Friedrich Schiller
Der Neffe als Onkel
Friedrich Schiller

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dritter Aufzug.

Erster Auftritt.

Oberst Dorsigny kommt. Gleich darauf Lormeuil.

Oberst. Muß der Teufel auch diesen Notar gerade heute zu einem Nachtessen führen! Ich hab' ihm ein Billet dort gelassen, und mein Herr Neffe hatte schon vorher die Mühe auf sich genommen.

Lormeuil (kommt). Für diesmal denke ich doch wohl den Onkel vor mir zu haben und nicht den Neffen.

Oberst. Wohl bin ich's selbst! Sie dürfen nicht zweifeln.

Lormeuil. Ich habe Ihnen viel zu sagen, Herr von Dorsigny.

Oberst. Ich glaub' es wohl, guter Junge! Du wirst rasend sein vor Zorn – Aber keine Gewalttätigkeit, lieber Freund, ich bitte darum! – Denken Sie daran, daß Der, der Sie beleidigt hat, meine Neffe ist – Ihr Ehrenwort verlang' ich, daß Sie es mir überlassen wollen, ihn dafür zu strafen.

Lormeuil. Aber so erlauben Sie mir –

Oberst. Nichts erlaub' ich! Es wird nichts daraus! – So seid ihr jungen Leute! Ihr wißt keine andere Art, Unrecht gut zu machen, als daß ihr einander die Hälse brecht.

Lormeuil. Das ist aber ja nicht mein Fall. Hören Sie doch nur.

Oberst. Mein Gott! ich weiß ja! Bin ich doch auch jung gewesen! – Aber laß dich das alles nicht anfechten, guter Junge! du wirst doch mein Schwiegersohn! Du wirst's – dabei bleibt's!

Lormeuil. Ihre Güte – Ihre Freundschaft erkenn' ich mit dem größten Dank – Aber, so wie die Sachen stehen –

Oberst (lauter) Nichts! Kein Wort mehr!


Zweiter Auftritt.

Champagne mit zwei Unteroffizieren. Vorige.

Champagne (zu diesen). Sehen Sie's, meine Herren? Sehen Sie's? Eben wollten sie an einander gerathen.

Lormeuil. Was suchen diese Leute bei uns?

Erster Unterofficier. Ihre ganz gehorsamen Diener, meine Herren! Habe ich nicht die Ehre, mit Herrn von Dorsigny zu sprechen?

Oberst. Dorsigny heiß' ich.

Champagne. Und dieser hier ist Herr von Lormeuil?

Lormeuil. Der bin ich, ja. Aber was wollen die Herren von mir?

Zweiter Unterofficier. Ich werde die Ehre haben, Euer Gnaden zu begleiten.

Lormeuil. Mich zu begleiten? Wohin? Es fällt mir gar nicht ein, ausgehen zu wollen.

Erster Unterofficier (zum Oberst). Und ich, gnädiger Herr, bin beordert, Ihnen zur Escorte zu dienen.

Oberst. Aber wohin will mich der Herr eskortieren?

Erster Unterofficier. Das will ich Ihnen sagen, gnädiger Herr. Man hat in Erfahrung gebracht, daß Sie auf dem Sprung stünden, sich mit diesem Herrn zu schlagen, und damit nun –

Oberst. Mich zu schlagen! Und weswegen denn?

Erster Unterofficier. Weil Sie Nebenbuhler sind – weil Sie Beide das Fräulein von Dorsigny lieben. Dieser Herr hier ist der Bräutigam des Fräuleins, den ihr der Vater bestimmt hat – und Sie, gnädiger Herr, sind ihr Cousin und ihr Liebhaber – O wir wissen alles!

Lormeuil. Sie sind im Irrthum, meine Herren.

Oberst. Wahrlich, Sie sind an den Unrechten gekommen.

Champagne (zu den Wachen). Frisch zu! Lassen Sie sich nichts weis machen, meine Herren! (Zu Herrn von Dorsigny.) Lieber, gnädiger Herr! werfen Sie endlich Ihre Maske weg! Gestehen Sie, wer Sie sind! Geben Sie ein Spiel auf, wobei Sie nicht die beste Rolle spielen!

Oberst. Wie, Schurke, das ist wieder ein Streich von dir –

Champagne. Ja, gnädiger Herr, ich hab' es so veranstaltet, ich leugn' es gar nicht – ich rühme mich dessen – Die Pflicht eines rechtschaffenen Dieners habe ich erfüllt, da ich Unglück verhütete.

