Johann Georg Scheffner
Gedichte
Johann Georg Scheffner

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Ein lehrreicher Traum von Amor

        Der Liebesgott, geschmückt mit allen Reizen,
Erschien mir heut im leichten Morgentraum,
An seiner Hand ein loses braunes Mädchen.
»Da«, sprach er, »nimm die blühende Brünette,
Küß sie und drück sie fest in deine Arme,«
Ich tat es, und wir sanken auf das Sofa.
Wie schalkhaft lächelte der kleine Amor,
Als er, gleich Wolken, die die Sonne decken,
Den Vorhang von dem Sitz der Wollust hob.
»Sieh her, dies ist der freudenreiche Becher,
In den einst Bacchus bei Ariadne
Den Nektar groß und einen Rausch sich trank.
Betrachte dieses lockige Gewebe,
Der Venusgürtel ist von solchen Fäden,
Betracht des Laubwerks Kunst um diesen Becher
Und atme seine Balsamdüfte ein,
So groß ist nicht die Kunst der heil'gen Schale,
In welcher Hebe dort und Ganymed
Uns Göttern des Olymps den Nektar reichen.
Füll den Pokal, den Grazien einst schufen,
Zu dem sie Rosen mit Granaten mischten
Und den die Neuheit doppelt kostbar macht.
Füll ihn, wie Zeus ihn Danaen einst füllte,
Als er im goldnen Regen sie gewann,
Und sei dabei entzückt wie Jupiter.
Dies ist«, hier wies er seinen kleinen Szepter,
»Der Heber, der die wundertät'gen Säfte
Wollüstig eintrinkt und dann aus sich spritzt.
Leg ihn nur an den Rand der Nektarschale,
Er wird sich bald mit ihr vertraut vereinigen
Und weißer Schaum wird ihn und sie umziehn.
Füll lang, beglückter Jüngling, Chloens Becher,
Er öffne sich, wenn du dich durstig näherst,
Wie Rosen, wenn sich West und Sonne nahn,
Und wenn du g'nug aus diesem Kelch getrunken,
Dann küß zur Stärkung Chloens Schwanenbusen
Und trinke Wein aus ihrer hohlen Hand.«

 


 


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