Friedrich Schiller
Geschichte des dreißigjährigen Kriegs
Friedrich Schiller

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Fünftes Buch.

Wallensteins Tod machte einen neuen Generalissimus nothwendig, und der Kaiser gab nun endlich dem Zureden der Spanier nach, seinen Sohn Ferdinand, König von Ungarn, zu dieser Würde zu erheben. Unter ihm führte der Graf von Gallas das Commando, der die Funktionen des Feldherrn ausübt, während daß der Prinz diesen Posten eigentlich nur mit seinem Namen und Ansehen schmückt. Bald sammelt sich eine beträchtliche Macht unter Ferdinands Fahnen, der Herzog von Lothringen führt ihm in Person Hilfsvölker zu, und aus Italien erscheint der Cardinal-Infant mit zehntausend Mann, seine Armee zu verstärken. Um den Feind von der Donau zu vertreiben, unternimmt der neue Feldherr, was man von seinem Vorgänger nicht hatte erhalten können, die Belagerung der Stadt Regensburg. Umsonst dringt Herzog Bernhard von Weimar in das Innerste von Bayern, um den Feind von dieser Stadt wegzulocken; Ferdinand betreibt die Belagerung mit standhaftem Ernst, und die Reichsstadt öffnet ihm, nach der hartnäckigsten Gegenwehr, die Thore. Donauwörth betrifft bald darauf ein ähnliches Schicksal, und nun wird Nördlingen in Schwaben belagert. Der Verlust so vieler Reichsstädte mußte der schwedischen Partei um so empfindlicher fallen, da die Freundschaft dieser Städte für das Glück ihrer Waffen bis jetzt so entscheidend war, also Gleichgültigkeit gegen das Schicksal derselben um so weniger verantwortet werden konnte. Es gereichte ihnen zur unauslöschlichen Schande, ihre Bundesgenossen in der Noth zu verlassen und der Rachsucht eines unversöhnlichen Siegers preiszugeben. Durch diese Gründe bewogen, setzt sich die schwedische Armee unter der Anführung Horns und Bernhards von Weimar nach Nördlingen in Bewegung, entschlossen, auch wenn es eine Schlacht kosten sollte, diese Stadt zu entsetzen.

Das Unternehmen war mißlich, da die Macht des Feindes der schwedischen merklich überlegen war, und die Klugheit rieth um so mehr an, unter diesen Umständen nicht zu schlagen, da die feindliche Macht sich in kurzer Zeit trennen mußte und die Bestimmung der italienischen Truppen sie nach den Niederlanden rief. Man konnte indessen eine solche Stellung erwählen, daß Nördlingen gedeckt und dem Feinde die Zufuhr genommen wurde. Alle diese Gründe machte Gustav Horn in dem schwedischen Kriegsrathe geltend; aber seine Vorstellungen fanden keinen Eingang bei Gemüthern, die, von einem langen Kriegsglücke trunken, in den Rathschlägen der Klugheit nur die Stimme der Furcht zu vernehmen glaubten. Von dem höhern Ansehen Herzog Bernhards überstimmt, mußte sich Gustav Horn wider Willen zu einer Schlacht entschließen, deren unglücklichen Ausgang ihm eine schwarze Ahnung vorher schon verkündigte.

Das ganze Schicksal des Treffens schien von Besetzung einer Anhöhe abzuhängen, die das kaiserliche Lager beherrschte. Der Versuch, dieselbe noch in der Nacht zu ersteigen, war mißlungen, weil der mühsame Transport des Geschützes durch Hohlwege und Gehölze den Marsch der Truppen verzögerte. Als man gegen die Mitternachtsstunde davor erschien, hatte der Feind die Anhöhe schon besetzt und durch starke Schanzen vertheidigt. Man erwartete also den Anbruch des Tags, um sie im Sturme zu ersteigen. Die ungestüme Tapferkeit der Schweden machte sich durch alle Hindernisse Bahn, die mondförmigen Schanzen werden von jeder der dazu commandierten Brigaden glücklich erstiegen; aber da beide zu gleicher Zeit von entgegengesetzten Seiten in die Verschanzungen dringen, so treffen sie gegen einander und verwirren sich. In diesem unglücklichen Augenblick geschieht es, daß ein Pulverfaß in die Luft fliegt und unter den schwedischen Völkern die größte Unordnung anrichtet. Die kaiserliche Reiterei bricht in die zerrissenen Glieder, und die Flucht wird allgemein. Kein Zureden ihres Generals kann die Fliehenden bewegen, den Angriff zu erneuern.

Er entschließt sich also, um diesen wichtigen Posten zu behaupten, frische Völker dagegen anzuführen; aber indessen haben einige spanische Regimenter ihn besetzt, und jeder Versuch, ihn zu erobern, wird durch die heldenmüthige Tapferkeit dieser Truppen vereitelt. Ein von Bernhard herbeigeschicktes Regiment setzt siebenmal an, und siebenmal wird es zurückgetrieben. Bald empfindet man den Nachtheil, sich dieses Postens nicht bemächtigt zu haben. Das Feuer des feindlichen Geschützes von der Anhöhe richtet auf dem angrenzenden Flügel der Schweden eine fürchterliche Niederlage an, daß Gustav Horn, der ihn anführt, sich zum Rückzug entschließen muß. Anstatt diesen Rückzug seines Gehilfen decken und den nachsetzenden Feind aufhalten zu können, wird Herzog Bernhard selbst von der überlegenen Macht des Feindes in die Ebene herabgetrieben, wo seine flüchtige Reiterei die Hornischen Völker mit in Verwirrung bringt und Niederlage und Flucht allgemein macht. Beinahe die ganze Infanterie wird gefangen oder niedergehauen; mehr als zwölftausend Mann bleiben todt auf dem Wahlplatze; achtzig Kanonen, gegen viertausend Wagen und dreihundert Standarten und Fahnen fallen in kaiserliche Hände. Gustav Horn selbst geräth nebst drei andern Generalen in die Gefangenschaft. Herzog Bernhard rettet mit Mühe einige schwache Trümmer der Armee, die sich erst zu Frankfurt wieder unter seine Fahnen versammeln.