Oberst. Sie können mir's glauben, meine Herren! Der, den Sie suchen, bin ich nicht; ich bin sein Onkel.

Erster Unterofficier. Sein Onkel? Gehn Sie doch! Sie gleichen dem Herrn Onkel außerordentlich, sagt man, aber uns soll diese Aehnlichkeit nicht betrügen.

Oberst. Aber sehen Sie mich doch nur recht an! Ich habe ja eine Perrücke, und mein Neffe trägt sein eigenes Haar.

Erster Unterofficier. Ja, ja, wir wissen recht gut, warum Sie die Tracht Ihres Herrn Onkels angenommen – Das Stückchen war sinnreich; es thut uns leid, daß es nicht besser geglückt ist.

Oberst. Aber, mein Herr, so hören Sie doch nur an –

Erster Unterofficier. Ja, wenn wir Jeden anhören wollten, den wir festzunehmen beordert sind – wir würden nie von der Stelle kommen – Belieben Sie, uns zu folgen, Herr von Dorsigny! Die Postchaise hält vor der Thür und erwartet uns.

Oberst. Wie? was? die Postchaise?

Erster Unterofficier. Ja, Herr! Sie haben Ihre Garnison heimlich verlassen! Wir sind beordert, Sie stehenden Fußes in den Wagen zu packen und nach Straßburg zurückzubringen.

Oberst. Und das ist wieder ein Streich von diesem verwünschten Taugenichts! Ha, Lotterbube!

Champagne. Ja, gnädiger Herr, es ist meine Veranstaltung – Sie wissen, wie sehr ich dawider war, daß Sie Straßburg ohne Urlaub verließen.

Oberst (hebt den Stock auf). Nein, ich halte mich nicht mehr –

Beide Unterofficiere. Mäßigen Sie sich, Herr von Dorsigny!

Champagne. Halten Sie ihn, meine Herren! ich bitte – Das hat man davon, wenn man Undankbare verpflichtet. Ich rette vielleicht Ihr Leben, da ich diesem unseligen Duell vorbeuge, und zum Dank hätten Sie mich todt gemacht, wenn diese Herren nicht so gut gewesen wären, es zu verhindern.

Oberst. Was ist hier zu thun, Lormeuil?

Lormeuil. Warum berufen Sie sich nicht auf die Personen, die Sie kennen müssen?

Oberst. An wen, zum Teufel! soll ich mich wenden? Meine Frau, meine Tochter sind ausgegangen – meine Nichte ist vom Complott – die ganze Welt ist behext.

Lormeuil. So bleibt nichts übrig, als in Gottes Namen nach Straßburg zu reisen, wenn diese Leute nicht mit sich reden lassen.

Oberst. Das wäre aber ganz verwünscht –

Erster Unterofficier (zu Champagne). Sind Sie aber auch ganz gewiß, daß es der Neffe ist?

Champagne. Freilich! Freilich! Der Onkel ist weit weg – Nur Stand gehalten! Nicht gewankt!


Dritter Auftritt.

Ein Postillon. Vorige

Postillon (betrunken). He! Holla! Wird's bald, ihr Herren? Meine Pferde stehen schon eine Stunde vor dem Hause, und ich bin nicht des Wartens wegen da.

Oberst. Was will der Bursch?

Erster Unterofficier. Es ist der Postillon, der Sie fahren soll.

Postillon. Sieh doch! Sind Sie's, Herr Hauptmann, der abreist? – Sie haben kurze Geschäfte hier gemacht – Heute Abend kommen Sie an, und in der Nacht geht's wieder fort.

Oberst. Woher weißt denn du?

Postillon. Ei! Ei! War ich' s denn nicht, der Sie vor etlichen Stunden an der Hinterthür dieses Hauses absetzte? Sie sehen, mein Capitän, daß ich Ihr Geld wohl angewendet – ja, ja, wenn mir Einer was zu vertrinken gibt, so erfüll' ich gewissenhaft und redlich die Absicht.

Oberst. Was sagst du, Kerl? Mich hättest du gefahren? Mich?

Postillon. Sie, Herr! – Ja doch, beim Teufel, und da steht ja Ihr Bedienter, der den Vorreiter machte – Gott grüß' dich, Gaudieb! Eben der hat mir's ja im Vertrauen gesteckt, daß Sie ein Herr Hauptmann seien und von Straßburg heimlich nach Paris gingen. –

Oberst. Wie, Schurke? Ich wäre das gewesen?

