme, ich danke Euch sehr dafür. Hier kam Zormerin die Stufen herab zu ihnen; zwei Herzoginnen führten sie. Komm her, meine liebe Tochter, sprach der König, hier ist Lother, des Königs Sohn von Frankreich, empfange ihn freundlich, und danke ihm, er ist hergekommen mir zu helfen; ich habe dich ihm verlobt, du wirst, will's Gott, gut mit ihm beraten sein. – Er und seine Gesellen sollen mir willkommen sein, sprach Zormerin; auch sehe ich dort hinten einen schönen Ritter stehen, er ist von edlerer Gestalt, als einer unter ihnen, ich wünsche wohl zu wissen, wer er wäre?

Er heißt Otto, sprach der König, er ist mit Lother aus Frankreich gekommen.

Zormerin war sehr schön und verständig, man mochte ihresgleichen wohl selten finden. Otto dachte in seinem Herzen: Wann doch nur erst die Zeit wäre, daß ich könnt' in ihren Armen liegen und mich mit ihr ergötzen, und sollte Lother und seine Gesellen auch alle darum an dem Galgen hängen. Er weiß nichts als zu kämpfen; ich ziehe es vor, bei den Frauen zu bleiben; was hilft es einem Mann, wenn er im Streit erschlagen wird? Er wird gar bald vergessen; ich lobe mir ein gutes Leben, daß man zarte Speise und guten Wein zu sich nehme, denn das ist des Leibes Arznei. Maria, Mutter Gottes, wie schön ist diese Zormerin; wie hat Lother sich nun selber betrogen, denn nun werde ich sie unter seinem Namen heiraten.

Sie saßen zu Tisch, König Orschier und seine Tochter, und Otto ihnen gegenüber. Maller wäre vor Zorn darüber fast unsinnig geworden, und sprach zu Lother: Herr, wie seid Ihr doch ein Tor gewesen, daß Ihr dies nicht eher bedacht! – Lother hieß ihn schweigen und tröstete ihn mit guter Hoffnung, aber er selber war in seinem Herzen nicht fröhlicher darum, und verfluchte die Stunde, in welcher er seinen Namen mit Otto getauscht. König Orschier sagte zu Otto, er solle seine Gefährten nach der Herberge in die Stadt schicken, ihn selber aber hieß er in der Burg bleiben, um gleich bei ihm zu sein, wenn die Heiden ihn überfielen. Sobald der Krieg geendet, fügte er hinzu, so will ich Euch meine Tochter geben, und sobald ich nicht mehr bin, so sollt Ihr König dieses Landes sein. – Otto bedankte sich sehr für diese großen Gaben.

Lother und Maller zogen in die Stadt mit ihren Gesellen, und wohl mit dreißig Pferden zu einem Wirt, der hieß Salomo.

