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Gedanken über Malerei.

Die Malerei ist die erste Kunst, welche Gestalten und demnach auch wahre Gegenstände hat. Die Musik in ihrer höchsten Bedeutung drückt nur das Werden der Dinge, die ewige Einbildung der Einheit in die Vielheit aus. Die Malerei stellt schon gewordene Dinge dar. Eben deshalb muß bei ihr vorzüglich von den Gegenständen die Rede sein, denn der Gegenstand bezeichnet hier auch zugleich die Stufe der Kunst selbst.

Alle Stufen lassen sich nach dem verschiedenen Verhältnis des Lichts zu den körperlichen Dingen bestimmen. Es gibt drei entgegengesetzte Kategorien oder Bestimmungen des Lichts in bezug auf die Dinge. Es ist äußerlich, unbeweglich, unorganisch, oder es ist innerlich, beweglich, organisch. Zwischen diesen beiden Extremen liegen alle möglichen Verhältnisse des Lichts.

Die tiefste Stufe ist die, wo ganz unorganische Gegenstände ohne inneres Leben, ohne bewegliche Farbe dargestellt werden. Es kann hier das malerische Prinzip sich höchstens in der Anordnung offenbaren, kraft welcher die Dinge, ohne eben in der Unordnung zu sein, doch in einer angenehmen zufälligen Nachlässigkeit sich befinden, welche Gelegenheit gibt, sie in Verkürzungen, wechselseitig durcheinander bedeckt, durch Schatten und gegenseitige Reflexe nuanciert darzustellen. Man nennt solche Darstellungen Stilleben, und so untergeordnet sie sind, weiß ich doch nicht, ob man sie nicht als eine Art symbolischer Gemälde betrachten soll, da sie auf etwas Höheres hindeuten, indem sie die Spuren eines Handelns und Daseins ausdrücken, welches nicht mit dargestellt ist. Wenigstens kann der einzige Reiz und das Poetische dieser Art von Bildern bloß darin bestehen, daß sie uns den Geist desjenigen ahnden läßt, der diese Anordnung gemacht hat.

Eine Art von poetischen Stilleben ist in einer Szene von Goethes Faust ausgedrückt, wo dieser auf Margaretens Zimmer ist und den Geist der Ordnung, der Zufriedenheit und die Fülle in der Armut darin schildert.

Die zweite Stufe der Darstellung wäre die von solchen Gegenständen, wo die Farbe äußerlich und zwar organisch, aber doch unbeweglich ist. Dies die Blumen- und Fruchtmalerei. Es ist nicht zu leugnen, daß Blumen und Früchte in ihrer Frischheit lebendig sind, und daß mit ihnen eine konkrete Malerei möglich ist. Allein von der andern Seite kann diese Art der Darstellung doch wieder nur im allegorischen oder symbolischen Gebrauch einen Kunstwert haben. Die Farben sind an sich symbolisch, ein natürlicher Instinkt hat sie zu Symbolen der Hoffnung, der Sehnsucht, der Liebe usw. erhoben. Inwiefern Blumen diese Farben in natürlicher Einfachheit darstellen, sind sie an sich schon eines Charakters fähig, und in der Anordnung derselben kann ein einfältiges Gemüt sein ruhiges Inneres ausdrücken. Inwiefern es möglich wäre, in die Anordnung von Blumen so viel Bedeutendes zu legen, daß wirklich ein innerer Zustand darin erkennbar wäre, wäre diese Art von Bildern zur Allegorie geeignet.

Die dritte Stufe wäre Darstellung der Farbe, sofern sie beweglich, organisch, aber doch bloß äußerlich ist. Dies ist der Fall mit der Tiermalerei. Beweglich, teils inwiefern überhaupt lebendige Geschöpfe ein Vermögen der Selbstbewegung und der Veränderung in sich haben, teils inwiefern die unbedeckten Teile der Tiere, z. B. das Auge, wirklich ein bewegliches lebendiges Feuer haben. Allein dabei bleibt die Farbe doch immer noch eine äußerliche, weil an den Tieren das Fleisch als solches nicht erscheint, und die Darstellung also sich auf die Abbildung ihrer farbigen Bedeckungen, ihrer Bewegungen, und bei den gewaltigeren Naturen unter den Tieren auf Abbildung des Funkelns ihrer Augen und des darin ausgedrückten Zustandes sich beschränken muß.

Die tierische Natur überhaupt und einzelne tierische Leiber sind an sich von symbolischer Bedeutung, die Natur selbst wird in ihnen symbolisch. Tierstücke können also nur entweder durch das Herausheben der symbolischen Bedeutung der Gestalten durch kräftige Darstellung oder nur durch eine höhere Beziehung einigen Kunstwert haben. Einige holländische Maler sind bis zu Darstellung von Hühnerhöfen heruntergegangen. Wenn eine solche Schilderei noch einigermaßen toleriert wird, so ist es, weil auch ein Hühnerhof auf das Innere eines Hauses, die Armut oder den Reichtum des Besitzers kann schließen lassen. Höhere Beziehung und Bedeutung erhalten Tierstücke, wo Tiere wirklich in Handlung und im Kampf entweder untereinander oder mit Menschen dargestellt werden. Die tiefste Not des historischen Gemäldes bezeichnen die Jagdstücke.

Die folgende Kunststufe ist die, wo das Licht äußerlich unorganisch, aber beweglich, und insofern lebendig ist. Diese die Landschaftsmalerei. In dieser Gattung wird außer dem Gegenstand, dem Körper, das Licht selbst als solches zum Gegenstand. Diese Gattung bedarf nicht nur des Raums zu ihrem Gemälde, sondern sie geht ausdrücklich sogar auf Darstellung des Raums als solchen aus. Die Gegenstände der zuvorgenannten Gattungen sind, so untergeordnet sie in anderer Rücksicht sein mögen, doch an und für sich selbst bedeutend: von ihnen ist eine wahrhaft objektive Darstellung möglich. In der Landschaftsmalerei ist überall nur subjektive Darstellung möglich, denn die Landschaft hat nur im Auge des Betrachters Realität. Die Landschaftsmalerei geht notwendig auf die empirische Wahrheit, und das Höchste, was sie vermag, ist, diese selbst wieder als eine Hülle zu gebrauchen, durch die sie eine höhere Art der Wahrheit durchscheinen läßt. Aber eben nur die Hülle wird dargestellt, der wahre Gegenstand, die Idee, bleibt gestaltlos, und es ist von dem Betrachter abhängig gemacht, sie aus dem duftigen und formlosen Wesen herauszufinden. Es ist nicht zu leugnen, daß Verhältnisse des allgemeinen Lichts zu einem ausgebreiteten Ganzen von Gegenständen, je nachdem es offenbarer oder verhüllter, stärker und unterschiedener, oder schwächer und gleichsam schwimmender über der Natur liegt, gewisse Zustände der Seele hervorrufen, auf eine indirekte Weise Ideen, oder vielmehr nur Geister von Ideen wecken, und nicht selten vor unsern Augen den Schleier hinwegheben, der uns die unsichtbare Welt bedeckt. Allein alle Anschauung dieser Art fällt ins Subjekt zurück. Wir sehen, daß je dürftiger die Poesie einer Nation, sie desto mehr sich zu diesem formlosen Wesen hinneigt. Welche Gelegenheit in Homer, Landschaften zu schildern, und doch keine Spur davon! Dagegen sind die Gesänge des Ossian voll von Schildereien der Nebelwelt und der formlosen Natur, die ihn umgab. Die Schönheit einer Landschaft hängt von so vielen Zufälligkeiten ab, daß es schwer, ja unmöglich ist, ihr in der Kunst diejenige Notwendigkeit zu geben, welche z. B. jede organische Gestalt in sich trägt. Es sind nicht innere, sondern äußere und gewaltsame Ursachen, welche die Form, den Abhang der Berge und die Schweifungen der Täler bestimmen. Gesetzt, ein Künstler besitze so tiefe Kenntnis der Erde, daß er in der Landschaft selbst, die er vor uns ausgebreitet darstellt, uns zugleich die Gründe und Gesetze ihrer Bildung, den Lauf des Flusses, der die Berge und Täler formiert, oder die Gewalt des unterirdischen Feuers darzustellen weiß, welches zugleich die Zerstörung und die Ströme der Üppigkeit über eine Gegend ausgießt, gesetzt, er wisse dies alles darzustellen, so bleibt doch selbst der Moment des Lichts, den er wählt, der Grad der Erleuchtung oder Dämpfung, der auf dem Ganzen liegt, eine Zufälligkeit, und da es eigentlich diese ist, die er darstellt und zum Gegenstand macht (da sie in den andern Gattungen ausdrücklich nur als Akzidens des Gegenstandes erscheint), da er also überhaupt das, was bloß zum Schein gehört, als unabhängig behandelt und selbständig darstellt, so ist er dadurch einer nicht zu überwindenden Zufälligkeit unterworfen, und er kehrt in der Malerei selbst gewissermaßen zu der tieferen Stufe, der formlosen Kunst, zurück.