Postillon. Ja, Sie! Und der auf dem ganzen Wege laut mit sich selbst sprach und an Einem fort rief: Meine Sophie! Mein liebes Bäschen! Mein englisches Cousinchen! – Wie? haben Sie das schon vergessen?

Champagne (zum Oberst). Ich bin's nicht, gnädiger Herr, der ihm diese Worte in den Mund legt – Wer wird aber auch auf öffentlicher Poststraße so laut von seiner Gebieterin reden!

Oberst. Es ist beschlossen, ich seh's, ich soll nach Straßburg, um der Sünden meines Neffen willen –

Erster Unterofficier. Also, mein Herr Hauptmann –

Oberst. Also, mein Herr Geleitsmann, also muß ich freilich mit Ihnen fort, aber ich kann Sie versichern, sehr wider meinen Willen.

Erster Unterofficier. Das sind wir gewohnt, mein Capitän, die Leute wider ihren Willen zu bedienen.

Oberst. Du bist also mein Bedienter?

Champagne. Ja, gnädiger Herr.

Oberst. Folglich bin ich dein Gebieter.

Champagne. Das versteht sich.

Oberst. Ein Bedienter muß seinem Herrn folgen – du gehst mit mir nach Straßburg.

Champagne (für sich). Verflucht!

Postillon. Das versteht sich – Marsch!

Champagne. Es thut mir leid, Sie zu betrüben, gnädiger Herr – Sie wissen, wie groß meine Anhänglichkeit an Sie ist –ich gebe Ihnen eine starke Probe davon in diesem Augenblick – aber Sie wissen auch, wie sehr ich mein Weib liebe. Ich habe sie heute nach einer langen Trennung wieder gesehen! Die arme Frau bezeigte eine so herzliche Freude über meine Zurückkunft, daß ich beschlossen habe, sie nie wieder zu verlassen und meinen Abschied von Ihnen zu begehren. Sie werden sich erinnern, daß Sie mir noch von drei Monaten Gage schuldig sind.

Oberst. Dreihundert Stockprügel bin ich dir schuldig, Bube!

Erster Unterofficier. Herr Capitän, Sie haben kein Recht, Diesen ehrlichen Diener wider seinen Willen nach Straßburg mitzunehmen – und wenn Sie ihm noch Rückstände schuldig sind –

Oberst. Nichts, keinen Heller bin ich ihm schuldig.

Erster Unterofficier. So ist das kein Grund, ihn mit Prügeln abzulohnen.

Lormeuil. Ich muß sehen, wie ich ihm heraus helfe – Wenn es nicht anders ist – in Gottes Namen, reisen Sie ab, Herr von Dorsigny. Zum Glück bin ich frei, ich habe Freunde, ich eile, sie in Bewegung zu setzen, und bringe Sie zurück, eh' es Tag wird.

Oberst. Und ich will den Postillon dafür bezahlen, daß er so langsam fährt als möglich, damit Sie mich noch einholen können – (Zum Postillon.) Hier, Schwager! Vertrink das auf meine Gesundheit – aber du mußt mich fahren –

Postillon (treuherzig). Daß die Pferde dampfen.

Oberst. Nicht doch! nein! so mein' ich's nicht –

Postillon. Ich will Sie fahren wie auf dem Herweg! Als ob der Teufel Sie davon führte.

Oberst. Hol' der Teufel dich selbst, du verdammter Trunkenbold! Ich sage dir ja –

Postillon. Sie haben's eilig! Ich auch! Sei'n Sie ganz ruhig! Fort soll's gehen, daß die Funken hinauf fliegen. (Ab.)

Oberst (ihm nach). Der Kerl macht mich rasend! Warte doch, höre!

Lormeuil. Beruhigen Sie sich! Ihre Reise soll nicht lange dauern.

Oberst. Ich glaube, die ganze Hölle ist heute losgelassen. (Geht ab, der erste Unterofficier folgt.)

Lormeuil (zum zweiten). Kommen Sie, mein Herr, folgen Sie mir, weil es Ihnen so befohlen ist – aber ich sage Ihnen vorher, ich werde Ihre Beine nicht schonen! Und wenn Sie sich Rechnung gemacht haben, diese Nacht zu schlafen, so sind Sie garstig betrogen, denn wir werden immer auf den Straßen sein.

