Friedrich Schiller
Die Verschwörung des Fiesco zu Genua
Friedrich Schiller

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Erster Aufzug

Saal bei Fiesco

Man hört in der Ferne eine Tanzmusik und den Tumult eines Balls.

Erster Auftritt.

Leonore maskiert, Rosa, Arabella fliehen zerstört auf die Bühne.

Leonore (reißt die Maske ab). Nichts mehr! Kein Wort mehr! Es ist am Tag. (Sie wirft sich in einen Sessel.) Das wirft mich nieder.

Arabella. Gnädige Frau –

Leonore (aufstehend). Vor meinen Augen! eine stadtkundige Kokette! im Angesicht des ganzen Adels von Genua! (Wehmütig.) Rosa! Bella! und vor meinen weinenden Augen.

Rosa. Nehmen Sie die Sache für Das, was sie wirklich war – eine Galanterie –

Leonore. Galanterie? – und das emsige Wechselspiel ihrer Augen? das ängstliche Lauern auf ihre Spuren? der lange verweilende Kuß auf ihren entblößten Arm, daß noch die Spur seiner Zähne im flammrothen Fleck zurückblieb? Ha! und die starre tiefe Betäubung, worein er, gleich dem gemalten Entzücken, versunken saß, als wär' um ihn her die Welt weggeblasen und er allein mit dieser Julia im ewigen Leeren? Galanterie? – gutes Ding, das noch nie geliebt hat, streite mir nicht über Galanterie und Liebe.

Rosa. Desto besser, Madonna. Einen Gemahl verlieren heißt zehen Cicisbeo Profit machen.

Leonore. Verlieren? – ein kleiner aussetzender Puls der Empfindung und Fiesco verloren? Geh, giftige Schwätzerin – komm mir nie wieder vor die Augen! – eine unschuldige Neckerei – vielleicht eine Galanterie? Ist es nicht so, meine empfindende Bella?

Arabella. O ja! ganz zuverlässig so!

Leonore (in Tiefsinn versunken). Daß sie darum in seinem Herzen sich wüßte? – daß hinter jedem seiner Gedanken ihr Name im Hinterhalt läge? – ihn anspräche in jeder Fußtapfe der Natur? – Was ist das? wo gerath' ich hin? Daß ihm die schöne majestätische Welt nichts wäre, als der prächtige Demant, worauf nur ihr Bild – nur ihr Bild gestochen ist? – daß er sie liebte? – Julien! O deinen Arm her – halte mich, Bella!

(Pause. Die Musik läßt sich von Neuem hören.)

Leonore (aufgefahren). Horch! War das nicht die Stimme Fiescos, die aus dem Lärme hervordrang? Kann er lachen, wenn seine Leonore im Einsamen weinet? Nicht doch, mein Kind! Es war Gianettino Dorias bäurische Stimme.

Arabella. Sie war's, Signora! Aber kommen Sie in ein anderes Zimmer.

Leonore. Du entfärbst dich, Bella! du lügst – ich lese in euren Augen – in den Gesichtern der Genueser ein Etwas – ein Etwas. (Sich verhüllend.) O gewiß! diese Genueser wissen mehr, als für das Ohr einer Gattin taugt.

Rosa. O der Alles vergrößernden Eifersucht!

Leonore. (schwermüthig schwärmend). Da er noch Fiesco war – dahertrat im Pomeranzenhain, wo wir Mädchen lustwandeln gingen, ein blühender Apoll, verschmolzen in den männlich-schönen Antinous. Stolz und herrlich trat er daher, nicht anders, als wenn das durchlauchtige Genua auf seinen jungen Schultern sich wiegte; unsere Augen schlichen diebisch ihm nach und zuckten zurück, wie auf dem Kirchenraub ergriffen, wenn sein wetterleuchtender Blick sie traf. Ach, Bella! wie verschlangen wir seine Blicke! wie parteiisch zählte sie der ängstliche Neid der Nachbarin zu! Sie fielen unter uns wie der Goldapfel des Zanks, zärtliche Augen brannten wilder, sanfte Busen pochten stürmischer, Eifersucht hatte unsere Eintracht zerrissen.

Arabella. Ich besinne mich. Das ganze weibliche Genua kam in Aufruhr um diese schöne Eroberung.