Die Zeichnung ist in der Landschaftsmalerei als solcher eigentlich gar nicht anzutreffen; alles beruht in ihr auf den Künsten der Luftperspektive, als auf der ganz empirischen Art des Helldunkels.

Die Landschaftsmalerei ist daher als eine durchaus empirische Kunstart zu betrachten. Die Einheit, welche in einem Werk derselben liegen kann, fällt selbst wieder in das Subjekt zurück; es ist die Einheit einer Stimmung, welche die Gewalt des Lichts und seines wundervollen Kampfes mit dem Schatten und der Nacht in der allgemeinen Natur in uns hervorbringt. – Das Gefühl der objektiven Bedeutungslosigkeit der Landschaft hat den Maler vermocht, ihr eine objektivere Bedeutung durch Belebung mit Menschen zu geben. Es versteht sich, daß dies immer das Untergeordnete ist, so wie den höheren Formen der Kunst der wahre Künstler es verschmähen wird, seinem Bilde noch durch die Zutat einer Landschaft Reize geben zu wollen, da der vollkommen genügende Gegenstand für ihn die menschliche Gestalt in ihrer hohen Bedeutung und unendlichen Bedeutsamkeit ist. In dem angenommenen Fall, wo die Landschaftsmalerei ihre Schildereien mit Menschen belebt, muß doch eine Notwendig in ihr Verhältnis zu denselben gebracht werden. Schon der Anblick einer Landschaft, besonders aber die Farbe des Himmels, belehrt vom Klima, da die nördliche Welt gegen die Heiterkeit des südlichen Himmels wie in dumpfer Nacht brütet, und läßt das geübte Auge auf die Formen von Menschen schließen, die sie bewohnen. Die Menschen in der Landschaft müssen daher entweder als gleichsam auf der Stelle gewachsen, als Autochthonen geschildert werden, oder sie müssen auch durch die im Verhältnis zu der Landschaft fremde Art ihres Wesens, Aussehens, ja selbst der Bekleidung, als Fremde, als Wanderer dargestellt werden. Auf diese Weise lassen sich in der Landschaft noch in einem andern Sinn Nähe und Ferme verbinden und die eigentümlichen Gefühle, die auf den Vorstellungen derselben beruhen, hervorrufen.

Die letzte und höchste Stufe der Farbenerscheinung ist die, wo sie als innerlich, organisch, lebendig und beweglich erscheint. Da dies nur in der menschlichen Gestalt vollkommen der Fall ist, so ist diese der letzte und vollkommenste Gegenstand der malerischen Darstellung; mit derselben betritt die Kunst ein Gebiet, in dem eigentlich erst ihre absoluten Erzeugnisse beginnen und ihre wahre Welt sich entfaltet.

Die unterste Stufe ist auch hier die bloße Nachahmung der Natur, und wo diese bezweckt wird und die vollkommene Übereinstimmung des Bildes mit dem Gegenstand beabsichtigt ist, entsteht das Porträt. Über den Kunstwert oder -unwert des Porträts hat man sich von Zeit zu Zeit gestritten; es scheint aber, daß man sich nur über den Begriff desselben zu verstehen habe, um auch über jenen einig zu sein. Porträt, sagt man, ist sklavische Nachahmung der Natur, und allerdings, wenn man nicht die Kunst überhaupt in bloße Nachahmung setzen und die mikroskopischen Maler, die keinen Porus der Haut übergehen, für die größten erklären will, kann es nach diesem Begriff von Porträt kein Zweifel sein, daß dasselbe einen sehr untergeordneten Rang einnehme. Versteht man aber unter Porträt eine solche Schilderung, die, indem sie die Natur nachahmt, zugleich die Dolmetscherin ihrer Bedeutung wird, das Innere der Gestalt herauskehrt und sichtbar macht, so wird man den bedeutenden Kunstwerk eines Porträts allerdings anerkennen müssen. Das Porträtieren als Kunst würde dann freilich vorzugsweise auf solche Gegenstände eingeschränkt werden müssen, denen wirklich eine symbolische Bedeutung abzusehen ist, und bei denen man sehen kann, daß die Natur einen vernünftigen Entwurf und gleichsam den Zweck, eine Idee auszudrücken, befolgt habe. Die wahre Kunst des Porträts würde darin bestehen, die auf die einzelnen Bewegungen und Momente des Lebens zerstreute Idee des Menschen in einen Moment zusammenzufassen und auf diese Weise zu machen, daß das Porträt, indem es von der einen Seite durch Kunst veredelt ist, von der andern dem Menschen, d. h. der Idee des Menschen, ähnlicher sei, als er sich selbst in den einzelnen Momenten. Plinius Hist. nat. IV, 2 erzählt von dem Euphranor, daß er ein Bild des Paris gemalt (welches freilich kein Porträt war) von der Art, daß man in ihm zugleich den Richter der drei Göttinnen, den Entführer der Helena und denjenigen, der den Achill erlegte, erblicken konnte. Diese Darstellung des ganzen Menschen in den einzelnen Erscheinungen wäre die höchste, obgleich, wie man wohl sieht, schwierigste Aufgabe des Porträts. – In Ansehung der Frage, ob die Person in Ruhe oder in Handlung dargestellt werden solle, ist es offenbar, daß, da jede mögliche Handlung die Allseitigkeit eines Bildes aufhebt und den Menschen im Moment fixiert, in der Regel die größtmögliche Ruhe vorzuziehen sei. Die einzige erlaubte Ausnahme findet da statt, wo die Handlung so mit dem Wesen des Menschen eins ist, daß sie wiederum zur Charakteristik von ihm gehört. Z. B. einen Tonkünstler in der Handlung seiner Kunst vorzustellen, würde darum vorzüglicher sein, als einen Dichter etwa mit der Feder in der Hand, weil das musikalische Talent isolierender und mit dem Wesen dessen, der es besitzt, am meisten verwebt ist. Sonst ist die Forderung, welche das Porträt notwendig zu erfüllen hat, die höchste Wahrheit; nur daß sie nicht im Kleinen und bloß Empirischen gesucht werde. Von dieser Art sind denn die Bilder der alten, vorzüglich unserer deutschen Maler, Holbeins z. B., dessen eines, in Dresden zu sehendes Bild, welches einen Bürgermeister zu Basel mit seiner Familie vorstellt, indem er die heil. Jungfrau anbetet, gewiß niemand ohne Bewegung sehen wird nicht nur (um dies im Vorbeigehen zu bemerken), weil er in diesem, wie in andern ähnlichen Bildern, den echten alten deutschen Stil, der dem italienischen bei weitem näher ist als dem niederländischen und den Keim eines Höheren in sich trägt, der ohne die besonderen unglücklichen Verhängnisse Deutschlands auch sicher sich entfaltet haben würde, erkennen kann, sondern auch, weil dieses Bild eine sittliche Bedeutung hat und so wie alle von demselben Stil die gute alte Zeit, die strenge Zucht, den Ernst und die Frömmigkeit derselben dem Betrachtenden zurückruft.

Ich bemerke noch, daß die vorzüglichsten historischen Maler Leonardo da Vinci, Correggio, Raphael sämtlich Porträts gemalt haben, ja es ist bekannt, daß Raphael in manchen seiner unabhängigen Kompositionen wirkliche Porträts angebracht hat.

Wir gehen endlich zu der letzten Kunststufe der Malerei über.