Zweiter Unterofficier. Nach Ihrem Gefallen, gnädiger Herr – Zwingen Sie sich ganz und gar nicht – Ihr Diener, Herr Champagne!

(Lormeuil und der zweite Unterofficier ab.)


Vierter Auftritt.

Champagne. Dann Frau von Mirville.

Champagne (allein). Sie sind fort – Glück zu, Champagne! Der Sieg ist unser. Jetzt frisch ans Werk, daß wir die Heirath noch in dieser Nacht zu Stande bringen – Da kommt die Schwester meines Herrn; ihr kann ich alles sagen.

Fr. v. Mirville. Ah, bist du da, Champagne? Weißt du nicht, wo der Onkel ist?

Champagne. Auf dem Weg nach Straßburg.

Fr. v. Mirville. Wie? Was? Erkläre dich!

Champagne. Recht gern, Ihr Gnaden. Sie wissen vielleicht nicht, daß mein Herr und dieser Lormeuil einen heftigen Zank zusammen gehabt haben.

Fr. v. Mirville. Ganz im Gegentheil. Sie sind als die besten Freunde geschieden, das weiß ich.

Champagne. Nun, so habe ich's aber nicht gewußt. Und in der Hitze meines Eifers ging ich hin, mir bei der Polizei Hilfe zu suchen. Ich komme her mit zwei Sergeanten, davon der eine Befehl hat, dem Herrn von Lormeuil an der Seite zu bleiben, der andere, meinen Herrn nach Straßburg zurück zu bringen. – Nun reitet der Teufel diesen verwünschten Sergeanten, daß er den Onkel für den Neffen nimmt, ihn beinahe mit Gewalt in die Kutsche packt, und fort mit ihm, jagst du nicht, so gilt's nicht, nach Straßburg!

Fr. v. Mirville. Wie – Champagne! du schickst meinen Onkel anstatt meines Bruders auf die Reise? Nein, das kann nicht dein Ernst sein.

Champagne. Um Vergebung, es ist mein voller Ernst – Das Elsaß ist ein charmantes Land; der Herr Oberst haben sich noch nicht darin umgesehen, und ich verschaffe Ihnen diese kleine Ergötzlichkeit.

Fr. v. Mirville. Du kannst noch scherzen? Was macht aber der Herr von Lormeuil?

Champagne. Er führt seinen Sergeanten in der Stadt spazieren.

Fr. v. Mirville. Der arme Junge! Er verdient wohl, daß ich Antheil an ihm nehme.

Champagne. Nun, gnädige Frau! Ans Werk! Keine Zeit verloren! Wenn mein Herr seine Cousine nur erst geheirathet hat, so wollen wir den Onkel zurückholen. Ich suche meinen Herrn auf; ich bringe ihn her, und wenn nur Sie uns beistehen, so muß diese Nacht alles richtig werden. (Ab.)


Fünfter Auftritt.

Frau von Mirville. Dann Frau von Dorsigny. Sophie.

Fr. v. Mirville. Das ist ein verzweifelter Bube; aber er hat seine Sache so gut gemacht, daß ich mich mit ihm verstehen muß – Hier kommt meine Tante; ich muß ihr die Wahrheit verbergen.

Fr. v. Dorsigny. Ach, liebe Nichte! Hast du deinen Onkel nicht gesehen?

Fr. v. Mirville. Wie? Hat er denn nicht Abschied von Ihnen genommen?

Fr. v. Dorsigny. Abschied? Wie?

Fr. v. Mirville. Ja, er ist fort.

Fr. v. Dorsigny. Er ist fort? Seit wann?

Fr. v. Mirville. Diesen Augenblick.

Fr. v. Dorsigny. Das begreif' ich nicht. Er wollte ja erst gegen eilf Uhr wegfahren. Und wo ist er denn hin, so eilig?

Fr. v. Mirville. Das weiß ich nicht. Ich sah ihn nicht abreisen – Champagne erzählte mir's.


Sechster Auftritt.

Die Vorigen. Franz Dorsigny in seiner eigenen Uniform und ohne Perrücke.

Champagne. Da ist er, Ihr Gnaden, da ist er!

Fr. v. Dorsigny. Wer? Mein Mann?

Champagne. Nein, nicht doch! Mein Herr, der Herr Hauptmann.

Sophie (ihm entgegen). Lieber Vetter!

Champagne. Ja – er hatte wohl recht, zu sagen, daß er mit seinem Brief zugleich eintreffen werde.