Leonore (begeistert). Und nun mein ihn zu nennen! verwegenes, entsetzliches Glück! Mein Genuas größten Mann, (mit Anmuth) der vollendet sprach aus dem Meißel der unerschöpflichen Künstlerin, alle Größen seines Geschlechts im lieblichsten Schmelze verband – Höret, Mädchen! kann ich's nun doch nicht mehr verschweigen! – Höret, Mädchen, ich vertraue euch etwas, (geheimnißvoll) einen Gedanken – als ich am Altar stand neben Fiesco – seine Hand in meine Hand gelegt – hatt' ich den Gedanken, den zu denken dem Weibe verboten ist – dieser Fiesco, dessen Hand jetzt in der deinigen liegt – dein Fiesco – aber still! daß kein Mann uns belausche, wie hoch wir uns mit dem Abfall seiner Vortrefflichkeit brüsten – dieser dein Fiesco – Weh euch, wenn das Gefühl euch nicht höher wirft! – wird – uns Genua von seinen Tyrannen erlösen!

Arabella (erstaunt). Und diese Vorstellung kam einem Frauenzimmer am Brauttag?

Leonore. Erstaune, Bella! Der Braut in der Wonne des Brauttags! (Lebhafter.) Ich bin ein Weib – aber ich fühle den Adel meines Bluts, kann es nicht dulden, daß dieses Haus Doria über unsre Ahnen hinauswachsen will. Jener sanftmüthige Andreas – es ist eine Wollust, ihm gut zu sein – mag immer Herzog von Genua heißen, aber Gianettino ist sein Neffe – sein Erbe – und Gianettino hat ein freches, hochmüthiges Herz. Genua zittert vor ihm, und Fiesco, (in Wehmuth hinabgefallen) Fiesco – weinet um mich – liebt seine Schwester.

Arabella. Arme, unglückliche Frau –

Leonore. Geht jetzt und sehet diesen Halbgott der Genueser im schamlosen Kreis der Schwelger und Buhldirnen setzen, ihre Ohren mit unartigem Witze kitzeln, ihnen Märchen von verwünschten Prinzessinnen erzählen – – das ist Fiesco! – Ach, Mädchen! nicht Genua allein verlor seinen Helden – auch ich meinen Gemahl!

Rosa. Reden Sie leiser. Man kömmt durch die Galerie.

Leonore (zusammenschreckend). Fiesco kommt. Flieht! flieht! Mein Anblick könnte ihm einen trüben Augenblick machen. (Sie entspringt in ein Seitenzimmer. Die Mädchen ihr nach.)

Zweiter Auftritt

Gianettino Doria maskiert im grünen Mantel. Ein Mohr. Beide im Gespräch.

Gianettino. Du hast mich verstanden.

Mohr. Wohl.

Gianettino. Die weiße Maske.

Mohr. Wohl.

Gianettino. Ich sage – die weiße Maske!

Mohr. Wohl! wohl! wohl!

Gianettino. Hörst du? Du kannst sie nur (auf seine Brust deutend) hieher verfehlen.

Mohr. Seid unbekümmert.

Gianettino. Und einen tüchtigen Stoß!

Mohr. Er soll zufrieden sein.

Gianettino (hämisch). Daß der arme Graf nicht

Mohr. Um Vergebung – wie schwer möchte ungefähr sein Kopf ins Gewicht fallen?

Gianettino. Hundert Zechinen schwer.

Mohr (bläst durch die Finger). Puh! Federleicht!

Gianettino. Was brummst du da?

Mohr. Ich sag' es ist eine leichte Arbeit.

Gianettino. Das ist deine Sorge. Dieser Mensch ist ein Magnet. Alle unruhigen Köpfe fliegen gegen seine Pole. Höre, Kerl! fasse ihn ja recht.

Mohr. Aber, Herr – ich muß flugs auf die That nach Venedig.

Gianettino. So nimm deinen Dank voraus. (wirft ihm einen Wechsel zu.) In höchstens drei Tagen muß er kalt sein. (Ab.)

Mohr (indem er den Wechsel vom Boden nimmt). Das nenn' ich Credit! Der Herr traut meiner Jaunerparole ohne Handschrift. (Ab.)

Dritter Auftritt.

Calcagno, hinter ihm Sacco. Beide in schwarzen Mänteln.

Calcagno. Ich werde gewahr, daß du alle meine Schritte belauerst.