Das höchste Bestreben des Geistes ist, Ideen hervorzubringen, die über das Materielle und Endliche erhaben sind. »Die Idee der Schönheit«, sagt Winckelmann, »ist wie ein aus der Materie durchs Feuer gezogener Geist, welcher sich suchet ein Geschöpf zu zeugen nach dem Ebenbilde der in dem Verstande der Gottheit entworfenen ersten vernünftigen Kreatur.«

Wir haben zu bestimmen, welche Mittel in der Malerei liegen, diesem Streben Genüge zu tun und die Ideen darzustellen.

Da die bildende Kunst überhaupt Darstellung des Allgemeinen durch das Besondere ist, so sind ihr auch nur zwei Möglichkeiten gegeben, durch welche sie die Ideen erreichen und in wirklicher und sichtbarer Gestalt darstellen kann. Entweder daß sie das Allgemeine durch das Besondere bedeuten läßt, oder daß dieses, indem es jenes bedeutet, zugleich es selbst ist. Die erste Art der Darstellung ist die allegorische, die andere die symbolische (nach den Erklärungen, die davon schon früher gegeben wurden).

Ich werde hier noch einiges von der Allegorie überhaupt nachtragen und dann insbesondere von der Allegorie in der Malerei reden.

Die Allegorie kann überhaupt einer allgemeinen Sprache verglichen werden, die nicht, wie die besonderen Sprachen, auf willkürlichen, sondern auf natürlichen und objektiv gültigen Zeichen beruht. Sie ist Bedeutung der Ideen durch wirkliche, konkrete Bilder, und demnach die Sprache der Kunst und der bildenden insbesondere, welche, da sie nach dem Ausdruck eines Alten eine stumme Dichtkunst ist, ihre Gedanken persönlich gleichsam, durch Gestalten, vorstellen lassen muß. Der strenge Begriff der Allegorie aber, den wir auch hier voraussetzen, ist, daß das, was dargestellt wird, etwas anderes als sich selbst bedeute, etwas anzeige, das verschieden von ihm ist.

Die Allegorie ist, wie von der Sprache, ebenso auch von der Hieroglyphe verschieden. Denn auch diese ist nicht nur überhaupt willkürlich und nicht notwendig an den wesentlichen Zusammenhang dessen, was bedeutet werden soll, und dessen, wodurch, gebunden, sondern sie ist auch noch überdies mehr eine Sache des Bedürfnisses als der höheren Absicht, die auf Schönheit an und für sich gerichtet ist; daher es für die Hieroglyphe genug ist, wenn sie die Sache nur überhaupt, gleichviel ob auf eine schöne oder widrige Weise, andeutet. Von der Allegorie dagegen wird gefordert, dass jedes Zeichen oder Bild nicht bloß auf allegorische Weise mit dem Gegenstand verknüpft sei, sondern daß es mit Freiheit und Absicht auf das Schöne entworfen und ausgeführt sei. Die Natur ist selbst allegorisch in allen denjenigen Wesen, denen sie den unendlichen Begriff von ihnen selbst nicht als Lebensprinzip und Prinzip der Selbständigkeit einverleibt hat. So ist die Blume, deren Farbe die innere Natur oder die Intention der Natur, oder, was dasselbe ist, die Idee nur andeutet, wahrhaft allegorisch. Sonst hat sich auch darin der Instinkt zur Allegorie gezeigt, daß der Grund aller Sprachen, vorzüglich aber der ältesten Völker, ein allegorischer ist. Wie wären, um nur etwas ganz Allgemeines anzuführen, die Menschen je darauf gefallen, die Dinge in der Sprache nach dem Geschlechte zu sondern (eine Sonderung, die durch alle nicht vorzüglich unpoetischen Sprachen geht), ohne allegorische und gleichsam persönliche Vorbilder dieser Dinge zu haben?

Daß nun aber Malerei insbesondere allegorisch ist, davon liegt der Grund in ihrer Natur selbst, da sie nämlich noch nicht die wahrhaft symbolische Kunst ist, und wenn sie nicht zu dieser, wie in der höchsten Kunstgattung, sich erhebt, das Allgemeine nur durch das Besondere bedeuten kann. In Ansehung der Allegorie in der Malerei sind aber zwei Fälle wohl zu unterscheiden. Sie wird entweder bloß als Zugabe eines im übrigen historischen Gemäldes gebraucht, oder die ganze Erfindung und Komposition ist selbst allegorisch. Das Erste ist immer fehlerhaft, wenn nicht die allegorischen Wesen, welche eingemischt werden, selbst eine historische Bedeutung in dem Gemälde haben können. Wenn z. B. auf einer sogenannten Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, wo die heilige Jungfrau mit dem Kind unter einem Baume, auf das Kind herabsehend und es zugleich fächelnd, ruht, auf den Zweigen Engel vorgestellt sind, so sind diese hier wirklich als historische Gegenstände anzusehen. Oder wenn auf einem Gemälde des Albani, das den Raub der Helena vorstellt, Venus die Helena aus dem Hause des Menelaus an der Hand führt, und im Hintergrund Liebesgötter dargestellt sind, die sich dieses Vorfalls freuen, so treten auch diese hier als historische Wesen ein. Wenn dagegen auf einem Bilde, das den Tod eines modernen Königs vorstellt, auf dessen Sterbebette vielleicht sogar die Reichsinsignien liegen, an einer Seite desselben der Genius mit der gesenkten Fackel stünde, so wäre dies ein ganz platter Gebrauch der Allegorie, weil der Genius auf keine Weise in das Gemälde historisch aufgenommen werden kann. Oder wenn Poussin in einem Gemälde, das die Aussetzung Mosis in Ägypten vorstellt, den Nil als Flußgott darstellt, der sein Haupt in den Schilf verbirgt, so ist das letztere eine sehr schöne Allegorie, sofern dadurch angedeutet wird, daß die Quellen des Nils unbekannt seien; wenn aber ferner der kleine Moses diesem Flußgott in die Arme gelegt wird, so hebt diese Allegorie den Sinn des Gemäldes selbst auf, indem niemand dabei sich eine Gefahr vorstellen wird, da das Kind vielmehr der Fürsorge eines sinnigen Gottes als der blinden Gewalt eines vernunftlosen Elements überantwortet wird.

Es gibt also meines Erachtens keine partielle Allegorie im Gemälde, weil dies eine Dissonanz in das Gemälde bringt; und wo ein Wesen, das in anderer Rücksicht als ein allegorisches gedacht werden muß, in einem historischen Gemälde vorkommt, so muß es darin selbst die historische Bedeutung annehmen, so daß das Ganze den Charakter einer mythologischen Darstellung hat.

Desto weiter ist das Feld der Allegorie in dem Gemälde, sofern sie unbeschränkterweise gebraucht wird. Die Allegorie hat hier keine Grenzen als die allgemeinen der Kunst selbst, daß nämlich der Überfluß vermieden und die Idee so einfältig wie möglich dargestellt werde. »Die Einfalt«, sagt Winckelmann Winckelmanns Werke, Ausgabe von Zernow, 1808 ff, 2. Bd., S. 484., »ist in Allegorien wie Gold ohne Zusatz und der Beweis der Güte derselben, weil sie alsdann mit wenigem viel erklären; wo das Gegenteil geschiehet, ist es mehrenteils ein Zeichen undeutlicher und unreifer Begriffe.« Mit der Einfalt zugleich entsteht die Deutlichkeit, die freilich relativ ist, und in der man nicht die allzu große Popularität verlangen muß, wie man etwa ein paar weiße Rüben finden könnte, die Guido Reni einer übrigens sehr schönen büßenden Magdalena mitgegeben hat, um ihre strenge Lebensart anzudeuten. Denn wie hat der Künstler überhaupt nötig, uns daran zu erinnern, daß die büßende Magdalena irdische Nahrung genieße? Die höchste Regel ist aber, wie in aller Kunst, so auch hier, die Schönheit, und daß das rein Gräßliche, Abscheuliche und Widrige vermieden werde. Die wütende Notwendigkeit, wie sie Horatius nennt, die Wut des Krieges bei Virgilius oder die Teufeleien des Milton würden in der Malerei nur mit schlechtem Erfolg ausgeführt werden können. So ist in der St. Peters-Kirche zu Rom ein allegorisches Gemälde, das die Ketzerei zu den Füßen der Heiligen in der häßlichsten Gestalt vorstellt, als ob sie in einer schönen weiblichen Figur vorgestellt in dieser Unterwerfung und Beugung nicht eine viel bessere Wirkung machte.