Fr. v. Dorsigny. Mein Mann reist ab, mein Neffe kommt an! Wie schnell sich die Begebenheiten drängen!

Dorsigny. Seh' ich Sie endlich wieder, beste Tante! Ich komme voll Unruhe und Erwartung –

Fr. v. Dorsigny. Guten Abend, lieber Neffe!

Dorsigny. Welcher frostige Empfang?

Fr. v. Dorsigny. Ich bin herzlich erfreut, dich zu sehen. Aber mein Mann –

Dorsigny. Ist dem Onkel etwas zugestoßen?

Fr. v. Mirville. Der Onkel ist heute Abend von einer großen Reise zurückgekommen, und in diesem Augenblick verschwindet er wieder, ohne daß wir wissen, wo er hin ist.

Dorsigny. Das ist ja sonderbar!

Champagne. Es ist ganz zum Erstaunen!

Fr. v. Dorsigny. Da ist ja Champagne! Der kann uns allen aus dem Traume helfen.

Champagne. Ich, gnädige Frau?

Fr. v. Mirville. Ja, du! Mit dir allein hat der Onkel ja gesprochen, wie er abreiste.

Champagne. Das ist wahr! Mit mir allein hat er gesprochen.

Dorsigny. Nun, so sage nur, warum verreiste er so plötzlich?

Champagne. Warum? Ei, er mußte wohl! Er hatte ja Befehl dazu von der Regierung.

Fr. v. Dorsigny. Was?

Champagne. Er hat einen wichtigen geheimen Auftrag, der die größte Eilfertigkeit erfordert – der einen Mann erfordert – einen Mann – Ich sage nichts mehr. Aber Sie können sich etwas darauf einbilden, gnädige Frau, daß die Wahl auf den Herrn gefallen ist.

Fr. v. Mirville. Allerdings! Eine solche Auszeichnung ehrt die ganze Familie!

Champagne. Euer Gnaden begreifen wohl, daß er sich da nicht lange mit Abschiednehmen aufhalten konnte. Champagne, sagte er zu mir, ich gehe in wichtigen Staatsangelegenheiten nach – nach Sanct Petersburg. Der Staat befiehlt – ich muß gehorchen – beim ersten Postwechsel schreib' ich meiner Frau – was übrigens die Heirath zwischen meinem Neffen und meiner Tochter betrifft – so weiß sie, daß ich vollkommen damit zufrieden bin.

Dorsigny. Was hör' ich! mein lieber Onkel sollte –

Champagne. Ja, gnädiger Herr! er willigt ein. – Ich gebe meiner Frau unumschränkte Vollmacht, sagte er, alles zu beendigen, und ich hoffe bei meiner Zurückkunft unsere Tochter als eine glückliche Frau zu finden.

Fr. v. Dorsigny. Und so reiste er allein ab?

Champagne. Allein? Nicht doch! Er hatte noch einen Herrn bei sich, der nach etwas recht Vornehmem aussah –

Fr. v. Dorsigny. Ich kann mich gar nicht drein finden.

Fr. v. Mirville. Wir wissen seinen Wunsch. Man muß dahin sehen, daß er sie als Mann und Frau findet bei seiner Zurückkunft.

Sophie. Seine Einwilligung scheint mir nicht im geringsten zweifelhaft, und ich trage gar kein Bedenken, den Vetter auf der Stelle zu heirathen.

Fr. v. Dorsigny. Aber ich trage Bedenken – und will seinen ersten Brief noch abwarten.

Champagne (beiseite). Da sind wir nun schön gefördert, daß wir den Onkel nach Petersburg schicken.

Dorsigny. Aber, beste Tante!


Siebenter Auftritt.

Die Vorigen. Der Notarius.

Notar (tritt zwischen Dorsigny und seine Tante). Ich empfehle mich der ganzen hochgeneigten Gesellschaft zu Gnaden.

Fr. v. Dorsigny. Sieh da, Herr Gaspar, der Notar unsers Hauses.

Notar. Zu Dero Befehl, gnädige Frau! Es beliebte Dero Herrn Gemahl, sich in mein Haus zu verfügen.

Fr. v. Dorsigny. Wie? Mein Mann wäre vor seiner Abreise noch bei Ihnen gewesen?