Sacco. Und ich beobachte, daß die mir alle verbirgst. Höre, Calcagno, seit einigen Wochen arbeitet etwas auf deinem Gesichte, das nicht geradezu just dem Vaterland gilt. – Ich dächte, Bruder, wir Beide könnten schon Geheimniß gegen Geheimniß tauschen, und am Ende hätte Keiner beim Schleichhandel verloren – Wirst du aufrichtig sein?

Calcagno. So sehr, daß, wenn deine Ohren nicht Lust haben, in meine Brust hinunter zu steigen, mein Herz dir halbwegs auf meiner Zunge entgegen kommen soll – Ich liebe die Gräfin Fiesco.

Sacco (tritt verwundernd zurück). Wenigstens das hätt' ich nicht entziffert, hätte ich alle Möglichkeiten Revue passieren lassen – Deine Wahl spannt meinen Witz auf die Folter, aber es ist um ihn geschehen, wenn sie glückt.

Calcagno. Man sagt, sie sei ein Beispiel der strengsten Tugend.

Sacco. Man lügt. Sie ist das ganze Buch über den abgeschmackten Text. Eins von beiden, Calcagno, gib dein Gewerb oder dein Herz auf –

Calcagno. Der Graf ist ihr ungetreu. Eifersucht ist die abgefeimteste Kupplerin. Ein Anschlag gegen die Doria muß den Grafen in Athem halten und mir im Palaste zu schaffen geben. Während er nun den Wolf aus der Hürde scheucht, soll der Marder in seinen Hühnerstall fallen.

Sacco. Unverbesserlich, Bruder! Habe Dank. Auch mich hast du plötzlich des Rothwerdens überhoben. Was ich mich zu denken geschämt habe, kann ich jetzt laut vor dir sagen. Ich bin ein Bettler, wenn die jetzige Verfassung nicht übern Haufen fällt.

Calcagno. Sind deine Schulden so groß?

Sacco. So ungeheuer, daß mein Lebensfaden, achtfach genommen, am ersten Zehentheil abschnellen muß. Eine Staatsveränderung soll mir Luft machen, hoff' ich. Wenn sie mir auch nicht zum Bezahlen hilft, soll sie doch meinen Gläubigern das Fordern entleiden.

Calcagno. Ich verstehe – und am Ende, wenn Genua bei der Gelegenheit frei wird, läßt sich Sacco Vater des Vaterlands taufen. Wärme mir Einer das verdroschene Märchen von Redlichkeit auf, wenn der Bankerott eines Taugenichts und die Brunst eines Wollüstlings das Glück eines Staats entscheiden. Bei Gott, Sacco! ich bewundre in uns Beiden die feine Speculation des Himmels, der das Herz des Körpers durch die Eiterbeulen der Gliedmaßen rettet – Weiß Verrina um deinen Anschlag?

Sacco. So weit der Patriot darum wissen darf. Genua, weißt du selbst, ist die Spindel, um welche sich alle seine Gedanken mit einer eisernen Treue drehen. An dem Fiesco hängt jetzt sein Falkenaug. Auch dich hofft er halbwegs zu einem kühnen Komplott.

Calcagno. Er hat eine treffliche Nase. Komm, laß uns ihn aufsuchen und seinen Freiheitssinn mit dem unsrigen schüren. (Gehen ab.)

Vierter Auftritt.

Julia erhitzt. Fiesco, der einen weißen Mantel trägt, eilt ihr nach.

Julia. Lakaien! Läufer!

Fiesco. Gräfin, wohin? Was beschließen Sie?

Julia. Nichts, im mindesten nichts. (Bediente.) Mein Wagen soll vorfahren.

Fiesco. Sie erlauben – er soll nicht. Hier ist eine Beleidigung.

Julia. Pah! doch wohl das nicht – Weg! Sie zerren mir ja die Garnierung in Stücken – Beleidigung? Wer ist hier, der beleidigen kann? So gehen Sie doch.

Fiesco (auf einem Knie.) Nicht, bis Sie mir den Verwegenen sagen. –

Julia (steht still mit angestemmten Armen). Ah, schön! schön! sehenswürdig! Rufe doch Jemand die Gräfin von Lavagna zu diesem reizenden Schauspiel! – Wie, Graf? wo bleibt der Gemahl? Diese Stellung taugte ausnehmend in das Schlafgemach Ihrer Frau, wenn sie im Kalender ihrer Liebkosungen blättert und einen Bruch in der Rechnung findet. Stehen Sie doch auf. Gehen Sie zu Damen, wo Sie wohlfeiler markten. So stehen Sie doch auf. Oder wollen Sie die Impertinenzen Ihrer Frau mit Ihren Galanterieen abbüßen?