Die Allegorie in Gemälden kann nun übrigens entweder physisch sein und sich auf Naturgegenstände beziehen, oder moralisch, oder historisch. – Als ein allegorisches Bild der Natur muß man das Bild der Diana mit den vielen Brüsten betrachten, dagegen in der bekannten Vergötterung des Homer die Natur ganz einfach unter dem Bild eines kleinen Kindes vorgestellt ist. – Die Nacht wird mit einem fliegenden Gewand voll Sterne gebildet, der Sommer im Laufen und mit zwei brennenden gerade in die Höhe gehaltenen Fackeln in den Händen. Der Nil und dessen Überschwemmung bis zu 16 Fuß, welches nach der alten Meinung die größte Fruchtbarkeit bedeutet, wurde in ebensoviel Kindern abgebildet, die auf der kolossalen Figur des Flusses saßen.

Ich bemerke, daß die vornehmsten Allegorien der bildenden Kunst, nachdem das Schicksal der Zeit uns die Schätze der alten Malerei entrissen hat, durch die kleineren Denkmäler der Skulptur in geschnittenen Steinen auf uns gekommen sind. Die Plastik legt nicht mit einem Mal die Schranken der Malerei ab, sie behält noch in mehreren Gattungen den Raum als notwendige Zugabe und kann daher, wie die Malerei, in den meisten Hervorbringungen auch nur bedeutend, aber noch nicht wahrhaft symbolisch sein.

Von den moralischen Allegorien ist zu bemerken, daß sie bei den Alten nicht unsern Begriffen angemessen sein können, da von diesen nur die heroischen Tugenden oder jene, welche die Würdigkeit des Menschen erheben, geschätzt, andere aber von ihnen nicht gelehrt noch gesucht wurden. An die Stelle der Geduld und Unterwerfung tritt bei den Alten die Tapferkeit und die männliche, großmütige Tugend, welche kleine Absichten und das Leben selbst verachtet. Von der christlichen Demut war bei den Alten ohnedies kein Begriff anzutreffen. Alle diese passiven Tugenden, wohin auch die Reue, z. B. der Magdalena, gehört, sind nur in den christlichen Bildern zu suchen. Dagegen konnten auch bei den Alten die Werke der Kunst nicht dem Laster geweiht sein, und nur mit großer Einschränkung waren allegorische Vorstellungen davon möglich. Das berühmteste Beispiel davon ist ein Gemälde der Verleumdung von Apelles, dessen Beschreibung Lucian Imag. c. 6. hinterlassen hat. Apelles malte die Verleumdung, da er von einem seiner Kunstgenossen bei Ptolemäos Philostratos als Mitschuldiger einer Verräterei fälschlich angegeben worden war. Auf seinem Gemälde saß zur Rechten eine männliche Figur mit langen Ohren und reichte der Verleumdung die Hand; um diese herum stand die Unwissenheit und der Verdacht. Von der andern Seite trat eine andere Gestalt der Verleumdung herbei, welche eine schöne Figur, aber erbost, aufgebracht war, in der rechten Hand eine brennende Fackel haltend, mit der linken einen Jüngling bei den Haaren herbeiziehend, welcher die Hände zum Himmel erhob und die Götter zu Zeugen anflehte. Vor der Verleumdung her trat ein großer und wie von langer Krankheit ausgezehrter Mann, welcher den Neid vorstellte. Die Begleiterinnen der Verleumdung selbst waren zwei Weiber, welche sie putzten und ihr zuredeten, nämlich die Falschheit und die Hinterlist. Hinterher ging eine andere Figur in schwarzer und zerrissener Kleidung, welche die Scham andeutete, indem sie beschämt und weinend nach der Wahrheit sich umsah.

Andere moralische Eigenschaften wurden durch entferntere Beziehungen angedeutet, wie z. B. die Verschwiegenheit durch die Rose, weil diese die Blume der Liebe ist, welche Verschwiegenheit liebt, oder, wie ein alter Epigrammatist sagt, weil die Liebe dem Harpokrates, dem Gott des Stillschweigens, die Rose gab, damit die Ausschweifungen der Venus möchten verschwiegen bleiben. Daher bei den Alten eine Rose bei Fröhlichkeiten über die Tische aufgehängt wurde zum Zeichen, daß, was gesprochen würde, als unter Freunden geheim bleiben sollte.

Unter die moralischen Allegorien rechne ich alle, welche allgemein menschliche Verhältnisse andeuteten. So wurde das Schicksal vorgestellt durch die Lachesis, welche die Spindel drehend auf einer komischen Larve sitzt und vor sich die tragische stehen hat, um die vermischten Spiele auf der Schaubühne des Lebens anzudeuten. Ein frühzeitiger Tod wurde durch das Bild der Aurora vorgestellt, die ein Kind in den Armen fortträgt.

Vermittels der Allegorie, wie des Sinnbildlichen, kann sich die Malerei bis in die Region des Übersinnlichen erheben. Die Belebung des Körpers durch Einflößung der Seele ist ohne Zweifel einer von den abgesondertsten Begriffen, der aber doch allegorisch-dichterisch versinnlicht ist. Prometheus bildet einen Menschen von Ton, und Minerva hält einen Schmetterling auf den Kopf desselben als Bild der Seele, welches zugleich alle die verschiedenartigen Vorstellungen zusammenfaßt, welche die Metamorphose dieses Geschöpfes erwecken kann.

Die historische Allegorie ist vorzüglich von neueren Künstlern gebraucht, z. B. französischen (Rubens), zur Verherrlichung von Taten ihrer Könige, z. B. das Wiederaufleben einer Stadt durch Begünstigung eines Fürsten auf alten Münzen vorgestellt durch eine weibliche Figur, die durch eine männliche von der Erde aufgehoben wird. Vom höchsten Stil war das Bild des Aristides, welcher das athenische Volk nach seinem ganzen Charakter zugleich als leichtsinnig und ernst, tapfer und feig, klug und unweise darstellte, obgleich man gestehen muß, daß wir uns von diesem keinen deutlichen Begriff machen können.

Nun ist noch vom symbolischen Gemälde zu reden. Da aber hiervon bei der Plastik gesprochen wird, so beschränke ich mich hier auf das Allgemeinste. Symbolisch ist ein Bild, dessen Gegenstand die Idee nicht nur bedeutet, sondern sie selbst ist. Sie sehen von selbst, daß auf diese Weise das symbolische Gemälde ganz mit dem sogenannten historischen zusammenfällt und für dieses selbst die höhere Potenz bezeichnet. Hier sind nun wieder Verschiedenheiten nach den Gegenständen. Diese nämlich können entweder etwas allgemein Menschliches sein, was sich im Leben stets wiederholt und erneuert, oder sie können sich auf ganz geistige und intellektuelle Ideen beziehen. Von letzterer Gattung ist der Parnaß und die Schule von Athen des Raphael, welche die ganze Philosophie sinnbildlich darstellt. – Die vollkommenste symbolische Darstellung aber ist durch bleibende und unabhängige poetische Gestalten einer bestimmten Mythologie gegeben. So bedeutet die heil. Magdalena nicht nur die Reue, sondern ist die lebendige Reue selbst. So ist das Bild der heil. Cäcilia, der Schutzheiligen der Musik, nicht ein allegorisches, sondern ein symbolisches Bild, da es eine von der Bedeutung unabhängige Existenz hat, ohne die Bedeutung zu verlieren. So das Bild Christi, weil es die ganz einzige Identität der göttlichen und menschlichen Natur anschaulich darstellt. Ebenso ist das Bild der Madonna mit dem Kinde ein symbolisches Bild. Das symbolische Bild setzt eine Idee als vorausgehend voraus, die symbolisch wird dadurch, daß sie historisch-objektiv, auf unabhängige Weise anschaulich wird. Wie nun die Idee dadurch, daß sie historische Bedeutung erhält, symbolisch wird, so kann umgekehrt das Historische nur dadurch, daß es mit der Idee verbunden und Ausdruck der Idee wird, ein symbolisches Bild werden, und so kommen wir damit auf den eigentlichen und höchsten Begriff des historischen Gemäldes, unter dem man insgemein alles zu begreifen pflegt, was wir bisher als allegorisch und symbolisch bezeichnet haben. Nach unsrer Erklärung ist das Historische selbst nur eine Art des Symbolischen.