Notar. Vor dero Abreise! Was Sir mir sagen! Sieh! sieh doch! Darum hatten es der gnädige Herr so eilig und wollten mich gar nicht in meinem Hause erwarten. Dieses Billet ließen mir Hochdieselben zurück – Belieben Ihro Gnaden es zu durchlesen. (Reicht der Frau von Dorsigny das Billet.)

Champagne (leise zu Dorsigny). Da ist der Notar, den Ihr Onkel bestellt hat.

Dorsigny. Ja, wegen Lormeuils Heirath.

Champagne (leise). Wenn wir ihn zu der Ihrigen brauchen könnten?

Dorsigny. Still! Hören wir, was er schreibt!

Fr. v. Dorsigny (liest). »Haben Sie die Güte, mein Herr, sich noch diesen Abend in mein Haus zu bemühen und den Ehekontrakt mit zu bringen, den Sie für meine Tochter aufgesetzt haben. Ich habe meine Ursachen, diese Heirath noch in dieser Nacht abschließen – Dorsigny.«

Champagne. Da haben wir's schwarz auf weiß! Nun wird die gnädige Frau doch nicht mehr an der Einwilligung des Herrn Onkels zweifeln?

Sophie. Es ist also gar nicht nöthig, daß der Papa Ihnen schreibt, liebe Mutter, da er diesem Herrn geschrieben hat.

Fr. v. Dorsigny. Was denken Sie von der Sache, Herr Gaspar?

Notar. Nun, dieser Brief wäre deutlich genug, dächt' ich.

Fr. v. Dorsigny. In Gottes Namen, meine Kinder! Seid glücklich! Gebt euch die Hände, weil doch mein Mann selbst den Notar herschickt.

Dorsigny. Frisch, Champagne! Einen Tisch, Feder und Tinte; wir wollen gleich unterzeichnen.


Achter Auftritt.

Oberst Dorsigny. Valcour. Vorige.

Fr. v. Mirville. Himmel! Der Onkel!

Sophie. Mein Vater!

Champagne. Führt ihn der Teufel zurück?

Dorsigny. Jawohl, der Teufel! Dieser Valcour ist mein böser Genius!

Fr. v. Dorsigny. Was seh' ich! Mein Mann!

Valcour (den ältern Dorsigny präsentierend). Wie schätz' ich mich glücklich, einen geliebten Neffen in den Schooß seiner Familie zurückführen zu können! (Wie er den jüngern Dorsigny gewahr wird.) Wie Teufel, da bist du ja – (Sich zum ältern Dorsigny wendend.) Und wer sind Sie denn, mein Herr?

Oberst. Sein Onkel, mein Herr.

Dorsigny. Aber erkläre mir, Valcour –

Valcour. Erkläre du mir selbst! Ich bringe in Erfahrung, daß eine Ordre ausgefertigt sei, dich nach deiner Garnison zurück zu schicken – Nach unsäglicher Mühe erlange ich, daß sie widerrufen wird – ich werfe mich aufs Pferd, ich erreiche noch bald genug die Postchaise, wo ich dich zu finden glaubte, und finde auch wirklich –

Oberst. Ihren gehorsamen Diener, fluchend und tobend über einen verwünschten Postknecht, dem ich Geld gegeben hatte, um mich langsam zu fahren, und der mich wie ein Sturmwind davon führte.

Valcour. Dein Herr Onkel findet es nicht für gut, mich aus meinem Irrthum zu reißen; die Postchaise lenkt wieder um, nach Paris zurück, und da bin ich nun – Ich hoffe, Dorsigny, du kannst dich nicht über meinen Eifer beklagen.

Dorsigny. Sehr verbunden, mein Freund, für die mächtigen Dienste, die du mir geleistet hast! Es thut mir nur leid um die unendliche Mühe, die du dir gegeben hast.

Oberst. Herr von Valcour! Mein Neffe erkennt Ihre große Güte vielleicht nicht mit der gehörigen Dankbarkeit; aber rechnen Sie dafür auf die meinige.

Fr. v. Dorsigny. Sie waren also nicht unterwegs nach Rußland?

Oberst. Was Teufel sollte ich in Rußland?

Fr. v. Dorsigny. Nun, wegen der wichtigen Commission, die das Ministerium Ihnen auftrug, wie Sie dem Champagne sagten.

Oberst. Also wieder der Champagne, der mich zu diesem hohen Posten befördert. Ich bin ihm unendlichen Dank schuldig, daß er so hoch mit mir hinaus will. – Herr Gaspar, Sie werden zu Hause mein Billet gefunden haben; es würde mir lieb sein, wenn der Ehekontrakt noch diese Nacht unterzeichnet würde.

