Friedrich Schiller
Geschichte des dreißigjährigen Kriegs
Friedrich Schiller

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Um endlich den entscheidenden Schritt zum Ziele zu thun, berief er im Jänner 1634 alle Commandeurs der Armee nach Pilsen zusammen, wohin er sich gleich nach seinem Rückzug aus Bayern gewendet hatte. Die neuesten Forderungen des Kaisers, die Erblande mit Winterquartieren zu verschonen, Regensburg noch in der rauhen Jahreszeit wieder zu erobern und die Armee zur Verstärkung des Cardinal-Infanten um sechstausend Mann Reiterei zu vermindern, waren erheblich genug, um vor dem ganzen versammelten Kriegsrath in Erwägung gezogen zu werden, und dieser scheinbare Vorwand verbarg den Neugierigen den wahren Zweck der Zusammenberufung. Auch Schweden und Sachsen wurden heimlich dahin geladen, um mit dem Herzog von Friedland über den Frieden zu traktieren; mit den Befehlshabern entlegenerer Heere sollte schriftliche Abrede genommen werden. Zwanzig von den berufenen Commandeurs erschienen; aber gerade die wichtigsten, Gallas, Colloredo und Altringer, blieben aus. Der Herzog ließ seine Einladungen an sie dringend wiederholen, einstweilen aber, in Erwartung ihrer nahen Ankunft, zu der Hauptsache schreiten.

Es war nichts Geringes, was er jetzt auf dem Wege war zu unternehmen. Einen stolzen, tapfern, auf seine Ehre wachsam haltenden Adel der schändlichsten Untreue fähig zu erklären und in den Augen Derjenigen, die bis jetzt nur gewohnt waren, in ihm den Abglanz der Majestät, den Richter ihrer Handlungen, den Bewahrer der Gesetze zu verehren, auf Einmal als ein Niederträchtiger, als Verführer, als Rebell zu erscheinen. Nichts Geringes war es, eine rechtmäßige, durch lange Verjährung befestigte, durch Religion und Gesetze geheiligte Gewalt in ihren Wurzeln zu erschüttern; alle jene Bezauberungen der Einbildungskraft und der Sinne, die furchtbaren Wachen eines rechtmäßigen Throns, zu zerstören; alle jene unvertilgbaren Gefühle der Pflicht, die in der Brust des Unterthans für den geborenen Beherrscher so laut und so mächtig sprechen, mit gewaltsamer Hand zu vertilgen. Aber geblendet von dem Glanz einer Krone, bemerkte Wallenstein den Abgrund nicht, der zu seinen Füßen sich öffnete, und im vollen lebendigen Gefühl seiner Kraft versäumte er – das gewöhnliche Loos starker und kühner Seelen – die Hindernisse gehörig zu würdigen und in Berechnung zu bringen. Wallenstein sah nichts, als eine gegen den Hof theils gleichgültige, theils erbitterte Armee – eine Armee, die gewohnt war, seinem Ansehen mit blinder Unterwerfung zu huldigen, vor ihm, als ihrem Gesetzgeber und Richter, zu beben, seine Befehle, gleich den Aussprüchen des Schicksals, mit zitternder Ehrfurcht zu befolgen. In den übertriebenen Schmeicheleien, womit man seiner Allgewalt huldigte, in den frechen Schmähungen gegen Hof und Regierung, die eine zügellose Soldateska sich erlaubte und die wilde Licenz des Lagers entschuldigte, glaubte er die wahren Gesinnungen der Armee zu vernehmen, und die Kühnheit, mit der man selbst die Handlungen des Monarchen zu tadeln wagte, bürgte ihm für die Bereitwilligkeit der Truppen, einem so sehr verachteten Oberherrn die Pflicht aufzukündigen. Aber, was er sich als etwas so Leichtes gedacht hatte, stand als der furchtbarste Gegner wider ihn auf; an dem Pflichtgefühl seiner Trnppen scheiterten alle seine Berechnungen. Berauscht von dem Ansehen, das er über so meisterlose Schaaren behauptete, schrieb er alles auf Rechnung seiner persönlichen Größe, ohne zu unterscheiden, wie viel er sich selbst, und wie viel er der Würde dankte, die er bekleidete. Alles zitterte vor ihm, weil er eine rechtmäßige Gewalt ausübte, weil der Gehorsam gegen ihn Pflicht, weil sein Ansehen an die Majestät des Thrones befestigt war. Größe für sich allein kann wohl Bewunderung und Schrecken, aber nur die legale Größe Ehrfurcht und Unterwerfung erzwingen. Und dieses entscheidenden Vortheils beraubte er sich selbst in dem Augenblicke, da er sich als einen Verbrecher entlarvte.