Die Historie ist ohne Zweifel der vornehmste Gegenstand der Malerei, da hier das Unterscheidende von Göttern und Menschen, den würdigsten Gegenständen der malerischen Darstellung, zugleich im Handeln erkannt wird. Allein die bloße Darstellung einer Handlung an und für sich würde die Malerei nie zu dem Range erheben, den in der Poesie die Tragödie oder das Heldengedicht hat. Jede mögliche Geschichte ist an und für sich ein einzelnes Faktum, welches demnach zur Kunstdarstellung nur dadurch erhoben wird, daß es zugleich bedeutend und wo möglich Ausdruck von Ideen, allgemein bedeutend, wird. Aristoteles sagt, Homer habe lieber das Unmögliche, welches wahrscheinlich ist, als das bloß Mögliche darstellen wollen; man fordert mit Recht dasselbe von dem Gemälde, daß es sich nämlich über das gemeinhin Mögliche erhebe und eine höhere und absolute Möglichkeit zum Maßstab der Darstellung nehme.

Das historische Gemälde, sagten wir, könne Darstellung von Ideen, also symbolisch sein teils in dem Ausdruck, welcher den einzelnen Gestalten gegeben wird, teils in der Art des Geschehens der Begebenheit, welche vorgestellt wird. Was das Erste betrifft, so gewährt nichts Befriedigung, was bloß die Sinne rührt und nicht in das Innere des Geistes dringt. Die bloße Schönheit der Umrisse vollendet das Bedeutende nicht ohne tieferen Hintergrund, der nicht gleich beim ersten Blicke erforscht wird. Eine ernsthafte Schönheit läßt niemals völlig satt und zufrieden gehen, weil man immer noch Schöneres und Tieferes an ihr entdecken zu können glaubt. Von dieser Art sind die Schönheiten des Raphael und der alten Meister, »nicht spielend und liebreizend,« wie Winckelmann sagt, »aber wohlgebildet und erfüllet mit einer wahrhaften und ursprünglichen Schönheit«. Durch Reizungen dieser Art ist Kleopatra durch alle Zeiten berühmt geworden, und selbst in das Antlitz des Antonius haben die Alten diesen würdigen Ernst gelegt.

Es gibt also eine Würde und Höhe des Ausdrucks, die noch über die Schönheit des Umrisses hinzukommt, oder diesen erst wirklich bedeutend macht. Eine Veredlung der gemeinen Natur fordert man auch von dem Porträtmaler, und er kann diese erreichen, ohne der Ähnlichkeit zu schaden, d. h. ohne daß er aufhört Nachahmer zu sein. Das, was immer und notwendig erfunden ist, ist die Idee, und diese, wenn von ihr in dem Bilde ein Ausdruck ist, kann sogar dem Porträt durch höheren Reiz das Symbolische geben.

Was die Art des Darstellens der Begebenheiten selbst betrifft, so ist die höchste Norm, wie überall, so auch hier, daß die Kunst uns die Formen einer höheren Welt und die Dinge, wie sie in dieser geschehen, darzustellen hat. Das Reich der Ideen ist das Reich der adäquaten und klaren Vorstellungen, wie das Reich der Erscheinung das der unangemessenen, dunklen und verworrenen. In dem Reich der Erscheinung trennt sich Form und Stoff, Tätigkeit und Sein. Im Reich des Absoluten ist beides eins, die höchste Ruhe ist die höchste Tätigkeit, und umgekehrt. Alle diese Charaktere müssen übergehen in das, was Abdruck des Absoluten sein will. Wir würden sie schwerlich anders bezeichnen, als wie sie längst Winckelmann bezeichnet hat, der Vater aller Wissenschaft von der Kunst, dessen Ansichten noch jetzt die höchsten sind und es immer bleiben werden. Das Adäquate und Vollkommene der Vorstellungen drückt sich in dem Gegenstand durch dasjenige aus, was Winckelmann die edle Einfalt nennt, sowie jene ruhige Macht, die, um als Macht zu erscheinen, nicht nötig hat, aus dem Gleichgewicht ihres Daseins zu weichen, das ist, was Winckelmann als die stille Größe bezeichnet hat. Auch hier wieder stehen uns nun die Griechen als Urbilder da. Wie die Tiefe des Meers jederzeit ruhig bleibt, das Oberste mag noch so rasch und bewegt sein, so zeigt der Ausdruck der griechischen Figuren bei allen Leidenschaften eine ruhige und gesetzte Seele. In dem Ausdruck der Schmerzen und der körperlichen Erstarrung selbst sehen wir die Seele siegen und als ein göttliches Licht von unverderblicher Heiterkeit über der Gestalt aufgehen. Eine solche Seele ist in dem Gesichte des Laokoon und in dem ganzen Leibe ausgedrückt (denn nur von der Plastik sind die passenden Beispiele des höchsten symbolischen Stils herzunehmen). »Der Schmerz,« sagt Winckelmann in seiner herrlichen Beschreibung dieses Werks a. a. O. 1. Bd., S. 31 ff., »der Schmerz, welcher sich in allen Muskeln und Sehnen des Körpers entdecket, und den man ganz allein, ohne das Gesicht und andere Teile zu betrachten, an dem schmerzlich eingezogenen Unterleibe beinahe selbst zu empfinden glaubet, dieser Schmerz äußert sich dennoch mit keiner Wut in dem Gesichte und in der ganzen Stellung. Er erhebet kein schreckliches Geschrei, wie Virgil seinen Laokoon beschreibt; die Öffnung des Mundes läßt dies nicht zu, es ist nur ein ängstliches und beklemmtes Seufzen. Der Schmerz des Körpers und die Größe der Seele sind durch den ganzen Bau der Figur mit gleicher Größe ausgeteilet und gleichsam abgewogen. Laokoon leidet, aber er leidet wie des Sophokles Philoktetes; sein Elend gehet uns bis an die Seele, aber wir wünschten, wie dieser große Mann das Elend ertragen zu können.« Diese Beschreibung reicht hin, einzusehen, daß dieser Ausdruck der Seele nichts mehr ist, das aus der Erfahrung genommen, daß es eine über die Natur sich erhebende Idee ist, die der Künstler in sich selbst haben mußte, um sie dem Marmor einzuprägen. Ein gleiches Bild ist das der Niobe mit ihren Töchtern. Diese, auf welche Diana die tödlichen Pfeile richtet, sind in der unbeschreiblichen Angst mit übertäubter Empfindung geschildert, wo die Erstarrung selbst die Ruhe und jene hohe Gleichgültigkeit zurückbringt, die sich mit der Schönheit am meisten verträgt und keine Züge der Gestalt und der Bildung ändert.

Wir können nach diesen Betrachtungen alle Erfordernisse des Gemäldes im symbolischen Stil wieder auf das einzige zurückbringen, daß alles der Schönheit untergeordnet sei, denn diese ist immer symbolisch. Der bildende Künstler ist in Ansehung seiner Gegenstände ganz an die Gestalt gewiesen, da er diese allein ausdrücken kann. Der Dichter, welcher nicht Gestalten für Anschauung aufstellt, beleidigt die Schönheit nicht notwendig wenn er auch in der Leidenschaft zum Heftigeren geht, der bildende Künstler aber, nur an die Anschauung gewiesen, ist in dem Fall, die Schönheit notwendig zu beleidigen, wenn er sich nicht auf einen gewissen Grad des Ausdrucks der Leidenschaften einschränkt: allerdings der plastische Künstler noch mehr als der malende, teils weil diesem viele Mittel der Milderung durch Licht und Schatten zu Gebot stehen, die jenem nicht, teils weil von der andern Seite alles Plastische eine größere Gewalt der Wirklichkeit war. Die Einschränkung jener strengen Forderungen, welche an die Plastik gemacht werden müssen, in bezug auf Malerei ergeben sich übrigens auch schon daraus, daß sie, auch bloß allegorisch, nicht aufhört Kunst zu sein, und daß sie, einmal mit dem Schein sich vermengend, auch mit dem Empirischen kecker als die Skulptur sich verbinden kann, – freieres Spiel hat.