Fiesco (springt auf). Impertinenzen? Ihnen?

Julia. Aufzubrechen – den Sessel zurückzustoßen – der Tafel den Rücken zu kehren – der Tafel, Graf! an der ich sitze.

Fiesco. Es ist nicht zu entschuldigen.

Julia. Und mehr ist es nicht? – Ueber die Fratze! und ist es denn meine Schuld, (sich belächelnd) daß der Graf seine Augen hat?

Fiesco. Das Verbrechen Ihrer Schönheit, Madonna, daß er sie nicht überall hat.

Julia. Keine Delicatesse, Graf, wo die Ehre das Wort führt. Ich fordre Genugthuung. Finde ich sie bei Ihnen? oder hinter den Donnern des Herzogs?

Fiesco. In den Armen der Liebe, die Ihnen den Mißtritt der Eifersucht abbittet.

Julia. Eifersucht? Eifersucht? Was will denn das Köpfchen? (Vor einem Spiegel gesticulierend.) Ob sie wohl eine bessere Fürsprache für ihren Geschmack zu erwarten hat, als wenn ich ihn für den meinigen erkläre? (Stolz.) Doria und Fiesco? – ob sich die Gräfin von Lavagna nicht geehrt fühlen muß, wenn die Nichte des Herzogs ihre Wahl beneidenswürdig findet? (Freundlich, indem sie dem Grafen ihre Hand zum Küssen reicht.) Ich setze den Fall, Graf, daß ich sie so fände.

Fiesco (lebhaft). Grausamste, und mich dennoch zu quälen! – Ich weiß es, göttliche Julia, daß ich nur Ehrfurcht gegen Sie fühlen sollte. Meine Vernunft heißt mich das Knie des Unterthans vor dem Blut Dorias beugen, aber mein Herz betet die schöne Julia an. Eine Verbrecherin ist meine Liebe, aber eine Heldin zugleich, die kühn genug ist, die Ringmauer des Rangs durchzubrechen und gegen die verzehrende Sonne der Majestät anzufliegen.

Julia. Eine große, große, gräfliche Lüge, die auf Stelzen heranhinkt – Seine Zunge vergöttert mich, sein Herz hüpft unter dem Schattenriß einer Andern.

Fiesco. Oder besser, Signora, es schlägt unwillig dagegen und will ihn hinwegdrücken. (Indem er die Silhouette Leonorens, die an einem himmelblauen Bande hängt, herabnimmt und sie der Julia überliefert.) Stellen Sie Ihr Bild an diesem Altar auf, so können Sie diesen Götzen zerstören.

Julia (steckt das Bild hastig zu sich, vergnügt). Ein großes Opfer, bei meiner Ehre, das meinen Dank verdient. (Sie hängt ihm die ihrige um.) So, Sklave! trage die Farbe deines Herrn. (Sie geht ab.)

Fiesco (mit Feuer). Julia liebt mich! Julia! Ich beneide keinen Gott. (Frohlockend im Saal.) Diese Nacht sei eine Festnacht der Götter, die Freude soll ihr Meisterstück machen. Holla! holla! (Menge Bediente.) Der Boden meiner Zimmer lecke cyprischen Nektar, Musik lärme die Mitternacht aus ihrem bleiernen Schlummer auf, tausend brennende Lampen spotten die Morgensonne hinweg – Allgemein sei die Lust, der bacchantische Tanz stampfe das Todtenreich in polternde Trümmer!

(Er eilt ab. Rauschendes Allegro, unter welchem der Mittelvorhang aufgezogen wird und einen großen illuminierten Saal eröffnet, worin viele Masken tanzen. Zur Seite Schenk- und Spieltische von Gästen besetzt.)

Fünfter Auftritt.

Gianettino halb betrunken. Lomellin. Zibo. Zenturione. Verrina. Sacco. Calcagno. Alle maskiert. Mehrere Damen und Nobili.

Gianettino (lärmend). Bravo! Bravo! Diese Weine glitschen herrlich, unsre Tänzerinnen springen à merveille. Geh Einer von euch, streu' es in Genua aus, ich sei heitern Humors, man könne sich gütlich thun – Bei meiner Geburt! sie werden den Tag roth im Kalender zeichnen und drunter schreiben: Heute war Prinz Doria lustig.