Der Feldmarschall von Illo übernahm es, die Gesinnungen der Commandeurs zu erforschen und sie auf den Schritt, den man von ihnen erwartete, vorzubereiten. Er machte den Anfang damit, ihnen die neuesten Forderungen des Hofs an den General und die Armee vorzutragen; und durch die gehässige Wendung, die er denselben zu geben wußte, war es ihm leicht, den Zorn der ganzen Versammlung zu entflammen. Nach diesem wohlgewählten Eingang verbreitete er sich mit vieler Beredsamkeit über die Verdienste der Armee und des Feldherrn und über den Undank, womit der Kaiser sie zu belohnen pflege. »Spanischer Einfluß,« behauptete er, »leite alle Schritte des Hofes; das Ministerium stehe in spanischem Solde, nur der Herzog von Friedland habe bis jetzt dieser Tyrannei widerstanden und deßwegen den tödtlichsten Haß der Spanier auf sich geladen. Ihn vom Commando zu entfernen oder ganz und gar wegzuräumen,« fuhr er fort, »war längst schon das eifrigste Ziel ihrer Bestrebungen, und bis es ihnen mit einem von beiden gelingt, sucht man seine Macht im Felde zu untergraben. Aus keinem andern Grunde ist man bemüht, dem König von Ungarn das Commando in die Hände zu spielen, bloß damit man diesen Prinzen, als ein williges Organ fremder Eingebungen, nach Gefallen im Felde herumführen, die spanische Macht aber desto besser in Deutschland befestigen könne. Bloß um die Armee zu vermindern, begehrt man sechstausend Mann für den Cardinal-Infanten; bloß um sie durch einen Winterfeldzug aufzureiben, dringt man auf die Wiedereroberung Regensburgs in der feindlichen Jahrszeit. Alle Mittel zum Unterhalt erschwert man der Armee, während daß sich die Jesuiten und Minister mit dem Schweiß der Provinzen bereichern und die für die Truppen bestimmten Gelder verschwenden. Der General bekennt sein Unvermögen, der Armee Wort zu halten, weil der Hof ihn im Stiche läßt. Für alle Dienste, die er innerhalb zweiundzwanzig Jahren dem Hause Oesterreich geleistet, für alle Mühseligkeiten, die er übernommen, für alle Reichtümer, die er in kaiserlichem Dienste von dem Seinigen zugesetzt, erwartet ihn eine zweite schimpfliche Entlassung – aber er erklärt, daß er es dazu nicht kommen lassen will. Von freien Stücken entsagt er dem Commando, ehe man es ihm mit Gewalt aus den Händen windet. Dies ist es,« fuhr der Redner fort, »was er den Obersten durch mich entbietet. Jeder frage sich nun selbst, ob es rathsam ist, einen solchen General zu verlieren. Jeder sehe nun zu, wer ihm die Summen ersetze, die er im Dienste des Kaisers aufgewendet, und wo er den verdienten Lohn seiner Tapferkeit ernte – wenn Der dahin ist, unter dessen Augen er sie bewiesen hat.«

Ein allgemeines Geschrei, daß man den General nicht ziehen lassen dürfe, unterbrach den Redner. Vier der Vornehmsten werden abgeordnet, ihm den Wunsch der Versammlung vorzutragen und ihn flehentlich zu bitten, daß er die Armee nicht verlassen möchte. Der Herzog weigerte sich zum Schein und ergab sich erst nach einer zweiten Gesandtschaft. Diese Nachgiebigkeit von seiner Seite schien einer Gegengefälligkeit von der ihrigen werth. Da er sich anheischig machte, ohne Wissen und Willen der Commandeurs nicht aus dem Dienste zu treten, so forderte er von ihnen ein schriftliches Gegenversprechen, treu und fest an ihm zu halten, sich nimmer von ihm zu trennen oder trennen zu lassen und für ihn den letzten Blutstropfen aufzusetzen Wer sich von dem Bunde absondern würde, sollte für einen treuvergessenen Verräther gelten und von den Uebrigen als ein gemeinschaftlicher Feind behandelt werden. Die ausdrücklich angehängte Bedingung: »So lange Wallenstein die Armee zum Dienste des Kaisers gebrauchen würde,« entfernte jede Mißdeutung, und keiner der versammelten Commandeurs trug Bedenken, einem so unschuldig scheinenden und so billigen Begehren seinen vollen Beifall zu schenken.

Die Vorlesung dieser Schrift geschah unmittelbar vor einem Gastmahl, welches der Feldmarschall Illo ausdrücklich in dieser Absicht veranstaltet hatte; nach aufgehobener Tafel sollte die Unterzeichnung vor sich gehen. Der Wirth that das Seinige, die Besinnungskraft seiner Gäste durch starke Getränke abzustumpfen, und nicht eher, als bis er sie von Weindünsten taumeln sah, gab er ihnen die Schrift zur Unterzeichnung. Die meisten malten leichtsinnig ihren Namen hin, ohne zu wissen, was sie unterschrieben; nur einige wenige, welche neugieriger oder mißtrauischer waren, durchliefen das Blatt noch einmal und entdeckten mit Erstaunen, daß die Klausel: »So lange Wallenstein die Armee zum Besten des Kaisers gebrauchen würde,« hinweggelassen sei. Illo nämlich hatte mit einem geschickten Taschenspielerkniff das erste Exemplar mit einem andern ausgetauscht, in dem jene Klausel fehlte. Der Betrug wurde laut, und Viele weigerten sich nun, ihre Unterschrift zu geben. Piccolomini, der den ganzen Betrug durchschaute und bloß in der Absicht, dem Hofe davon Nachricht zu geben, an diesem Auftritte Theil nahm, vergaß sich in der Trunkenheit so, daß er die Gesundheit des Kaisers ausbrachte. Aber jetzt stand Graf Terzky auf und erklärte Alle für meineidige Schelmen, die zurücktreten würden. Seine Drohungen, die Vorstellung der unvermeidlichen Gefahr, der man bei längerer Weigerung ausgesetzt war, das Beispiel der Menge und Illos Beredsamkeit überwanden endlich ihre Bedenklichkeiten, und das Blatt wurde von Jedem ohne Ausnahme unterzeichnet.