In allen heftigeren Bewegungen der Seele entstellen sich die Züge wie die Haltung des Körpers und alle Formen der Schönheit. Die Stille ist der der Schönheit eigentümliche Zustand, wie die Ruhe dem ungestörten Meere. Nur in der Ruhe kann die. menschliche Gestalt überhaupt und das Gesicht der Spiegel der Idee sein. Auch hierin deutet die Schönheit auf Einheit und Indifferenz als ihr wahres Wesen hin.

Das Gegenteil dieses ruhigen und großen Stils nannten die Alten Parenthyrsos, welcher einen gemeinen Stil erzeugt, dein nichts als das Ungewöhnliche in Stellungen und Handlungen, ein freches Feuer, die heftigen, flüchtigen und schreienden Gegensätze, genügen. Dieses Verwirrende der Darstellung hervorzubringen, sind die meisten artistischen Regeln der neueren Theoretiker über die Komposition und das, was sie den Kontrastoff nennen, erfunden. Dafür ist in den Werken dieses Stils alles in Bewegung, man befindet sich, wie Winckelmann sagt, unter den Gegenständen derselben, wie in einer Gesellschaft, worin alle zugleich reden wollen.

Die Ruhe in der Größe und jenes höhere Symbolische des historischen Gemäldes, das es als Ausdruck der Ideen erhält, hat vor allen andern neueren Meistern Raphael erreicht. Nur demjenigen, der den Sinn dafür in sich gebildet hat, wird in der Ruhe und Stille der Hauptfiguren seines Gemäldes, welche andern leblos scheinen mögen, die höchste Schönheit aufgehen. Von dieser Art ist sein Bild des Attila, auf welchem der Moment dargestellt ist, wie der römische Bischof diesen Eroberer zum Rückzug bewegt. Alles, was in diesem Bilde von erhabener Natur ist, der Papst und seine Begleiter, wie die beiden vom Himmel her schwebenden Apostel, Petrus und Paulus, ist in jenem Sinn der Ruhe gedacht. Der Papst erscheint in der stillen Sicherheit eines ehrwürdigen Mannes, der einen Aufruhr durch seine bloße Gegenwart stillt. Die Apostel erscheinen ohne gewaltsame Bewegung drohend und erschreckend. Im Attila ist Schrecken wahrzunehmen, und jener Ruhe und Stille der würdigeren Stelle steht die Unruhe und Bewegung auf der andern Seite entgegen, wo zum Abmarsch geblasen wird, und alles voll Verwirrung und Bestürzung sich zum Rückzug wendet. Überhaupt ist Raphael von seiten der Höhe der Erfindung der einzig Größte, und wenn wir im vorhergehenden in Ansehung jeder der besonderen Kunstformen einen als den überwiegenden auszeichneten, in der Zeichnung den Michel Angelo, im Helldunkel Correggio, im Kolorit Tizian, so müssen wir von Raphael behaupten, daß er alle diese Formen im Gleichgewicht besessen, und demnach der wahrhaft göttliche Priester der neueren Kunst ist. Den Michel Angelo trieb die Macht seines Geistes in der Zeichnung unwiderstehlich und fast ausschließlich zum Gewaltsamen, Starken und Schrecklichen; nur in solchen Gegenständen konnte die wahre Tiefe seiner Kunst sichtbar werden. Den Correggio beschränkte seine große Kunst im Helldunkel im Zarten, Sanften und Gefälligen wieder in Ansehung der Gegenstände; er bedurfte derjenigen, welche vorzugsweise die Ausübung des ersten begünstigen, und welche die Weichheit der Umrisse, das Schmeichelnde der Formen verstatten. Endlich war Tizian, als der höchste Meister im Kolorit, damit am meisten auf die Wahrheit und die Nachahmung eingeschränkt. In der Seele des Raphael ruhten alle diese Formen im gleichen Gewicht, Maß und Ziel, und da er keiner besonderen verbunden war, blieb sein Geist für die höhere Invention frei, sowie für die wahre Erkenntnis des Charakters der Alten, die er, der einzige unter den Neueren, bis zu einem gewissen Punkte erreicht hat. Seine Fruchtbarkeit führt ihn doch nie über die Grenze des Notwendigen, und in aller Milde seines Gemüts bleibt doch die Strenge seines Geistes bestehen. Er verschmäht das Überflüssige, wirkt mit dem Einfachsten das Größte, und haucht damit seinen Werken ein solches objektives Leben ein, daß sie ganz in sich selbst bestehend, sich aus sich selbst entwickelnd und mit Notwendigkeit erzeugend erscheinen. Daher, obgleich er sich über das gemeinhin Mögliche erhebt, doch die Wahrscheinlichkeit seiner Werke; daher in ihrer Übernatürlichkeit doch wieder die höchste, in Unschuld übergehende Natürlichkeit, jenes letzte Kennzeichen der Kunst.

Bisher war von der Kunst des historischen Gemäldes rein als solcher die Rede. Es ist nötig, daß wir noch von den Gegenständen des historischen Gemäldes handeln. – Vorzüglich kommt dabei eine Frage in Betracht, welche nicht nur die Liebhaber, sondern selbst Kenner interessiert hat: durch welche in der Kunst selbst liegende Mittel es möglich sei, einen Gegenstand malerisch so darzustellen, daß er als dieser erkannt werde. Man setzt nämlich bei dieser Frage voraus, daß die Hauptsache im historischen Gemälde die wirkliche, empirische Erkennbarkeit des Gegenstandes sei: allein dies kann wenigstens nicht auf irgendeine Weise zum Gesetz gemacht werden, weil, sobald es allgemein gedacht wird, die Forderung selbst ungereimt ist. Wer z. B. in dem oben angeführten Gemälde des Raphael den römischen Bischof nicht nur so weit als nötig ist diesen allgemeinen Charakter zu wissen, sondern auch persönlich als den, der so oder so geheißen hat, bezeichnet wissen wollte, der müßte die Sitte der alten Maler, ihren Figuren Zettel aus dem Munde herausgehen zu lassen, worauf ihre Bedeutung geschrieben stand, für die zweckmäßigste erklären. Die Forderung ein Gemälde bis zur empirischen Wirklichkeit zu begreifen, muß also immer eingeschränkt bleiben, und das Symbolische des historischen Gemäldes erhebt schon von selbst über diesen Gesichtspunkt. Wir würden von der Schönheit der Gruppe des Laokoon nichts verlieren, wenn wir auch nicht durch Plinius und Virgilius von dem Namen des Leidenden unterrichtet wären. Die Grundforderung ist nur, daß der Gegenstand an und für sich selbst vollkommen und klar erkennbar sei. Ist das Gemälde seinem eigentlichen Gegenstande nach symbolisch, so gehört es schon von selbst zu einem gewissen mythologischen Kreis, dessen Kenntnis auf eine allgemeingültige Weise vorausgesetzt wird. Ist es der ersten Intention nach historisch, so stehen eben der malerischen Darstellung Mittel genug zu Gebot, Zeitalter und Nation zu bezeichnen. Nicht eben allein durch das, was man Beobachtung des Kostüms in der Kleidung nennt, das bei antiken Gegenständen freilich darum nicht verletzt werden darf, weil es mit zu der Schönheit gehört. Allein auch in einem Gemälde, das neuere Gegenstände vorstellt, müssen sich unabhängig von Kleidung, z. B. bei nackten Figuren oder bei einem nicht eben die Zeit charakterisierenden Kostüm Mittel genug finden lassen, die Zeit zu bezeichnen. In der Schlacht des Konstantin von Raphael würde ohne alle andern Merkmale das Zeichen des Kreuzes hinreichen, zu belehren, daß eine Begebenheit aus der Geschichte des Christentums vorgestellt werde. Von denjenigen Gegenständen, die nicht durch wahrhaft künstlerische Mittel bezeichnet werden können, kann man zum voraus mit Gewißheit sagen, daß sie der künstlerischen Darstellung überhaupt nicht wert seien. Wenn z. B. Künstler eines neueren Staates angewiesen sind, vorzüglich edle Handlungen aus der vaterländischen Geschichte darzustellen, so ist die geforderte Nationalität (= Nicht-Universalität) ebenso sonderbar als die Forderung, die Sittlichkeit der Handlungen zu malen – und dann mögen die Soldaten auch immerhin noch in preußischen Uniformen gemalt werden. Wir müssen uns hier dessen erinnern, was in der Untersuchung über Mythologie bemerkt wurde, daß, da uns eine universelle Mythologie fehlt, jeder Künstler sich aus dem vorliegenden Stoff der Zeit eine spezielle Mythologie schaffen kann. Daß er von der Geschichte nichts aufnehme, was nicht in demjenigen Kreis der Historie liegt, den man als allgemeingültig annehmen kann, ist etwas, worauf er noch aus viel höheren Gründen als der bloßen Besorgnis unverstanden zu bleiben eingeschränkt ist.