Die Nördlinger Niederlage kostete dem Reichskanzler die zweite schlaflose Nacht in Deutschland. Unübersehbar groß war der Verlust, den sie nach sich zog. Die Ueberlegenheit im Felde war nun auf einmal für die Schweden verloren und mit ihr das Vertrauen aller Bundesgenossen, die man ohnehin nur dem bisherigen Kriegsglücke verdankte. Eine gefährliche Trennung drohte dem ganzen protestantischen Bunde den Untergang. Furcht und Schrecken ergriffen die ganze Partei, und die katholische erhob sich mit übermüthigem Triumph aus ihrem tiefen Verfalle. Schwaben und die nächsten Kreise empfanden die ersten Folgen der Nördlinger Niederlage, und Wirtenberg besonders wurde von der siegenden Armee überschwemmt. Alle Mitglieder des Heilbronnischen Bundes zitterten vor der Rache des Kaisers; was fliehen konnte, rettete sich nach Straßburg, und die hilflosen Reichsstädte erwarteten mit Bangigkeit ihr Schicksal. Etwas mehr Mäßigung gegen die Besiegten würde alle diese schwächern Stände unter die Herrschaft des Kaisers zurückgeführt haben. Aber die Härte, die man auch gegen diejenigen bewies, welche sich freiwillig unterwarfen, brachte die übrigen zur Verzweiflung und ermunterte sie zu dem thätigsten Widerstande.

Alles suchte in dieser Verlegenheit Rath und Hilfe bei Oxenstierna. Oxenstierna suchte sie bei den deutschen Ständen. Es fehlte an Armeen; es fehlte an Geld, neue aufzurichten und den alten die ungestüm geforderten Rückstände zu bezahlen. Oxenstierna wendet sich an den Kurfürsten von Sachsen, der die schwedische Sache verläßt, um mit dem Kaiser zu Pirna über den Frieden zu traktieren. Er spricht die niedersächsischen Stände um Beistand an; diese, schon längst der schwedischen Geldforderungen und Ansprüche müde, sorgen jetzt bloß für sich selbst, und Herzog Georg von Lüneburg, anstatt dem obern Deutschland zu Hilfe zu eilen, belagert Minden, um es für sich selbst zu behalten. Von seinen deutschen Alliierten hilflos gelassen, bemüht sich der Kanzler um den Beistand auswärtiger Mächte. England, Holland, Venedig werden um Geld, um Truppen angesprochen, und von der äußersten Noth getrieben, entschließt er sich endlich zu dem lange vermiedenen sauern Schritt, sich Frankreich in die Arme zu werfen.

Endlich war der Zeitpunkt erschienen, welchem Richelieu längst mit ungeduldiger Sehnsucht entgegenblickte. Nur die völlige Unmöglichkeit, sich auf einem andern Wege zu retten, konnte die protestantischen Stände Deutschlands vermögen, die Ansprüche Frankreichs auf das Elsaß zu unterstützen. Dieser äußerste Nothfall war jetzt vorhanden; Frankreich war unentbehrlich, und es ließ sich den lebhaften Antheil, den es von jetzt an an dem deutschen Kriege nahm, mit einem theuern Preise bezahlen. Voll Glanz und Ehre betrat es jetzt den politischen Schauplatz. Schon hatte Oxenstierna, dem es wenig kostete, Deutschlands Rechte und Besitzungen zu verschenken, die Reichsfestung Philippsburg und die noch übrigen verlangten Plätze an Richelieu abgetreten; jetzt schickten die oberdeutschen Protestanten auch in ihrem Namen eine eigene Gesandtschaft ab, das Elsaß, die Festung Breisach (die erst erobert werden sollte) und alle Plätze am Oberrhein, die der Schlüssel zu Deutschland waren, unter französischen Schutz zu geben. Was der französische Schutz bedeute, hatte man an den Bisthümern Metz, Toul und Verdun gesehen, welche Frankreich schon seit Jahrhunderten, selbst gegen ihre rechtmäßigen Eigenthümer beschützte. Das Trierische Gebiet hatte schon französische Besitzungen; Lothringen war so gut als erobert, da es jeden Augenblick mit einer Armee überschwemmt werden und seinem furchtbaren Nachbar durch eigene Kraft nicht widerstehen konnte. Jetzt war die wahrscheinlichste Hoffnung für Frankreich vorhanden, auch das Elsaß zu seinen weitläuftigen Besitzungen zu schlagen und, da man sich bald darauf mit den Holländern in die spanischen Niederlande theilte, den Rhein zu seiner natürlichen Grenze gegen Deutschland zu machen. So schimpflich wurden Deutschlands Rechte von deutschen Ständen an diese treulose, habsüchtige Macht verkauft, die unter der Larve einer uneigennützigen Freundschaft nur nach Vergrößerung strebte und, indem sie mit frecher Stirne die ehrenvolle Benennung einer Beschützerin annahm, bloß darauf bedacht war, ihr Netz auszuspannen und in der allgemeinen Verwirrung sich selbst zu versorgen.

Für diese wichtigen Cessionen machte Frankreich sich anheischig, den schwedischen Waffen durch Bekriegung der Spanier eine Diversion zu machen und, wenn es mit dem Kaiser selbst zu einem öffentlichen Bruch kommen sollte, diesseits des Rheins eine Armee von zwölftausend Mann zu unterhalten, die dann in Vereinigung mit den Schweden und Deutschen gegen Oesterreich agieren würde. Zu dem Kriege mit den Spaniern wurde von diesen selbst die erwünschte Veranlassung gegeben. Sie überfielen von den Niederlanden aus die Stadt Trier, hieben die französische Besatzung, die in derselben befindlich war, nieder, bemächtigten sich, gegen alle Rechte der Völker, der Person des Kurfürsten, der sich unter französischen Schutz begeben hatte, und führten ihn gefangen nach Flandern. Als der Cardinal-Infant, als Statthalter der spanischen Niederlande, dem König von Frankreich die geforderte Genugthuung abschlug und sich weigerte, den gefangenen Fürsten in Freiheit zu setzen, kündigte ihm Richelieu, nach altem Brauche durch einen Wappenherold, zu Brüssel förmlich den Krieg an, der auch wirklich von drei verschiedenen Armeen, in Mailand, in dem Veltlin und in Flandern eröffnet wurde. Weniger Ernst schien es dem französischen Minister mit dem Kriege gegen den Kaiser zu sein, wobei weniger Vortheile zu ernten und größere Schwierigkeiten zu besiegen waren. Dennoch wurde unter der Anführung des Cardinals von la Valette eine vierte Armee über den Rhein nach Deutschland gesendet, die in Vereinigung mit Herzog Bernhard, ohne vorhergegangene Kriegserklärung, gegen den Kaiser zu Felde zog.