Wallenstein hatte nun zwar seinen Zweck erreicht; aber die ganz unerwartete Widersetzung der Commandeurs riß ihn auf einmal aus dem lieblichen Wahne, in dem er bisher geschwebt hatte. Zudem waren die mehresten Namen so unleserlich gekritzelt, daß man eine unredliche Absicht dahinter vermuthen mußte. Anstatt aber durch diesen warnenden Wink des Schicksals zum Nachdenken gebracht zu werden, ließ er seine gereizte Empfindlichkeit in unwürdigen Klagen und Verwünschungen überströmen. Er berief die Commandeurs am folgenden Morgen zu sich und übernahm es in eigener Person den ganzen Inhalt des Vortrags zu wiederholen, welchen Illo den Tag vorher an sie gehalten hatte. Nachdem er seinen Unwillen gegen den Hof in die bittersten Vorwürfe und Schmähungen ausgegossen, erinnerte er sie an ihre gestrige Widersetzlichkeit und erklärte, daß er durch diese Entdeckung bewogen worden sei, sein Versprechen zurückzunehmen. Stumm und betreten entfernten sich die Obersten, erschienen aber, nach einer kurzen Beratschlagung im Vorzimmer, aufs neue, den Vorfall von gestern zu entschuldigen und sich zu einer neuen Unterschrift anzubieten.

Jetzt fehlte nichts mehr, als auch von den ausgebliebenen Generalen entweder eine gleiche Versicherung zu erhalten oder sich im Weigerungsfall ihrer Personen zu bemächtigen. Wallenstein erneuerte daher seine Einladung und trieb sie dringend an, ihre Ankunft zu beschleunigen. Aber noch ehe sie eintrafen, hatte sie der Ruf bereits von dem Vorgange zu Pilsen unterrichtet und ihre Eilfertigkeit plötzlich gehemmt. Altringer blieb unter dem Vorwand einer Krankheit in dem festen Schloß Frauenberg liegen. Gallas fand sich zwar ein, aber bloß um als Augenzeuge den Kaiser von der drohenden Gefahr desto besser unterrichten zu können. Die Aufschlüsse, welche er und Piccolomini gaben, verwandelten die Besorgnisse des Hofs auf einmal in die schrecklichste Gewißheit. Aehnliche Entdeckungen, welche man zugleich an andern Orten machte, ließen keinem Zweifel mehr Raum, und die schnelle Veränderung der Commandantenstellen in Schlesien und Oesterreich schien auf eine höchst bedenkliche Unternehmung zu deuten. Die Gefahr war dringend, und die Hilfe mußte schnell sein. Dennoch wollte man nicht mit Vollziehung des Urtheils beginnen, sondern streng nach Gerechtigkeit verfahren. Man erließ also an die vornehmsten Befehlshaber, deren Treue man sich versichert hielt, geheime Befehle, den Herzog von Friedland nebst seinen beiden Anhängern, Illo und Terzky, auf was Art es auch sein möchte, zu verhaften und in sichre Verwahrung zu bringen, damit sie gehört werden und sich verantworten könnten. Sollte dies aber auf so ruhigem Wege nicht zu bewirken sein, so fordere die öffentliche Gefahr, sie todt oder lebendig zu greifen. Zugleich erhielt General Gallas ein offenes Patent, worin allen Obersten und Officieren diese kaiserliche Verfügung bekannt gemacht, die ganze Armee ihrer Pflichten gegen den Verräther entlassen und, bis ein neuer Generalissimus aufgestellt sein würde, an den Generallieutenant von Gallas verwiesen wurde. Um den Verführten und Abtrünnigen die Rückkehr zu ihrer Pflicht zu erleichtern und die Schuldigen nicht in Verzweiflung zu stürzen, bewilligte man eine gänzliche Amnestie über alles, was zu Pilsen gegen die Majestät des Kaisers begangen worden war.

Dem General von Gallas war nicht wohl zu Muthe bei der Ehre, die ihm widerfuhr. Er befand sich zu Pilsen, unter den Augen Desjenigen, dessen Schicksal er bei sich trug, in der Gewalt seines Feindes, der hundert Augen hatte, ihn zu beobachten. Entdeckte aber Wallenstein das Geheimniß seines Auftrags, so konnte ihn nichts vor den Wirkungen seiner Rache und Verzweiflung schützen. War es schon bedenklich, einen solchen Auftrag auch nur zu verheimlichen, so war es noch weit mißlicher, ihn zur Vollziehung zu bringen. Die Gesinnungen der Commandeurs waren ungewiß, und es ließ sich wenigstens zweifeln, ob sie sich bereitwillig würden finden lassen, nach dem einmal gethanen Schritt den kaiserlichen Versicherungen zu trauen und allen glänzenden Hoffnungen, die sie auf Wallenstein gebaut hatten, auf einmal zu entsagen. Und dann, welch ein gefährliches Wagestück, Hand an die geheiligte Person eines Mannes zu legen, der bis jetzt für unverletzlich geachtet, durch lange Ausübung der höchsten Gewalt, durch einen zur Gewohnheit gewordenen Gehorsam zum Gegenstand der tiefsten Ehrfurcht geworden und mit allem, was äußere Majestät und innere Größe verleihen kann, bewaffnet war – dessen Anblick schon ein knechtisches Zittern einjagte, der mit einem Winke über Leben und Tod entschied! Einen solchen Mann, mitten unter den Wachen, die ihn umgaben, in einer Stadt, die ihm gänzlich ergeben schien, wie einen gemeinen Verbrecher zu greifen und den Gegenstand einer so lang gewohnten tiefen Verehrung auf einmal in einen Gegenstand des Mitleidens oder des Spottes zu verwandeln, war ein Auftrag, der auch den Muthigsten zagen machte. So tief hatten sich Furcht und Achtung vor ihm in die Brust seiner Soldaten gegraben, daß selbst das ungeheure Verbrechen des Hochverrats diese Empfindungen nicht ganz entwurzeln konnte.