Gäste (setzen die Gläser an). Die Republik! (Trompetenstoß.)

Gianettino (wirft das Glas mit Macht auf die Erde). Hier liegen die Scherben. (Drei schwarze Masken fahren auf, versammeln sich um Gianettino.)

Lomellin (führt den Prinzen vor). Gnädiger Herr, Sie sagten mir neulich von einem Frauenzimmer, das Ihnen in der Lorenzokirche begegnete?

Gianettino. Das hab' ich auch, Bursche, und muß ihre Bekanntschaft haben.

Lomellin. Die kann ich Eurer Gnaden verschaffen.

Gianettino (rasch). Kannst du? Kannst du? Lomellin, du hast dich neulich zur Procuratorwürde gemeldet. Du sollst sie erhalten.

Lomellin. Gnädiger Prinz, es ist die zweite im Staat, mehr denn sechzig Edelleute bewerben sich darum, alle reicher und angesehener, als Euer Gnaden unterthäniger Diener.

Gianettino (schnaubt ihn trotzig an). Donner und Doria! Du sollst Procurator werden. (Die drei Masken kommen vorwärts.) Adel in Genua? Laß sie all ihre Ahnen und Wappen zumal in die Wagschale schmeißen, was braucht es mehr, als ein Haar aus dem weißen Bart meines Onkels, Genuas ganze Adelschaft in alle Lüfte zu schnellen? Ich will, du sollst Procurator sein, das ist so viel als alle Stimmen der Signoria.

Lomellin (leiser). Das Mädchen ist die einzige Tochter eines gewissen Verrina.

Gianettino. Das Mädchen ist hübsch, und trutz allen Teufeln! muß ich sie brauchen.

Lomellin. Gnädiger Herr! das einzige Kind des starrköpfigsten Republikaners!

Gianettino. Geh in die Hölle mit deinem Republikaner! Der Zorn eines Vasallen und meine Leidenschaft! Das heißt, der Leuchtthurm muß einstürzen, wenn Buben mit Muscheln darnach werfen. (Drei schwarze Masken treten mit großen Bewegungen näher.) Hat darum Herzog Andreas seine Narben geholt in den Schlachten dieser Lumpenrepublikaner, daß sein Neffe die Gunst ihrer Kinder und Bräute erbetteln soll? Donner und Doria! diesen Gelust müssen sie niederschlucken, oder ich will über den Gebeinen meines Oheims einen Galgen aufpflanzen, an dem sich ihre genuesische Freiheit zu Tod zappeln soll. (Die drei Masken treten zurück.)

Lomellin. Das Mädchen ist eben jetzt allein. Ihr Vater ist hier und eine von den drei Masken.

Gianettino. Erwünscht, Lomellin. Gleich bringe mich zu ihr.

Lomellin. Aber Sie werden eine Buhlerin suchen und eine Empfindlerin finden.

Gianettino. Gewalt ist die beste Beredsamkeit. Führe mich alsobald hin; den republikanischen Hund will ich sehen, der am Bären Doria hinaufspringt. (Fiesco begegnet ihm an der Thür.) Wo ist die Gräfin?

Sechster Auftritt.

Vorige. Fiesco.

Fiesco. Ich habe sie in den Wagen gehoben. (Er faßt Gianettinos Hand und hält sie gegen seine Brust.) Prinz, ich bin jetzt doppelt in Ihren Banden. Gianettino herrscht über meinen Kopf und Genua; über mein Herz Ihre liebenswürdige Schwester.

Lomellin. Fiesco ist ganz Epikuräer worden. Die große Welt hat viel an Ihnen verloren.

Fiesco. Aber Fiesco nichts an der großen Welt. Leben heißt träumen; weise sein, Lomellin, heißt angenehm träumen. Kann man das besser unter den Donnern des Throns, wo die Räder der Regierung ewig ins gellende Ohr krachen, als am Busen eines schmachtenden Weibs? Gianettino Doria mag über Genua herrschen. Fiesco wird lieben.

Gianettino. Brich auf, Lomellin! Es wird Mitternacht. Die Zeit rückt heran. Lavagna, wir danken für deine Bewirtung. Ich war zufrieden.