Ein weit empfindlicherer Schlag, als selbst die Nördlinger Niederlage, war für die Schweden die Aussöhnung des Kurfürsten von Sachsen mit dem Kaiser, welche, nach wiederholten wechselseitigen Versuchen, sie zu hindern und zu befördern, endlich im Jahr 1634 zu Pirna erfolgte und im Mai des darauf folgenden Jahres zu Prag in einem förmlichen Frieden befestigt wurde. Nie hatte der Kurfürst von Sachsen die Anmaßungen der Schweden in Deutschland verschmerzen können, und seine Abneigung gegen diese ausländische Macht, die in dem deutschen Reiche Gesetze gab, war mit jeder neuen Forderung, welche Oxenstierna an die deutschen Reichsstände machte, gestiegen. Diese üble Stimmung gegen Schweden unterstützte aufs kräftigste die Bemühungen des spanischen Hofs, einen Frieden zwischen Sachsen und dem Kaiser zu stiften. Ermüdet von den Unfällen eines so langen und verwüstenden Krieges, der die sächsischen Länder vor allen andern zu seinem traurigen Schauplatze machte, gerührt von dem allgemeinen und schrecklichen Elende, das Freund und Feind ohne Unterschied über seine Unterthanen häuften, und durch die verführerischen Anträge des Hauses Oesterreich gewonnen, ließ endlich der Kurfürst die gemeine Sache im Stich, und weniger besorgt um das Loos seiner Mitstände und um deutsche Freiheit, dachte er nur darauf, seine eigenen Vortheile, wär's auch auf Unkosten des Ganzen, zu befördern.

Und wirklich war das Elend in Deutschland zu einem so ausschweifenden Grade gestiegen, daß das Gebet um Frieden von tausendmaltausend Zungen ertönte und auch der nachtheiligste noch immer für eine Wohlthat des Himmels galt. Wüsten lagen da, wo sonst tausend frohe und fleißige Menschen wimmelten, wo die Natur ihren herrlichsten Segen ergossen und Wohlleben und Ueberfluß geherrscht hatte. Die Felder, von der fleißigen Hand des Pflügers verlassen, lagen ungebaut und verwildert, und wo eine junge Saat aufschoß oder eine lachende Ernte winkte, da zerstörte ein einziger Durchmarsch den Fleiß eines ganzen Jahres, die letzte Hoffnung des verschmachtenden Volks. Verbrannte Schlösser, verwüstete Felder, eingeäscherte Dörfer lagen meilenweit herum in grauenvoller Zerstörung, während daß ihre verarmten Bewohner hingingen, die Zahl jener Mordbrennerheere zu vermehren und, was sie selbst erlitten hatten, ihren verschonten Mitbürgern schrecklich zu erstatten. Kein Schutz gegen Unterdrückung, als selbst unterdrücken zu helfen. Die Städte seufzten unter der Geißel zügelloser und räuberischer Besatzungen, die das Eigenthum des Bürgers verschlangen und die Freiheiten des Krieges, die Licenz ihres Standes und die Vorrechte der Noth mit dem grausamsten Muthwillen geltend machten. Wenn schon unter dem kurzen Durchzug einer Armee ganze Landstrecken zur Einöde wurden, wenn andere durch Winterquartiere verarmten, oder durch Brandschatzungen ausgesogen wurden, so litten sie doch nur vorübergehende Plagen, und der Fleiß eines Jahres konnte die Drangsale einiger Monate vergessen machen. Aber keine Erholung wurde Denjenigen zu Theil, die eine Besatzung in ihren Mauern oder in ihrer Nachbarschaft hatten, und ihr unglückliches Schicksal konnte selbst der Wechsel des Glücks nicht verbessern, da der Sieger an den Platz und in die Fußstapfen des Besiegten trat und Freund und Feind gleich wenig Schonung bewiesen. Die Vernachlässigung der Felder, die Zerstörung der Saaten und die Vervielfältigung der Armeen, die über die ausgesogenen Länder daherstürmten, hatten Hunger und Theurung zur unausbleiblichen Folge, und in den letzten Jahren vollendete noch Mißwachs das Elend. Die Anhäufung der Menschen in Lagern und Quartieren, Mangel auf der einen Seite und Völlerei auf der andern brachten pestartige Seuchen hervor, die mehr als Schwert und Feuer die Länder verödeten. Alle Bande der Ordnung lösten in dieser langen Zerrüttung sich auf, die Achtung für Menschenrechte, die Furcht vor Gesetzen, die Reinheit der Sitten verlor sich, Treu und Glaube verfiel, indem die Stärke allein mit eisernem Scepter herrschte; üppig schossen unter dem Schirme der Anarchie und der Straflosigkeit alle Laster auf, und die Menschen verwilderten mit den Ländern. Kein Stand war dem Muthwillen zu ehrwürdig, kein fremdes Eigenthum der Noth und der Raubsucht heilig. Der Soldat (um das Elend jener Zeit in ein einziges Wort zu pressen), der Soldat herrschte, und dieser brutalste der Despoten ließ seine eignen Führer nicht selten seine Obermacht fühlen. Der Befehlshaber einer Armee war eine wichtigere Person in dem Lande, worin er sich sehen ließ, als der rechtmäßige Regent, der oft dahin gebracht war, sich vor ihm in seinen Schlössern zu verkriechen. Ganz Deutschland wimmelte von solchen kleinen Tyrannen, und die Länder litten gleich hart von dem Feinde und von ihren Verteidigern. Alle diese Wunden schmerzten um so mehr, wenn man sich erinnerte, daß es fremde Mächte waren, welche Deutschland ihrer Habsucht aufopferten und die Drangsale des Krieges vorsätzlich verlängerten, um ihre eigennützigen Zwecke zu erreichen. Damit Schweden sich bereichern und Eroberungen machen konnte, mußte Deutschland unter der Geißel des Krieges bluten; damit Richelieu in Frankreich nothwendig blieb, durfte die Fackel der Zwietracht im deutschen Reiche nicht erlöschen.