Gallas begriff die Unmöglichkeit, unter den Augen des Herzogs seinen Auftrag zu vollziehen, und sein sehnlichster Wunsch war, sich, eh' er einen Schritt zur Ausführung wagte, vorher mit Altringern zu besprechen. Da das lange Außenbleiben des Letztern schon anfing Verdacht bei dem Herzog zu erregen, so erbot sich Gallas, sich in eigner Person nach Frauenberg zu verfügen und Altringern, als seinen Verwandten, zur Herreise zu bewegen. Wallenstein nahm diesen Beweis seines Eifers mit so großem Wohlgefallen auf, daß er ihm seine eigene Equipage zur Reise hergab. Froh über die gelungene List, verließ Gallas ungesäumt Pilsen und überließ es dem Grafen Piccolomini, Wallensteins Schritte zu bewachen; er selbst aber zögerte nicht, von dem kaiserlichen Patente, wo es nur irgend anging, Gebrauch zu machen, und die Erklärung der Truppen fiel günstiger aus, als er je hatte erwarten können. Anstatt seinen Freund nach Pilsen mit zurückzubringen, schickte er ihn vielmehr nach Wien, um den Kaiser gegen einen gedrohten Angriff zu schützen, und er selbst ging nach Ober-Oesterreich, wo man von der Nähe des Herzogs Bernhard von Weimar die größte Gefahr besorgte. In Böhmen wurden die Städte Budweiß und Tabor aufs neue für den Kaiser besetzt und alle Anstalten getroffen, den Unternehmungen des Verräthers schnell und mit Nachdruck zu begegnen.

Da auch Gallas an keine Rückkehr zu denken schien, so wagte es Piccolomini, die Leichtgläubigkeit des Herzogs noch einmal auf die Probe zu stellen. Er bat sich von ihm die Erlaubniß aus, den Gallas zurückzuholen. und Wallenstein ließ sich zum zweitenmal überlisten. Diese unbegreifliche Blindheit wird uns nur als eine Tochter seines Stolzes erklärbar, der sein Urtheil über eine Person nie zurücknahm und die Möglichkeit, zu irren, auch sich selbst nicht gestehen wollte. Auch den Grafen Piccolomini ließ er in seinem eigenen Wagen nach Linz bringen, wo dieser sogleich dem Beispiel des Gallas folgte und noch einen Schritt weiter ging. Er hatte Wallenstein versprochen, zurückzukehren; dieses that er, aber an der Spitze einer Armee, um den Herzog in Pilsen zu überfallen. Ein anderes Heer eilte unter dem General von Suys nach Prag, um diese Hauptstadt in kaiserliche Pflichten zu nehmen und gegen einen Angriff der Rebellen zu vertheidigen. Zugleich kündigt sich Gallas allen zerstreuten Armeen Oesterreichs als den einzigen Chef an, von dem man nunmehr Befehle anzunehmen habe. In allen kaiserlichen Lagern werden Plakate ausgestreut, die den Herzog nebst vier seiner Vertrauten für vogelfrei erklären und die Armeen ihrer Pflichten gegen den Verräther entbinden.