Außer den allgemeineren Bedingungen der Verständlichkeit des historischen Gemäldes kann aber noch die besondere hinzukommen, daß eine Begebenheit durch eine vorhergehende bedingt ist, die zu ihrem Verständnis notwendig erfordert wird. Für erste kann man auch in dieser Rücksicht zweifeln, ob eine Begebenheit, die der künstlerischen Darstellung wert ist, nicht von sich selbst so prägnant sei, daß man in der Gegenwart wenigstens die nächste Vergangenheit erblickt, wie z. B. in der Gruppe des Laokoon niemand darüber zweifelhaft sein kann. Wer sich hierzu unfähig fühlt, dem wäre wieder ein Mittel älterer Maler zu empfehlen, welche frühere Momente der Geschichte im Hintergrund darstellen und den Helden derselben auf einem und demselben Bilde mehrmals vorkommen lassen. Ein anderer Fall noch wäre, wenn eine darzustellende Begebenheit auf mehrere weiter entfernte Begebenheiten notwendig zurückwiese, und sie zu ihrem Verständnis forderte. Ich glaube auch hieran zweifeln zu müssen, obgleich, wenn diese Forderung wirklich existieren könnte, man allerdings sich auf den Vorschlag zurückziehen müßte, der in den Propyläen geschieht, nämlich den eines Zyklus historischer Darstellungen, einer Reihe von Bildern, die verschiedene Momente einer zusammenhängenden Geschichte fixieren. Man muß dies freilich nicht, wie einige getan haben, zu streng nehmen und die wirkliche absolute Stetigkeit fordern, wozu eine unendliche Reihe von Bildern nicht hinreichen würde.

Das Prinzip, aus welchem diese ganze Untersuchung über Verständlichkeit historischer Gemälde zu entscheiden ist, ist ohne allen Zweifel dieses: die historische Kenntnis der Begebenheit, welche dargestellt wird, nach allen ihren gegenwärtigen und vergangenen Bedingungen trägt zum Genüsse des Kunstwerks bei, allein diese Art des Genusses selbst liegt außer dem Kreis der Beabsichtigung des Künstlers. Sein Werk muß den Reiz nicht erst von diesem fremdartigem Interesse entlehnen. Viele Bildungen auf alten Kunstwerken sind unverständlich gewesen, man hat sie nachher durch gelehrten Fleiß entziffert; viele sind es noch, und sie verlieren dadurch nichts an der wahrhaft künstlerischen Schönheit.

Es ist gleich unrichtig, zu fordern, daß im Gemälde selbst alle Anleitung zum empirisch-historischen Verständnisse desselben gegeben sei, und der Maler für uns gleichsam ein Lehrer der Geschichte werde, und hinwiederum das Gemälde zwar davon freizusprechen, dagegen von dem Beschauer die gelehrte Kenntnis zu fordern. Das letztere ist darum fehlerhaft, a) weil man nicht weiß, wo man mit dieser Gelehrsamkeit anfangen, und wo man enden soll, b) weil man die empirisch-historische Verständlichkeit dabei als etwas Wesentliches gelten läßt, und ihre Bedingung doch in etwas Zufälliges, nämlich die Kenntnis des Betrachters legt.

Das Gemälde hat nur die innern Forderungen zu erfüllen, wahr, schön, ausdrucksvoll und allgemein bedeutend zu sein, so daß es des zufälligen Reizes, selbst von der Kenntnis der besonderen empirischen Begebenheit, die es vorstellt, allenfalls entbehren kann. Ebenso fehlerhaft von seiten der Kunst ist es der Gelehrsamkeit als der Ungelehrsamkeit zu schmeicheln. Wer sich getrieben fühlt, der Kunst recht zu genießen und auch diesen höheren Anteil seines Gemüts an einer bekannten Begebenheit nicht aufzugeben, mag selbst sehen, wie er sich in den Stand setzt, diese stumme Dichtkunst, die immer und notwendig entweder allegorisch oder symbolisch bleibt, auch von ihrer historischen Seite zu verstehen. Sein Gemüt wird dadurch mehr bewegt werden, die künstlerische Anschauung aber nichts gewinnen, was sie nicht auch ohne jene Kenntnis hätte erlangen können.

Wir haben die Malerei bis zu ihrer äußersten Höhe der historisch-symbolischen Darstellung begleitet. Wie aber alles Menschliche, sobald in einer Richtung der Gipfel erreicht, sich sogleich auch von der anderen Seite wieder herunterneigt, so ist auch die Malerei diesem Schicksal nicht entgangen. Kurze Zeit nach Erreichung der höchsten Kunst und auf dem Schauplatz selbst der herrlichsten Denkmäler derselben bildete sich die fremdartigste Ausartung des Geschmacks in der Gattung, welche das historische Gemälde zum Niedrigen und Gemeinen herunterzieht, der Bambocciade. Den Ursprung gab ihr der Niederländer Peter Laar, genannt il Bamboccio, der im Anfang des siebzehnten Jahrhunderts nach Rom kam und sich durch seine Possen, die ein glänzendes Kolorit und ein frecher Pinselstrich auszeichnete, so großen Beifall erwarb, daß diese bald allgemeiner Geschmack und von den Großen ebensosehr begünstigt wurde, als zuvor die echte Kunst begünstigt worden war. Man muß gestehen, daß die ersten Bamboccianten es an kunstvoller Behandlung nicht fehlen ließen, und ihr Gegensatz zu den ernsthaft-gemeinen niederländischen Gemälden war, daß jene sich selbst nur als Parodien der großen Kunst betrachteten. Die notwendige Forderung an den, der mit seiner Kunst scherzen will, ist, daß er die Meisterschaft in hohem Grade besitze. Die Verirrung ist freilich noch immer nicht so groß als in der jetzigen Zeit, wo Bambocciaden in der Poesie und andern Künsten ohne Kraft, Wahrheit und Meisterschaft die allgemeinste Wirkung machen. Die Geschichten dieser Geistesepidemien erläutern sich wechselseitig, obgleich freilich, was unsre Zeit in dem niedrigen Fach aufzuweisen hat, gegen die ähnlichen Produkte jener früheren Zeit so weit absticht als diese ganze Zeit gegen jene frühere in Ansehung der Kunst überhaupt. Jene waren im Niedrigen wenigstens meisterhaft, diese sind selbst im Allerniedrigsten nicht einmal zu einem Grad der Meisterschaft gelangt. – Verwerflichkeit Hogarths.

Auf diese Weise hätten wir den ganzen Kreis der malerischen Darstellung, wie er sich von der ersten bloßen Nachahmung toter Gegenstände zum Gipfel erhebt und von da nach der andern Seite wieder zum Gemeinen herabsenkt, durchlaufen.