Aber es waren nicht lauter eigennützige Stimmen, die sich gegen den Frieden erklärten, und wenn sowohl Schweden als deutsche Reichsstände die Fortdauer des Kriegs aus unreiner Absicht wünschten, so sprach eine gesunde Staatskunst für sie. Konnte man nach der Nördlinger Niederlage einen billigen Frieden von dem Kaiser erwarten? Und wenn man dies nicht konnte, sollte man siebzehn Jahre lang alles Ungemach des Krieges erduldet, alle Kräfte verschwendet haben, um am Ende nichts gewonnen oder gar noch verloren zu haben? Wofür so viel Blut vergossen, wenn alles blieb, wie es gewesen, wenn man in seinen Rechten und Ansprüchen um gar nichts gebessert war? wenn man alles, was so sauer errungen worden, in einem Frieden wieder herausgeben mußte? War es nicht wünschenswerter, die lange getragene Last noch zwei oder drei Jahre länger zu tragen, um für zwanzigjährige Leiden endlich doch einen Ersatz einzuernten? Und an einem vorteilhaften Frieden war nicht zu zweifeln, sobald nur Schweden und deutsche Protestanten, im Felde wie im Kabinet, standhaft zusammen hielten und ihr gemeinschaftliches Interesse mit wechselseitigem Antheil, mit vereinigtem Eifer besorgten. Ihre Trennung allein machte den Feind mächtig und entfernte die Hoffnung eines dauerhaften und allgemein beglückenden Friedens. Und dieses größte aller Uebel fügte der Kurfürst von Sachsen der protestantischen Sache zu, indem er sich durch einen Separatvergleich mit Oesterreich versöhnte.

Schon vor der Nördlinger Schlacht hatte er die Unterhandlungen mit dem Kaiser eröffnet, aber der unglückliche Ausgang der erstern beschleunigte die Abschließung des Vergleichs. Das Vertrauen auf den Beistand der Schweden war gefallen, und man zweifelte, ob sie sich von diesem harten Schlage je wieder aufrichten würden. Die Trennung unter ihren eigenen Anführern, die schlechte Subordination der Armee und die Entkräftung des schwedischen Reichs ließ keine großen Thaten mehr von ihnen erwarten. Um so mehr glaubte man eilen zu müssen, sich die Großmuth des Kaisers zu Nutze zu machen, der seine Anerbietungen auch nach dem Nördlinger Siege nicht zurücknahm. Oxenstierna, der die Stände in Frankfurt versammelte, forderte; der Kaiser hingegen gab. und so bedurfte es keiner langen Ueberlegung, welchem von beiden man Gehör geben sollte.

Indessen wollte man doch den Schein vermeiden, als ob man die gemeine Sache hintansetzte und bloß auf seinen eignen Nutzen bedacht wäre. Alle deutschen Reichsstände, selbst die Schweden, waren eingeladen worden, zu diesem Frieden mitzuwirken und Theil daran zu nehmen, obgleich Kursachsen und der Kaiser die einzigen Mächte waren, die ihn schlossen und sich eigenmächtig zu Gesetzgebern über Deutschland aufwarfen. Die Beschwerden der protestantischen Stände kamen in demselben zur Sprache, ihre Verhältnisse und Rechte wurden vor diesem willkürlichen Tribunale entschieden und selbst das Schicksal der Religionen ohne Zuziehung der dabei so sehr interessierten Glieder bestimmt. Es sollte ein allgemeiner Friede, ein Reichsgesetz sein; als ein solches bekannt gemacht und durch ein Reichsexecutionsheer, wie ein förmlicher Reichsschluß, vollzogen werden. Wer sich dagegen auflehnte, war ein Feind des Reiches, und so mußte er, allen ständischen Rechten zuwider, ein Gesetz anerkennen, das er nicht selbst mit gegeben hatte. Der Pragische Friede war also, schon seiner Form nach, ein Werk der Willkür; und er war es nicht weniger durch seinen Inhalt.

Das Restitutionsedikt hatte den Bruch zwischen Kursachsen und dem Kaiser vorzüglich veranlaßt; also mußte man auch bei der Wiederaussöhnung zuerst darauf Rücksicht nehmen. Ohne es ausdrücklich und förmlich aufzuheben, setzte man in dem Pragischen Frieden fest, daß alle unmittelbaren Stifter und unter den mittelbaren diejenigen, welche nach dem Passauischen Vertrage von den Protestanten eingezogen und besessen worden, noch vierzig Jahre, jedoch ohne Reichstagsstimme, in demjenigen Stande bleiben sollten, in welchem das Restitutionsedikt sie gefunden habe. Vor Ablauf dieser vierzig Jahre sollte dann eine Commission von beiderlei Religionsverwandten gleicher Anzahl friedlich und gesetzmäßig darüber verfügen und, wenn es auch dann zu keinem Endurtheil käme, jeder Theil in den Besitz aller Rechte zurücktreten. die er vor Erscheinung des Restitutionsedikts ausgeübt habe. Diese Auskunft also, weit entfernt, den Samen der Zwietracht zu ersticken, suspendierte nur auf eine Zeit lang seine verderblichen Wirkungen, und der Zunder eines neuen Krieges lag schon in diesem Artikel des Pragischen Friedens.

Das Erzstift Magdeburg bleibt dem Prinzen August von Sachsen und Halberstadt dem Erzherzog Leopold Wilhelm. Von dem Magdeburgischen Gebiet werden vier Aemter abgerissen und an Kursachsen verschenkt; der Administrator von Magdeburg, Christian Wilhelm von Brandenburg, wird auf andere Art abgefunden. Die Herzoge von Mecklenburg empfangen, wenn sie diesem Frieden beitreten, ihr Land zurück, das sie glücklicherweise längst schon durch Gustav Adolphs Großmuth besitzen; Donauwörth erlangt seine Reichsfreiheit wieder. Die wichtige Forderung der pfälzischen Erben bleibt, wie wichtig es auch dem protestantischen Reichstheile war, diese Kurstimme nicht zu verlieren, gänzlich unberührt, weil ein lutherischer Fürst einem reformierten keine Gerechtigkeit schuldig ist. Alles, was die protestantischen Stände, die Ligue und der Kaiser in dem Kriege von einander erobert haben, wird zurückgegeben; alles, was die auswärtigen Mächte Schweden und Frankreich sich zugeeignet, wird ihnen mit gesammter Hand wieder abgenommen. Die Kriegsvölker aller contrahierenden Theile werden in eine einzige Reichsmacht vereinigt, welche, vom Reiche unterhalten und bezahlt, diesen Frieden mit gewaffneter Hand zu vollstrecken hat.

Da der Pragische Friede als ein allgemeines Reichsgesetz gelten sollte, so wurden diejenigen Punkte, welche mit dem Reiche nichts zu thun hatten, in einem Nebenvertrage beigefügt. In diesem wurde dem Kurfürsten von Sachsen die Lausitz als ein böhmisches Lehen zuerkannt und über die Religionsfreiheit dieses Landes und Schlesiens noch besonders gehandelt.