Das zu Linz gegebene Beispiel findet allgemeine Nachahmung; man verflucht das Andenken des Verräthers, alle Armeen fallen von ihm ab. Endlich, nachdem auch Piccolomini sich nicht wieder sehen läßt, fällt die Decke von Wallensteins Augen, und schrecklich erwacht er aus seinem Traume. Doch auch jetzt glaubt er noch an die Wahrhaftigkeit der Sterne und an die Treue der Armee. Gleich auf die Nachricht von Piccolominis Abfall läßt er den Befehl bekannt machen, daß man ins künftige keiner Ordre zu gehorchen habe, die nicht unmittelbar von ihm selbst oder von Terzky und Illo herrühre. Er rüstet sich in aller Eile, um nach Prag aufzubrechen, wo er Willens ist, endlich seine Maske abzuwerfen und sich öffentlich gegen den Kaiser zu erklären. Vor Prag sollten alle Truppen sich versammeln und von da aus mit Blitzesschnelligkeit über Oesterreich herstürzen. Herzog Bernhard, der in die Verschwörung gezogen worden, sollte die Operationen des Herzogs mit schwedischen Truppen unterstützen und eine Diversion an der Donau machen. Schon eilte Terzky nach Prag voraus, und nur Mangel an Pferden hinderte den Herzog. mit dem Rest der treugebliebenen Regimenter nachzufolgen. Aber indem er mit der gespanntesten Erwartung den Nachrichten von Prag entgegensieht, erfährt er den Verlust dieser Stadt, erfährt er den Abfall seiner Generale, die Desertion seiner Truppen, die Enthüllung seines ganzen Complots, den eilfertigen Anmarsch des Piccolomini, der ihm den Untergang geschworen. Schnell und schrecklich stürzen alle seine Entwürfe zusammen, täuschen ihn alle seine Hoffnungen. Einsam steht er da, verlassen von Allen, denen er Gutes that, verrathen von Allen, auf die er baute. Aber solche Lagen sind es, die den großen Charakter erproben. In allen seinen Erwartungen hintergangen, entsagt er keinem einzigen seiner Entwürfe; nichts gibt er verloren, weil er sich selbst noch übrig bleibt. Jetzt war die Zeit gekommen, wo er des so oft verlangten Beistands der Schweden und der Sachsen bedurfte, und wo aller Zweifel in die Aufrichtigkeit seiner Gesinnungen verschwand. Und jetzt, nachdem Oxenstierna und Arnheim seinen ernstlichen Vorsatz und seine Noth erkannten, bedachten sie sich auch nicht länger, die günstige Gelegenheit zu benutzen und ihm ihren Schutz zuzusagen. Von sächsischer Seite sollte ihm Herzog Franz Albert von Sachsen-Lauenburg viertausend, von schwedischer Herzog Bernhard und Pfalzgraf Christian von Birkenfeld sechstausend Mann geprüfter Truppen zuführen. Wallenstein verließ Pilsen mit dem Terzky'schen Regiment und den Wenigen, die ihm treu geblieben waren oder sich doch stellten, es zu sein, und eilte nach Eger an die Grenze des Königreichs, um der Oberpfalz näher zu sein und die Vereinigung mit Herzog Bernhard zu erleichtern. Noch war ihm das Urtheil nicht bekannt, das ihn als einen öffentlichen Feind und Verräther erklärte; erst zu Eger sollte ihn dieser Donnerstrahl treffen. Noch rechnete er auf eine Armee, die General Schafgotsch in Schlesien für ihn bereit hielt, und schmeichelte sich noch immer mit der Hoffnung, daß Viele, selbst von Denen, die längst von ihm abgefallen waren, beim ersten Schimmer seines wieder anhebenden Glückes zu ihm umkehren würden. Selbst auf der Flucht nach Eger – so wenig hatte die niederschlagende Erfahrung seinen verwegenen Muth gebändigt – beschäftigte ihn noch der ungeheuere Entwurf, den Kaiser zu entthronen. Unter diesen Umständen geschah es, daß Einer aus seinem Gefolge sich die Erlaubniß ausbat, ihm einen Rath zu ertheilen. »Beim Kaiser,« fing er an, »sind Eure fürstliche Gnaden ein gewisser, ein großer und hoch ästimirter Herr; beim Feinde sind Sie noch ein ungewisser König. Es ist aber nicht weise gehandelt, das Gewisse zu wagen für das Ungewisse. Der Feind wird sich Eurer Gnaden Person bedienen, weil die Gelegenheit günstig ist; Ihre Person aber wird ihm immer verdächtig sein, und stets wird er fürchten, daß Sie auch ihm einmal thun möchten, wie jetzt dem Kaiser. Deßwegen kehren Sie um, dieweil es noch Zeit ist.« – »Und wie ist da noch zu helfen?« fiel der Herzog ihm ins Wort. – »Sie haben,« erwiederte jener, »vierzigtausend Armierte (Dukaten mit geharnischten Männern) in der Truhen. Die nehmen Sie in die Hand und reisen geraden Wegs damit an den kaiserlichen Hof. Dort erklären Sie, daß Sie alle bisherigen Schritte bloß gethan, die Treue der kaiserlichen Diener auf die Probe zu stellen und die Redlichgesinnten von den Verdächtigen zu unterscheiden. Und da nun die meisten sich zum Abfall geneigt bewiesen, so seien Sie jetzt gekommen. Seine kaiserliche Majestät vor diesen gefährlichen Menschen zu warnen. So werden Sie Jeden zum Verräther machen, der Sie jetzt zum Schelm machen will. Am kaiserlichen Hof wird man Sie mit den vierzigtausend Armierten gewißlich willkommen heißen, und Sie werden wieder der erste Friedländer werden.« »Der Vorschlag ist gut,« antwortete Wallenstein nach einigem Nachdenken, »aber der Teufel traue!«

Indem der Herzog von Eger aus die Unterhandlungen mit dem Feinde lebhaft betrieb, die Sterne befragte und frischen Hoffnungen Raum gab, wurde beinahe unter seinen Augen der Dolch geschliffen, der seinem Leben ein Ende machte. Der kaiserliche Urtheilsspruch, der ihn für vogelfrei erklärte, hatte seine Wirkung nicht verfehlt, und die rächende Nemesis wollte, daß der Undankbare unter den Streichen des Undanks erliegen sollte. Unter seinen Officieren hatte Wallenstein einen Irländer, Namens Leßlie, mit vorzüglicher Gunst beehrt und das ganze Glück dieses Mannes gegründet. Eben dieser war es, der sich bestimmt und berufen fühlte, das Todesurtheil an ihm zu vollstrecken und den blutigen Lohn zu verdienen. Nicht sobald war dieser Leßlie im Gefolge des Herzogs zu Eger angelangt, als er dem Commandanten dieser Stadt, Obersten Buttler, und dem Oberstlieuenant Gordon, zweien protestantischen Schottländern, alle schlimmen Anschläge des Herzogs entdeckte, welche ihm dieser Unbesonnene auf der Herreise vertraut hatte. Leßlie fand hier zwei Männer, die eines Entschlusses fähig waren. Man hatte die Wahl zwischen Verrätherei und Pflicht, zwischen dem rechtmäßigen Herrn und einem flüchtigen, allgemein verlassenen Rebellen; wiewohl der letztere der gemeinschaftliche Wohlthäter war, so konnte die Wahl doch keinen Augenblick zweifelhaft bleiben. Man verbindet sich fest und feierlich zur Treue gegen den Kaiser, und diese fordert die schnellsten Maßregeln gegen den öffentlichen Feind. Die Gelegenheit ist günstig, und sein böser Genius hat ihn von selbst in die Hände der Rache geliefert. Um jedoch der Gerechtigkeit nicht in ihr Amt zu greifen, beschließt man, ihr das Opfer lebendig zuzuführen, und man scheidet von einander mit dem gewagten Entschluß, den Feldherrn gefangen zu nehmen. Tiefes Geheimniß umhüllt dieses schwarze Complot, und Wallenstein, ohne Ahnung des ihm so nahe schwebenden Verderbens, schmeichelt sich vielmehr, in der Besatzung von Eger seine tapfersten und treuesten Verfechter zu finden.