Ich gebe nun kurz die Sätze die Malerei betreffend an. Der letzte (Zusatz zu § 87) war: »Die besonderen Formen der Einheit, sofern sie in der Malerei zurückkehren, sind Zeichnung, Helldunkel und Kolorit.« ES bedurfte zur Erläuterung dieses Satzes nichts als des allgemeinen Begriffs der drei Einheiten selbst. Die Zeichnung ist hinlänglich dadurch charakterisiert, daß sie als die reale, das Helldunkel dadurch, daß sie als die ganz ideale Form der Malerei bezeichnet wurde. Alle Bestimmungen einer jeden dieser Formen sowie ihr Verhältnis zueinander sind unmittelbar daraus einzusehen. Das Kolorit insbesondere betreffend, so ist es dasjenige, was den Schein und die Wahrheit, das Ideale und Reale ganz indifferentiiert und eins macht. Ich füge daher nur noch die Sätze bei, welche die Gegenstände der Malerei betreffen.

§ 88. Die Malerei hat ihre Gegenstände als Formen der Dinge darzustellen, wie sie in der idealen Einheit vorgebildet sind. – Die Musik hat die realen Formen darzustellen, die Malerei die Dinge, wie sie in der rein idealen Einheit als solcher. Denn sie ergreift nur das rein Ideale der Dinge, und sondert es von dem Realen ganz ab.

Zusatz 1. Die Malerei geht also vorzüglich auf Darstellung von Ideen von der idealen Seite. – Jede Idee hat, wie das Absolute, zwei Seiten, eine reale und eine ideale, oder: sie ist ganz gleich real und ideal, aber im Realen als ein anderes, als ein Sein, nicht als Idee. Die Malerei also, indem sie die Gegenstände vorzugsweise von der idealen Seite darstellt, geht notwendig auf Darstellung der Ideen als solcher.

Zusatz 2. Inwiefern die Malerei alle Gegenstände überhaupt nicht unmittelbar und an sich selbst, sondern nur durch ihr Allgemeines, Ideales bedeutet, ist sie allgemein schematisierend. Auf sich selbst bezogen oder in sich selbst ist sie aber notwendig wieder allegorisch und symbolisch.

Anmerkung. Das Schematisierende ist allgemeines Prinzip der modernen Religion. Daher die Malerei in der neueren Welt vorherrschend. (Warum nicht Plastik?) Die Mutter Gottes von Michelangelo = Juno.

§ 89. Die Malerei ist bloß allegorisch in denjenigen Gegenständen, die nicht um ihrer selbst willen dargestellt werden. – Denn was nicht um seiner selbst willen, bloß um eines andern willen, ist es bedeutend.

Anmerkung. Hierher gehören die untergeordneten Gattungen des Stillebens, der Blumen- und Frucht-, sowie im ganzen auch der Tierstücke. Alle diese Gattungen sind entweder überhaupt keine Kunstgattungen oder von allegorischer Bedeutung. Was Tierstücke insbesondere betrifft, so ist die Natur in der Produktion der Tiere selbst gewissermaßen allegorisch, sie deutet ein Höheres, die menschliche Gestalt an, es sind unvollkommene Versuche, die höchste Totalität zu produzieren. Selbst der Charakter, den sie in das Tier wirklich gelegt hat, spricht sich in ihm nicht vollkommen aus, sondern ist bloß angedeutet und wird erraten. Aber auch der bekannte Charakter des Tiers ist nur eine einseitige Erscheinung des Totalcharakters der Erde, und inwiefern dieser im Menschen mit vollkommensten ausgedrückt ist, des Menschen.

§ 90. Die Malerei ist bloß schematisierend in der Landschaft. – Denn es wird in dieser nicht das wahrhaft Gestaltete, Begrenzte und durch dieses das Unbegrenzte dargestellt, vielmehr wird umgekehrt das Begrenzte hier durch das Unbegrenzte und Formlose angedeutet; das Geformte wird durch die Form symbolisiert, welche formlos. Demnach schematisierend.

§ 91. Die Malerei innerhalb ihrer Grenzen erhebt sich zum Symbolischen, sofern der dargestellte Gegenstand die Idee nicht bloß bedeutet, sondern es selbst ist.

§ 92. Die unterste Gattung des Symbolischen ist, wo sie sich mit dem Symbolischen begnügt, das der natürliche Gegenstand an und für sich selbst hat, d. h. wo sie bloß nachahmt.

Zusatz. Da kein natürlicher Gegenstand außer der menschlichen Gestalt wahrhaft symbolische Bedeutung hat, so ist dieses der Fall des Porträts.

§ 93. Die höhere Stufe des Symbolischen ist, wo das Symbolische der Natur wieder zur Bedingung eines noch höheren Symbolischen gemacht wird. Ist von selbst klar.

§ 94. Wird das Symbolische der Natur nur zur Allegorie der höheren Idee gemacht, so entsteht die Allegorie der höheren Art.

Bemerken Sie hierbei, daß die erste Stufe des Symbolischen hierdurch insofern doch überschritten ist, als jenes schon wieder zur Bedingung oder Form und nicht zum Gegenstand der Darstellung gemacht wird. Ein allegorisches Gemälde in diesem Sinn ist im niedereren Sinne symbolisch, inwiefern es nämlich die menschliche Gestalt in ihrer Schönheit zur Bedingung der Allegorie macht, der höheren Intention nach aber allegorisch.

§ 95. Schlechthin symbolisch ist die Malerei, wenn sie absolute Ideen im besondern so ausdrückt, daß jene und dieses absolut eins sind.

§ 96. Erklärung. Die Malerei als schlechthin symbolisch kann allgemein historisch heißen insofern, als das Symbolische, indem es ein anderes bedeutet, zugleich es selbst ist, und also eine von der Idee unabhängige, historische Existenz an sich hat.

§ 97. Das historische Gemälde ist symbolisch-historisch, wo die Idee das erste ist, und das Symbol erfunden ist, um sie darzustellen.

Beispiele: Das Jüngste Gericht von Michel Angelo, die Schule von Athen und der Parnaß von Raphael.

§ 98. Das Gemälde ist historisch-symbolisch, wo das Symbol oder die Geschichte das erste ist, und diese zum Ausdruck der Idee gemacht wird. – Dies ist das historische Gemälde in der gewöhnlichen Bedeutung.

§ 99. Das Symbolische in dem Gemälde findet in dem Verhältnis statt, in welchem der Ausdruck des Absoluten erreicht ist.

§ 100. Die erste Forderung an das symbolische Gemälde ist daher Adäquatheit der Ideen, Aufhebung des Verworrenen im Konkreten – was Winckelmann die hohe Einfalt genannt hat.

(Bemerken Sie, daß dies nur vom symbolischen Gemälde im höchsten Stil, nicht aber von der Malerei überhaupt und schlechthin betrachtet gesagt ist.)

§ 101. Aus dieser Forderung folgt von selbst, daß Sein und Tätigkeit in dem Gegenstand eins seien. – Denn wenn durch die Tätigkeit im Gegenstand das Sein, durch die Form das Wesen verworren wird, wird die Adäquatheit der Vorstellung aufgehoben. Also gemäßigte Tätigkeit, die das Sein und Gleichgewicht des Wesens nicht aufhebt. – Winckelmanns ruhige Größe.

§ 102. Da die Schönheit das an und für sich und absolut Symbolische ist, so ist Schönheit das höchste Gesetz der malerischen Darstellung.

§ 103. Die Malerei kann das Niedrige darstellen nur, inwiefern es als das Entgegengesetzte der Idee doch wieder Reflex derselben und also das umgekehrt Symbolische ist. – Dieser Satz hat eine allgemeine Gültigkeit für die Darstellung der schönen Kunst überhaupt. Sie kann sich in die Sphäre des Niedrigen nur begeben, inwiefern sie auch in dieser wieder das Ideal erreicht und es völlig umkehrt. Diese Umkehrung ist überhaupt das Wesen des Komischen. In diesem Sinn haben auch die Alten komische und niedrige Darstellungen. Es ist damit, wie mit der allgemeinen Ansicht der Welt, welcher gemäß man sagen kann, daß die Weisheit Gottes am meisten in der Torheit der Menschen objektiv werde. So kann die höchste Weisheit und innere Schönheit des Künstlers sich in der Torheit oder Häßlichkeit desjenigen spiegeln, was er darstellt, und nur in diesem Sinn kann das Häßliche Gegenstand der Kunst werden, indem es durch diesen Reflex gleichsam aufhört, es zu sein.

 

Ende.

 


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