Alle evangelischen Stände waren zu Annahme des Pragischen Friedens eingeladen und unter dieser Bedingung der Amnestie theilhaftig gemacht; bloß die Fürsten von Wirtenberg und Baden – deren Länder man inne hatte und nicht geneigt war so ganz unbedingt wieder herzugeben – die eigenen Unterthanen Oesterreichs, welche die Waffen gegen ihren Landesherrn geführt, und diejenigen Stände, die unter Oxenstiernas Direktion den Rath der oberdeutschen Kreise ausmachten, schloß man aus; nicht sowohl um den Krieg gegen sie fortzusetzen, als vielmehr, um ihnen den nothwendig gewordenen Frieden desto theurer zu verkaufen. Man behielt ihre Lande als ein Unterpfand, bis die völlige Annahme des Friedens erfolgt, bis alles herausgegeben und alles in seinen vorigen Stand zurückgestellt sein würde. Eine gleiche Gerechtigkeit gegen alle hätte vielleicht das wechselseitige Zutrauen zwischen Haupt und Gliedern, zwischen Protestanten und Papisten, zwischen Reformirten und Lutheranern zurückgeführt, und verlassen von allen ihren Bundesgenossen, hätten die Schweden einen schimpflichen Abschied aus dem Reiche nehmen müssen. Jetzt bestärkte diese ungleiche Behandlung die härter gehaltenen Stände in ihrem Mißtrauen und Widersetzungsgeist und erleichterte es den Schweden, das Feuer des Kriegs zu nähren und einen Anhang in Deutschland zu behalten.

Der Prager Friede fand, wie vorher zu erwarten gewesen war, eine sehr ungleiche Aufnahme in Deutschland. Ueber dem Bestreben, beide Parteien einander zu nähern, hatte man sich von beiden Vorwürfe zugezogen. Die Protestanten klagten über die Einschränkungen, die sie in diesem Frieden erleiden sollten; die Katholiken fanden diese verwerfliche Sekte, auf Kosten der wahren Kirche, viel zu günstig behandelt. Nach diesen hatte man der Kirche von ihren unveräußerlichen Rechten vergeben, indem man den Evangelischen den vierzigjährigen Genuß der geistlichen Güter bewilligte; nach jenen hatte man eine Verrätherei an der protestantischen Kirche begangen, weil man seinen Glaubensbrüdern in den österreichischen Ländern die Religionsfreiheit nicht errungen hatte. Aber Niemand wurde bittrer getadelt als der Kurfürst von Sachsen, den man als einen treulosen Ueberläufer, als einen Verräther der Religion und Reichsfreiheit und als einen Mitverschwornen des Kaisers in öffentlichen Schriften darzustellen suchte.

Indessen tröstete er sich mit dem Triumph, daß ein großer Theil der evangelischen Stände seinen Frieden nothgezwungen annahm. Der Kurfürst von Brandenburg, Herzog Wilhelm von Weimar, die Fürsten von Anhalt, die Herzoge von Mecklenburg, die Herzoge von Braunschweig-Lüneburg, die Hansestädte und die meisten Reichsstädte traten demselben bei. Landgraf Wilhelm von Hessen schien eine Zeit lang unschlüssig oder stellte sich vielleicht nur es zu sein, um Zeit zu gewinnen und seine Maßregeln nach dem Erfolg einzurichten. Er hatte mit dem Schwert in der Hand schöne Länder in Westphalen errungen, aus denen er seine besten Kräfte zu Führung des Kriegs zog und welche alle er nun, dem Frieden gemäß, zurückgeben sollte. Herzog Bernhard von Weimar, dessen Staaten noch bloß auf dem Papier existierten, kam nicht als kriegführende Macht, desto mehr aber als kriegführender General in Betrachtung, und in beiderlei Rücksicht konnte er den Prager Frieden nicht anders als mit Abscheu verwerfen. Sein ganzer Reichthum war seine Tapferkeit, und in seinem Degen lagen alle seine Länder. Nur der Krieg machte ihn groß und bedeutend; nur der Krieg konnte die Entwürfe seines Ehrgeizes zur Zeitigung bringen.

Aber unter Allen, welche ihre Stimme gegen den Pragischen Frieden erhoben, erklärten sich die Schweden am heftigsten dagegen, und Niemand hatte auch mehr Ursache dazu. Von den Deutschen selbst in Deutschland hereingerufen, Retter der protestantischen Kirche und der ständischen Freiheit, die sie mit so vielem Blute, mit dem heiligen Leben ihres Königs erkauften, sahen sie sich jetzt auf einmal schimpflich im Stiche gelassen, auf einmal in allen ihren Planen getäuscht, ohne Lohn, ohne Dankbarkeit ans dem Reiche gewiesen, für welches sie bluteten, und von den nämlichen Fürsten, die ihnen alles verdankten, dem Hohngelächter des Feindes preisgegeben. An eine Genugthuung für sie, an einen Ersatz ihrer aufgewandten Kosten, an ein Aequivalent für die Eroberungen, welche sie im Stiche lassen sollten, war in dem Prager Frieden mit keiner Sylbe gedacht worden. Nackter, als sie gekommen waren, sollten sie nun entlassen und, wenn sie sich dagegen sträubten, durch dieselben Hände, welche sie hereingerufen, aus Deutschland hinausgejagt werden. Endlich ließ zwar der Kurfürst von Sachsen ein Wort von einer Genugthuung fallen, die in Geld bestehen und die kleine Summe von dritthalb Millionen Gulden betragen sollte. Aber die Schweden hatten weit mehr von ihrem Eigenen zugesetzt; eine so schimpfliche Abfindung mit Geld mußte ihren Eigennutz kränken und ihren Stolz empören. »Die Kurfürsten von Bayern und Sachsen,« antwortete Oxenstierna, »ließen sich den Beistand, den sie dem Kaiser leisteten und als Vasallen ihm schuldig waren, mit wichtigen Provinzen bezahlen, und uns Schweden, uns, die wir unsern König für Deutschland dahingegeben, will man mit der armseligen Summe von dritthalb Millionen Gulden nach Hause weisen?« Die getäuschte Hoffnung schmerzte um so mehr, je gewisser man darauf gerechnet hatte, sich mit dem Herzogthum Pommern, dessen gegenwärtiger Besitzer alt und ohne Succession war, bezahlt zu machen. Aber die Anwartschaft auf dieses Land wurde in dem Prager Frieden dem Kurfürsten von Brandenburg zugesichert, und gegen die Festsetzung der Schweden in diesen Grenzen des Reichs empörten sich alle benachbarten Mächte.