Um eben diese Zeit werden ihm die kaiserlichen Patente überbracht, die sein Urtheil enthalten und in allen Lagern gegen ihn bekannt gemacht sind. Er erkennt jetzt die ganze Größe der Gefahr, die ihn umlagert, die gänzliche Unmöglichkeit der Rückkehr, seine fürchterliche verlassene Lage, die Nothwendigkeit, sich aus Treu und Glauben dem Feinde zu überliefern. Gegen Leßlie ergießt sich der ganze Unmuth seiner verwundeten Seele, und die Heftigkeit des Affekts entreißt ihm das letzte noch übrige Geheimniß. Er entdeckt diesem Officier seinen Entschluß, Eger und Elnbogen, als die Pässe des Königreichs, dem Pfalzgrafen von Birkenfeld einzuräumen, und unterrichtet ihn zugleich von der nahen Ankunft des Herzogs Bernhard in Eger, wovon er noch in eben dieser Nacht durch einen Eilboten benachrichtigt worden. Diese Entdeckung, welche Leßlie seinen Mitverschwornen aufs schleunigste mittheilt, ändert ihren ersten Entschluß. Die dringende Gefahr erlaubt keine Schonung mehr. Eger konnte jeden Augenblick in feindliche Hände fallen und eine schnelle Revolution ihren Gefangenen in Freiheit setzen. Diesem Unglück zuvorzukommen, beschließen sie, ihn sammt seinen Vertrauten in der folgenden Nacht zu ermorden.

Damit dies mit um so weniger Geräusch geschehen möchte, sollte die That bei einem Gastmahle vollzogen werden, welches der Oberst Buttler auf dem Schlosse zu Eger veranstaltete. Die Andern alle erschienen; nur Wallenstein, der viel zu bewegt war, um in fröhliche Gesellschaft zu taugen, ließ sich entschuldigen. Man mußte also, in Ansehung seiner, den Plan abändern; gegen die Andern aber beschloß man der Abrede gemäß zu verfahren. In sorgloser Sicherheit erschienen die drei Obersten Illo, Terzky und Wilhelm Kinsky und mit ihnen Rittmeister Neumann, ein Officier voll Fähigkeit, dessen sich Terzky bei jedem verwickelten Geschäfte, welches Kopf erforderte, zu bedienen pflegte. Man hatte vor ihrer Ankunft die zuverlässigsten Soldaten aus der Besatzung, welche mit in das Complot gezogen war, in das Schloß eingenommen, alle Ausgänge aus demselben wohl besetzt und in einer Kammer neben dem Speisesaal sechs Buttlerische Dragoner verborgen, die auf ein verabredetes Signal hervorbrechen und die Verräther niederstoßen sollten. Ohne Ahnung der Gefahr, die über ihrem Haupte schwebte, überließen sich die sorglosen Gäste den Vergnügungen der Mahlzeit, und Wallensteins, nicht mehr des kaiserlichen Dieners, sondern des souveränen Fürsten, Gesundheit wurde aus vollen Bechern getrunken. Der Wein öffnete ihnen die Herzen, und Illo entdeckte mit vielem Uebermuth, daß in drei Tagen eine Armee dastehen werde, dergleichen Wallenstein niemals angeführt habe. – »Ja,« fiel Neumann ein, »und dann hoffe er, seine Hände in der Oesterreicher Blut zu waschen.« Unter diesen Reden wird das Dessert aufgetragen, und nun gibt Leßlie das verabredete Zeichen, die Auszugbrücke zu sperren, und nimmt selbst alle Thorschlüssel zu sich. Auf einmal füllt sich der Speisesaal mit Bewaffneten an, die sich mit dem unerwarteten Gruße: Vivat Ferdinandus! hinter die Stühle der bezeichneten Gäste pflanzen. Bestürzt und mit einer üblen Ahnung springen alle vier zugleich von der Tafel auf. Kinsky und Terzky werden sogleich erstochen, ehe sie sich zur Wehr setzen können; Neumann allein findet Gelegenheit, während der Verwirrung in den Hof zu entwischen, wo er aber von den Wachen erkannt und sogleich niedergemacht wird. Nur Illo hatte Gegenwart des Geistes genug, sich zu vertheidigen. Er stellte sich an ein Fenster, von wo er dem Gordon seine Verrätherei unter den bittersten Schmähungen vorwarf und ihn aufforderte, sich ehrlich und ritterlich mit ihm zu schlagen. Erst nach der tapfersten Gegenwehr, nachdem er zwei seiner Feinde todt dahin gestreckt, sank er, überwältigt von der Zahl und von zehn Stichen durchbohrt, zu Boden. Gleich nach vollbrachter That eilte Leßlie nach der Stadt, um einem Auflauf zuvorzukommen. Als die Schildwachen am Schloßthor ihn außer Athem daher rennen sahen. feuerten sie, in dem Wahne, daß er mit zu den Rebellen gehöre, ihre Flinten auf ihn ab, doch ohne ihn zu treffen. Aber diese Schüsse brachten die Wachen in der Stadt in Bewegung, und Leßlies schnelle Gegenwart war nöthig, sie zu beruhigen. Er entdeckte ihnen nunmehr umständlich den ganzen Zusammenhang der Friedländischen Verschwörung und die Maßregeln, die dagegen bereits getroffen worden, das Schicksal der vier Rebellen, so wie dasjenige, welches den Anführer selbst erwartete. Als er sie bereitwillig fand, seinem Vorhaben beizutreten, nahm er ihnen aufs neue einen Eid ab, dem Kaiser getreu zu sein und für die gute Sache zu leben und zu sterben. Nun wurden hundert Buttlerische Dragoner von der Burg aus in die Stadt eingelassen, die alle Straßen durchreiten mußten, um die Anhänger des Herzogs im Zaum zu halten und jedem Tumult vorzubeugen. Zugleich besetzte man alle Thore der Stadt Eger und jeden Zugang zum Friedländischen Schlosse, das an den Markt stieß, mit einer zahlreichen und zuverlässigen Mannschaft, daß der Herzog weder entkommen, noch Hilfe von außen erhalten konnte.