Fiesco. Das ist alles, was ich wünschen kann, Prinz.

Gianettino. Also gute Nacht. Morgen ist Spiel bei Doria, und Fiesco ist eingeladen. Komm, Procurator.

Fiesco. Musik! Lichter!

Gianettino (trotzig durch die drei Masken). Platz dem Namen des Herzogs.

Eine von den drei Masken (murmelt unwillig). In der Hölle! Niemals in Genua!

Gäste (in Bewegung). Der Prinz bricht auf. Gute Nacht, Lavagna! (Taumeln hinaus.)

Siebenter Auftritt.

Die drei schwarzen Masken. Fiesco. Pause.

Fiesco. Ich werde hier Gäste gewahr, die die Freuden meines Festes nicht theilen.

Masken (murmeln verdrießlich durcheinander). Nicht Einer.

Fiesco (verbindlich). Sollte mein guter Wille einen Genueser mißvergnügt weglassen? Hurtig, Lakaien! man soll den Ball erneuern und die großen Pokale füllen. Ich wollte nicht, daß Jemand hier Langeweile hätte. Darf ich Ihre Augen mit Feuerwerken ergötzen? Wollen Sie die Künste meines Harlekins hören? Vielleicht finden Sie bei meinem Frauenzimmer Zerstreuung? Oder wollen wir uns zum Pharao setzen und die Zeit mit Spielen betrügen?

Eine Maske. Wir sind gewohnt, die mit Thaten zu bezahlen!

Fiesco. Eine männliche Antwort, und – das ist Verrina.

Verrina (nimmt die Maske ab). Fiesco findet seine Freunde geschwinder in ihren Masken, als sie ihn in der seinigen.

Fiesco. Ich verstehe das nicht. Aber was soll der Trauerflor an deinem Arm? Sollte Verrina Jemand begraben haben und Fiesco nichts darum wissen?

Verrina. Trauerpost taugt nicht für Fiescos lustige Feste.

Fiesco. Doch, wenn ein Freund ihn auffordert. (Drückt seine Hand mit Wärme.) Freund meiner Seele! wer ist uns Beiden gestorben?

Verrina. Beiden! Beiden! O allzuwahr! – Aber nicht alle Söhne trauern um ihre Mutter.

Fiesco. Deine Mutter ist lange vermodert.

Verrina (bedeutend). Ich besinne mich, daß Fiesco mich Bruder nannte, weil ich der Sohn seines Vaterlands war.

Fiesco (scherzhaft). Ah! ist es das? Also auf einen Spaß war es abgezielt? Trauerkleider um Genua! und es ist wahr, Genua liegt wirklich in letzten Zügen. Der Gedanke ist einzig und neu. Unser Vetter fängt an, ein witziger Kopf zu werden!

Calcagno. Er hat es ernsthaft gesagt, Fiesco!

Fiesco. Freilich! freilich! Das war's eben. So trocken weg und so weinerlich. Der Spaß verliert Alles, wenn der Spaßmacher selber lacht. Mit einer wahren Leichenbittersmiene! Hätt' ich's je gedacht, daß der finstre Verrina in seinen alten Tagen noch ein so lustiger Vogel würde!

Sacco. Verrina, komm! Er ist nimmermehr unser.

Fiesco. Aber lustig weg, Landsmann. Laß uns aussehen wie listige Erben, die heulend hinter der Bahre gehen und desto lauter ins Schnupftuch lachen. Doch dürften wir dafür eine harte Stiefmutter kriegen. Sei's drum, wir lassen sie keifen, und schmausen.

Verrina (heftig bewegt). Himmel und Erde! und thun nichts? – Wo bist du hingekommen, Fiesco? Wo soll ich den großen Tyrannenhasser erfragen? Ich weiß eine Zeit, wo du beim Anblick einer Krone Gichter bekommen hättest. – Gesunkener Sohn der Republik! du wirst's verantworten, daß ich keinen Heller um meine Unsterblichkeit gebe, wenn die Zeit auch Geister abnützen kann.

Fiesco. Du bist der ewige Grillenfänger. Mag er Genua in die Tasche stecken und einem Kaper von Tunis verschachern, was kümmert's uns? Wir trinken Cyprier und küssen schöne Mädchen.

Verrina (blickt ihn ernst an). Ist das deine wahre, ernstliche Meinung?