Nie in dem ganzen Kriege hatte es schlimmer um die Schweden gestanden, als in diesem 1635sten Jahre, unmittelbar nach Bekanntmachung des Pragischen Friedens. Viele ihrer Alliierten, unter den Reichsstädten besonders, verließen ihre Partei, um der Wohlthat des Friedens theilhaftig zu werden; andere wurden durch die siegreichen Waffen des Kaisers dazu gezwungen. Augsburg, durch Hunger besiegt, unterwarf sich unter harten Bedingungen; Würzburg und Koburg gingen an die Oesterreicher verloren. Der Heilbronnische Bund wurde förmlich getrennt. Beinahe ganz Oberdeutschland, der Hauptsitz der schwedischen Macht, erkannte die Herrschaft des Kaisers. Sachsen, auf den Pragischen Frieden sich stützend, verlangte die Räumung Thüringens, Halberstadts, Magdeburgs. Philippsburg, der Waffenplatz der Franzosen, war mit allen Vorräthen, die darin niedergelegt waren, von den Oesterreichern überrumpelt worden, und dieser große Verlust hatte die Thätigkeit Frankreichs geschwächt. Um die Bedrängnisse der Schweden vollkommen zu machen, mußte gerade jetzt der Stillstand mit Polen sich seinem Ende nähern. Mit Polen und mit dem deutschen Reiche zugleich Krieg zu führen, überstieg bei weitem die Kräfte des schwedischen Staats, und man hatte die Wahl, welches von diesen beiden Feinden man sich entledigen sollte. Stolz und Ehrgeiz entschieden für die Fortsetzung des deutschen Kriegs, welch ein hartes Opfer es auch gegen Polen kosten möchte; doch eine Armee kostete es immer, um sich bei den Polen in Achtung zu setzen und bei den Unterhandlungen um einen Stillstand oder Frieden seine Freiheit nicht ganz und gar zu verlieren.

Allen diesen Unfällen, welche zu gleicher Zeit über Schweden hereinstürmten, setzte sich der standhafte, an Hilfsmitteln unerschöpfliche Geist Oxenstiernas entgegen, und sein durchdringender Verstand lehrte ihn selbst die Widerwärtigkeiten, die ihn trafen, zu seinem Vortheile kehren. Der Abfall so vieler deutschen Reichsstände von der schwedischen Partei beraubte ihn zwar eines großen Theils seiner bisherigen Bundesgenossen, aber er überhob ihn auch zugleich aller Schonung gegen sie; und je größer die Zahl seiner Feinde wurde, über desto mehr Länder konnten sich seine Armeen verbreiten, desto mehr Magazine öffneten sich ihm. Die schreiende Undankbarkeit der Stände und die stolze Verachtung, mit der ihm von dem Kaiser begegnet wurde (der ihn nicht einmal würdigte, unmittelbar mit ihm über den Frieden zu traktieren), entzündete in ihm den Muth der Verzweiflung und einen edlen Trotz, es bis aufs Aeußerste zu treiben. Ein noch so unglücklich geführter Krieg konnte die Sache der Schweden nicht schlimmer machen, als sie war; und wenn man das deutsche Reich räumen sollte, so war es wenigstens anständiger und rühmlicher, es mit dem Schwert in der Hand zu thun und der Macht, nicht der Furcht zu unterliegen.

In der großen Extremität, worin die Schweden sich durch die Desertion ihrer Alliierten befanden, warfen sie ihre Blicke zuerst auf Frankreich, welches ihnen mit den ermunterndsten Anträgen entgegen eilte. Das Interesse beider Kronen war aufs engste aneinander gekettet, und Frankreich handelte gegen sich selbst, wenn es die Macht der Schweden in Deutschland gänzlich verfallen ließ. Die durchaus hilflose Lage der letztern war vielmehr eine Aufforderung für dasselbe, sich fester mit ihnen zu verbinden und einen thätigern Antheil an dem Kriege in Deutschland zu nehmen. Schon seit Abschließung des Allianztraktats mit den Schweden zu Bärwalde im Jahr 1631 hatte Frankreich den Kaiser durch die Waffen Gustav Adolphs befehdet, ohne einen öffentlichen und förmlichen Bruch, bloß durch die Geldhilfe, die es den Gegnern desselben leistete, und durch seine Geschäftigkeit, die Zahl der letztern zu vermehren. Aber, beunruhigt von dem unerwartet schnellen und außerordentlichen Glück der schwedischen Waffen, schien es seinen ersten Zweck eine Zeit lang aus den Augen zu verlieren, um das Gleichgewicht der Macht wieder herzustellen, das durch die Ueberlegenheit der Schweden gelitten hatte. Es suchte die katholischen Reichsfürsten durch Neutralitätsverträge gegen den schwedischen Eroberer zu schützen und war schon im Begriff, da diese Versuche mißlangen, sich gegen ihn selbst zu bewaffnen. Nicht sobald aber hatte Gustav Adolphs Tod und die Hilflosigkeit der Schweden diese Furcht zerstreut, als es mit frischem Eifer zu seinem ersten Entwurf zurückkehrte und den Unglücklichen in vollem Maße den Schutz angedeihen ließ, den es den Glücklichen entzogen hatte. Befreit von dem Widerstande, den Gustav Adolphs Ehrgeiz und Wachsamkeit seinen Vergrößerungsentwürfen entgegen setzten, ergreift es den günstigen Augenblick, den das Nördlinger Unglück ihm darbietet, sich die Herrschaft des Kriegs zuzueignen und Denen, die seines mächtigen Schutzes bedürftig sind, Gesetze vorzuschreiben. Der Zeitpunkt begünstigt seine kühnsten Entwürfe, und was vorher nur eine schöne Chimäre war, läßt sich von jetzt an als ein überlegter, durch die Umstände gerechtfertigter Zweck verfolgen. Jetzt also widmet es dem deutschen Kriege seine ganze Aufmerksamkeit, und sobald es durch seinen Traktat mit den Deutschen seine Privatzwecke sicher gestellt sieht, erscheint es als handelnde und herrschende Macht auf der politischen Bühne. Während daß sich die kriegführenden Mächte in einem langwierigen Kampf erschöpften, hatte es seine Kräfte geschont und zehen Jahre lang den Krieg bloß mit seinem Gelde geführt; jetzt, da die Zeitumstände es zur Thätigkeit rufen, greift es zum Schwert und strengt sich zu Unternehmungen an, die ganz Europa in Verwunderung setzen. Es läßt zu gleicher Zeit zwei Flotten im Meere kreuzen und schickt sechs verschiedene Heere aus, während daß es mit seinem Gelde noch eine Krone und mehrere deutsche Fürsten besoldet. Belebt durch die Hoffnung seines mächtigen Schutzes, raffen sich die Schweden und Deutschen aus ihrem tiefen Verfall empor und getrauen sich, mit dem Schwert in der Hand einen rühmlichern Frieden als den Pragischen zu erfechten. Von ihren Mitständen verlassen, die sich mit dem Kaiser versöhnen. schließen sie sich nur desto enger an Frankreich an, das mit der wachsenden Noth seinen Beistand verdoppelt, an dem deutschen Krieg immer größern, wiewohl noch immer versteckten Antheil nimmt, bis es zuletzt ganz seine Maske abwirft und den Kaiser unmittelbar unter seinem eignen Namen befehdet.