Bevor man aber zur Ausführung schritt, wurde von den Verschwornen auf der Burg noch eine lange Beratschlagung gehalten, ob man ihn wirklich ermorden oder sich nicht lieber begnügen sollte, ihn gefangen zu nehmen. Bespritzt mit Blut und gleichsam auf den Leichen seiner erschlagenen Genossen, schauderten diese wilden Seelen zurück vor der Gräuelthat, ein so merkwürdiges Leben zu enden. Sie sahen ihn, den Führer in der Schlacht, in seinen glücklichen Tagen, umgeben von seiner siegenden Armee, im vollen Glanz seiner Herrschergröße; und noch einmal ergriff die langgewohnte Furcht ihre zagenden Herzen. Doch bald erstickt die Vorstellung der dringenden Gefahr diese flüchtige Regung. Man erinnert sich der Drohungen, welche Neumann und Illo bei der Tafel ausgestoßen, man sieht die Sachsen und Schweden schon in der Nähe von Eger mit einer furchtbaren Armee und keine Rettung als in dem schleunigen Untergange des Verräthers. Es bleibt also bei dem ersten Entschluß, und der schon bereit gehaltene Mörder, Hauptmann Deveroux, ein Irländer, erhält den blutigen Befehl.

Wahrend daß jene Drei auf der Burg von Eger sein Schicksal bestimmten, beschäftigte sich Wallenstein in einer Unterredung mit Seni, es in den Sternen zu lesen. »Die Gefahr ist noch nicht vorüber,« sagte der Astrolog mit prophetischem Geiste. »Sie ist es,« sagte der Herzog, der an dem Himmel selbst seinen Willen wollte durchgesetzt haben. »Aber daß du mit nächstem wirst in den Kerker geworfen werden,« fuhr er mit gleich prophetischem Geist fort, »das, Freund Seni, steht in den Sternen geschrieben.« Der Astrolog hatte sich beurlaubt, und Wallenstein war zu Bette, als Hauptmann Deveroux mit sechs Hellebardierern vor seiner Wohnung erschien und von der Wache, der es nichts Außerordentliches war, ihn zu einer ungewöhnlichen Zeit bei dem General aus- und eingehen zu sehen, ohne Schwierigkeit eingelassen wurde. Ein Page, der ihm auf der Treppe begegnet und Lärm machen will, wird mit einer Pike durchstochen. In dem Vorzimmer stoßen die Mörder auf einen Kammerdiener, der aus dem Schlafgemach seines Herrn tritt und den Schlüssel zu demselben so eben abgezogen hat. Den Finger auf den Mund legend, bedeutet sie der erschrockne Sklav, keinen Lärm zu machen, weil der Herzog eben eingeschlafen sei. »Freund,« ruft Deveroux ihn an, »jetzt ist es Zeit, zu lärmen!« Unter diesen Worten rennt er gegen die verschlossene Thüre, die auch von innen verriegelt ist, und sprengt sie mit einem Fußtritte.

Wallenstein war durch den Knall, den eine losgehende Flinte erregte, aus dem ersten Schlaf aufgepocht worden und ans Fenster gesprungen, um der Wache zu rufen. In diesem Augenblick hörte er aus den Fenstern des anstoßenden Gebäudes das Heulen und Wehklagen der Gräfinnen Terzky und Kinsky, die so eben von dem gewaltsamen Tod ihrer Männer benachrichtigt worden. Ehe er Zeit hatte, diesem schrecklichen Vorfalle nachzudenken, stand Deveroux mit seinen Mordgehilfen im Zimmer. Er war noch im bloßen Hemde, wie er aus dem Bette gesprungen war, zunächst an dem Fenster an einen Tisch gelehnt. »Bist du der Schelm,« schreit Deveroux ihn an, »der des Kaisers Volk zu dem Feind überführen und Seiner Majestät die Krone vom Haupte herunter reißen will? Jetzt mußt du sterben.« Er hält einige Augenblicke inne, als ob er eine Antwort erwartete; aber Ueberraschung und Trotz verschließen Wallensteins Mund. Die Arme weit auseinander breitend, empfängt er vorn in der Brust den tödtlichen Stoß der Partisane und fällt dahin in seinem Blut, ohne einen Laut auszustoßen.

Den Tag darauf langt ein Expresser von dem Herzog von Lauenburg an, der die nahe Ankunft dieses Prinzen berichtet. Man versichert sich seiner Person, und ein anderer Lakai wird in Friedländischer Livree an den Herzog abgeschickt, ihn nach Eger zu locken. Die List gelingt, und Franz Albert überliefert sich selbst den Händen der Feinde. Wenig fehlte, daß Herzog Bernhard von Weimar, der schon auf der Reise nach Eger begriffen war, nicht ein ähnliches Schicksal erfahren hätte. Zum Glück erhielt er von Wallensteins Untergang noch früh genug Nachricht, um sich durch einen zeitigen Rückzug der Gefahr zu entreißen. Ferdinand weihte dem Schicksale seines Generals eine Thräne und ließ für die Ermordeten zu Wien dreitausend Seelmessen lesen; zugleich aber vergaß er nicht, die Mörder mit goldenen Gnadenketten, Kammerherrnschlüsseln, Dignitäten und Rittergütern zu belohnen.