Fiesco. Warum nicht, Freund? Ist es denn eine Wollust, der Fuß des trägen, vielbeinigen Thiers Republik zu sein? Dank' es Dem, der ihm Flügel gibt und die Füße ihrer Aemter entsetzt. Gianettino Doria wird Herzog. Staatsgeschäfte werden uns keine grauen Haare mehr machen.

Verrina. Fiesco? – ist das deine wahre, ernstliche Meinung?

Fiesco. Andreas erklärt seinen Neffen zum Sohn und Erben seiner Güter, wer wird der Thor sein, ihm das Erbe seiner Macht abzustreiten?

Verrina (mit äußerstem Unmut). So kommt, Genueser! (Er verläßt den Fiesco schnell, die Andern folgen.)

Fiesco. Verrina! – Verrina! – dieser Republikaner ist hart wie Stahl! –

Achter Auftritt.

Fiesco. Eine unbekannte Maske.

Maske. Haben Sie eine Minute übrig, Lavagna?

Fiesco (zuvorkommend). Für Sie eine Stunde!

Maske. So haben Sie die Gnade, einen Gang mit mir vor die Stadt zu thun.

Fiesco. Es ist funfzig Minuten auf Mitternacht.

Maske. Sie haben die Gnade, Graf.

Fiesco. Ich werde anspannen lassen.

Maske. Das ist nicht nöthig. Ich schicke ein Pferd voraus. Mehr braucht es nicht, denn ich hoffe, es soll nur Einer zurückkommen.

Fiesco (betreten). Und?

Maske. Man wird Ihnen auf eine gewisse Thräne eine blutige Antwort abfordern.

Fiesco. Diese Thräne?

Maske. Einer gewissen Gräfin von Lavagna. Ich kenne diese Dame sehr gut und will wissen, womit sie verdient hat, das Opfer einer Närrin zu werden?

Fiesco. Jetzt verstehe ich Sie. Darf ich den Namen dieses seltsamen Aufforderers wissen?

Maske. Es ist der nämliche, der das Fräulein von Zibo einst anbetete und vor dem Bräutigam Fiesco zurück trat.

Fiesco. Scipio Bourgognino!

Bourgognino (nimmt die Maske ab). Und der jetzt da ist, seine Ehre zu lösen, die einem Nebenbuhler wich, der klein genug denkt, die Sanftmuth zu quälen.

Fiesco (umarmt ihn mit Feuer). Edler junger Mann! Gedankt sei's dem Leiden meiner Gemahlin, das mir eine so werthe Bekanntschaft macht. Ich fühle die Schönheit Ihres Unwillens, aber ich schlage mich nicht.

Bourgognino (einen Schritt zurück). Der Graf von Lavagna wäre zu feig, sich gegen die Erstlinge meines Schwertes zu wagen?

Fiesco. Bourgognino! gegen die ganze Macht Frankreichs, aber nicht gegen Sie! Ich ehre dieses liebe Feuer für einen lieberen Gegenstand. Einen Lorbeer verdient der Wille, aber die That wäre kindisch.

Bourgognino (erregt). Kindisch! Graf? Das Frauenzimmer kann über Mißhandlung nur weinen – wofür ist der Mann da?

Fiesco. Ungemein gut gesagt, aber ich schlage mich nicht.

Bourgognino (dreht ihm den Rücken, will gehen). Ich werde Sie verachten.

Fiesco (lebhaft). Bei Gott, Jüngling! das wirst du nie, und wenn die Tugend im Preis fallen sollte. (Faßt ihn bedächtlich bei der Hand.) haben Sie jemals etwas gegen mich gefühlt, das man – wie soll ich sagen? – Ehrfurcht nennt?

Bourgognino. Wär' ich einem Mann gewichen, den ich nicht für den ersten der Menschen erklärte?

Fiesco. Also, mein Freund! einen Mann, der einst meine Ehrfurcht verdiente, würde ich – etwas langsam verachten lernen. Ich dächte doch, das Gewebe eines Meisters sollte künstlicher sein, als dem flüchtigen Anfänger so geradezu in die Augen zu springen – Gehen Sie heim, Bourgognino, und nehmen Sie sich Zeit, zu überlegen, warum Fiesco so und nicht anders handelt. (Bourgognino geht stillschweigend ab.) Fahr hin, edler Jüngling! Wenn diese Flammen ins Vaterland schlagen, mögen die Doria fest stehen.


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