Johann Georg Scheffner
Gedichte
Johann Georg Scheffner

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Erinnerung der Schäferstunden

          Die holde Glut, die selbst Cythere fühlte,
Wenn ihren Hals Adonis' Arm umschlang,
Wenn ihren Busen seine Küsse wärmten
Und sein Reiz unter ihren Händen wuchs;
Die Glut, vor der die jungfräuliche Kälte
Der jagenden Latonenstochter schmolz,
Die ihr beim eingeschlafnen schönen Jüngling
Sanft zurief: »Wachend ist er schöner noch«;
Die Glut, die Amors stärkste Pfeile stählet,
Oft auch zu kühn den Bogen spannt und sprengt,
Die in den Myrtenkranz entzückter Liebe
Das unschätzbarste Reischen künstlich steckt;
Ha, möchte doch die Glut dies Lied begeistern.
O Liebe! Hör des Jünglings heißes Flehn,
Des Jünglings, der dich zehnfach mehr empfindet
Als einst Adonis und Endymion.
Hör mich, ich sing die Freudenaugenblicke,
Da ich an Chloris' Busen starb
Und aus dem Springbrunn Aphroditens
Ein Nektarstrahl in Chloris' Grotte floß.
Wie in dem Busen aufgeknospter Rosen
Der Morgentau, der an den Blättern hing,
Zusammenfließt und dann im roten Schoße
Geschmolznen Perlen gleich ihr Rot erhöht,
So hingen auch die fruchtbar'n Liebestränen
Hier um der Purpurmuschel weichen Rand
Und an dem seidnen Moos, das sie umschattet,
Und mehrten ihrer Farbe kostbarn Reiz.
Wohltätige, lustreiche Augenblicke,
Die Liebe und die Freude segne euch,
Euch segnete die Unschuld, als mein Mädchen
Aus ihrer Muschel mir die Perle gab.
O Wollust, welch ein unaussprechlich Opfer!
Hat den Altar je reiner's Blut gefärbt?
Stets denkt mein Herz der Unschuld sanfte Röte,
Ihr Zittern und des Opferstahles Wut.
O Chloris, bestes Mädchen, welch' ein Opfer!
Bestürmt, erweicht durch meine Zärtlichkeit
Gabst du dein Kleinod hin. Ich brach das Röschen,
Das jungfräulich im Schatten aufgeblüht.
O feire mit mir, Mädchen, die Minute,
Durch manches helle Tränchen teu'r erkauft,
In ihr schlang Amors Hand den schönen Knoten,
Der unser Wesen heiligt und vereint.
Dem Tage Heil, an dem der kühne Amor
Den ersten Pfeil in deinen Köcher stach
Und von dem selbstgezognen Stamme
Ambrosia im Pfirsicherstling brach.
Heil dir, o Tag, da ich den ganzen Umfang
Von deiner Tugend sah, da mich dein Aug'
Und seiner feinen Bogen seltne Schönheit
Zu seufzen zwang: »O wäre Chloris dein!«
Heil dir, o Tag, da ich zuerst dich küßte
Und deines Busens Rosenknöspchen sah,
Da ich des Heiligtums Altar berührte,
Mit nie entweihten Locken tändelte.
Heil dir, o Tag, da ich der Wangen Purpur
Und Chloris' Herz im Auge schmachten sah,
Da bei der Zunge kitzelnder Berührung
Von Amors Traubenhügel Balsam floß!
Heil dir, o Tag, sei Grazien und Musen,
Cytheren selbst, ein ewig Myrtenfest,
Denn Amor sang: Triumph, Triumph! und kränzte
Sich sechsmal am Altar mit Siegeslaub.
Feir', Mädchen, ihn, den Tag, da du aus Liebe
Dich ganz zum Eigentum mir zärtlich gabst.
Er war des innigsten Vertrauens Ursprung,
Sein Angedenken labt den Trennungsschmerz.
O, Mädchen! Ha, wie kochten meine Adern,
Wenn deine weiche kleine Zauberhand
Cupidos Szepter sanft verschämt berührte
Und er von Wollust wuchs und überfloß –
O könnt ich doch den kostbarn Rausch beschreiben,
Den ich zu deinen Füßen oft gefühlt,
Wenn jeder neid'sche Vorhang aufgezogen
Und jeder Sinn entzückt befriedigt ward.
Ha, welche Schätze blend'ten dann die Sinne,
Der seidnen lock'gen Haare Wohlgeruch,
Der Milchsaft in der Muschel feinsten Falten
Wie Rosen unter Lilien gemischt.
Wie zärtlich küßt' ich nicht die schöne Rose!
Mein Mund sog Wollust für das Herz aus ihr.
Wie freut' ich mich, wenn alles nach dem Kelche
Der balsaminbetauten Blätter roch.
Wie dahlt' ich nicht mit nachbarlichen Hügeln,
Von Venus' Hand mit Atlas überkleid't,
Die tausend buhlerischen Mädchen Busen
An Form und feiner Farbe übergehn.
Der Busenknospen Ebenbild, ein Purpurfleckchen,
Küßt ich zum neuen Schmuck einst jedem auf,
Bei ihrem Anblick atmete ich Wollust,
Auch ihre Grotte war mein Heiligtum.
Vom Wollustnektar, übern Rand der Muschel
Zurücke rieselnd fruchtbar übertaut,
Wuchs laubichter das heilige Gebüsche
Und streute in die Gegend stärkern Duft.
Auf diese wollustreichen kostbarn Hügel
Gelehnt erwart ich dich, geliebter Schlaf,
Besuche einst mich da und bring durch Träume
Die wachend schon genoss'ne Lust zurück.
Und wenn ich dann von dir gestärkt erwache,
Dann küß ich erst, mein Lieblingsnischchen, dich
Und wage dann, mit neuer Kraft gerüstet,
Den Wettlauf um den Preis im Mädchenschoß.
Sie hilft dann ihres Helden Lanze führen
Und macht den Sieg süß, herrlich und gewiß.
Wie wird er nach dem Sieg das Ziel anstaunen
Und froh entzückt die offne Wunde sehn.
Dann, einz'ges Mädchen, trocknen meine Lippen
Den Schaum von deinen Rosenlippen ab,
Dem Liebling trocknen ihn die duft'gen Sträucher
Des Hügels überm Kampfplatz zärtlich ab.
O Liebe! O wie wirst du uns begeistern!
Wie himmlisch schön wird unser Glück durch dich,
Wenn unsre Seelen ineinander fließen,
Sei jeder heiße Kuß dir eine Hymne!

 


 


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