So endigte Wallenstein in einem Alter von fünfzig Jahren sein thatenreiches und außerordentliches Leben; durch Ehrgeiz emporgehoben, durch Ehrsucht gestürzt, bei allen seinen Mängeln noch groß und bewundernswerth, unübertrefflich, wenn er Maß gehalten hätte. Die Tugenden des Herrschers und Helden, Klugheit, Gerechtigkeit, Festigkeit und Muth, ragen in seinem Charakter kolossalisch hervor; aber ihm fehlten die sanftern Tugenden des Menschen, die den Helden zieren und dem Herrscher Liebe erwerben. Furcht war der Talisman, durch den er wirkte; ausschweifend im Strafen wie im Belohnen, wußte er den Eifer seiner Untergebenen in immerwährender Spannung zu erhalten, und gehorcht zu sein wie er, konnte kein Feldherr in mittlern und neuern Zeiten sich rühmen. Mehr als Tapferkeit galt ihm die Unterwürfigkeit gegen seine Befehle, weil durch jene nur der Soldat, durch diese der Feldherr handelt. Er übte die Folgsamkeit der Truppen durch eigensinnige Verordnungen und belohnte die Willigkeit, ihm zu gehorchen, auch in Kleinigkeiten mit Verschwendung, weil erden Gehorsam höher als den Gegenstand schätzte. Einsmals ließ er bei Lebensstrafe verbieten, daß in der ganzen Armee keine andere als rothe Feldbinden getragen werden sollten. Ein Rittmeister hatte diesen Befehl kaum vernommen, als er seine mit Gold durchwirkte Feldbinde abnahm und mit Füßen trat. Wallenstein, dem man es hinterbrachte, machte ihn auf der Stelle zum Obersten. Stets war sein Blick auf das Ganze gerichtet, und bei allem Scheine der Willkür verlor er doch nie den Grundsatz der Zweckmäßigkeit aus den Augen. Die Räubereien der Soldaten in Freundes Land hatten geschärfte Verordnungen gegen die Marodeurs veranlaßt, und der Strang war jedem gedroht, den man auf einem Diebstahl betreten würde. Da geschah es, daß Wallenstein selbst einem Soldaten auf dem Felde begegnete, den er ununtersucht als einen Uebertreter des Gesetzes ergreifen ließ und mit dem gewöhnlichen Donnerwort, gegen welches keine Einwendung stattfand: »Laßt die Bestie hängen!« zum Galgen verdammte. Der Soldat betheuert und beweist seine Unschuld – aber die unwiderrufliche Sentenz ist heraus. »So hänge man dich unschuldig,« sagte der Unmenschliche; »desto gewisser wird der Schuldige zittern.« Schon macht man die Anstalten, diesen Befehl zu vollziehen, als der Soldat, der sich ohne Rettung verloren sieht, den verzweifelten Entschluß faßt, nicht ohne Rache zu sterben. Wüthend fällt er seinen Richter an, wird aber, ehe er seinen Vorsatz ausführen kann, von der überlegenen Anzahl entwaffnet. »Jetzt laßt ihn laufen,« sagte der Herzog, »es wird Schrecken genug erregen.« – Seine Freigebigkeit wurde durch unermeßliche Einkünfte unterstützt, welche jährlich auf drei Millionen geschätzt wurden, die ungeheuern Summen nicht gerechnet, die er unter dem Namen von Brandschatzungen zu erpressen wußte. Sein freier Sinn und heller Verstand erhob ihn über die Religionsvorurtheile seines Jahrhunderts, und die Jesuiten vergaben es ihm nie, daß er ihr System durchschaute und in dem Papste nichts als einen römischen Bischof sah.

Aber wie schon seit Samuels des Propheten Tagen Keiner, der sich mit der Kirche entzweite, ein glückliches Ende nahm, so vermehrte auch Wallenstein die Zahl ihrer Opfer. Durch Mönchsintriguen verlor er zu Regensburg den Commandostab und zu Eger das Leben; durch mönchische Künste verlor er vielleicht, was mehr war als beides, seinen ehrlichen Namen und seinen guten Ruf vor der Nachwelt. Denn endlich muß man zur Steuer der Gerechtigkeit gestehen, daß es nicht ganz treue Federn sind, die uns die Geschichte dieses außerordentlichen Mannes überliefert haben; daß die Verrätherei des Herzogs und sein Entwurf auf die böhmische Krone sich auf keine streng bewiesene Thatsache, bloß auf wahrscheinliche Vermuthungen gründen. Noch hat sich das Dokument nicht gefunden, das uns die geheimen Triebfedern seines Handelns mit historischer Zuverlässigkeit aufdeckte, und unter seinen öffentlichen, allgemein beglaubigten Thaten ist keine, die nicht endlich aus einer unschuldigen Quelle könnte gegossen sein. Viele seiner getadeltsten Schritte beweisen bloß seine ernstliche Neigung zum Frieden; die meisten andern erklärt und entschuldigt das gerechte Mißtrauen gegen den Kaiser und das verzeihliche Bestreben, seine Wichtigkeit zu behaupten. Zwar zeugt sein Betragen gegen den Kurfürsten von Bayern von einer unedeln Rachsucht und einem unversöhnlichen Geiste; aber keine seiner Thaten berechtigt uns, ihn der Verrätherei für überwiesen zu halten. Wenn endlich Noth und Verzweiflung ihn antreiben, das Urtheil wirklich zu verdienen, das gegen den Unschuldigen gefällt war, so kann dieses dem Urtheil selbst nicht zur Rechtfertigung gereichen. So fiel Wallenstein, nicht weil er Rebell war, sondern er rebellierte, weil er fiel. Ein Unglück für den Lebenden, daß er eine siegende Partei sich zum Feinde gemacht hatte – ein Unglück für den Todten, daß ihn dieser Feind überlebte und seine Geschichte schrieb.


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