Um den Schweden vollkommen freie Hand gegen Oesterreich zu geben, machte Frankreich den Anfang damit, es von dem polnischen Kriege zu befreien. Durch den Grafen von Avaux, seinen Gesandten, brachte es beide Theile dahin, daß zu Stuhmsdorf in Preußen der Waffenstillstand auf sechsundzwanzig Jahre verlängert wurde, wiewohl nicht ohne großen Verlust für die Schweden, welche beinahe das ganze polnische Preußen, Gustav Adolphs theuer erkämpfte Eroberung, durch einen einzigen Federzug einbüßten. Der Bärwalder Traktat wurde mit einigen Veränderungen, welche die Umstände nöthig machten, anfangs zu Compiegne, dann zu Wismar und Hamburg auf entferntere Zeiten erneuert. Mit Spanien hatte man schon im Mai des Jahrs 1635 gebrochen und durch den lebhaften Angriff dieser Macht dem Kaiser seinen wichtigsten Beistand aus den Niederlanden entzogen; jetzt verschaffte man, durch Unterstützung des Landgrafen Wilhelm von Kassel und Herzogs Bernhard von Weimar, den schwedischen Waffen an der Elbe und Donau eine größere Freiheit und nöthigte den Kaiser, durch eine starke Diversion am Rhein, seine Macht zu theilen.

Heftiger entzündete sich also der Krieg, und der Kaiser hatte durch den Pragischen Frieden zwar seine Gegner im deutschen Reiche vermindert, aber zugleich auch den Eifer und die Thätigkeit seiner auswärtigen Feinde vermehrt. Er hatte sich in Deutschland einen unumschränkten Einfluß erworben und sich, mit Ausnahme weniger Stände, zum Herrn des ganzen Reichskörpers und der Kräfte desselben gemacht, daß er von jetzt an wieder als Kaiser und Herr handeln konnte. Die erste Wirkung davon war die Erhebung seines Sohnes Ferdinand des Dritten zur römischen Königswürde, die, ungeachtet des Widerspruchs von Seiten Triers und der pfälzischen Erben, durch eine entscheidende Stimmenmehrheit zu Stande kam. Aber die Schweden hatte er zu einer verzweifelten Gegenwehr gereizt, die ganze Macht Frankreichs gegen sich bewaffnet und in die innersten Angelegenheiten Deutschlands gezogen. Beide Kronen bilden von jetzt an mit ihren deutschen Alliierten eine eigene fest geschlossene Macht, der Kaiser mit den ihm anhängenden deutschen Staaten die andere. Die Schweden beweisen von jetzt an keine Schonung mehr, weil sie nicht mehr für Deutschland, sondern für ihr eigenes Dasein fechten. Sie handeln rascher, unumschränkter und kühner, weil sie es überhoben sind, bei ihren deutschen Alliierten herum zu fragen und Rechenschaft von ihren Entwürfen zu geben. Die Schlachten werden hartnäckiger und blutiger, aber weniger entscheidend. Größere Thaten der Tapferkeit und der Kriegskunst geschehen; aber es sind einzelne Handlungen, die, von keinem übereinstimmenden Plane geleitet, von keinem alles lenkenden Geiste benutzt, für die ganze Partei schwache Folgen haben und an dem Laufe des Kriegs nur wenig verändern.