Otto und die Seinigen blieben am Hofe, und hätten gern gesehen, daß Lother und Maller an dem Galgen wären, denn sie fürchteten sie. Zormerin erzeigte dem Otto alle Ehre, die sie glaubte dem Sohne des Königs von Frankreich schuldig zu sein. Otto, als er die schöne Zormerin immer vor seinen Augen hatte, und in Freuden am Hofe lebte, vergaß den Lother und seinen Gesellen Maller in der Herberge, und bekümmerte sich so wenig um sie, als wären sie Heiden. Lother verzehrte all sein Gut daselbst; als er nichts mehr hatte, verkaufte er nach und nach alle Pferde, ausgenommen sein eignes vortreffliches Roß; er hatte es von seinem Vater bekommen, und seine Gesellen wollten es nimmer zugeben, daß er es verkaufen sollte. Der Wirt war ein Biedermann, er gab ihnen zu essen auf Glauben, und lieh ihnen dann noch an zwanzig Mark dazu, weil er wohl sah, wie Lother sich adlig hielt. Aber die zwanzig Mark halfen nicht viel, Lother hatte sie sehr bald ausgegeben; er kaufte seinen Rittern Kleider dafür, nebst übrigem Zubehör. Herr, sprachen endlich die Ritter, es ist in Wahrheit töricht von Euch, daß Ihr nicht dem Könige Orschier sagt, wie der Schalk Otto übel mit Euch verfährt; und wie sich die ganze Sache mit Euch verhält; wollt Ihr aber Euern Eid nicht damit beflecken, so wollen wir in Gemeinschaft vor den König treten und es ihm vorstellen. Euer Vater, König Karl, hatte einst den Ogier von Dänemark gefangen, und geschworen, er wolle ihn töten; wer sich unterstand, für ihn zu bitten, den haßte er und ließ ihn sogleich um das Leben bringen; damals entschloß sich auch die ganze Ritterschaft, daß sie gemeinschaftlich vor den König traten und ihn für den Ogier baten; so wollen auch wir jetzt tun. – Ihr Herrn, antwortete Lother: Bei der Jungfrau, die Gott unter ihrem Herzen trug, wer von Euch mir dieses tun wollte, der müßte von meiner Hand sterben. Der ist kein Biedermann und keine Treue ist in dem, der seinen Eid nicht fest in sich hält. Sollte ein Mann um Armuts willen seine Seele beladen? Ihr wißt es wohl, was wir dem Otto auf dem heiligen Altar geschworen; will er nun Übels tun, sollen auch wir darum Übels tun? Eher wollte ich Steine auf meinem Nacken tragen, ehe ich meinen Eid fälschte, und ihn nicht grade und unbefleckt hielt! Laßt uns stets aufrichtig im Dienste Gottes leben, so wird er uns auch sicher lohnen. – Die Ritter, als sie Lothern so wohl reden hörten, gingen hinaus und weinten.

Sie gingen darauf zu Tische; ihrer waren wohl an vierundzwanzig, aber ihr Vorrat an Speisen langte kaum für zehne. Der Wirt teilte, als ein Biedermann, alles was er hatte mit ihnen, gab ihnen wohl zwanzig Krüge mit Wein, und auch der Speisen genug. Dieser Wirt zeigte sich als ein rechtschaffener frommer Mann. Denn als Otto erfuhr, wie es dem Lother in der Herberge ging, und wie große Armut er leiden mußte, da freute er sich dessen von ganzem Herzen, ging auch zum König Orschier, und beredete ihn, daß er jemand sollte nach der Herberge schicken, um dem Lother sein gutes Pferd abzuhandeln, denn er meinte, in der Not würde dieser es gern um Geld verkaufen. König Orschier sandte einen Ritter deshalb nach der Herberge, dieser fand den Lother, als er mit seinem Wirt spielte, um sich den bösen Verdruß zu vertreiben. Als nun der Ritter seine Botschaft, wegen des Pferdes, angebracht, sprach Lother zu seinen Gefährten: Ihr Herrn, ich muß nun wohl mein Roß verkaufen, um den Wirt davon zu bezahlen. Da der Wirt nun dieses hörte, sprang er hervor und rief: So mir Gott helfe, Ihr sollt meinetwegen Euer Roß nimmer verkaufen, und sollte ich zehn Jahre vergebens warten, und sollt' ich alles, was ich habe, dabei verlieren! Geht nur wieder zu Euerm Herrn, indem er sich zu dem Boten wandte, sagt ihm, seinem Verwandten ginge es schlecht, aber das Roß sollt Ihr dennoch nicht mit Euch führen, eh' wollt ich ihm mit einem Stecken die Beine entzwei schlagen. – Über diese Rede des Wirts lachte der Ritter in seinem Sinn, denn sie gefiel ihm gar wohl. Darauf nahm er Abschied von dem Wirt, von Lother und seinen Gesellen, und ging wieder nach der Burg, wo er dem Könige und Otto alles wieder erzählte; darüber ward Otto sehr verdrießlich.

Hast du wohl vernommen, lieber Maller, fragte Lother, was Otto gegen mich im Sinne hat? Gott wolle ihn ewig verdammen! – Amen! rief Maller; Maria, Mutter Gottes, wann wollen doch die Heiden kommen, daß man dann möge sehen, welch ein Mann der falsche Verräter ist! Käme es zur Schlacht, so verlor er zur Stund seinen Namen wieder, denn er wagt es nimmer zu kämpfen.

 


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