Notar. Nichts ist leichter, gnädiger Herr! Wir waren eben im Begriff, dieses Geschäft auch in Ihrer Abwesenheit vorzunehmen.

Oberst. Sehr wohl! Man verheirathet sich zuweilen ohne den Vater; aber wie ohne den Bräutigam, das ist mir doch nie vorgekommen.

Fr. v. Dorsigny. Hier ist der Bräutigam! Unser lieber Neffe.

Dorsigny. Ja, bester Onkel! Ich bin's.

Oberst. Mein Neffe ist ein ganz hübscher Junge; aber meine Tochter bekommt er nicht.

Fr. v. Dorsigny. Nun, wer soll sie denn sonst bekommen?

Oberst. Wer, fragen Sie? Zum Henker! Der Herr von Lormeuil soll sie bekommen.

Fr. v. Dorsigny. Er ist also nicht todt, der Herr von Lormeuil?

Oberst. Nicht doch, Madame! Er lebt, er ist hier. Sehen Sie sich nur um, dort kommt er.

Fr. v. Dorsigny. Und wer ist denn der Herr, der mit ihm ist?

Oberst. Das ist ein Kammerdiener, den Herr Champagne beliebt hat, ihm an die Seite zu geben.

Neunter Auftritt.

Die Vorigen. Lormeuil mit seinem Unterofficier, der sich im Hintergrunde des Zimmers niedersetzt.

Lormeuil (zum Obersten). Sie schicken also Ihren Onkel an Ihrer Statt nach Straßburg? Das wird Ihnen nicht so hingehen, mein Herr.

Oberst. Sieh, sieh doch! Wenn du dich ja mit Gewalt schlagen willst, Lormeuil, so schlage dich mit meinem Neffen. und nicht mit mir.

Lormeuil (erkennt ihn). Wie? Sind Sie's? Und wie haben Sie's gemacht, daß Sie so schnell zurückkommen?

Oberst. Hier, bei diesem Herrn von Valcour bedanken Sie sich, der mich aus Freundschaft für meinen Neffen spornstreichs zurückholte.

Dorsigny. Ich begreife Sie nicht, Herr von Lormeuil! Wir waren ja als die besten Freunde von einander geschieden – Haben Sie mir nicht selbst, noch ganz kürzlich, alle Ihre Ansprüche auf die Hand meiner Cousine abgetreten?

Oberst. Nichts, nichts! Daraus wird nichts! Meine Frau, meine Tochter, meine Nichte, mein Neffe, alle zusammen sollen mich nicht hindern, meinen Willen durchzusetzen.

Lormeuil. Herr von Dorsigny! Mich freut's von Herzen, daß Sie von einer Reise zurück sind, die Sie wider Ihren Willen angetreten – Aber wir haben gut reden und Heirathspläne schmieden, Fräulein Sophie wird darum doch Ihren Neffen lieben.

Oberst. Ich verstehe nichts von diesem allem! Aber ich werde den Lormeuil nicht von Toulon nach Paris gesprengt haben, daß er als ein Junggesell zurückkehren soll.

Dorsigny. Was das betrifft, mein Onkel – so ließe sich vielleicht eine Auskunft treffen, daß Herr von Lormeuil keinen vergeblichen Weg gemacht hätte. – Fragen Sie meine Schwester.

Fr. v. Mirville. Mich? Ich habe nichts zu sagen.

Lormeuil. Nun, so will ich denn reden – Herr von Dorsigny, Ihre Nichte ist frei; bei der Freundschaft, davon Sie mir noch heute einen so großen Beweis geben wollten, bitte ich Sie, verwenden Sie allen ihren Einfluß bei Ihrer Nichte, daß sie es übernehmen möge, Ihre Wortbrüchigkeit gegen mich gut zu machen.

Oberst. Was? Wie? – Ihr sollt ein Paar werden – Und dieser Schelm, der Champagne, soll mir für alle zusammen bezahlen.

Champagne. Gott soll mich verdammen, gnädiger Herr, wenn ich nicht selbst zuerst von der Aehnlichkeit betrogen wurde. – Verzeihen Sie mir die kleine Spazierfahrt, die ich Sie machen ließ, es geschah meinem Herrn zum Besten.

Oberst (zu beiden Paaren). Nun, so unterzeichnet!


 << zurück