Sachsen hatte sich in dem Pragischen Frieden verbindlich gemacht, die Schweden aus Deutschland zu verjagen; von jetzt an also vereinigen sich die sächsischen Fahnen mit den kaiserlichen, und zwei Bundesgenossen haben sich in zwei unversöhnliche Feinde verwandelt. Das Erzstift Magdeburg, welches der Pragische Friede dem sächsischen Prinzen zusprach, war noch in schwedischen Händen, und alle Versuche, sie auf einem friedlichen Wege zu Abtretung desselben zu bewegen, waren ohne Wirkung geblieben. Die Feindseligkeiten fangen also an, und der Kurfürst von Sachsen eröffnet sie damit, durch sogenannte Avocatorien alle sächsischen Unterthanen von der Bannerischen Armee abzurufen, die an der Elbe gelagert steht. Die Officiere, längst schon wegen des rückständigen Soldes schwierig, geben dieser Aufforderung Gehör und räumen ein Quartier nach dem andern. Da die Sachsen zugleich eine Bewegung gegen Mecklenburg machten, um Dömitz wegzunehmen und den Feind von Pommern und von der Ostsee abzuschneiden, so zog sich Banner eilfertig dahin, entsetzte Dömitz und schlug den sächsischen General Baudissin mit siebentausend Mann aufs Haupt, daß gegen tausend blieben und eben so viel gefangen wurden. Verstärkt durch die Truppen und Artillerie, welche bisher in Polnisch-Preußen gestanden, nunmehr aber durch den Vertrag zu Stuhmsdorf in diesem Lande entbehrlich wurden, brach dieser tapfere und ungestüme Krieger im folgenden 1636sten Jahr in das Kurfürstenthum Sachsen ein, wo er seinem alten Hasse gegen die Sachsen die blutigsten Opfer brachte. Durch vieljährige Beleidigungen aufgebracht, welche er und seine Schweden während ihrer gemeinschaftlichen Feldzüge von dem Uebermuth der Sachsen hatten erleiden müssen, und jetzt durch den Abfall des Kurfürsten aufs äußerste gereizt, ließen sie die unglücklichen Unterthanen desselben ihre Rachsucht und Erbitterung fühlen. Gegen Oesterreicher und Bayern hatte der schwedische Soldat mehr aus Pflicht gefochten; gegen die Sachsen kämpfte er aus Privathaß und mit persönlicher Wuth, weil er sie als Abtrünnige und Verräther verabscheute, weil der Haß zwischen zerfallenen Freunden gewöhnlich der grimmigste und unversöhnlichste ist. Die nachdrückliche Diversion, welche dem Kaiser unterdessen von dem Herzog von Weimar und dem Landgrafen von Hessen am Rhein und in Westphalen gemacht wurde, hinderte ihn, den Sachsen eine hinlängliche Unterstützung zu leisten, und so mußte das ganze Kurfürstenthum von Banners streifenden Horden die schrecklichste Behandlung erleiden. Endlich zog der Kurfürst den kaiserlichen General von Hatzfeld an sich und rückte vor Magdeburg, welches der herbeieilende Banner umsonst zu entsetzen strebte. Nun verbreitete sich die vereinigte Armee der Kaiserlichen und Sachsen durch die Mark Brandenburg, entriß den Schweden viele Städte und war im Begriff, sie bis an die Ostsee zu treiben. Aber gegen alle Erwartungen griff der schon verloren gegebene Banner die alliierte Armee am 24sten September 1636 bei Wittstock an, und eine große Schlacht wurde geliefert. Der Angriff war fürchterlich, und die ganze Macht des Feindes fiel auf den rechten Flügel der Schweden, den Banner selbst anführte. Lange Zeit kämpfte man auf beiden Seiten mit gleicher Hartnäckigkeit und Erbitterung, und unter den Schweden war keine Schwadron, die nicht zehnmal angerückt und zehnmal geschlagen worden wäre. Als endlich Banner der Uebermacht der Feinde zu weichen genöthigt war, setzte sein linker Flügel das Treffen bis zum Einbruch der Nacht fort und das schwedische Hintertreffen, welches noch gar nicht gefochten hatte, war bereit, am folgenden Morgen die Schlacht zu erneuern. Aber diesen zweiten Angriff wollte der Kurfürst von Sachsen nicht abwarten. Seine Armee war durch das Treffen des vorhergehenden Tages erschöpft, und die Knechte hatten sich mit allen Pferden davon gemacht, daß die Artillerie nicht gebraucht werden konnte. Er ergriff also mit dem Grafen von Hatzfeld noch in derselben Nacht die Flucht und überließ das Schlachtfeld den Schweden. Gegen fünftausend von den Alliierten waren auf der Wahlstatt geblieben, diejenigen nicht gerechnet, welche von den nachsetzenden Schweden erschlagen wurden oder dem ergrimmten Landmann in die Hände fielen. Hundertundfünfzig Standarten und Fahnen, dreiundzwanzig Kanonen, die ganze Bagage, das Silbergeschirr des Kurfürsten mitgerechnet, wurden erbeutet und noch außerdem gegen zweitausend Gefangene gemacht. Dieser glänzende Sieg, über einen weit überlegenen und vorteilhaft postierten Feind erfochten, setzte die Schweden auf einmal wieder in Achtung; ihre Feinde zagten, ihre Freunde fingen an, frischen Muth zu schöpfen. Banner benutzte das Glück, das sich so entscheidend für ihn erklärt hatte, eilte über die Elbe und trieb die Kaiserlichen durch Thüringen und Hessen bis nach Westphalen. Dann kehrte er zurück und bezog die Winterquartiere auf sächsischem Boden.

Aber ohne die Erleichterung, welche ihm durch die Thätigkeit Herzog Bernhards und der Franzosen am Rhein verschafft wurde, würde es ihm schwer geworden sein, diese herrlichen Victorien zu erfechten. Herzog Bernhard hatte nach der Nördlinger Schlacht die Trümmer der geschlagenen Armee in der Wetterau versammelt; aber verlassen von dem Heilbronnischen Bunde, dem der Prager Friede bald darauf ein völliges Ende machte, und von den Schweden zu wenig unterstützt, sah er sich außer Stand gesetzt, die Armee zu unterhalten und große Thaten an ihrer Spitze zu thun. Die Nördlinger Niederlage hatte sein Herzogthum Franken verschlungen, und die Ohnmacht der Schweden raubte ihm alle Hoffnung, sein Glück durch diese Krone zu machen. Zugleich auch des Zwanges müde, den ihm das gebieterische Betragen des schwedischen Reichskanzlers auferlegte, richtete er seine Augen auf Frankreich, welches ihm mit Geld, dem Einzigen, was er brauchte, aushelfen konnte und sich bereitwillig dazu finden ließ. Richelieu wünschte nichts so sehr, als den Einfluß der Schweden auf den deutschen Krieg zu vermindern und sich selbst unter fremdem Namen die Führung desselben in die Hände zu spielen. Zu Erreichung dieses Zweckes konnte er kein besseres Mittel erwählen, als daß er den Schweden ihren tapfersten Feldherrn abtrünnig machte, ihn aufs genaueste in Frankreichs Interesse zog und sich, zu Ausführung seiner Entwürfe, seines Armes versicherte. Von einem Fürsten wie Bernhard, der sich ohne den Beistand einer fremden Macht nicht behaupten konnte, hatte Frankreich nichts zu besorgen, da auch der glücklichste Erfolg nicht hinreichte, ihn außer Abhängigkeit von dieser Krone zu setzen. Bernhard kam selbst nach Frankreich und schloß im October 1635 zu St. Germain en Laye, nicht mehr als schwedischer General, sondern in eigenem Namen, einen Vergleich mit dieser Krone, worin ihm eine jährliche Pension von anderthalb Millionen Livres für ihn selbst und vier Millionen zu Unterhaltung einer Armee, die er unter königlichen Befehlen commandieren sollte, bewilligt wurden. Um seinen Eifer desto lebhafter anzufeuern und die Eroberung von Elsaß durch ihn zu beschleunigen, trug man kein Bedenken, ihm in einem geheimen Artikel diese Provinz zur Belohnung anzubieten; eine Großmuth, von der man sehr weit entfernt war und welche der Herzog selbst nach Würden zu schätzen wußte. Aber Bernhard vertraute seinem Glück und seinem Arme und setzte der Arglist Verstellung entgegen. War er einmal mächtig genug. das Elsaß dem Feinde zu entreißen, so verzweifelte er nicht daran, es im Nothfall auch gegen einen Freund behaupten zu können. Jetzt also schuf er sich mit französischem Gelde eine eigene Armee, die er zwar unter französischer Hoheit, aber doch so gut als unumschränkt commandierte, ohne jedoch seine Verbindung mit den Schweden ganz und gar aufzuheben. Er eröffnete seine Operationen am Rheinstrom, wo eine andere französische Armee unter dem Cardinal La Valette die Feindseligkeiten gegen den Kaiser schon im Jahr 1635 eröffnet hatte.


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